Guatemala: Wiedergewinnung der Geschichte

Recuperación de la Memoria Histórica 24.10.2005 12:58 Themen: Militarismus Weltweit
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Der vorliegende Bericht stützt sich auf die Analyse von Zeugenaussagen, die im Rahmen des interdiözesanen Projekts zur Wiedergewinnung der geschichtlichen Wahrheit (Proyecto Interdiocesano de Recuperación de la Memoria Histórica - REMHI) gesammelt wurden.
Recuperación de la Memoria Histórica (REMHI) GUATEMALA: NUNCA MÁS
Estimado Lector:
El resumen internacional del Informe REMHI que tiene en sus manos, se concentra en tres aspectos principales: 1. El sufrimiento de la población; 2. El funcionamiento de la represión; y, 3. Las consecuencias y demandas para el futuro. Para esto se procedió a seleccionar algunos capítulos claves del Informe, los cuales se redujeron concentrándose en los testimonios de las víctimas y en el análisis de los aparatos represivos.
La lógica del resumen implicó dejar fuera gran parte de los aspectos psico-sociales de los hechos, sus efectos en las víctimas y los victimarios y el análisis detallado de los sucesos, masacres y estrategias de represión. Además se omitió el rico material estadístico y gráfico del Informe original, que consta de cuatro tomos.
Resumir y reducir el Informe REMHI a menos de un sexto de su tamaño original implicó borrar gran parte de los testimonios de las víctimas, como también del análisis psicológico y político, que hacen de este documento un estudio singular en material de Derechos Humanos a nivel mundial. Para el equipo de redacción esto ha sido una experiencia penosa, donde a cada instante tenía que preguntarse: ¿realmente podemos responsabilizarnos de borrar este testimonio o este aspecto clave de la historia del conflicto armado interno guatemalteco?
Ojalá el Resumen sea de utilidad y pueda fomentar solidaridad y generar comprensión a nivel internacional sobre lo que sucedió en Guatemala. Esperamos que esta versión abra cierto acceso al trabajo valioso en Derechos Humanos que realizaron diferentes estructuras de la Iglesia Católica en Guatemala para las personas que no entienden castellano. Y que a la vez este resumen despierte el interés de leer el Informe completo a los lectores que dominan el español ¡Vale la pena!
El Equipo de Redacción Guatemala, 24 de abril de 1998

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CEH und REMHI

CEH, "Comisión para el Esclarecimiento Histórico" die Kommission zur historischen Aufklärung wurde 1994 von der UN und der Unterzeichnern eines Abkommens im Rahmen des Friedensprozesses gegründet. Die CEH hatte die Aufgabe Menschenrechtsverletzungen und die Gewalttaten welche im Verlauf des bewaffneten Konfliktes begangen wurden zu untersuchen und aufzuklären sowie Empfehlungen zur Förderung des Friedens und der nationalen Versöhnung zu machen.

REMHI wurde 1995 aktiv, nachdem die starken Beschränkungen im Mandat der CEH bekannt wurden und von zivilgesellschaftlicher Seite stark kritisiert wurden. Am 24.apr.1998 stellte Weihbischof Juan Gerardi Conadera den Bericht von REMHI "Guatemala: Nunca más" der Öffentlichkeit, vor. Zwei Tage später wird Weihbischof Juan Gerardi Conadera, ermordet.
Die Entwicklung der Aufklärung des Mordes an Juan Gerardi bis 2002, wird in einer Artikelserie in ak – analyse und kritik, von Knut Rauchfuss: "Vom Kampf gegen die Straflosigkeit in Lateinamerika" bis 2002 wiedergegeben:
 http://www.gerechtigkeit-heilt.de/texte.html#Guatemala

Da die deutsche Zusammenfassung des REMHI-Berichtes auf dem Buchmarkt nicht erhältlich ist, wird sie hier wiedergegeben.
Der Gegenstand des Textes macht es teilweise unerträglich ihn fortgesetzt zu lesen. Trotzdem ist dem Vorwort der internationalen Version beizupflichten, dass sich die Mühe lohnt, da sie einen Beitrag dazu leistet die Situation in Guatemala zu verstehen.
 http://www.odhag.org.gt/INFREMHI/
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Ergänzungen

deutsche Übersetzung der Zusammenfassung

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REMHI



GUATEMALA: NUNCA MÁS - NIE WIEDER



Bericht des interdiözesanen Projekts:

WIEDERGEWINNUNG DER GESCHICHTLICHEN WAHRHEIT

Zusammenfassung


Inhalt:

0.0.0.1 Vorwort
0.0.0.2 Einleitung
1 1 Wie die Gewalt erlebt wurde: Von der Angst bis zum Widerstand
1.1 1.1 INDIVIDUELLE FOLGEN DER GEWALT
1.1.0.1 Im Augenblick der Geschehnisse
1.1.0.2 Die traumatische Wirkung in der Gegenwart
1.1.1 1.1.1 Die Strategie des Terrors
1.1.1.1 Repressalien gegen Familienangehörige
1.1.1.2 Übergriffe auf die Dorfgemeinschaft
1.1.1.3 Terror als Abschreckung
1.1.1.4 Angst im Zusammenhang mit Kollaboration
1.1.2 1.1.2 Die Folgen von Angst und Terror
1.1.2.1 Ein Klima des Terrors
1.1.2.2 Gesellschaftliche Folgen der Angst
1.1.2.3 Individuelle Folgen der Angst
1.1.2.4 Angst als Schutz
1.1.2.5 Die Angst heute
1.1.3 1.1.3 Gestörte Trauerprozesse
1.1.3.1 Massiver und brutaler Tod
1.1.3.2 Die Sinnlosigkeit des Todes
1.1.3.3 Verhinderung von Beerdigungen und Feierlichkeiten
1.1.3.4 Das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen
1.1.3.5 Auswirkungen gestörter Trauerprozesse
1.1.4 1.1.4 EINSCHLAGEN AUF DEN, DER SCHON AM BODEN LIEGT
1.1.4.1 Erzwungene Kollaboration
1.1.4.2 Beteiligung an den politischen Auseinandersetzungen: Das Gefühl von Verantwortung und Schuld
1.1.4.3 Zwischen Reden und Schweigen
1.1.5 1.1.5 DER ZORN ÜBER DIE UNGERECHTIGKEIT
1.1.5.1 Ungerechtigkeit ohne Sinn
1.1.5.2 Ohnmacht angesichts der Straflosigkeit
1.1.5.3 Vorgetäuschte Normalität
1.1.5.4 Infragestellung des Kampfes
1.2 1.2 IM KEIM VERNICHTEN: GEWALT GEGEN KINDER
1.2.1 1.2.1 DIREKTE GEWALTANWENDUNG
1.2.1.1 Zeugen der Leere und des Feuers
1.2.2 1.2.2 KINDER AUF DER FLUCHT
1.2.3 1.2.3 DIE MILITARISIERUNG DER KINDHEIT
1.2.4 1.2.4 KINDER DER GEWALT
1.2.5 1.2.5 VON DER ADOPTION ZUR ENTFÜHRUNG
1.2.6 1.2.6 HUNGER NACH LEBEN
1.3 1.3 AGGRESSION GEGEN DIE GEMEINSCHAFTEN
1.3.1 1.3.1 KOLLEKTIVER VERLUST UND ZERSTÖRUNG DER GEMEINDEN
1.3.1.1 Beseitigung und Kontrolle von Leitfiguren und Autoritäten
1.3.1.2 Verlust der materiellen Grundlagen der Dorfgemeinschaften
1.3.2 1.3.2 KRISE UND DER ZERFALL DER DORFGEMEINSCHAFTEN
1.3.2.1 Polarisierung
1.3.2.2 Repressalien und Bruch der Alltäglichkeit
1.3.2.3 Kontrolliertes Leben
1.3.2.4 Bruch der sozialen Beziehungen
1.3.3 1.3.3 DIE MILITARISIERUNG DES ALLTAGSLEBENS:AUSWIRKUNGEN DER ZIVILPATROUILLEN
1.3.4 1.3.4 SOZIALE IDENTITÄT, RELIGION UND KULTUR
1.3.4.1 Kampf gegen die religiöse Praxis
1.3.4.2 Verlust der traditionellen Autoritäten
1.3.4.3 Verlust der Sprache
1.3.4.4 Die Farben der Identität
1.3.4.5 Chancen und Probleme für den Wiederaufbau des Sozialgefüges
1.4 1.4 UMGANG MIT DER GEWALT
1.4.1 1.4.1 UNTERSCHIEDLICHE ERFAHRUNGEN UND FORMEN, DER GEWALT ZU BEGEGNEN
1.4.1.1 Die Kultur

1.4.1.2 Analoges Denken: ein wichtiges Reservoir an Bildern und Metaphern im Denken und in der Sprache.
1.4.1.3 Zeitbegriff: Der Zeitbegriff ist zirkulär. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart. besteht keine lineare Verbindung. Die Zeit steht im Einklang mit den Rhythmen der Natur und verläuft langsam gemäß den Abläufen im gemeinschaftlichen Leben.
1.4.1.4 Verhältnis Leben/Tod: alltägliche Beziehung zwischen Lebenden, Toten und Vorfahren; ständige Präsenz dieser Beziehung in Riten, Träumen, Feierlichkeiten und Zeremonien.
1.4.1.5 Weltbild: ganzheitliche Sicht der Beziehungen Mensch-Natur-Gemeinschaft. Diese Beziehungen besitzen ein eigenes Bedeutungssystem.
1.4.1.6 Der Wert von Person und Gemeinschaft: Der Mensch wird mit Respekt und als Teil der Gemeinschaft betrachtet. Ausgeprägter gemeinschaftlicher Sinn der Identität.
1.4.1.7 Gegenseitigkeit: Die Beziehung des Menschen zur Natur, zu den anderen Menschen und zu den Geistern entwickelt sich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Diese Wechselbeziehung hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von der Wiedergutmachung eines Schadens.
1.4.1.8 Leben inmitten der Gewalt
1.4.1.10 Fliehen, um zu überleben
1.4.1.11 Grenzsituationen begegnen
1.4.1.12 Gesellschaftspolitisches Engagement
1.4.2 1.4.2 DIE ERFAHRUNGEN DER VERTRIEBENEN UND FLÜCHTLINGE
1.4.2.1 Schätzungen über die Vertreibung in Guatemala
1.4.2.2 Massenvertreibung und Fluchtwege
1.4.2.3 Flucht ins Exil
1.4.2.4 Das Leben in den Bergen: Von der Flucht zum Widerstand
1.4.2.5 Die Erfahrungen der Gemeinden im Widerstand


