Redaktionscomputer in Saasen gepfändet!

EntERBer 30.10.2005 13:39 Themen: Repression
Skuriler Einsatz in der Projektwerkstatt: Die Redaktionscomputer aus der Layoutwerkstatt wurden mit seltsamen Gründen gepfändet. Dabei kam auch ein aggressiver Polizeihund zum Einsatz. Der und mehrere andere Grünuniformierte an der Leine des Hundes oder drumherum sicherten mehrfache Rechtsbrüche ab, u.a. einen deutlichen Verstoss gegen das Presserecht. Angesichts der skandalösen Gießener Justizverhältnisse ist allerdings kam damit zu rechnen, dass irgendwelche Beteiligten an dieser Attacke Konsequenzen ertragen müssen. Teile der gepfändeten Computerausstattung befinden sich noch in der Hand der Vollstreckungsbehörde.
Skuriler Einsatz in der Projektwerkstatt:
Redaktionscomputer aus Layoutwerkstatt gepfändet

Polizeihundeinsatz sichert mehrfache Rechtsbrüche ab ++ Verstoss gegen Presserecht


Zwei wichtige Rechner der Projektwerkstatt wurden in der vergangenen Woche in einem absurden Einsatz von Zwangsvollstrecker, Polizei und Polizeihund gepfändet. Dabei drangen die Beamten in die Layoutwerkstatt des Hauses ein, der auch als Redaktionsraum von mehreren Medien, z.B. der überregionalen Zeitung „Fragend voran“, zwei Redaktionen des Monatsmagazins „Contraste“ und mehreren Teilredaktionen der Internetseiten „www.projektwerkstatt.de“ genutzt wird. Die Räume waren deutlich gekennzeichnet, zudem trugen alle Computer einen Stempel der Projektwerkstatt. Dem Gerichtsvollzieher und der ihn unterstützenden Polizei waren all das egal. Unter dem Vorwand, private Schulden eines Aktivisten aus dem Umfeld der Projektwerkstatt pfänden zu wollen, nahm er die Rechner mit, u.a. mit den Daten und aktuellen Ausgaben aller genannten Medien. Dabei setzten Beamte der Polizeistation Grünberg einen Polizeihund in der Projektwerkstatt gegen dort anwesende Personen ein.
„Die Rechtsgrundlagen für Beschlagnahme und für den Einsatz des Hundes, mit dem eine Person in einem Raum festgesetzt wurde, sind völlig unklar“, beschwerte sich ein Sprecher des Fördervereins, dem das Haus gehört. „Die Beamten haben gegen das Presserecht und die Zivilprozessordnung verstossen.“
In einer ersten Stellungnahme hat der Verein Protest eingelegt und die Herausgabe der Rechner verlangt. Auch hier übte die Vollstreckungsbehörde beim Landkreis Gießen, die in der Stadt Gießen neben dem Landratsamt untergebracht ist, Schikane aus. Obwohl sich eine Person meldete, die einen der Rechner an die Projektwerkstatt gespendet hatte und dafür auch eine Quittung vorlegte, rückte die Behörde nur den Rechner, nicht aber die mitgepfändeten Kabel, Tastatur, Maus und Bildschirm heraus.
Der Verein und die Betroffenen kündigten neben den Widersprüchen Strafanzeigen gegen die handelnden Personen an: „Wir haben kein Vertrauen in die Giessener Justiz, die die illegalen Einsätze wie in der Vergangenheit decken wird. Aber wenigstens das können wir dann erneut zeigen, dass das Recht ein Handlungsmittel der Mächtigen ist!“, formulieren Projektwerkstättler ihre Wut über die ständigen Repressionsangriffe auf ihre Räume.




Rechtliche Bewertung

1. GEZ-Forderung: Aufgrund der ordnungsgemäßen Abmeldung ist die Forderung unberechtigt. Es ist bekannt, dass die GEZ eine Eintreibeeinrichtung ist, mit der Kommunikation unmöglich ist und die nur formales Durchziehen kennt.

2. Vollstreckungsstelle: Die Vollstreckungsstelle ist den Hinweisen auf die nicht berechtigte Forderung gar nicht nachgegangen.

3. Der Vollstreckungsbeamte Marcus Erb hat aus seinem eigenen Verständnis heraus eine Durchsuchung von Wohnraum vorgenommen. Nach der Rechtssprechung muss er für diese, wenn sich „ohne Einwilligung“ erfolgt, aber eine richterliche Durchsuchungsanordnung besitzen (ZPO § 758a). Diese hatte er nicht, sein Vermerk im Protokoll diesbezüglich ist eine Lüge. Damit ist die Maßnahme rechtswidrig.

