"Zapfenstreich abblasen" - der Countdown läuft

Milinix 24.10.2005 20:13 Themen: Militarismus
An vielen Orten der BRD und auch in Berlin (West) haben in der Nacht von Sonntag auf Montag militärische Orte ihr Gesicht verändert. Aufmerksame BeobachterInnen entdeckten eingeschlagene Scheiben bei Kreiswehrersatzämtern; leere Sockel, wo vorher Gedenkplatten an gefallene deutsche Soldaten aus Kaiser- oder Nazizeit erinnerten. Manch Denkmal wurde ansprechend umgewidmet...

Besser verständlich werden diese Umgestaltungen durch nachfolgend dokumentierten Text, der sich heute Morgen als Wurfsendung in unserem Briefkasten fand. Solltet auch ihr in eurer Stadt etwas entdeckt haben, nutzt fleißig die Ergänzungsfunktion.

Die Mobilisieung gegen den Zapfenstreich aus Anlass des 50 Geburtstages der Bundeswehr läuft also auf Hochtouren. Mit einem fröhlichen Machs weg machs nach machs besser geht dieser Bericht jetzt in die Dokumentation über:


Die Bundeswehr feiert ihr 50-jähriges Bestehen mit einem großen Knall: Grund genug, einige unserer Gedanken zur staatlich verordneten Militär- und Gedächtnispolitik zu äußern:

Drei Tage vor dem geplanten großen Zapfenstreich der Bundeswehr haben wir solche Äußerungen auch ganz praktisch getätigt: Quer durch die Bundesrepublik und auch in Berlin West haben wir uns mit militärischen (Un)orten auseinandergesetzt: Kriegsdenkmäler abmontiert oder umgestaltet, Kreiswehrersatzämter angegriffen und vieles andere mehr. Für genauere Informationen bitten wir um Beachtung lokaler BekennerInnenschreiben und natürlich aufmerksame Lektüre der regionalen und überregionalen Fachpresse.

Die Bundeswehr braucht solche Ereignisse wie den aktuellen großen Zapfenstreich, das jährliche Gelöbnis am 20. Juli, die in Uniform umsonst fahrenden SoldatInnen, die omnipräsenten Militär- und Heldendenkmale und weitere ritualisierte Bestätigungen zu ihrer Legitimation. Die Zurschaustellung von militärischen Symbolen in der Öffentlichkeit schafft eine Akzeptanz von deutschen Militärs, wie sie noch vor 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Durch den eindeutigen Bezug auf die Verschwörer des 20. Juli, mit all ihren aristokratischen und antidemokratischen Ausprägungen, wird ein Bild der „geläuterten“ Armee erzeugt: Hervorgegangen aus Antifaschisten, um Deutschland zu retten.

Kaum einen Widerspruch sehen die Herrschenden dabei in der ständigen Bezugnahme auf gefallene „Helden“, die für den Kaiser unvorstellbare Gräuel an Nama und Herero in Afrika ausführten, für Hitler in ganz Europa und großen Teilen der Welt wüteten oder aktuell am Volkstrauertag in Halbe auf die Verteidiger Berlins, bestehend aus fanatischen Nazis. Besonders gut illustriert wird diese Tatsache durch die vielen bestehenden Traditions- und Kameradschaftsverbände von Wehrmachtstruppen oder Eliteeinheiten wie Gebirgsjägern. Diese Verbände bestehen nur noch zum teil aus wirklichen ehemaligen Angehörigen dieser oft an Massakern und Erschießungen (z.B. die Gebirgsjäger aus Mittenwald) beteiligten Einheiten. Die restlichen Mitglieder stellen heutige Bundeswehrsoldaten und –offiziere und oft Neonazis. Ein Beispiel für diese gemischte Gedenkkultur aus Soldaten, Konservativen und Neonazis ist die Veranstaltung am Volkstrauertag in Halbe bei Berlin.

Die Bezeichnung der Bundeswehr als „Verteidigungsarmee“ war und ist niemals richtig, da die militärische Infrastruktur, wie z.B. Flughäfen, für verbündete Mächte und ihre Angriffskriege zur Verfügung stand und steht. So eine Bezeichnung war nur möglich durch die arbeitsteilige Einbindung in das im Ganzen sehr wohl aggressive westliche Militärbündnis.