1.4.2.6 in den Bergen
1.4.2.7 Die Wiedereingliederungsprozesse
1.4.2.8 Wiederaufbau familiärer Bindungen und Unterstützung durch die Familie
1.4.3 1.4.3 DIE SUCHE NACH EINER ERKLÄRUNG
1.4.3.1 Sinnlosigkeit oder individuelle Erklärungen
1.4.3.2 Politischer Konflikt und Partizipation
1.4.3.3 Zwischenmenschliche Erklärungen
1.4.3.4 Ethnisch-politische Erklärungen
1.5 1.5 GEWALT GEGEN FRAUEN UND DEREN SELBSTBEHAUPTUNG
1.5.1 1.5.1 VERSCHIEDENE FORMEN DER GEWALT GEGEN DIE FRAUEN
1.5.1.1 Massaker an Frauen
1.5.2 1.5.2 SEXUELLE VERGEWALTIGUNG
1.5.2.1 Die Vergewaltigung von Körper und Würde
1.5.2.2 Massive sexuelle Vergewaltigungen
1.5.2.3 Bedeutungen der Vergewaltigungen
1.5.2.4 Andere Folterungen, die Vergewaltigungen begleiteten
1.5.3 1.5.3 Die Folgen der Gewalt gegen Frauen
1.5.3.1 Auswirkungen der Vergewaltigungen
1.5.3.2 Folgen für die Familien
1.5.4 1.5.4 EINE PRAXIS DER AUFSTANDSBEKÄMPFUNG
1.5.5 1.5.5 DER WIDERSTAND DER FRAUEN
1.5.5.1 Das Leben knüpfen und verknüpfen: Die Rollen der Frauen und das soziale Gefüge
1.5.5.2 Hebammen in den Bergen
1.5.5.3 Auf der Suche nach den Menschen, die man liebt: Die “Verschwundenen” finden
1.5.5.4 Frauen schaffen neue Räume
1.6 1.6 DAMIT ES NIE WIEDER GESCHIEHT
1.6.1 1.6.1 WAHRHEIT, GERECHTIGKEIT UND MENSCHENRECHTE
1.6.1.1 Die Verteidigung der Menschenrechte
1.6.1.2 Sich organisieren, um das Leben zu verteidigen
1.6.1.3 Gegen Diskriminierung
1.6.1.4 Daß die Wahrheit ans Licht kommt
1.6.1.5 Die Forderung nach Gerechtigkeit
1.6.1.6 Die Machtbeziehungen verändern
1.6.1.7 Den Sinn von Autorität zurückgewinnen
1.6.1.8 Der Straflosigkeit ein Ende bereiten
1.6.1.9 Gerechtigkeit für die Zukunft
1.6.2 1.6.2 DIE URSACHEN ANGEHEN
1.6.2.1 Soziale Veränderungen für den Frieden
1.6.2.2 Entmilitarisierung des Alltagslebens
1.6.2.3 Veränderungen der lokalen Machtstrukturen
1.6.2.4 Demobilisierung und Veränderungen bei der Armee
1.6.2.5 Der Wunsch nach Freiheit
1.6.2.6 Lösung der Landfrage
1.6.2.7 Erwartungen an den Frieden
1.6.2.8 Forderungen an die (ehemalige Guerillakoordination) URNG
1.6.2.9 “Die Augen der Welt”: Die internationale Präsenz
1.6.2.10 Die Rolle der Kirche
1.6.3 1.6.3 WIEDERGUTMACHUNG UND ENTSCHÄDIGUNG



2 2 Der Geplante Terror: Instrumente, Mechanismen und Formen der Gewalt
2.1 2.1 DAS GEHIRN DER GEWALT: Die Geheimdienste
2.1.1 2.1.1 DIE STRUKTUR DER GEHEIMDIENSTE
2.1.1.1 Die Dynamik der Gewalt und die Rolle der Nachrichtendienste
2.1.1.2 Der Geheimdienst La-2: Name der Angst
2.1.1.3 Der Geheimdienst des Generalstabs des Präsidenten (El Archivo)
2.1.1.4 Der Nachrichtendienst DIC und andere Polizeiorgane
2.1.1.5 Die Ambulante Militärpolizei (PMA)
2.1.1.6 Geheimdienstnetze
2.1.1.7 Todesschwadronen
2.1.2 2.1.2 KONTROLLSTRATEGIEN: DER GEHEIMDIENST IN AKTION
2.1.2.1 Internationale Überwachung
2.1.2.2 Die Technik im Dienste der Gewalt
2.1.2.3 Die Überwachung des alltäglichen Lebens
2.1.2.4 Ausschalten des inneren Feindes

2.2 2.2 LA POBLACION COMO OBJETIVO
2.2.1 2.2.1. EL CONTROL DE LA POBLACIÓN HOSTIL
2.2.2 2.2.2. LA ESTRATEGIA DE ALDEAS
2.2.3 2.2.3. LAS PATRULLAS DE AUTODEFENSA CIVIL:
2.2.3.1 Militarización de la vida cotidiana Una estrategia para la guerra
2.2.3.2 Entrenamiento militar y Patrullajes
2.2.3.3 Las capturas de población
2.2.3.4 Masacres y asesinatos
2.2.3.5 Controlar los movimientos
2.2.3.6 Beneficios del saqueo
2.2.3.7 Solidaridad y resistencia
2.2.3.8 CAPITULO TERCERO
2.3 2.3. LOS MECANISMOS DEL HORROR
2.3.0.1 Reclutamiento forzoso
2.3.1 2.3.1 La educación en la violencia
2.3.1.1 Controlar la obediencia
2.3.1.2 Forzar la complicidad
2.3.1.3 El desprecio por la vida, el paso de la muerte
2.3.1.4 Extender el control
2.3.2 2.3.2. LA PRÁCTICA DEL HORROR
2.3.2.1 Las masacres. Anatomía de la destrucción Las razones de lo inexplicable
2.3.2.2 El tiempo de la destrucción
2.3.2.3 Las masacres de la guerrilla
2.3.2.4 LISTADO DE MASACRES
2.3.2.5 El dolor de la tortura
2.3.2.6 La historia de tantos
2.3.2.7 La salida del país
2.3.2.8 Las amenazas
2.3.2.9 Amenazas contra asesores del movimiento popular
2.3.2.10 El procedimiento del secuestro
2.3.2.11 El secuestro o detención temporal
2.3.2.12 El rito de la confesión. Del secuestro al objetivo publicitario
2.3.2.13 La Tortura
2.3.2.14 Desapariciones forzadas. El manto de la niebla
2.3.2.15 Borrar la vida: la desaparición forzada de una familia
2.3.2.16 Las ejecuciones. Cometer el efectivo
2.3.2.17 La infiltración
2.3.2.18 El engaño de la muerte El caso de los Estudiantes del 89
2.3.2.19 La práctica y aprendizaje de la tortura
2.3.2.20 Inducir a la traición
2.3.2.21 La tortura inicial
2.3.2.22 Forzar la colaboración
2.3.2.23 Buscando la conversión
2.3.2.24 La tortura de Efraín Bámaca
2.3.2.25 La huida
2.3.2.26 La readecuación de la personalidad. Asumiendo la identidad del represor
2.3.2.27 De jesuita a victimario: el caso Pellecer Faena
2.3.2.28 Las cárceles clandestinas
2.3.2.29 El control psicosexual de la tropa
2.3.2.30 Sexo después de la masacre
2.3.2.31 La preparación de las masacres
2.3.2.32 Ocultar la infamia. Los cementerios clandestinos
2.3.2.33 Conclusiones. De la memoria de las atrocidades a la violencia del presente
2.3.2.34 Buscando la explicación
2.3.2.35 La violencia de la postguerra
2.3.2.36 La lucha por el rescate de la memoria
3 3 DER GESCHICHTLICHE HINTERGRUND
3.1 3.1 VORGESCHICHTE: Von der liberalen Revolution bis zum Ende der Reformpolitik in den 50er Jahren
3.1.1 3.1.1 Von Barrios zu Ponce Vaides
3.1.1.1 Militarisierung auf dem Land
3.1.1.2 Die Militärkommissare
3.1.2 3.1.2 Die Oktoberrevolution
3.1.2.1 Das Dekret 900 in San Martín Jilotepeque
3.1.3 3.1.3 Der Staatsstreich von 1954
3.1.4 3.1.4 Die Rolle der Kirche
3.2 3.2 DER BEWAFFNETE KONFLIKT IN DEN 60er JAHREN
3.2.1 3.2.1 Die Erhebung vom 13. November
3.2.2 3.2.2 Der Beginn der Guerilla
3.2.2.1 Die Trecistas
3.2.2.2 Der Konfliktherd von Concuá

3.2.2.3 Die ersten Aufständischen Streitkräfte (FAR)

3.2.3 3.2.3 Der Staatsstreich von 1963
3.2.4 3.2.4 Die Regierung Méndez Montenegro
3.2.4.1 Der Fall der 28
3.2.4.2 Der Pakt mit der Armee
3.2.4.3 Die Umstrukturierung der Armee
3.2.4.4 Die Paramilitärs
3.2.4.5 Die Eskalation der Gewalt
3.2.4.6 Der Untergang der Guerilla
3.2.5 3.2.5 Die katholische Kirche
3.3 3.3 Die Militärregierungen der 70er Jahre
3.3.1 3.3.1 Die Pläne der Militärs
3.3.2 3.3.2 Die Arana-Regierung
3.3.2.1 Politischer Terror
3.3.2.2 Allianzen der Macht
3.3.3 3.3.3 Die Laugerud-Regierung
3.3.3.1 Volkskämpfe
3.3.4 3.3.4 Sonstige Entwicklungen dieser Zeit
3.3.4.1 Intoleranz von Unternehmergruppen
3.3.4.2 Erneuter Landraub
3.3.4.3 Verfall des Wahlsystems
3.3.4.4 Durchbruch der Indígena-Bewegung
3.3.4.5 Entstehung einer neuen Guerillabewegung
3.3.4.6 Entwicklung der Aufstandsbekämpfung
3.3.5 3.3.5 Die Regierungszeit von Lucas García
3.3.5.1 Verbrechen am hellichten Tag
3.3.5.2 Die Offensiven zur Aufstandsbekämpfung
3.3.6 3.3.6 Eine Zeit des Wandels und der Ungewißheit
3.3.7 3.3.7 Die Aufstandsbekämpfungsstrategie
3.3.7.1 Verbrannte Erde
3.3.8 3.3.8 Die Strategie der Aufständischen
3.3.8.1 Der „Volkskrieg“
3.3.8.2 „Arm gegen Reich“
3.3.9 3.3.9 Die Opfer
3.3.10 3.3.10 Die katholische Kirche
3.3.10.1 Die Ausbildungszentren
3.3.10.2 Politische Polarisierung
3.3.11 3.3.11 Das Ende der Lucas-Zeit
3.4 3.4 Die Regierung Ríos Montt
3.4.1 3.4.1 HISTORISCHE WENDE
3.4.2 3.4.2 DIE NEUE AUFSTANDSBEKÄMPFUNG
3.4.3 3.4.3 DIE MILITÄRISCHEN OFFENSIVEN 1982/83
3.4.3.1 Ixil-Gebiet
3.4.3.2 Txacal Tzé (Chacalté): Guerilla-Massaker
3.4.3.3 Huehuetenango
3.4.3.4 Ixcán
3.4.3.5 Die Offensiven im Zentralkorridor
3.4.3.6 Sololá
3.4.3.7 Interethnische Beziehungen und Machtverhältnisse in der Guerilla
3.4.3.8 Quiché
3.4.3.9 Alta und Baja Verapaz
3.4.3.10 San Marcos
3.4.3.11 Petén
3.4.3.12 Guatemala Stadt und Küstenregion
3.4.3.13 Quetzaltenango
3.4.4 3.4.4 DIE KIRCHE IM VISIER
3.4.4.1 Suche in der Asche
3.4.4.2 Protestantismus


3.5 3.5 DIE REGIERUNG MEJÍA VÍCTORES
3.6 3.6 Die Regierung Vinicio Cerezo
3.6.1 3.6.1 DER ÜBERGANG (1986-1987)
3.6.1.1 Die Konzertierung
3.6.1.2 Die ersten Vereinbarungen
3.6.1.3 Die ersten Spannungen
3.6.1.4 Unruhe in den Kasernen
3.6.1.5 Die Stärke der neuen Unternehmerrechten
3.6.1.6 Schlacht ohne Sieger
3.6.1.7 Die Macht des „Syndikats“
3.6.1.8 Die Doktrin der Nationalen Stabilität
3.6.1.9 Die Offensive „Jahresende“
3.6.1.10 Aktive Neutralität
3.6.1.11 Die „Botschaft“ und andere Techniken
3.6.2 3.6.2 Die Verschwörung 1988/89
3.6.2.1 Die Staatsstreiche
3.6.2.2 Der schmutzige Krieg
3.6.2.3 Diplomatie und Terrorismus
3.6.2.4 Der Zusammenbruch der Stabilität
3.6.2.5 Die Armee verliert ihre Führung
3.6.2.6 Die Opfer
3.7 3.7 Die Regierung Serrano Elías
3.7.0.1 Der Kandidat der Unternehmer
3.7.0.2 Die Friedenskämpfe
3.7.0.3 Kriegsführung
3.7.0.4 Unsichere Rahmenbedingungen
3.7.0.5 Die Globalisierung beginnt
3.7.0.6 Die anderen Zivilgesellschaften
3.7.0.7 Ablösung in den Kasernen
3.8 3.8 Auf dem Weg in die Nachkriegszeit
3.8.0.1 Sprung ins Leere
3.8.0.2 Ramiro de León und die Unternehmer
3.8.0.3 Machtkampf
3.8.0.4 Geschäfte mit dem Frieden
3.8.0.5 Der Krieg geht weiter
3.8.0.6 Die URNG und die Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen
3.8.0.7 Der Sieg des Unternehmerkandidaten
3.8.0.8 Frieden - trotz alledem
3.8.0.9 Der letzte Verschwundene des Konflikts(der Fall „Mincho“)



