Überflüssige bei Minister Clement in Bonn

Weckdienst 16.11.2005 13:25 Themen: Soziale Kämpfe
Heute um 5 Uhr in der Frühe wurde es laut vor dem Haus von Wolfgang Clement am Baumgarten 9 in Bonn. Zwanzig ungebetene AußendienstmitstreiterInnen der Überflüssigen überprüften dessen private Wohnverhältnisse und hinterließen im Garten und auf dem Dach zahlreiche Weckalarme.
Wach auf Verdammter dieser Erde ... !
Guten Morgen, hier ist der Weck- und Prüfdienst der Überflüssigen
Wir sind heute hier, angebraust aus Paris, Marseille und Wanne Eickel, um unserer Wut über die sozialrassistische Hetze von Minister Clement Ausdruck zu verleihen.
Egal ob sie Sarkozy, Clement oder sonst wie heißen. Wir lassen uns von den Herrschenden nicht straflos als "Parasiten", "Sozialschmarotzer" oder "Abschaum" bezeichnen. Drehen wir den Spieß um, gehen wir in die Viertel, wo die Verantwortlichen wohnen!

Unser Prüfdienst meldet uns:
"Der Hartz IV Empfänger mit dem Namen Clement wusste sofort, welche Richtung er einzuschlagen hatte, als er frühmorgens im Flur laute Stimmen und den Begriff Prüfdienst hörte. Fluchtartig flitzte Clement in Unterhose aus dem Schlafzimmer Richtung Terassentür. Beim Versuch aufs Garagendach zu klettern, rutschte er aus und konnte vom überflüssigen Prüfhund gebissen werden. Es war dem hungrigen Hund eine große Freude."

Menschen, die zu Unrecht Sozialleistungen bezögen, so das ministerielle Pamphlet, seien schlimmer noch als Parasiten: "Biologen verwenden für Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten- leben, übereinstimmend die Bezeichnung Parasiten." Auch wenn es natürlich "völlig unstatthaft" sei, "Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen", wird darauf verwiesen, dass Sozialbetrug "besonders verwerflich sei", weil "nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert".

Die Überflüssigen verwehren sich jedoch nicht nur gegen derartig faschistoide Stimmungsmache. Die Überflüssigen begrüßen und unterstützen ausdrücklich die steigende Bereitschaft sich trickreich und selbstbewusst ein "aufgebessertes" Arbeitslosengeld II zu nehmen.

Schluss mit der Verarmungspolitik und Ausgrenzung!
Für ein menschenwürdiges Leben!



- Kapitalismus ist überflüssig - Alles für Alle!
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Ergänzungen

Schöne Aktion

ausgefüllt! 16.11.2005 - 16:56
Schöne Aktion - Prüfdienst für die Schweine!

Zum Thema Clemens Hetzbericht gibt´s ne ganz nette Kollumne (taz nrw):

Gottschalk sagt

Ich habe gerade mal den Report "Vorrang für die Anständigen - gegen
Missbrauch, 'Abzocke', und Selbstbedienung im Sozialstaat" aus dem Hause
Clement überflogen, Sie wissen schon, jenen Bericht, in dem von
"Parasiten" die Rede ist. Das Papier ist auf August datiert, um in der
Öffentlichkeit bemerkt zu werden, musste es erstmal letzten Montag zum
"Bild"-Artikel mit demTitel "Die üblen Tricks der Hartz-IV-Schmarotzer"
zusammengekürzt werden. Donnerstag regte sich die taz-nrw pflicht- und
erwartungsgemäß und völlig zurecht darüber auf. Ich hätte als Redakteur
genauso gehandelt und dem Autor die Aufgabe gestellt: "Finde jemanden,
der Nazi sagt!" Der Autor war gut, Gesprächspartner Thomas Münch sagte
es gleich zweimal, 100 Punkte. Die Überschrift "Clements rassistischer
Abgang", war auch nicht schlecht, "Nazi-Wolle gegen Hartz-IV-Parasiten"
in großen, fetten Buchstaben hätte mir noch besser gefallen, hätte aber
vermutlich für rechtliche Verwicklungen gesorgt.

In der Tat handelt der Bericht von menschlichem Elend. Da sind einmal
die Ermittler der Arbeitsagentur, die sich fremder Leute Bettkuhlen und
Wäschekörbe angucken. Zwei Bettkuhlen in einem Bett sprechen für eine
eheähnliche Gemeinschaft. Prüfen sie auch, ob die Bettkuhlen noch warm
sind? Ob es nach Männerfürzen riecht, wo ein Mann im Antrag nicht
angegeben war? Auch der gemischtgeschlechtliche Wäschekorb sagt viel
aus, vor allem über den, der ihn ohne Scham durchsucht.