Die BRD und ihre Armee soll nach dem letzten Kanzler (G. Schröder 1998-2005) also eine „Friedensmacht“ sein. Die rot-grüne „Intervention“ im Kosovo (und fast gesamten Balkanraum) 1999, die die Bombardierung nicht-militärischer Ziele beinhaltete, lässt diesen Wunsch als das dastehen, was er ist: eine Verschleierung. Die Kontinuitäten der deutschen Auslandsmilitäreinsätze im 19. und 20. Jahrhundert sollten jedem Menschen auffallen. Die Absicherung von ressourcen- und standortpolitisch als wichtig eingestuften Regionen ist ein Merkmal deutscher auswärtiger Politik. Egal ob es ein deutsches Engagement im Sudan ist, wo die BRD gemeinsam mit den USA eine separatistische Politik des rohstoffreichen Südens vorantreibt, oder die „Polizei- und Sicherungsaufgaben“ der Bundeswehr im Kosovo oder die kürzlich beinahe ohne öffentliche Diskussion oder Zur-Kenntnis-Nahme durchgewunkene Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes, die Losung ist: Deutschlands Freiheit wird (nicht nur, sondern auch) am Hindukusch verteidigt.

Auch der letzte Kanzler, der sich selbst gern als Friedenspolitiker in der Diskussion um einen Angriff der USA im Irak darstellte, hatte lediglich eine neo-imperiale Politik vor Augen, die auf eine Nichtangriffsstrategie setzte und die Profite lieber mit dem Baath-Regime organisiert hätte. Zudem wurden die Angriffe der US-Army durch die BRD infrastrukturell massiv unterstützt. Im Qualitätswandel deutscher Militärpolitik in den letzten 15 Jahren ging es um die Wiederherstellung der militärischen Angriffsfähigkeit auf eigene Rechnung. Da die BRD allein keine bedeutende Militärmacht darstellt, wird gemeinsam mit Frankreich eine Militarisierung der EU vorangetrieben. Diese Entwicklung hat einen ideologischen und einen militärpolitischen Moment, da die BRD jetzt sowohl die Legitimierung als auch die militärischen Möglichkeiten hat, mit den Feinden von gestern gegen die Feinde von morgen vorzugehen.

Dass die BRD ein militarisiertes Land ist, zeigt sich deutlich im Fehlen einer Möglichkeit der totalen Kriegsdienstverweigerung sowie in der geplanten Einbindung des sog. Zivildienstes im sog. Ernst- oder Verteidigungsfall. Selbst wenn die Bundeswehr sich längst auf den Weg von einer Wehrdienstarmee zu einer hoch spezialisierten und –technisierten Einsatztruppe gemacht hat, ist der Grund für die Nichteinziehung von Wehrdienstleistenden lediglich der technokratische: Sie werden gegenwärtig (!) nicht benötigt. Die weitere Ahndung von totaler Kriegsdienstverweigerung ist dem System Militär bzw. Bundeswehr geschuldet: Jegliches Auflehnen gegen Disziplin oder Befehl ist eine Verletzung des Gehorsams und gleichzeitig der Autorität und muss bestraft werden Eigene Knäste, eigene Bullen, eigene Gesetze machen dies sehr deutlich.

Die Bundeswehr ist international eingebunden. Hunderte von Bundeswehroffizieren sind teilweise in führenden Rollen in internationalen Stäben, Krisenräten und ähnlichem vertreten. De Facto unterstützen also bundesdeutsche Offiziere weltweit durch Planung, Rat und Tat die Angriffskriege anderer Mächte. Deutsche Offiziere haben in internationalen Militärstäben einen guten Ruf und sind gefragte Experten. Die dauerhafte Mitarbeit bei Nato, EU und bi- und multilateralen Truppenkontingenten ermöglicht deutschen Militärplanungen den reibungslosen Zugriff auf die militärischen Ressourcen zumindest der kleineren militärischen Partner und die Erfahrungen und Ergebnisse der größeren.

Eine weitere Veränderung der deutschen Militärpolitik stellt der massive Ausbau von Spezial- und Sondereinheiten dar. Mörderbanden wie die KSK aus Calw, die Fallschirmjäger aus dem Saarland, die Gebirgsjäger und Kampftaucher bilden den eigentlich kriegsführungsfähigen und kriegsführenden Teil der Bundeswehr. Diese Einheiten sind seit Jahren in geheimen Einsätzen unterwegs, z.B. in Afghanistan wo sie gegen Taliban-Rebellen vorgehen, wobei Gefangene unter Umgehung aller internationalen Konventionen direkt an US-Streitkräfte übergeben werden. Diese Einheiten operieren unter einem Schweigegelübde, das erstens den konspirativ männerbündischen Charakter unterstreicht und zweitens eine Transparenz der Aktivitäten unmöglich macht. Es gibt keine offiziellen Angaben, wie viele Männer im Einsatz sind, wie viele sterben oder gefangen genommen werden und wie viele Menschen sie töten. Diese moderne Art der Kriegsführung wäre mit einem Freiwilligenheer nicht möglich, dazu braucht es speziell gedrillte Elitesoldaten.