GUATEMALA: NUNCA MÁS - NIE WIEDER



Bericht des interdiözesanen Projekts: WIEDERGEWINNUNG DER GESCHICHTLICHEN WAHRHEIT

Zusammenfassung


Menschenrechtsbüro des Erzbistums Guatemala




0.0.0.1  Vorwort
Liebe Brüder und Schwestern,

Im Oktober 1994 bat ich das Menschenrechtsbüro der Erzdiözese Guatemala, den Bischöfen der Guatemaltekischen Bischofskonferenz das Projekt „Wiedergewinnung der geschichtlichen Wahrheit“ (REMHI) vorzulegen. Mit Hilfe meiner Brüder und ihrer Diözesen war dieses Projekt als interdiözesanes Vorhaben angelegt. Wir glaubten, damit einen Beitrag zu Frieden und Versöhnung leisten zu können. Dies bedeutete, das Leid der Bevölkerung zu erkennen, die Stimmen derjenigen wahrzunehmen, die bisher nicht gehört wurden, und Zeugnis von ihrem Martyrium abzulegen, um so dem Gedenken der Toten Würde zu verleihen und den Angehörigen ihr Selbstwertgefühl zurückzugeben. Diese Untersuchung, deren Ergebnisse Ihnen nun unter dem Titel Guatemala: Nunca más - Nie wieder vorliegen, wurde von Pastoralgruppen aus 11 Diözesen und zahllosen Einzelpersonen durchgeführt, die sich in dem brüchigen, unsicheren Umfeld der damaligen Zeit das Anliegen zu eigen gemacht hatten, in einem ersten Schritt die Wahrheit zu erkennen und so zu versuchen, das zerstörte Sozialgefüge wiederherzustellen. Die Arbeit wurde begonnen, als die Kommission zur geschichtlichen Aufklärung noch nicht eingerichtet war. Wir meinten, dies sei ein Anfang, um die Tätigkeit der Kommission zu unterstützen. Die gezielte Suche nach Informationen richtete sich auf die ländlichen Gemeinden, die von der Außenwelt abgeschnitten sind und in denen eine Vielzahl verschiedener Sprachen gesprochen wird, so daß die Arbeit dadurch erschwert wurde. Wir haben keineswegs den Anspruch, das Thema erschöpfend behandelt zu haben. Die Verletzungen der Persönlichkeitsrechte in den städtischen Gebieten muß aufgrund der Wesensmerkmale der betroffenen Personen bzw. der gesellschaftlichen Gruppen, gegen die sie begangen wurden, Gegenstand einer gesonderten Untersuchung sein. Unter Anlegung sehr strenger Kriterien und zur Vermeidung von Verzerrungen in den Zeugnissen sollten die Menschen die Möglichkeit erhalten, frei und spontan ihre Erinnerungen und Erlebnisse erzählen. Grundlage des vorliegenden Berichts ist die Absicht, die historische Erinnerung an die politische Gewalt, an die überaus schweren Menschenrechtsverletzungen zu bewahren, die an Personen und indianischen Gemeinschaften in diesen 36 Jahren des Bruderkrieges mit der daraus resultierenden grenzenlosen gesellschaftlichen Polarisierung begangen wurden. Mit dem Ende des bewaffneten Konflikts, der uns über so lange Zeit hinweg belastet hat und uns durch den Verlust moralischer und ethischer Werte als Gesellschaft hat scheitern lassen, ist nun die Zeit reif, uns der Wahrheit zu stellen, um so unsere Gesellschaft moralisch wieder aufzurichten, eine verletzte, gebrochene Gesellschaft aufgrund eines ungerechten Krieges, der uns einen sehr hohen Preis an Menschenleben als Vermächtnis hinterlassen hat. Viele Menschen wurden Opfer des Terrors in einem schmutzigen Krieg, dessen Folgen noch immer nachwirken. Die verschiedenen Kapitel des vorliegenden Berichts geben Zeugnis davon. Man fragt sich: Wir war es möglich, in einen Verfall von derartigen Ausmaßen zu geraten? Wie war es möglich, zu einer derartigen Verachtung des Menschen zu gelangen, eines Wesens, das aus den Händen eines liebevollen Schöpfers entstanden ist? Wie war es möglich, daß die Natur, Produkt der Evolution und der Vervollkommnung der Arten, so gnadenlos zerstört wurde? Wo lagen die Ursachen für diesen Konflikt? Wenn wir über die Bedingungen nachdenken, unter denen ein überaus hoher Prozentsatz der Bevölkerung lebte, einer marginalisierten Bevölkerung, deren grundlegendste Bedürfnisse unbefriedigt blieben (Zugang zu Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnraum und menschenwürdiger Entlohnung, das Recht, sich zu organisieren, die Achtung vor ihrer politischen Gesinnung etc.), so daß die Menschen sich nicht unter Bedingungen entwickeln konnten, auf die sie als menschliche Wesen ein Recht hatten, wenn wir über die Anarchie nachdenken, die unser Land damals durchlebt hat, wenn wir darüber nachdenken, daß der Schmerz und die Folgewirkungen einer bewaffneten Intervention in der jüngsten Zeit, in der die verborgene Zerstörungskraft des Menschen deutlich wurde, noch immer spürbar sind, wenn wir darüber nachdenken, daß einige Gruppen der Meinung waren, politische Spielräume seien versperrt, so werden wir verstehen können, daß der Krieg, der von jungen Zivilisten und jungen Offizieren der Armee begonnen wurde, nicht mehr aufzuhalten war. Der Wunsch nach Veränderung hin zu einer gerechteren Gesellschaft und die Unmöglichkeit, dies über die vorgegebenen Strukturen zu erreichen, brachte viele Menschen dazu, sich den Aufständischen anzuschließen; nicht nur diejenigen, die eine Veränderung hin zum Sozialismus anstrebten, sondern auch viele andere, die keine Marxisten waren und keine festgelegte politische Linie vertraten. Sie gelangten zu der Überzeugung, sie sahen sich gezwungen, eine Bewegung zu unterstützen, die der einzige Weg zu sein schien: den bewaffneten Kampf. Die Armee, geprägt von der Konfrontationspolitik des Kalten Krieges, von der sämtliche Armeen Lateinamerikas erfaßt wurden, nahm ihrerseits den Kampf gegen die Aufstandsbewegung unter der Parole auf, es sei das Gebot der Stunde, den Status quo zu erhalten und vor der Gefahr zu schützen, daß sich eine neue sozialistische Regierung auf dem amerikanischen Festland etablieren könnte. (Hier sei daran erinnert, daß die Batista-Regierung kurz zuvor gestürzt worden war und sich eine immer schärfere Konfrontation zwischen der kubanischen und der US-amerikanischen Regierung abzeichnete). Die Armee trat so aus dem Rahmen heraus, den ihr die Gesetze der Republik eindeutig zuwiesen: als Garant der territorialen Unversehrtheit und der nationalen Souveränität. Grund hierfür war zum einen der internationale Druck, zum anderen die damals regierenden politischen Parteien, die die Armee zu einer politischen Polizei und zu einem Instrument der Verfolgung und Vernichtung ihrer Feinde umfunktionierten. Nicht die Streitkräfte als Institution, die von unserer Verfassung als Staatsorgan unter anderen definiert ist, sollen hier gebrandmarkt werden, sondern die militärischen Oberbefehlshaber, die sich für das politische Spiel der jeweiligen Regierungsparteien hergaben und die gesamte Armee in Aktionen verwickelten, die den elementarsten Normen des menschlichen Zusammenlebens zuwiderliefen. Dieser Krieg, in dem gefoltert und gemordet wurde, in dem ganze Gemeinden verängstigt und wehrlos im Kreuzfeuer standen und vom Erdboden verschwanden, in dem die Natur zerstört wurde (die in der Weltsicht der Indígenas als heilig gilt, als Mutter Erde), hat wie ein rasender Sturm auch den erhabensten Teil der Intelligenz Guatemalas hinweggefegt. Das verwaiste Land war wertvoller Menschen beraubt, deren Abwesenheit bis heute spürbar ist. Wer war der Sieger in diesem Krieg? Wir alle haben verloren. Ich glaube nicht, daß jemand so zynisch sein kann, sich auf den Wagen des Sieges zu schwingen, der sich auf die Ausplünderung Tausender Guatemalteken gründet: Väter, Mütter, Brüder und Schwestern, Kinder in zartestem Alter, Unschuldige des Infernos, dem sie ausgeliefert waren. Das Sozialgefüge in unserem Land wurde zerstört. Dies ist durch Tausende von Zeugenaussagen in diesem Bericht belegt. Diejenigen, die direkt oder indirekt für das Leid verantwortlich waren, sollen die Ergebnisse lesen und sie als entschiedene, kategorische Ablehnung der Kultur der Gewalt durch die Bevölkerung interpretieren. Es ist eine ethische und moralische Forderung, daß in Guatemala die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit künftig niemals wiederkehren. Die direkten Akteure der bewaffneten Auseinandersetzung und des schmutzigen Krieges sollen ihre Fehler und Exzesse vorbehaltlos zugeben und für ihre Verbrechen an unschuldigen Opfern um Vergebung bitten. Die Kirche lehrt uns: „Niemand ist so pervers und so schuldbeladen, daß er nicht vertrauensvoll auf Vergebung hoffen darf, vorausgesetzt, sein Verhalten ist aufrichtig.“ Dies betrifft jedoch nicht nur sie, sondern nach den Schrecken der Vergangenheit, die erst jetzt ans Tageslicht kommen, soll von nun an die gesamte Gesellschaft über einen Reflexionsprozeß, der bis in die Tiefen des kollektiven Bewußtseins vordringen muß, moralisch eine Zeit der Veränderung erleben. Damit dieser Wandel gelingt, müssen wir als Teil der Gesellschaft unsere Schuld durch Tat oder Unterlassung anerkennen und unsere Haltung gegenüber unserem Nächsten radikal ändern. Die hierarchische Kirche hat entsprechende Schritte unternommen, und wir haben zu gegebener Zeit um Vergebung dafür gebeten, daß wir die Opfer der Ungerechtigkeit nicht angemessen verteidigt haben (Verlautbarung der Guatemaltekischen Bischofskonferenz, „Urge la Verdadera Paz“, Der wahre Frieden ist dringend notwendig, 18). Wir haben diese Zeugnisse des leidenden Menschen, Erinnerung und Abbild des erneut gekreuzigten Christus, mit tiefster Trauer erfahren. Wenn wir dieser dunklen Vergangenheit des Schreckens abschwören und fest entschlossen sind, unser Land wieder aufzubauen, bleibt uns dennoch die Hoffnung, daß ein neues Klima der Zuversicht entstehen wird, ein Klima der Brüderlichkeit, der Solidarität, des Verständnisses, der Achtung vor unseresgleichen, des Zusammenlebens und des Teilens, in klarem Bewußtsein und mit einem entschlossenen Vorsatz, der uns alle als Kinder Gottes verpflichtet, eine gerechte, solidarische Gesellschaft aufzubauen. Mit den Füßen auf der Erde und den Augen zum Himmel. Amen. Mons. Próspero Penados del Barrio Erzbischof und Primas von Guatemala