Dann sind da noch die AutorInnen des Berichts. Eine wohl freie
Journalistin verfasste ihn in Zusammenarbeit mit der Pressestelle, wo in
der Regel ja auch Journalisten arbeiten. Es wurde fröhlich drauflos
geschrieben, als bräuchten sie dringend Arbeitsnachweise für eine
Bewerbung bei der Nationalzeitung: "Biologen verwenden für 'Organismen,
die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen
auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben', übereinstimmend
die Bezeichnung 'Parasiten'. Natürlich ist es völlig unstatthaft,
Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen." Ja stimmt, mehr
als unstatthafft, und warum schreiben sie es dann? Weil sie noch einen
draufsetzen: "Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur
bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert." Also schlimmer.

Autoren, die nicht moralisch völlig verkommen sind, verwenden für
Kollegen, die zeitweise oder dauerhaft auf Kosten des Steuerzahlers und
zur Befriedigung ihrer Konsumbedürfnisse sowie ihres kleinen
opportunistischen Egos eifrig jeden faschistoiden Mist schreiben,
übereinstimmend die Bezeichnung "Arsch". Natürlich ist es völlig
unstatthaft, Begriffe aus der Anatomie auf den ganzen Menschen zu
übertragen, schließlich gibt es auch sehr schöne Ärsche.

So, jetzt habe ich mich aber genug aufgeregt, und ich bin ja nicht der
Einzige, was doch etwas beruhigend ist. Ich würd' mal sagen: Bärbel
Höhn, die Wohfahrtsverbände und ich sind ganz schön sauer. Spätestens,
wenn sich hierzulande keiner mehr über solche Texte aufregt, und wenn
das Wetter so bleibt, werde ich "Sansibar-Gottschalk" und gebe meine
Stütze im sonnigen Süden aus. Dort kann man mit 345 Euro sogar ganz gut
über die Runden kommen. Ich schreibe dann von da meine Kolumne: "Neues
vom Schnorchel-Schmarotzer."

Clement´s "Sozial"-Bericht

ausgefüllt! 17.11.2005 - 02:16
Clement´s Hetzbericht "Vorrang für die Anständigen - gegen Abzocke und Sozialmissbrauch", auf den sich die Bonner Aktion bezieht, ist bei aller Ekalhaftigkeit echt lesenswert. Ganz krasser journalistischer stil (siehe obige Kolumne...)und ein Vorgeschmack auf das, was uns noch blüht.

Das ganze gibt´s zum Lesen unter  http://www.bmwa.bund.de/Arbeitsmarktreform/Redaktion/PDF/report-leistungsmissbrauch,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf

Viele legale Ansprüche gar nicht angemeldet!

Sueddeutsche 17.11.2005 - 12:19
Andere Ministerien, andere Statistiken:
"Eine Kostenexplosion, also einen extrem starken Anstieg des Finanzbedarfs, gibt es nicht. Das bestätigt ein Insider im Regierungslager. Der Hartz-kritische Bremer Arbeitsmarktforscher Paul Schröder will nun ausgerechnet haben, dass ohne die Reform der Staat 2005 insgesamt 43 Milliarden statt heute 42 Milliarden hätte ausgeben müssen, er jetzt also spart.
Doch auch wenn die Kosten tatsächlich gestiegen sein sollten: Auf massenweisen Missbrauch, wie dies Wirtschaftsminister Wolfgang Clement behauptet, geht die Entwicklung nicht zurück. „Objektive Missbrauchszahlen hat niemand“, so Ifo-Forscher Werding.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung hat der Ökonom Hauser 2003 die Dunkelziffer bei der Sozialhilfe untersucht – nicht den Missbrauch, sondern umgekehrt die Fälle, in denen Menschen berechtigte Ansprüche nicht geltend gemacht haben. Solide abgesichert Die Studie ist äußerst solide abgesichert, weil sie sich gleich auf drei verschiedene Quellen stützt, von der Einkommensstichprobe des Statistischen Bundesamts bis zum Sozio-ökonomischen Panel beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Das frappierende Ergebnis: Bei Niedriglöhnern, die aufstockende Sozialhilfe hätten bekommen können, beantragte nur einer von drei Berechtigten tatsächlich Stütze. Bei Arbeitslosen war es einer von zwei Berechtigten. „Das geschah teils aus Scham, teils aus Unkenntnis“, sagt Hauser. Das Arbeitslosengeld II führt nun dazu, dass diese Menschen ihre Ansprüche auch anmelden."
Quelle:  http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/265/63202/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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sauber! — kaffee-junkie