Blockieren – Sabotieren – Ächten ++++ Wiederentwaffnung jetzt ++++ Militärverherrlichung und ihre Kultstätten angreifen ++++ Machs weg, machs nach, machs besser
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Gesehen auf dem Garnisonfriedhof Berlin

Zapfnix 24.10.2005 - 20:57
Auf dem Garnisonfriedhof Berlin (Columbiadamm, gleich neben dem Flughafen Tempelhof) war eine ganze Reihe solcher Umgestaltungen zu entdecken:

So ist das Denkmal für das 1. Garderegiment zu Fuß, der Vorläufer des Wachbatallions, das am Mittwoch beim Bundeswehrzapfenstreich seinen großen Auftritt haben soll, rosarot komplett angepinselt. Weiterhin fehlt ein Gedenkstein, auf dem vorher u.a. gestanden hat: "Den in Afrika gefallenen deutschen Soldaten zum ehrenden Gedenken". Eine neugestaltete Platte erinnert nun an den Mord an den Herero und Nama. Auch an Fallschirmjägerehrenmal / Kameradschaft Berlin haben sich fleißige AntimilitaristInnen zu schaffen gemacht: Statt "Unseren unvergessenen Kameraden der deutschen Wehrmacht zum Gedächtnis 1939-1945" heißt es nun "Spezialeinheiten auflösen! Bundeswehr weg"

Weiteres...

... 24.10.2005 - 21:05
Quelle: inforadio berlin

===============================
Unbekannte haben die Reiterstandbilder am Boulevard Unter den Linden in Berlin-Mitte beschmiert.

Wie die Polizei mitteilte, waren an den Standbildern der beiden Preußengeneräle von Scharnhorst und von Dennewitz mit schwarzer Farbe Beschimpfungen aufgesprüht worden. Die Statue von Friedrich dem Großen wurde mit roten Farbbeuteln beworfen.

Die Polizei vermutet, dass die Schmierereien im Zusammenhang mit dem Großen Zapfenstreich stehen, der für Mittwoch aus Anlass der Bundeswehr-Gründung vor 50 Jahren geplant ist.
=============================

Das sogenannte Sperrgebiet

P. Löbbe-Hausmeister 25.10.2005 - 03:22
Hier eine Grafik, die das umfangreiche militärische Sperrgebiet - "Militärzone" - am 26.10.05 verdeutlicht.

Noch letzte Woche ist ein 20-Jähriger Wehrpflichtiger in Hammelburg/Brandenburg bei einer Gefechtsübung erschossen worden.
(  http://www.osthessen-news.de/beitrag_A.php?id=1119531 )
Die militärische Mordmaschine BW bekämpfen!!!

Gelsenkirchen Buer Ehrenmal beschädigt

Pol Ge 25.10.2005 - 13:37
Gelsenkirchen (ots) - Heute um 11.00 Uhr stellten Zeugen fest,
dass bisher unbekannte Täter das Ehrenmal in Schloss Berge mit
erheblichen Farbschmierereinen beschädigt haben. Die Beschädigungen
sind sehr massiv und an allen Seiten des Ehrenmals feststellbar. Die
Täter haben u.a. "Soldaten sind Mörder" aufgesprayt. Auch der
gepflasterte Bereich um das Ehrenmal herum wurde mit Farbe
beschädigt.

Das östliche Ruhrgebiet war schneller

xy 25.10.2005 - 16:44
Aufgrund der äußeren Umstände hat das östliche Ruhrgebiet ein bißchen früher mit dem Antimilitarismus losgelegt:
Aus gut unterrichteten Quellen wird berichtet das während der 50-Jahr-Jubel-Feier der Bundeswehr in Bochum mehrere PKWs des selbigen Vereins rund um den Festplatz tiefergelegt wurden.