0.0.0.2  EINLEITUNG


Der vorliegende Bericht stützt sich auf die Analyse von Zeugenaussagen, die im Rahmen des interdiözesanen Projekts zur Wiedergewinnung der geschichtlichen Wahrheit (Proyecto Interdiocesano de Recuperación de la Memoria Histórica - REMHI) gesammelt wurden. Im ersten Teil werden die Konsequenzen aus der erlebten Gewalt, die Widerstandsformen und die Forderungen der Überlebenden an Staat und Gesellschaft untersucht. Danach werden die verschiedenen Ausprägungsformen der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, die Auswirkungen der Militarisierung und die Mechanismen dargestellt, die solche Greueltaten möglich gemacht haben. Im Anschluß an die darauffolgende kurze Darstellung der verschiedenen historischen Phasen sind in dem Bericht allgemeine Angaben zu den Opfern sowie Statistiken über Menschenrechtsverletzungen zusammengestellt, die auf der Grundlage von Zeugenaussagen des REMHI-Projekts erarbeitet wurden. Empfehlungen des REMHI-Projektes schließen den Bericht ab. Diese Arbeit zur Wiederaneignung der geschichtlichen Erinnerung wurde nach einem komplexen Vorbereitungsprozeß gemeinsam mit Interviewern/-innen und Koordinatoren/-innen des Projekts geleistet und ist Ergebnis eines kollektiven Willens, der sich langsam entwickelte, sich zu erinnern und die Auseinandersetzung mit der Geschichte einzufordern. Sie entstand auf Straßen und Wegen, oftmals in aller Stille, berichtet von Menschen, die kamen, um Zeugnis abzulegen. Der vorliegende Bericht ist ein Versuch, das kollektive Gedächtnis wiederherzustellen und eine Antwort auf die Hoffnungen zu geben, die die Menschen in das REMHI-Projekt gesetzt haben. Neben den individuellen und kollektiven Auswirkungen von Gewalt und Terror hat die politische Repression den Menschen das Recht genommen, sich zu äußern. Jahrelang hatten sie keine Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu teilen, die Geschehnisse öffentlich zu machen und die Verantwortlichen zu benennen. Viele der Opfer und Überlebenden, die Zeugnis ablegten, sprachen zum ersten Mal von den Dingen, die ihnen widerfahren waren. Häufig wurden Gefühle durch die Erinnerungen wieder aufgewühlt: Wenn die Menschen von den Geschehnissen erzählten, durchlebten sie noch einmal ihren Schmerz in verschiedenster Form. Die Aussagen sind begleitet von zahllosen Tränen, von denen wir in diesem Bericht nicht haben schreiben können. Die Gesprächsführung, die Schulung der Interviewer/-innen und die bei der Informationssammlung angewandten Methoden waren darauf ausgerichtet, einen gewissen Raum zu schaffen, der trotz seiner Begrenztheit den Betroffenen Anerkennung und Unterstützung bieten sollte. Schon die Erinnerung daran bringt mich zum Weinen. Es tut weh, daran zu denken, was die Menschen erlitten haben.Fall 6102 (Ermordung und Flucht ins Exil), Barillas, Huehuetenango, 1982. Trotz der vertrauensvollen Atmosphäre hatten viele Menschen Angst vor möglichen negativen Folgen ihrer Aussage. Der militärische Druck in den Gemeinden war groß, und es bestanden zunächst nur vage Hoffnungen auf die Unterzeichnung eines Abkommens zur Beendigung des bewaffneten Konflikts
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. Zeugnis abzulegen wirkte sich jedoch auf die meisten Menschen positiv aus: Ihre Aussage bedeutete eine seelische Entlastung. Sie konnten etwas mit und aus ihrem Leid machen, Aufklärung zu ihren ermordeten oder „verschwundenen“ Angehörigen fordern und ihre Ansprüche und Bedürfnisse nach außen tragen. Jetzt bin ich zufrieden, denn mein Zeugnis wird als Geschichte zurückbleiben. Durch meine Aussage habe ich mir sicherlich den ganzen Schmerz von der Seele genommen.Fall 3967, Pal (Weiler), Quiché, 1981. Der Wert der gesammelten Zeugnisse liegt in diesen Worten der Opfer. In einigen Fällen blieb die Darstellung der Geschehnisse bruchstückhaft, und in vielen anderen umfaßten die Erfahrungen der Menschen eine Fülle verschiedener, sich überschneidender Episoden und Gewalttaten. Der vorliegende Bericht ist deshalb auch ein Versuch, eine Vielfalt von komplexen, unterschiedlichen Erlebnissen aus den Aussagen der Menschen zusammenzutragen, die unter dem Krieg zu leiden hatten. Man kann ihn wie ein Buch lesen oder ihn anhören wie eine Geschichte. Vor allem aber können wir aus diesem kollektiven Erinnerungsprozeß, mit dem die Würde der Opfer und die Hoffnungen der Überlebenden auf einen Wandel eingeklagt werden, nur lernen. Es ist ein Erinnerungsprozeß, der nicht nur auf die Geschehnisse der Vergangenheit blickt, sondern an der Forderung nach Wahrheit, Achtung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung als notwendige Aspekte des gesellschaftlichen Wiederaufbaus in Guatemala festhält. Soziale und politische Gewalt in Guatemala Phasen der Gewalt Wie die Erinnerung der Menschen ist auch die Geographie des Landes durchzogen von großen Vertreibungen und Brüchen. Das gesellschaftliche Konfliktpotential in Guatemala geht in seinen historischen Grundlagen auf den Ausschluß breiter Bevölkerungsteile von jeglicher politischer Beteiligung, auf ethnische Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit zurück, die wiederum ihre Wurzeln in der Grundstruktur des guatemaltekischen Staates haben. Abgesehen von den Auseinandersetzungen zwischen Guerilla und Armee, richtete sich die staatliche Gewalt in den sechziger Jahren gegen die bäuerliche Bevölkerung im Osten des Landes. In den siebziger Jahren hingegen wütete sie insbesondere in den Städten. Sie zielte auf die Infrastruktur der Guerilla, aber auch auf führende Vertreterinnen und Vertreter sozialer Bewegungen und oppositioneller Kräfte, die sich gegen die lange Folge von Militärregierungen gebildet hatten. Anfang der achtziger Jahre wandelte sich die Aufstandsbekämpfungspolitik zum Staatsterrorismus. Im Zuge dieser Entwicklung wurden insbesondere die indigenen Gemeinschaften und organisierten Gruppen der bäuerlichen Bevölkerung in einem Ausmaß zerschlagen, das sämtliche Horrorvorstellungen übertraf und jegliche Hoffnung auf Veränderung im Keim erstickte. Angesichts der immer massiveren Repression sahen viele Menschen einen Ausweg im revolutionären Projekt, um auf diese Weise zu versuchen, die Situation zu verändern und ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und Freiheit durchzusetzen. Die Strategie einiger Guerillaorganisationen, ihre Basis auszubauen und zu versuchen, die Menschen massiv in ihre militärischen Unterstützungsstrukturen einzubinden, bedingte wiederum in entscheidendem Maße die Dynamik in den Gemeinden. Die Guerilla benutzte die Gewalt als Mittel zur Beseitigung von Personen, die mit der Armee kollaborierten, oder bisweilen auch, um die Opposition in den von ihr kontrollierten Gebieten auszuschalten. Auswirkungen der Militarisierung Auf der anderen Seite entwickelte die Armee eine Strategie zur Militarisierung des Sozialgefüges, die Zwangsrekrutierungen beinhaltete sowie zum Aufbau der sogenannten “Patrouillen zur zivilen Selbstverteidigung“ (Patrullas de Autodefensa Civil, PAC) und zur Einsetzung von Militärkommissaren (Comisionados Militares) führte. Beide Instanzen sollten Aufgaben zur Überwachung der Bevölkerung und zur Guerillabekämpfung übernehmen. Damit wurde die Zivilbevölkerung gezwungenermaßen in den Krieg hineingezogen. In jedem Dorf und in jedem Stadtviertel wurde das Alltagsleben durch militärische Strukturen kontrolliert, so daß die Werte und die Kultur der Bevölkerung zutiefst erschüttert wurden. Mit ihren Aktionen verwickelten die PAC und die Militärkommissare sowohl die Bewohner als auch die lokalen Vertreter der Macht in den Gemeinden als direkt Verantwortliche in zahllose Morde und Massaker. Das Leben der Menschen wurde so zum eigentlichen Schlachtfeld. Die Straflosigkeit In all diesen Jahren ist gegen niemanden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt oder gerichtlich vorgegangen worden. Die Straflosigkeit hat die Gewalt gegen Menschen maßgeblich gefördert. Gleichzeitig gehört sie zu den Folgen, mit denen sich Opfer und Überlebende auseinandersetzen müssen und die sich häufig in einem Gefühl von Ungerechtigkeit und Ohnmacht äußern. Die Auswirkungen reichen bis in die Gegenwart hinein: Die Justiz wird in Frage gestellt, oftmals leben Opfer und Täter im selben Dorf, und unter dem Schutz der Straflosigkeit entstehen neue Formen gesellschaftlicher Gewalt. Der Kampf der Erinnerung Die historische Erinnerung spielt eine Schlüsselrolle bei der Beseitigung der Mechanismen, die den Staatsterrorismus möglich gemacht haben. Sie dient auch der Offenlegung seiner Funktion als Teil des wirtschaftlichen und politischen Systems, das breite Teile der Bevölkerung ausschließt. Mit der Leidensgeschichte der Menschen können wir nicht umgehen, als ob es sich um die Seite eines Buches handelte. Eine Verzerrung der Fakten und Verantwortlichkeiten birgt das Risiko in sich, die Kriegstreiber aufs Neue zu legimitieren und würde eine schwere Hypothek für die Zukunft Guatemalas darstellen. Den Grausamkeiten in Zukunft vorzubeugen, beinhaltet, abgesehen von rechtlichen Maßnahmen, solche Systeme und Ideologien zu beseitigen, die den Gehorsam zur Tugend machen und den Terror als Mittel einsetzen, um ihre gesellschaftlichen Ziele durchzusetzen.
1  1 Wie die Gewalt erlebt wurde: Von der Angst bis zum Widerstand