4. Die Räume, in denen die Pfändung vorgenommen wurden, waren eindeutig als „Layoutwerkstatt“ und „Redaktionsräume“ mit zwei Schildern an der Tür gekennzeichnet. In diesem Raum befanden sich sieben (!) Rechner mit Peripherie und viele weitere Ausstattungen für redaktionelle Arbeit, Ausstellungsfertigung, Fotoarbeiten usw. Überall hängen Erklärungen, wie die Geräte zu bedienen sind – offensichtlich also erkennbar als öffentlicher Raum. Außerdem waren die Computer auf die Projektwerkstatt eingerichtet („Prowe“) und trugen den Stempel der Projektwerkstatt, die von einem Verein getragen wird, auf dem Gehäuse. Auch alles weiterer drumherum zeigte deutlich, dass es sich hier um Vereinsräume handelte – über einem der beiden Computer befindet sich ein Regal mit den Vereinsunterlagen (Registerauszüge, Jahresabrechnungen, Protokolle usw.), die Rechner hängen am Telefonanschluss, der auf den Verein läuft usw. Eine völlig eindeutige Situation auch, die dem Vollstreckungsbeamten Marcus Erb, der zudem ständig darauf auch hingewiesen wurde, aufgefallen sein muss. Will heißen: Er wusste, dass er die falschen Computer mitnimmt. Das bestätigte er unvorsichtigerweise auch selbst, als er das Widerspruchsrecht von Jörg Bergstedt gegen die Pfändung in vermeintlich oberschlauer Überlegung mit „Sie können keinen Widerspruch einlegen, da Ihnen die Sachen ja nicht gehören“ verneinte. Nachdem er auf die entlarvende Widersprüchlichkeit in seiner Argumentation aufmerksam wurde, zog er die Aussage zurück. Klar aber ist, dass er angesichts des Wissens, dass er keine Computer von Jörg Bergstedt, sondern der Projektwerkstatt und damit deren Fördervereins mitnahmen, in diesem Moment nicht mehr in seiner Funktion, sondern aus persönlichen Interessen u.ä. handelte. Das ist schlicht Raub, nebenbei Hausfriedensbruch und einiges mehr. Zudem macht er sich mit seinem willkürlichen Verhalten klar auch persönlich schadenersatzpflichtig.

5. Das Eindringen in die als „Redaktionsräume“ gekennzeichneten Räume und das Pfänden genau der Computer, die als Redaktionscomputer genutzt werden, ist deutlich ein Verstoß gegen das geltende Presserecht. Die Arbeitsdateien der Redaktion des „bunten.nachrichten.dienst“ lagen in der Tat auf einem der beiden Computer auf der Festplattte.

6. Der Einsatz des Polizeihundes in Verbindung mit der Aufforderung an Patrick Neuhaus, sich nicht mehr zu bewegen und in einer türlosen Ecke des Raumes festzusetzen, erfolgte ohne Rechtsgrundlage und erfüllt damit den Tatbestand der Freiheitsberaubung. Nach dem „Lehr- und Praxiskommentar Strafgesetzbuch“ (Urs Kindhäuser, Nomos-Verlag) schützt das Verbot der Freiheitberaubung „die Freiheit der Willensbetätigung in Bezug auf das Verlassen des gegenwärtigen Aufenthaltsortes“ (Rdnr. 1). Das ist klar erkennbar so gewesen. Ausführender war der Hundeführer seitens der Polizei. Er tat das unter den Augen des deutlich akzeptierenden Dienstvorgesetzten Heinz Frank für der Polizeistation sowie des Vollstreckungsbeamten Marcus Erb, der ebenso deutlich genau diesen Einsatz mit genau diesen Folgen gut hieß, wenn er auch selbst nichts dazu beitrug. Da aber die Polizei von ihm angefordert und für ihn als Hilfe tätig war, muss er ebenso als Täter betrachtet werden.

7. Der Trick, den auf einem Computer sitzenden Jörg Bergstedt zum Holen eines Belegs aufzufordern, um dann gezielt in dessen Abwesenheit heimlich Computerteile wegzuschaffen, kann nur als Arglist bezeichnet werden und ist daher das bewusste Herbeiführen einer Pfändungssituation ohne Zeugen.

8. Marcus Erb nahm mehr Teile an sich als er auf dem Protokoll vermerkte (USB- und Netzwerkkabel).

9. Mindestens fragwürdig, wenn nicht rechtswidrig ist zudem der sofortige Abtransport der Computer. Nach ZPO § 808, Abs. 2 sind „andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere ... im Gewahrsam des Schuldners zu belassen“. Das geschah nicht.