Mittenwald ist überall

Leser 25.10.2005 - 17:38
Gedenkstein mit Farbe beschmiert


16.10.2005 / LOKALAUSGABE / MEINERZHAGEN Westfaelische Rundschau


Valbert. (Ve) "Nur wer die Vergangenheit kennt und aus ihren Fehlern gelernt hat, ist in der Lage, die Zukunft friedlich zu gestalten". Auf dem Koppenkopf fand die 41. Gedenkfeier des Landesverbandes Rheinland-Westfalen der Gebirgsjäger statt.
"Wie jedes Jahr treffen wir uns hier an dem Gedenkstein der Gebirgstruppe, um unseren gefallenen und verstorbenen Kameraden zu gedenken", hieß es in der Begrüßung von Karl Steiger. Auf dem Koppenkopf kamen Angehörige des Landesverbandes Rheinland-Westfalen und Abordnungen anderer Kameradschaften am Sonntagmorgen zusammen. Auch hatten sich zahlreiche heimische Vereine, wie beispielsweise der Schützenverein Valbert, der Löschzug Valbert und die Marinekameradschaft Meinerzhagen, eingefunden.

Der Fahnenmast und der Platz um den Gedenkstein Am Koppenkopf wurden vor dem Treffen hergerichtet. Der Gedenkstein jedoch war zuvor großflächig mit roter Farbe beschmiert worden. "Ich schäme mich dafür", sagte Ortsvorsteher Fred Oehm, bevor er mit seiner eigentlichen Rede begann. "Wir haben kein Recht, über den Einsatz der Gebirgsjäger oder anderer Soldaten zu richten", so Oehm, "wir wissen, dass die hier zu betrauernden Soldaten keine Chance hatten, sich dem Einsatz an der Front zu verweigern". "Vergessene Namen und weiße Flecken darf es in der Geschichte nicht geben", sagte Fred Oehm. Deshalb war es auch das Anliegen aller Anwesenden, die gefallenen Gebirgsjäger nicht zu vergessen. "Das Gedenken gilt jedoch allen Soldaten aller Nationen", fügte Oehm hinzu, "ihre Gräber bleiben namenlos".


"Vergessene Namen darf es nicht geben"



Im Anschluss an die Rede des Ortsvorstehers verliehen Karl Steiger und Kurt Hahn den Abordnungen der Vereine die Fahnenbänder.

Nach der Begrüßung durch Landesobmann Karl Steiger wurde den Toten mit einer Kranzniederlegung gedacht. Der stellvertretende Landesobmann Kurt Hahn ehrte in seiner Rede anschließend die im letzten Jahr verstorbenenen Kameraden des Landesverbands.

Nach den Ehrungen kamen die Anwesenden zum Mittagessen im Gasthof "Hültekanne" zusammen.






Sondernutzungsbereiche

Zapfnixer 25.10.2005 - 17:40
Eine genauere Karte der so genannten Sondernutzungsbereiche ist auf dieser Seite verlinkt:
 http://www.bamm.de/zapfnix/demo.shtml

bordenau

leserin 26.10.2005 - 09:58
laut neue presse hannover vom dienstag:
"..das denkmal des preussischen heeresreformers gerhard von scharnhorst in bordenau ist mit farbbeuteln beworfen worden. staatsschutz und bundeswehr schliessen einen zusammenhang mit den feierlichkeiten zum 50-jährigen bestehen der bundeswehr und zu scharnhorsts 250.Geburtstag am 12. November nicht aus."...

Kriegsdenkmal beschmiert

zeitungsleserin 26.10.2005 - 12:53
"Schönfeld. Unbekannte Täter beschmierten in der Nacht vom Sonntag zu Montag das Ehrenmal von Gefallenen des 1. und 2. Weltkrieges mit gelber Sprühfarbe. Die Kriminalpolizei sicherte am Tatort Spuren. Die Ermittlungen werden aufgenommen."

So sieht's aus

Fotofixessa 31.10.2005 - 22:30
.

So sieht's aus

Fotofixessa 31.10.2005 - 22:32
.

So sieht's aus

Fotofixessa 31.10.2005 - 22:32
.

Auch in Frankfurt am Main

bos 16.11.2005 - 14:21
Frankfurt (Main): Kriegerdenkmal verschönert

 http://de.indymedia.org/2005/11/132644.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 13 Kommentare an

spasibo berlin! — hannover town

Danke... — Friedrich

Spaß für alle — Moe

the forgotten -ism — essenz

Schändungen — Posion

Verständnislosigkeit - Vermittelbarkeit — (muss ausgefüllt werden)

Tja... — das war wohl nichts...