1.1  1.1 INDIVIDUELLE FOLGEN DER GEWALT
Ich möchte Ihnen erzählen, was für mich so schmerzlich war. Als ich Ihnen sagte, ich würde darüber reden, fühlte ich mich zuerst noch sehr angespannt, besonders bevor ich anfing, und auch jetzt bin ich noch sehr traurig, wenn ich an all das denke, weil ich die Dinge schon anders sehe. Es tut nicht mehr weh als damals, als ich das alles erlebte. Ich habe es anders erlebt. Ich weiß gar nicht, wie, aber manchmal steigt in mir der Groll hoch, und dann weiß ich nicht, an wem ich meine Gefühle auslassen soll.Fall 5017, San Pedro Necta, Huehuetenango, 1982.
1.1.0.1  Im Augenblick der Geschehnisse
In erster Linie schuf die Repression eine lebensbedrohliche Situation und rief bei einem überwiegenden Teil der Opfer Verzweiflung über die Ereignisse hervor. Hunger, ein Gefühl von Ungerechtigkeit und gesundheitliche Probleme
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bedeuteten für die Menschen einen extremen Leidensprozeß. Eine zweite Gruppe von Folgewirkungen, die auf eine umfassende Veränderung des Lebenssinns hinweisen, betrifft den gestörten Trauerprozeß nach dem Tod von Angehörigen, die Verletzung der Würde sowie Hilflosigkeit und Unsicherheit gegenüber der Zukunft. Diese Auswirkungen können im Einzelfall zwar sehr massiv sein, doch ist die Traumatisierung mit ihren schweren Folgewirkungen in der Zeit unmittelbar nach den Geschehnissen (schwerwiegende psychische Störungen etc.) nicht so ausgeprägt wie die oben genannten Konsequenzen. Die individuellen Folgen werden von Männern und Frauen meist in vergleichbarer Form geschildert. Männer beschreiben etwas häufiger Auswirkungen im Zusammenhang mit ihrer Würde als Menschen und ihrer männlichen Rolle in der Gesellschaft, während in den Darstellungen der Frauen die persönliche Betroffenheit (Gesundheitsprobleme, gestörte Trauerprozesse) und die Auswirkungen auf ihre weibliche Identität stärker zum Ausdruck kommen. Im Hinblick auf die eigentlichen Geschehnisse sprechen prozentual mehr Männer als Frauen von den Massakern. Die Frauen hingegen berichten eher von Ermordungen und individuellen Gewalttaten und beschreiben direkte Verluste in ihrer Familie.
1.1.0.2  Die traumatische Wirkung in der Gegenwart
Zwar haben sich die Folgewirkungen der traumatischen Erlebnisse mittlerweile insgesamt abgeschwächt, doch leiden die meisten Menschen noch immer unter den Konsequenzen der erlebten Gewalt. Dies ist wahrscheinlich sowohl auf die ständige Erfahrung von Gewalt als auch auf die Nachhhaltigkeit ihrer Folgen zurückzuführen. Als häufigste Auswirkung in der Gegenwart wird von den Überlebenden ein Gefühl von Traurigkeit, Ungerechtigkeit und gestörter Trauer beschrieben. Weniger häufig sind psychosomatische Störungen, Hunger, Einsamkeit, traumatische Erinnerungen und Alpträume (jede dritte Person erwähnt dies jedoch für den Zeitpunkt der Geschehnisse). Einige Probleme wie z.B. Einsamkeitsgefühle sind jedoch weiterhin existent oder haben sich im Lauf der Zeit sogar verschärft. Auch die gestörten Trauerprozesse werden gegenwärtig stärker empfunden (auf jeweils eine Person, die zum Zeitpunkt der Geschehnisse einen gestörten Trauerprozeß aufwies, kommen heute zwei Menschen). Folgewirkungen im Zusammenhang mit den traumatischen Erinnerungen kommen heute in den Schilderungen der Überlebenden häufiger zum Ausdruck. Ebenso zeigen sie bei ihrer Aussage starke Betroffenheit. Wenngleich dies bei einer Gruppe von Personen auf weitreichende Konsequenzen hindeuten könnte, ist es ebenso wahrscheinlich, daß die Ursache im wesentlichen in der Mobilisierung der Erinnerung und in der nach wie vor herrschenden Atmosphäre politischer Gewalt und Bedrohung liegt, in der die Zeugenaussagen zustandekamen.
1.1.1  1.1.1 Die Strategie des Terrors
In der Messe zum neunten Trauertag hörten sie von mehreren Leichen in La Verbena, die furchtbar zugerichtet waren. Sie entdeckten eine verkohlte Leiche und brachten den Zahnarzt dorthin. ... Der sollte sich die Leiche ansehen. Er sagte, daß es sich bei dem Toten nicht um ihn [den Vermißten] handelte. Sie brauchte eine Geburtsurkunde von ihrem Sohn, um den Rentenantrag bei der Sozialversicherung zu stellen, und beschloß deshalb, bei der Nationalpolizei vorbeizugehen und nach dem Wagen zu fragen. Noch in derselben Nacht bekam sie Drohanrufe. Sie solle nicht mehr nach dem Wagen fragen und auch keine Leichen mehr ansehen, sonst würde man sie mitsamt ihrem Kind umbringen. Das Haus wurde weiter überwacht. Sie führte ihr Leben weiter, traf sich aber nicht mehr mit ihren Freunden, um ihnen Scherereien zu ersparen. Zweimal wurde sie bedroht. Dann suchte sie psychologische Hilfe. Sie war noch sehr jung, und was sie in den Leichenschauhäusern gesehen hatte, hatte sie sehr mitgenommen.Fall 5080, Guatemala 1980. Die Verletzung von Menschenrechten wurde in Guatemala gezielt als Strategie der sozialen Kontrolle eingesetzt. Sowohl in den Zeiten härtester, wahlloser Gewalt als auch in den Phasen selektiverer Repression erfaßte die Angst die gesamte Gesellschaft. Der Terror war nicht nur eine Folge der bewaffneten Auseinandersetzungen (die Angst ist die in den Zeugenaussagen am häufigsten beschriebene Auswirkung), sondern ebenso auch eine Zielsetzung der Aufstandsbekämpfungspolitik, die in den verschiedenen Etappen des bewaffneten Konflikts unterschiedliche Mittel einsetzte. Die selektive Repression gegen führende Vertreterinnen und Vertreter sozialer Organisationen Das gewaltsame Verschwindenlassen und die Ermordung von führenden Vertreterinnen und Vertretern sozialer Organisationen wurden in allen Phasen des Konflikts als Strategien eingesetzt, insbesondere aber in den Jahren 1965-68 und 1978-83. Ziel der selektiven Repression war die Zerschlagung von Organisationsprozessen, die als Bedrohung für den Staat angesehen wurden. In diesen Fällen war das Vorgehen von Polizei und Sicherheitskräften darauf ausgerichtet, eine Identifizierung der Täter zu verhindern, die Gewalt nach außen zu demonstrieren und die ständige Präsenz von Kontrollmechanismen sicherzustellen. Gleichzeitig gab es keinerlei öffentliche Anlaufstellen (z.B. Justizorgane, Medien o.ä.), die Schutz geboten hätten. Zwei Nächte hielten sie meinen Vater im Staatsgefängnis fest. Dort verhörten sie ihn und machten mit ihm, was die staatlichen Behörden eben tun, und danach schickten sie ihn zu einer Ruhepause nach Hause. Gegen Mitternacht kamen die Leute vom militärischen Geheimdienst (G-2). In der Kommandantur drehten sie ein Tonbandgerät auf volle Lautstärke und zogen ihm zum Verhör eine Kapuze über. Am Tag darauf - er war schon fast tot - holten sie ihn aus dem Gefängnis. Er war mit gewöhnlichen Stricken gefesselt, und sie brachten ihn in einem Fahrzeug des G-2 fort, in Richtung Salamá. In Fesseln und von Kugeln durchsiebt ließen sie ihn da draußen liegen, an einer Stelle, die El Palmar heißt. Sein Gesicht war völlig zertrümmert, damit wir ihn nicht identifizieren konnten. Der Grund für das alles war, daß mein seliger Vater sehr religiös und sehr aktiv war. Er hatte sich sehr für die Organisation von Basiskomitees engagiert und war in der Dorfgemeinschaft sehr beliebt.Fall 2024, San Miguel Chicaj, Baja Verapaz, 1982.
1.1.1.1  Repressalien gegen Familienangehörige
Die selektiven Morde an führenden Vertreterinnen und Vertretern führten vor bzw. nach den Gewalttaten auch häufig zu Übergriffen auf deren Familien. Verschiedentlich wurden die Angehörigen zur Zielscheibe der Terrorstrategie. Sie sollten so daran gehindert werden, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen. Die Leute von der Armee erfuhren davon, und sie zitierten uns in das Dorf El Culeque. Sie sagten, wenn irgend jemand losziehen und sich bei der GAM
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beschweren ginge, dann würden sie uns an Ort und Stelle an einem Baum aufknüpfen, wenn sie uns in den Bergen fänden. Deshalb haben wir nicht mehr mit der Gruppe gearbeitet, und wenn wir überhaupt hingegangen sind, dann haben wir uns ganz still hinten hingesetzt. Erst jetzt machen wir noch einmal unsere Aussage.Fall 1509 (gewaltsames Verschwindenlassen), Santa Ana, Petén, 1984. In etlichen Fällen wurden die Familien auch Opfer direkter Repression: Wenn die gesuchte Person nicht aufzufinden war, wurden Familienangehörige verschleppt oder umgebracht.
1.1.1.2  Übergriffe auf die Dorfgemeinschaft
In Guatemala richteten sich die Übergriffe der Militärs auf die Zivilbevölkerung, vielerorts gegen ganze Dorfgemeinschaften. Häufig wurden Gemeinden pauschal beschuldigt, zur Guerilla zu gehören oder diese zu unterstützen, und als „Guerilladörfer“ betitelt. So galt schon allein die geographische Herkunft als Grund für eine Beschuldigung, wenn nicht sogar für einen direkten Angriff. Wir flohen nach Santa Clara (1982-1990), aber eigentlich immer nur aus Not. In unser Dorf konnten wir nicht zurück, weil dort kein Leben mehr war. Als wir in dieser Gemeinde waren, fingen wir an, Mais, Malanga
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und Zuckerrohr zu pflanzen. Ständig wurden wir verfolgt. Wenn die Armee kam, zerstörte sie die ganzen Felder und brannte die Häuser nieder. Das war im September 1985. 1987 kam die Armee dann nach Amachel. Dauernd kamen sie ins Dorf, und wir mußten immer wieder in die Berge flüchten.Fall 4524, Sta. Clara, Chajul, Quiché, 1985-87. Insbesondere in den Jahren 1978-1983 wurde in den Gebieten, die in den Augen der Armee als „rote Zonen“ galten (Ixcán, Verapaces, das Ixil-Gebiet, das zentrale Hochland), mit militärischen Streifzügen, Bombardierungen und Massakern massiv gegen die dortigen Gemeinden vorgegangen. Von 1984 an konzentrierten sich die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die sich in die Berge von Alta Verapaz, in die Cuchumatanes und in die Urwaldgebiete von Ixcán und Petén geflüchtet hatte, vor allem aber auf die dort organisierten „Widerstandsgemeinden“ (Comunidades de Población en Resistencia, CPR)
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.
1.1.1.3  Terror als Abschreckung
In Guatemala nahm die Terrorstrategie in ihrer Lebensverachtung derart extreme Ausmaße an, daß dort öffentlich gefoltert, Tote zur Schau gestellt und verstümmelte Leichen mit Folterspuren offen liegengelassen wurden. Sie hatten ihm die Zunge herausgeschnitten, seine Augen waren mit einer breiten Binde bzw. einem Pflaster verbunden, und überall hatte er tiefe Wunden, auch an den Rippen, und sein Arm sah aus, als sei er gebrochen. Sie hatten ihn bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Nur, weil ich so viele Jahre mit ihm zusammengelebt hatte und von einigen seiner Narben wußte, erkannte ich ihn wieder. Ich hatte auch ein neueres Ganzkörperfoto von ihm dabei, und ich sagte dem Gerichtsmediziner, das sei mein Mann. Der sagte dann: „Ja, das war Ihr Mann, Sie können ihn mitnehmen.“Fall 3031 (Entführung in Salamá und Ermordung in Cuilapa), Cuilapa, Santa Rosa, 1981.
1.1.1.4  Angst im Zusammenhang mit Kollaboration