Informationsseiten im Internet:
- Dokumentation der Attacke auf die Projektwerkstatt: www.projektwerkstatt.de/antirepression/vollstrecker
- Absurde Justiz in Gießen: www.justiz-giessen.de.vu
- Dokumentation von Polizei- und Repressionsstrategien in Gießen: www.polizeidoku-giessen.de.vu
- Internetseite der betroffenen Projektwerkstatt: www.projektwerkstatt.de/saasen
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Ergänzungen

Bitte...

Manfred die Mütz 30.10.2005 - 15:33
Bitte, liebe ProjkewertstättlerInnen nehmt euch diesmal einen Anwalt, versucht bitte nicht erneut, das selbst in die Hand zu nehmen.

Ihr schadet Euch nur selbst. Ihr habt nur dann eine reelle Chance die Verantwortlichen für das, was in Giessen läuft und gelaufen ist, dingfest zu machen, wenn ihr das mal einem Profi überlasst.

Man kann den Justizskandal in jedem Fall öffentlich skandalisieren.

"Man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! "

Hat Marx gesagt und er hat recht!

Anwalt?

projektwerkstätti 30.10.2005 - 20:02
Also ... es hat ja in den vergangenen Jahren etliche Prozesse, Durchsuchungen usw. gegen Projektwerkstättis gegeben. Die obige Behauptung suggeriert, als wäre ständig ohne Anwalt agiert worden. Das ist falsch. Es ist mal mit und mal ohne Anwalt agiert worden. Die Ergebnisse sind nur in einem Punkt unterschiedlich: Mit Anwalt hat immer mehr Geld gekostet. Ansonsten gab es mal mit und mal ohne Anwalt Erfolg, meistens aber sowohl mit wie auch ohne nicht.
Hier hat niemand was grundsätzlich gegen Anwaltis. Aber schon etwas dagegen, eine bestimmte Situation als per se besser zu bezeichnen. Anwaltschaft ist Stellvertretung, auch "linke" Anwälte sind erstmal Anwälte, d.h. sie wollen vertreten, müssen im Markt überleben, haben mit Richtis und Staatsanwaltis zusammen studiert ... der RAV, eher die liberalen RA, hat sich kürzlich für die Beibehaltung des Nazi-Gesetzes zur Rechtsberatung ausgesprochen, weil er ein Monopol behalten will usw. Es gilt also immer, in nicht-gleichberechtigten Beziehungen aufmerksam zu nein. Anwältis prinzipiell abzulehnen, wäre daher verkehrt. Aus der Projektwerkstatt heraus ist gerade eine Initiative für eine kritische AnwältInnen-Runde im Raum Gießen entstanden. Das zeigt, dass Vorbehalte gegen Stellvertretung, Aneignung eigenen Wissens und trotzdem Kooperation sich nicht ausschließen. Prinzipiell für Stellvertretung zu plädieren, akzeptiert herrschende Ordnung.

Ganz außerhalb dieser Debatte steht zudem, dass viele Anwältis Projektwerkstättis nicht verteidigen wollen - schließlich riskiert mensch seinen Ruf, wer mit denen, "die man nur als Anarchisten bezeichnen kann" (Zitat CDU-Stadtverordnetenvorsteher Gail) paktiert.

Polizei-Hooligans

Polizei-Runderneuerer 31.10.2005 - 14:35
Das, was die Bullerei am meisten trifft ist, sich mit der ganzen Geschichte so gaaanz ausführlich und detailliert an die kritische Presse und vor allem TV-Redaktionen (z.B. MONITOR) zu wenden.

Ansonsten sollten in einen entsprechenden Bericht im Zusammenhang damit auch die Polizei-/Staats-Angriffe auf andere fortschrittliche Internet-Projekte aufgeführt werden.

Ansonsten: Namen nennen! Gesichter veröffentlichen! Täter brandmarken!

Abner auch die übergeordneten verantwortlichen Stellen an den Pranger stellen!

Daneben sind Strafanzeigen usw. absolut notwendig.

Als Drittes finde ich regionale Aufklärungsaktionen der Gießener Einwohner gut, mit Flugblättern zum Beispiel.

solidarische Grüße

Vollstreckungsbehörde als Villa Kunterbunt

Gießenerin 31.10.2005 - 20:34
Bin gestern am Landratsamt vorbeigefahren, wo die Vollstreckungsstelle in einem Nebengebäude wohl ist. Das sah rundherum so aus wie auf dem Foto. Schlimm schlimm ...

pfändung aufgehoben!!!

weg mit 03.11.2005 - 19:54
Die Pfändung der PCs wurde als fruchtlos erklärt, d.h. der zweite Rechner muss auch wieder zurück ...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Danke... — Manfred die Mütz

@Projektwerkstatt — Realdemokrat

Zerstreiten? — jb

Unglaublich — yup