Teilweise wirkte die Terrorstrategie auch auf die Täter zurück. In den Aussagen finden sich häufig Hinweise darauf, wie die Angst unter ihnen als interner Kontrollmechanismus funktionierte. Der Offizier sagte zu uns, wenn wir nicht töteten, dann würden sie uns alle töten. Deshalb mußten wir das machen. Ich bestreite das nicht, aber wir mußten es eben tun, weil sie uns bedrohten.Fall 1944 (Mitglied der Zivilpatrouillen), Chiché, Quiché, 1983. Die meisten Zeugenaussagen beschreiben für die Jahre 1980-83 einen massiven militärischen Druck auf die Dorfgemeinschaften. Dazu gehörten auch die Aktionen der Militärkommissariate und die unter Zwang erfolgte Bildung der Zivilpatrouillen (PAC). Mit dem Auftreten der PAC verlagerte die Strategie der Angst ihren Schwerpunkt auf die internen Kontrollmechanismen. Man mußte bei der Patrouille ein paar Schichten übernehmen, aber wir hatten große Angst dabei. Zur gleichen Zeit kam die Guerilla und sagte, wir sollten uns nicht an den Patrouillendiensten beteiligen. Wir hatten wirklich große Angst, denn zuerst kamen die einen und organisierten die Patrouille, und dann kamen die anderen, um es zu verhindern. Das war schon sehr schwierig für uns. Damals merkten wir allmählich, daß wir dort nicht länger leben konnten.Fall 2267, Nojoyá (Weiler), Huehuetenango, 1980. 1980/81, als immer mehr Leute nach Cobán kamen und die Guerilla die Landbesitzer verjagte und all das, da nahm die Guerilla Kontakt mit den Leuten auf und die Leute auch mit der Guerilla, denn sie fühlten sich bedroht. Wir taten uns also mit der Guerilla zusammen, weil wir dachten, sie sei unser Arm für den Widerstand. Wir hatten ja niemanden, der uns half. Die Guerilleros waren in der gleichen Lage wie wir, und sie erklärten die Dinge und kämpften. Deshalb taten wir uns zusammen. Wir kämpften für die gleichen Ziele wie sie. Danach ging es dann los mit der Repression der Armee.Fall Sahakok, El Calvario, Cobán, Alta Verapaz. Die Polarisierung der Gesellschaft als Folge des bewaffneten Konflikts und die Schließung der gesellschaftlichen Spielräume für zivile Kämpfe führten dazu, daß sich in bestimmten Gebieten viele Menschen aus den Gemeinden entweder freiwillig oder gezwungen durch die Situation am Krieg beteiligten. Hier haben sich die Leute nicht der Guerilla angeschlossen. Die Guerilla kam öfter mal vorbei, aber sie konnte nichts ausrichten. Als dann davor gewarnt wurde, daß es gefährlich sei, nachts draußen herumzulaufen, begannen wir, uns unsicher zu fühlen. Deshalb beschlossen wir auf einer Versammlung, daß 14 Leute von uns mit der Armee sprechen sollten, damit die Soldaten nichts gegen unser Dorf unternähmen. Die 14 kamen nicht zurück. ... Sie wurden in der Schule von Paley umgebracht.Aus dem Bericht des Werkstattseminars, San José Poaquil, Chimaltenango, 23.11.1996 (S. 1). Die Angst vor der Armee war in vielen ländlichen Gebieten ein allseits präsenter Faktor, durch den die Menschen zur Flucht oder in anderen Fällen auch in die Arme der Guerilla getrieben wurden. Die mehr oder weniger direkte Unterstützung der Guerilla war ein Weg, Schutz zu bekommen bzw. sich aktiv am Konflikt zu beteiligen. In einigen Zeugenaussagen zu den Jahren 1980/82 wird berichtet, wie auch die Guerilla einzelne Familien oder Dorfgemeinschaften unter Druck setzte, um sie zu einer aktiven Mitwirkung am Krieg zu bewegen, oder auch, um sie daran zu hindern, die Armee in irgendeiner Form zu unterstützen, da die Lage immer kritischer wurde. In einigen Gebieten deutete die Angst, als Spitzel zu gelten, auf ein eingeschränktes Gemeinschaftsleben hin, das die Menschen dazu zwang, Partei zu ergreifen. Wir waren gezwungen, uns an den Versammlungen zu beteiligen, die immer wieder organisiert wurden, einige von uns auch aus Angst, umgebracht zu werden, denn wer sich nicht beteiligte, den bezeichneten sie als Spitzel. Dann galten wir als Verräter.Fall 5334, Pozo de Agua (Weiler), Baja Verapaz, 1983.
1.1.2  1.1.2 Die Folgen von Angst und Terror
Zu Beginn der 80er Jahre breitete sich im ganzen Land ein Klima des Terrors aus. Kennzeichnend dafür war ein extremes Maß an Gewalt gegen Dorfgemeinschaften und organisierte Bewegungen, der die Menschen völlig wehrlos ausgesetzt waren. Durch die ständig erlebte Bedrohung geriet das Alltagsleben vieler Familien völlig aus den Fugen. Mit den kollektiven Massakern und dem Auftauchen von Leichen mit Folterspuren nahm der Terror massiven Charakter an und entwickelte sich zu einer öffentlichen Zeremonie außerhalb jeglichen Vorstellungsvermögens. Zur gleichen Zeit, als Armee und Polizeikräfte Gewalt demonstrierten, gab es keinerlei Möglichkeiten, sich an zivile Behörden, Justizeinrichtungen o.ä. zu wenden, um die Aktionen gegen die Bevölkerung zu stoppen, denn entweder waren solche Instanzen zerschlagen worden, oder aber sie standen unter militärischer Kontrolle.
1.1.2.1  Ein Klima des Terrors
a. Ständige Anspannung Die Leute gingen alle nicht mehr schlafen, und nachts saßen wir zusammen. Morgens waren alle traurig und übermüdet, und die Menschen hatten Angst.Fall 2299, Santa Ana Huista, Huehuetenango, 1981. b. Verbreitete Gewalt Die Soldaten hatten schon angefangen, Leute umzubringen. Sie sagten kein Wort und fragten nicht danach, ob sich jemand etwas hatte zuschulden kommen lassen. An dem Tag töteten sie einfach nur.Fall 6629, Cobán, Alta Verapaz, 1981. c. Öffentliche Darstellung des Grauens Was wir gesehen haben, ist entsetzlich: verkohlte Leichen, Frauen, wie Schlachtvieh aufgespießt auf Stöcken, als ob man Spießbraten aus ihnen machen wollte, die Körper verrenkt, und die Kinder abgeschlachtet oder mit der Machete zerstückelt. Die Frauen wurden wie Christus ermordet.Fall 0839, Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1985. d. Offene Demonstration der Straflosigkeit In diesem Moment, beim Anblick dieser Leichen, da war vor allem ein Gefühl von Ohnmacht, weil das einen einfach erschlug. Die Leute standen da, niemand sagte etwas, denn auf dem Bürgersteig standen die Straßenverkäufer, alle waren wie gelähmt, völlig verängstigt.Fall 5374 (Entführung durch die G-2), Guatemala, 1982.
1.1.2.2  Gesellschaftliche Folgen der Angst
Wenn einem dann klar wird, wie viele Menschen ermordet wurden, dann teilt man diesen Schmerz und weiß, daß darin eine moralische Verpflichtung liegt, nicht nur denen gegenüber, die keine Stimme haben, sondern auch gegenüber der ganzen Gesellschaft, die von der Angst beherrscht wird, denn im Kern liegt doch auch den Entführungen diese Psychologie des Terrors zugrunde: Wenn sie den XY verschleppt haben, dann werden sie auch all die anderen mitnehmen, die mit ihm befreundet sind.Fall 5449, Guatemala, 1979. Gesellschaftliche Folgen der Angst a. Verbotene Kommunikation Das Leben war sehr gefährlich und risikoreich. Die Menschen durften nicht miteinander sprechen und nichts sagen. Andauernd wurde man ermahnt, den Mund zu halten. Das bekam ich immer wieder zu hören. Jeder einzelne lebte in großer Gefahr.Fall 553, Chiquisis, Alta Verapaz, 1982. b. Rückzug aus Organisationsprozessen Als damals die ersten Toten auftauchten, bekamen die Leute große Angst und begannen, sich zurückzuziehen.Fall 2267, Nojoyá, Huehuetenango, 1980. c. Soziale Isolation Manchmal dachte ich, ich würde sterben. Bei wem hätte ich Trost finden sollen? Meine Mutter war tot, und mein Vater hatte Angst davor, mit mir zusammenzusein. Der einzige Trost, den ich hatte, war, daß sie kommen und mich und meine Kinder umbringen würden.Fall 5334, Pozo de Agua, Baja Verapaz, 1983. d. Infragestellung von Werten Sie jagten den Menschen Angst ein, und dann beugte man sich, man konnte nichts mehr sagen.Fall 6259, Nentón, Huehuetenango, 1983. e. Mißtrauen in der Gemeinschaft Die Leute änderten ihre Einstellung gegenüber der Armee. Es war schwer, noch an die Menschen zu glauben.Fall 771, Ixcán, Quiché, 1975. Trotz der ungeheuer weitreichenden sozialen Folgen der Gewalt, die sich in Bindungslosigkeit, sozialer Auflösung und Passivität zeigten, schufen Willkür und Brutalität bei vielen Menschen auch ein stärkeres Bewußtsein für die Gewalt und die aktive Rolle der Armee. Paradoxerweise trug dieses Bewußtsein auch zur Entwicklung von Widerstandsformen bei. Es war entsetzlich für uns: Als die Armeesoldaten kamen, schnappten sie sich einen stummen Jungen aus dem Dorf und fesselten ihn an Händen und Füßen. Sie fragten ihn etwas, aber weil er stumm war, konnte er nicht antworten. Sie packten ihn und trampelten auf ihm herum. Dann banden sie ihn fest und riefen die Dorfbewohner zusammen. Sie schleiften den Jungen heran und warfen ihn den Leuten vor die Füße. Sie fragten, ob wir ihn kannten. Wir sagten, ja, er sei stumm. Alle mochten und achteten ihn, denn er war ein völlig wehrloser Mensch. Die Leute hatten große Angst, aber auch Mut, denn sie sagten, der Junge sei zu arm dran, als daß man ihm so etwas antun dürfe, und man müsse mehr Achtung vor ihm haben.Fall 2267, Nojoyá, Huehuetenango, 1980.
1.1.2.3  Individuelle Folgen der Angst
In den Schilderungen von den Auswirkungen des Terrors auf das Alltagsleben der Menschen werden auch die individuellen Folgen der Angst beschrieben, die vielfach nicht nur eine akute Reaktion auf das herrschende Klima der Gewalt waren, sondern langfristig bis heute nachwirken, denn über Jahre hinweg blieben Bedrohung und militärische Kontrolle in verschiedenster Form bestehen. Wir lebten damals in einer Zeit der Angst, zehn Jahre lang. Glauben Sie mir, für mich war es hart zu erleben, wie alles gewissermaßen zusammenbrach. Alles war völlig kontrolliert, und jedem Straßenverkäufer, jedem, der kam, begegnete man voller Mißtrauen. Man konnte nicht mehr in Ruhe arbeiten, man hatte auch gar keine Lust mehr, arbeiten zu gehen.Fall 5362 (Entführungsversuch, Drohungen), Santa Lucía Cotzumalguapa, Escuintla, 1979. Individuelle Folgen der Angst a. Erleben einer bedrohlichen Wirklichkeit In einer Wirklichkeit, die zur Bedrohung wird, kommt es zu einer groben Verzerrung der Grenzen zwischen dem Realen und dem Imaginären. b. Ohnmachtsgefühle Die Aufstandsbekämpfungsstrategie und die Straflosigkeit, unter der die Gewalttaten stattfanden, führten zu Lähmungserscheinungen und Verhaltensformen der Anpassung an eine feindliche Umgebung. Angst vermindert die Fähigkeit zur Kontrolle über das eigene Leben und ist ein wichtiger Faktor psychischer und sozialer Verletzlichkeit. c. Alarmzustand Der Alarmzustand trägt dazu bei, in Extremsituationen überleben zu können. Gleichzeitig birgt er aber auch ein bedeutendes Risiko physischen und psychischen Leidens in sich. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse können körperliche Reaktionen auftreten. Mittelfristig führt die chronische Anspannung jedoch zu größeren gesundheitlichen Schäden. d. Verhaltensprobleme Zu den Folgen der Angst gehören auch unkontrollierte Reaktionen, die von Handlungsunfähigkeit bis hin zu extremem Verhalten (Panikattacken) reichen können. e. Gesundheitliche Probleme In vielen Zeugenaussagen wird die Angst als Schrecken oder Krankheit geschildert, deren Folgen über den Augenblick der unmittelbaren Bedrohung hinausgehen (verschiedene organische Störungen, gesundheitliche Probleme psychosomatischer und affektiver Art, Störungen der Immunabwehr, Schmerzen und unspezifische somatische Beschwerden). Gerade in der Maya-Kultur wird der Schrecken als Krankheit definiert, die nach einer Gewalttat oder bei besonderer Verletzlichkeit der betreffenden Person zum Ausbruch kommt und durch kurative Maßnahmen aus dem Körper entfernt werden muß.
1.1.2.4  Angst als Schutz
Angst kann auch ein Mechanismus sein, der dazu beiträgt, das eigene Leben zu schützen. Als die Krisensituationen immer massiver wurden, führte die Wahrnehmung der Lebensgefahr dazu, daß sich viele Einzelpersonen und ganze Dorfgemeinschaften entschlossen zu fliehen, sich zu schützen und sich gegenseitig zu helfen. Unter solchen Bedingungen ist die Angst ein Anpassungsmechanismus, der zwar einerseits gewisse Probleme verursacht, andererseits aber auch den Menschen hilft zu überleben. Entschluß zur Flucht:Alle hatten Angst, das ganze Dorf, und niemand schlief zu Hause. Wir kamen nur nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen, und morgens blieben wir in unseren Häusern, aber abends gingen wir in den Wald, weil wir dachten, daß uns allen so etwas passieren könnte.Fall 0553, Chiquisis, Alta Verapaz, 1982. Vorsichtsmaßnahmen:Sie sagten zu mir: ‘Wir arbeiten zusammen. Wenn wir so zusammenbleiben, wird uns nichts passieren. Gemeinsam mit mehreren in einer Gruppe machen sie uns nicht so leicht fertig, wir müssen nur aufeinander aufpassen. Wir gehen zusammen arbeiten, und so wird uns vielleicht nichts passieren.’Fall 7392, Petén, 1982-90. Solidarische Verhaltensformen:Für uns war das etwas sehr Schönes und gleichzeitig etwas sehr Trauriges. Manche Verwandte und Freunde mieden uns auf der Straße, als ob wir Lepra hätten. Einige Familienangehörige aber setzten sich dem Risiko aus, im Ausnahmezustand, im Kriegszustand, in all diesen Zuständen, und sie kamen uns besuchen, allerdings nachts, und riskierten ihr Leben dabei.Fall 5444, Guatemala, 1979.
1.1.2.5  Die Angst heute
In einem geringeren Teil der Aussagen wird für die Gegenwart noch spontan von Angst gesprochen. In etlichen Fällen wird jedoch geäußert, daß die Erlebnisse aus der Vergangenheit, die traumatischen Erinnerungen und die Drohungen, die im Zusammenhang mit dem REMHI-Projekt weitergingen, noch immer Angstgefühle erzeugen. Dennoch ist hier zu berücksichtigen, daß gerade diejenigen, die Zeugnis ablegten, bereits einen entscheidenden Schritt zur Bewältigung der Angst taten, indem sie von den Geschehnissen sprachen. Einige von uns haben immer noch Angst, und deshalb wollten sie auch keine Aussage machen.Fall 1509, Santa Ana, Petén, 1984. Bei einer Analyse der heutigen Angstgefühle, die von den Betroffenen geäußert wurden, finden wir vier verschiedene Situationstypen, die sich bisweilen überlagern: a. Bezug zu den Tätern Viele Opfer äußerten große Angst vor der Präsenz der Täter, die den betroffenen Familien bekannt sind und häufig noch immer Machtpositionen in den Dorfgemeinschaften besetzen. Ich habe ein bißchen Angst, denn wenn diejenigen, die in unseren Dörfern soviel angerichtet haben, davon erfahren, dann können sie auch mir etwas antun. Wir haben ja schon erlebt, wozu die fähig sind.Fall 1376, Río Pajarito, Quiché, 1983. Mir wäre es lieber, Sie würden nicht verraten, wer hier ausgesagt hat, weil der Täter immer noch lebt.Fall 5042, Santa Lucía Cotzumalguapa, Escuintla, 1984. b. Bezug zu den negativen Folgen der Zeugenaussage Obwohl viele Zeugen ihre Angst vor einer Aussage überwanden, nahmen sie diese dennoch als Risiko wahr. In einigen Fällen erklärten sie selbst, daß etliche Opfer keine Aussage machen wollten, weil sie Angst vor den möglichen Folgen hätten. Wenn ich jetzt dieses Gespräch führe und morgen oder übermorgen der Tod auf mich wartet, was dann? Ich will mit meiner Familie weiterleben, und deshalb habe ich Angst. Ich habe Angst davor zu erzählen, was in diesen Jahren geschehen ist.Fall 6102, Barillas, Huehuetenango, 1982. c. Bezug zu den sozialen Konflikten in der Zeit nach dem Konflikt Die traumatischen Erinnerungen an das Erlebte lassen bei vielen Menschen die Forderung und den verbreiteten Wunsch entstehen, daß „die Gewalt nicht wiederkehren soll“. Diese Angst ist an einigen Orten sehr ausgeprägt, an denen die sozialen Konflikte an die extreme Polarisierung bzw. die Militarisierung des Alltagslebens in bestimmten Phasen des Krieges erinnern. Angst habe ich wie viele andere auch davor, daß die Spaltung im Ixcán und all das, was in den achtziger Jahren hier passiert ist, noch einmal geschieht.Fall 0839, Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1986/85. d. Bezug zu der anhaltenden Bedrohung Schließlich hat es in den letzten Jahren nach wie vor Situationen selektiver Repression gegen soziale Bewegungen gegeben. Darüber hinaus zeigen Vorfälle, von denen man glaubte, daß sie der Vergangenheit angehörten und die in den letzten Phasen des bewaffneten Konflikts auftraten, noch immer Folgewirkungen. In diesem Sinne ist die Angst die größte Belastung. Wenn ich zum Beispiel merke, daß er sich nach der Arbeit verspätet, werde ich ganz nervös, weil er normalerweise zu einer bestimmten Zeit nach Hause kommt. Man lebt unter dieser Anspannung, und deshalb ist mein Vater auch sehr krank geworden. Unser Leben hat sich furchtbar verändert, und das bringt eine ganze Menge Dinge mit sich: den Zerfall der Familie, verwaiste Kinder, Psychosen. Den ganzen Tag steht man halt unter Anspannung, und dann sehen Sie einen fremden Menschen und denken gleich, daß Sie verfolgt werden. Man hat eben Angst, daß einem was passiert.Fall 0141, Quetzaltenango, 1994.
1.1.3  1.1.3 Gestörte Trauerprozesse
In sämtlichen Kulturen gibt es Riten, Normen und Ausdrucksformen der Trauer, die sich aus unterschiedlichen Vorstellungen von Leben und Tod herleiten. In der Maya-Kultur wird der Tod nicht als fehlendes Leben begriffen, und die Beziehungen zu den Vorfahren sind Teil des Alltags. Wir mußten unsere Vorfahren zurücklassen. Die Toten entfernten sich von uns, und die heiligen Stätten auch.Fall 569, Cobán, Alta Verapaz, 1981. Unter den Bedingungen von Vertreibung und extremer sozialer und politischer Gewalt beinhaltet der Trauerprozeß auch eine Auseinandersetzung mit vielen anderen Verlusten und erhält einen gemeinschaftlichen Sinn. Die Menschen haben nicht nur Freunde und Angehörige verloren, sondern sie spüren auch, daß die Achtung vor den Opfern und Überlebenden verlorengegangen ist. Wir mußten mit ansehen, wie sie die Leute umbrachten, junge Leute, noch ganz junge Mädchen. Wie viele haben getrauert! Frauen um ihre Männer, arme Leute. Ich wußte nicht, was ich für die Kinder tun könnte. Deshalb trauerten wir alle.Fall 2230 (Massaker), Jolomhuitz, Huehuetenango, 1981. Über den Verlust der Angehörigen hinaus hat die Trauer noch eine weitreichendere Bedeutung: Die Menschen trauern auch um den Bruch eines Lebens- und Familienprojekts, und in vielen Fällen spielen wichtige wirtschaftliche und politische Faktoren mit: Statusverlust, der Verlust von Land und damit einhergehend der Verlust der Identität, die an die Scholle gebunden ist. Die Zerstörung der Maisfelder und der Natur bedeutete nicht nur Nahrungsverlust bzw. eine Form von Entbehrung, sondern auch einen Angriff auf die gemeinschaftliche Identität. Ein Jahr lang trauerten wir. Wir bestellten unser Maisfeld nicht mehr, und der Mais ging unter dem ganzen Unkraut ein. Es war schwer für uns, das Jahr zu überstehen. Nachdem sie meinen Vater umgebracht hatten, konnten wir nicht mehr fröhlich sein. So war es. Nur mit Mühe fanden wir unseren Lebensmut wieder. Alle Leute waren sehr traurig, all unsere Familien. Ein kleines Mädchen hat sich damals retten können. Sie ist jetzt schon erwachsen, und wenn sie zurückdenkt, dann weint sie.Fall 553 (Massaker), Chiquisis, Alta Verapaz, 1982. Die Zerstörung materieller Güter bedeutete Leid für Einzelpersonen und Familien, wirkte sich aber auch auf den gemeinschaftlichen Lebenssinn aus. In den Aussagen der Menschen kommt zum Ausdruck, wie die Trauer um den materiellen Verlust körperliche Gestalt annimmt („Seine Kleidung war traurig“, Fall 1343, Chicamán, Quiché, 1982). An dem Samstag abend sahen wir keinen Menschen mehr. Alle Häuser trugen Trauer, weil niemand mehr drinnen war. Fall 10583 (Ermordung der Eltern), Chisec, Alta Verapaz, 1982. Aufgrund kultureller Unterschiede können Auswirkungen der Gewalt auf die Trauerprozesse ganz eigene Merkmale entwickeln. In der Ladino-Kultur
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beinhaltet der Trauerprozeß zunächst die Teilnahme an der Totenwache und an der Beerdigung auf dem Friedhof sowie die Begleitung der Familie. Danach finden Zeremonien und Jahrtesagfeiern statt. Solche Elemente finden sich zwar teilweise auch in anderen Kulturen, doch hat in der Maya-Kultur die Art zu sterben (z.B. die Position, in der der Leichnam liegt) eine besondere Bedeutung, ebenso auch die Leichenwaschung und die Gegenstände, die dem Verstorbenen beigegeben werden. Auch später ist die Beziehung zu den Vorfahren in Zeremonien und Feierlichkeiten stärker präsent. Angaben von Schlüsselinformanten deuten darauf hin, daß in Gebieten, in denen es Massaker gegeben hat, die Selbstmordrate in den letzten Jahren signifikant gestiegen ist. Zwar liegen dazu keine genauen Untersuchungen vor, und auch andere Faktoren könnten hierbei eine Rolle spielen, doch zeigt sich bei einer Auswertung der Sterbebücher der Bezirksverwaltung Rabinal
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, daß die Zahl der Todesfälle durch Selbstmord erheblich zugenommen hat. In den Jahren vor 1980 waren solche Fälle wie in den meisten indigenen Kulturen sehr selten (in den vorherigen zehn Jahren nur ein Fall gegenüber mehr als acht Fällen in nur zwei Jahren).
1.1.3.1  Massiver und brutaler Tod
Bei Massakern und politischer Gewalt sind die Trauerprozesse häufig gestört, weil der Tod so massiv, unerwartet und brutal eintritt. Die meisten der im Rahmen des REMHI-Projekts gesammelten Zeugenaussagen verdeutlichen die Brutalität der Todesfälle, die es in einigen Phasen massenhaft gegeben hat, sei es in Form von individuellen oder kollektiven Morden oder auch von Massakern. Fünf oder sechs Monate lang bekamen wir keine einzige Tortilla mehr zu essen. Mein Vater und meine Mutter kamen damals um. Ihre sterblichen Überreste blieben in den Bergen.Sie [die Täter] zerstückelten die Kinder, zerhackten sie mit der Machete. Die Kranken, die von der Kälte schon ganz aufgedunsen waren, metzelten sie nieder, wenn sie ihnen in die Finger kamen. Manchmal zündeten sie die Menschen auch an. Der Schmerz sitzt sehr tief in meiner Seele. Ich habe niemanden mehr, meine Eltern sind tot, und ich fühle mich, als hätte ich ein Messer im Herzen. Wir schleppten die Toten mit und mußten sie begraben, voller Angst. Meine Mutter starb in Sexalaché, mein Vater an einem anderen Ort. Die Leichen wurden nicht alle zusammen beerdigt, sondern sie blieben ganz verstreut in den Bergen liegen. Wenn die Leute von der Patrouille kamen, zerstückelten sie die Menschen mit der Machete, einige wurden gevierteilt. Wir warteten, bis sie mit dem Morden aufhörten, und dann gingen wir zurück, um die Toten zu holen, und begruben sie notdürftig. Es sind auch Menschen gestorben, die nicht beerdigt werden konnten.Fall 2052, Chamá, Alta Verapaz, 1982. Die brutale Art des Todes hat noch zusätzliche leidvolle Erfahrungen für die Überlebenden mit sich gebracht. Viele leiden unter den gesundheitlichen Folgen oder auch unter den bleibenden traumatischen Erinnerungen an die Qualen, die ihre Angehörigen vor ihrem Tod erlitten haben. Sie wurden im Hof hinter dem Haus aufgestapelt. Nach fünf oder sechs Tagen befahl die Armee, die Toten zu begraben. Wir gingen hin und begruben sie, aber nicht auf dem Friedhof, sondern an einer anderen Stelle. Wir fanden eine Grube in einer Schlucht, und dort legten wir sie alle übereinander und verbrannten sie. Weil wir das getan haben, sind wir krank geworden. Wir können nichts mehr essen. Unter den Toten sah ich einen, der hatte den Brustkorb aufgeschlitzt. Sein Herz, seine Lunge, alles hing heraus. Ein anderer hatte den Kopf nach hinten verdreht, mit dem Gesicht zur Sonne. Nach zwei oder drei Monaten wurden die Leichen von ihren Familien ausgegraben und auf den Friedhof gebracht, aber das ist nicht mehr so, wie es sein sollte, alles nur noch Wasser und Knochen. Sie wurden einfach in den Särgen übereinandergelegt. Zusammen waren es fünf Särge, und dann trugen wir sie zum Friedhof. Wir aber sind davon krank geworden. Das habe ich selbst in dieser Zeit so erlebt.Fall 1368, Tierra Caliente, Quiché, 1981. Als sie ihn umbrachten, schlugen sie ihm die Zähne aus, und die Nase war ganz geschwollen. Niemals hatte ich einen Toten gesehen, der so zugerichtet war wie mein Sohn. Daß sie meinem armen Sohn die Zähne ausgeschlagen haben, das kann ich nicht vergessen.Fall 2988, Nebaj, Quiché, 1983. Aufgrund der Öffentlichkeit vieler Massaker kommt für viele Betroffene zu dem eigentlichen Tod noch die Tatsache hinzu, daß sie Zeugen waren. Viele der Aussagenden mußten die Folgen der Massaker direkt mit ansehen oder erlebten in einigen Fällen sogar den Todeskampf von Menschen mit, die nicht sofort starben, sondern schwer verletzt liegenblieben. Als die Armee zurückkam, trat mein Onkel, der Militärkommissar war, aus dem Haus, und sie sagten zu ihm: „Also, bring diese Leute unter die Erde. Wir haben gerade eine ganze Familie fertiggemacht. Das sind verkommene Leute. Wir haben sie fertiggemacht, und jetzt begräbst du sie. Ein paar davon sind noch nicht tot, die bewegen sich noch. Warte ab, bis sie tot sind. Die sollen sich ja nicht mehr mucksen! Dann begräbst du sie“. Es war grauenhaft, als wir da hinkamen. Das werde ich meinen Lebtag nicht vergessen, auch wenn einige Leute sagen, daß man das Vergangene vergessen muß. Ich kann es nicht, ich denke ständig daran. ... Wir gingen in die Küche, und da lag die ganze Familie: meine Tante, meine Schwiegertochter, ihre Kinder. Zwei kleine Mädchen waren mit der Machete zerstückelt worden. Sie lebten noch. Der Junge, Romualdo, lebte noch ein paar Tage. La Santa hat es nicht überlebt. Ihre ganzen Eingeweide hingen heraus. Es dauerte nur noch einen halben Tag, dann starb sie.Fall 9014 (Massaker), San José Xix, Chajul, Quiché, 1982.
1.1.3.2  Die Sinnlosigkeit des Todes
Die Sinnlosigkeit des gewaltsamen Todes wird in den meisten Fällen noch durch ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit verstärkt, das bis heute nachwirkt. Deshalb sind wir immer noch traurig. Wenn es wegen einer Krankheit gewesen wäre, könnten wir uns damit abfinden, aber er war gesund und munter.Fall 6006, San Mateo Ixtatán, Huehuetenango, 1982. In einigen Fällen von Hinrichtungen durch die Guerilla ist dieses Gefühl von Ungerechtigkeit gepaart mit Enttäuschung über die Aktionen der Guerilla gegen Menschen aus der Dorfgemeinschaft. Andrés Miguel Mateo redete nach dem Tod von Tomás Felipe. Er fragte, warum die Brüder aus der Guerilla den umgebracht hätten. Und nur, weil er das gesagt hatte, holten sie ihn und brachten ihn um. Ich kenne viele Leute auch in anderen Dörfern, die sich um Land streiten, und dann sagen sie: ‘Der da will mir mein Land wegnehmen, wir sollten ihn umbringen’. So ging dann das Gemetzel los. Als das passierte, fühlten sich die Leute betrogen.Fall 6257, Tzalá, Huehuetenango, 1983. Die Menschen versuchen zwar, eine Erklärung für den sinnlosen Tod zu finden, indem sie entweder auf ihre kulturell geprägten Denkmuster, ihre Erfahrungen oder ihre Ideologie zurückgreifen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß Ohnmachts- oder Schuldgefühle auch Auswirkungen auf den Trauerprozeß haben können, weil man nichts getan hat, um die Geschehnisse zu verhindern. Das Leid, der Schmerz lasten noch heute sehr auf meiner Seele. Ich bin furchtbar traurig wegen meinem Sohn, aber ich kann nichts mehr tun. Ich weiß nicht, wo sein Leichnam liegt und sein Blut geflossen ist. Ich bete zu Gott, daß er ihn beschützt, ihn erleuchtet und seine Seele aufnimmt. Warum nur mußte er ausgerechnet an dem Tag Mais kaufen gehen? Mais hätte es auch noch an einem anderen Tag gegeben!Fall 2195, Tactic, Alta Verapaz, 1981. Die Zentralität der Gewalt und die direkte Verwicklung von Angehörigen oder Nachbarn in die Mordtaten machen es noch schwieriger, den Schmerz zu bewältigen und den Ereignissen einen Sinn zu geben. Wir denken, daß Gott Gerechtigkeit walten lassen muß, aber am schmerzlichsten ist, daß ich niemals sein Gesicht im Sarg habe sehen dürfen, weil es entstellt war. Sie hatten ihn übel zugerichtet. Besonders schlimm ist für mich, daß sein eigener Onkel seine Ermordung angeordnet hat, wie H.C., der war der größte Schlächter hier in Salamá.Fall 3077 (Mord), Salamá, Baja Verapaz, 1981.
1.1.3.3  Verhinderung von Beerdigungen und Feierlichkeiten
Gelegentlich machte der Terror die nahestehenden Menschen unfähig zur Trauer und blockierte den Trauerprozeß. Viele konnten ihre Angehörigen nicht holen, sie begraben oder gar den gewaltsamen Tod als Folge von Bedrohung erkennen. Lediglich die Hälfte der Überlebenden, die ausgesagt haben, wissen, wo ihre Angehörigen geblieben sind (49,5% wissen, wo sich ihr Leichnam befindet), und nur ein geringerer Teil (34%), d.h. ein Drittel, konnte eine Totenfeier abhalten bzw. die Toten begraben. Darüber hinaus machten es der Notstand bzw. das repressive soziale Umfeld in den meisten Fällen unmöglich, Riten und Zeremonien als Ausdruck des Respekts und des Abschieds von den Verstorbenen und ebenso auch als Form der Solidarität und des Mitgefühls mit den Angehörigen zu praktizieren. Viele dieser Prozesse wurden absichtlich verhindert, um die Überlebenden zu terrorisieren oder eine öffentliche Aufklärung der Vorfälle zu unterbinden. Im Handbuch für Aufstandsbekämpfung des guatemaltekischen Heeres
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finden sich genaue Anweisungen, wie der Verbleib der Toten geheimzuhalten ist. Zivile Tote, Freunde und Feinde, werden von Angehörigen des Militärs so rasch wie möglich bestattet, um zu verhindern, daß sie von den subversiven Elementen für deren Propaganda- und Agitationsarbeit benutzt werden (S. 208). In anderen Fällen wurde diese Praxis der Strategie des abschreckenden Terrors untergeordnet. Zu den unmittelbaren Gefahren durch die Fortsetzung der militärischen Operationen kam vielfach der ausdrückliche Befehl, die Opfer weder anzurühren noch zu begraben, so daß viele Menschen ihre ermordeten Angehörigen weder beerdigen noch ihnen ein Minimum an Fürsorge geben konnten. Die Häufigkeit, mit der derartige Befehle erteilt wurden, und die Sorgfalt, mit der die Armee die sozialen und kulturellen Eigenheiten der Maya-Bevölkerung untersucht hat, um so die Kontrolle in den ländlichen Gebieten zu verstärken, lassen den Schluß zu, daß hinter dieser Maßnahme offensichtlich die politische Absicht stand, Terror zu verbreiten. Diejenigen, die dort starben, verwesten. Sie blieben einfach liegen, und niemand hob sie auf, niemand begrub sie. Sie [die Militärs] hatten gesagt, wenn jemand die Toten da wegholte oder auch nur besuchen ginge, dann würde man die Leute umbringen, und wer sie begrübe, würde selbst dazugehören. Bis heute weiß ich nicht, was aus ihnen geworden ist, ob irgendein Tier, vielleicht ein Hund sie gefressen hat, ich weiß nicht. Diese Gewalt haben sie meiner Mutter, meinem Vater angetan. Der Schmerz brennt mir auf der Seele, und ich muß immer wieder an die Gewalt denken, die sie erlebt haben.Fall 2198, San Pedro Carchá, Alta Verapaz, 1982. Die Verstümmelung vieler Leichen war ebenfalls eine Form, die Menschen zu erniedrigen und die Würde der Opfer in Frage zu stellen. Auch dies hatte eine ausgeprägte kulturelle Dimension. Die Symbole der Zerstörung (das Niederbrennen, das Zerhacken mit der Machete, das Aufspießen, das Liegenlassen der Leichen, die oftmals von Ungeziefer zerfressen wurden, etc.) oder auch der Mißbrauch von geheiligten Stätten als Schauplatz des Todes sind Elemente der Zeugenaussagen, in denen sich die gestörten Trauerprozesse der Überlebenden deutlich widerspiegeln.
1.1.3.4  Das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen
Ende der 70er Jahre ließen die Sicherheitskräfte oftmals im Rahmen ihrer Operationen Einzelpersonen verschwinden. Diese Aktionen standen unter dem Schutz der Geheimhaltung und wurden niemals aufgeklärt. Auch die Familien konnten über den Verbleib ihrer Angehörigen nie etwas Endgültiges erfahren. In den ländlichen Gebieten, in denen viele Menschen bei militärischen Operationen verschleppt bzw. von eindeutig identifizierten Tätern verhaftet wurden, war das gewaltsame Verschwindenlassen systematische Praxis. Vielfach gibt es Zeugen für den Ablauf der Verhaftungen und sogar für den Aufenthalt der Opfer in Militärposten. Zwar sind in einigen Fällen die Familien zu der Überzeugung gelangt, daß ihre Angehörigen ermordet wurden, doch ist es für sie viel schwieriger, mit einem solchen Verlust zu leben. Das Verschwindenlassen schafft eine zwiespältige Situation. Sie bringt noch stärkere Betroffenheit und Unsicherheit über den Tathergang und den Verbleib der Leiche mit sich. Er war bei der Zivilpatrouille, wie alle anderen auch. Auf dem Zentralplatz wurde er vor den Augen seines sechsjährigen Sohnes Víctor Clemente von den Soldaten verhaftet, gemeinsam mit Jacinto de Paz, dem Lehrer. Dessen Frau bat die Soldaten, die ihn im Pfarrkonvent gefangenhielten, ihn freizulassen, aber das lehnten sie immer wieder ab. Nach drei Tagen ließen sie Jacinto laufen. Er erzählte, daß Alberto von der Folter ganz geschwollene Hände hatte. Wir haben nie erfahren, wann sie ihn ermordet und wohin sie ihn gebracht haben ... Wer weiß, wo sie ihn hingeworfen haben. Wir haben so oft nach ihm gesucht, so viele Tote liegen auf dem Friedhof, aber mein Mann ...Fall 2978, Nebaj, Quiché, 1982. Wenn es keinen Ort gibt, um die Totenwache zu halten, wird es schwieriger, sich mit dem Verlust auseinanderzusetzen und den Trauerprozeß abzuschließen, auch wenn manche Menschen schließlich andere Wege finden, um Symbole für die Präsenz der Verschwundenen zu finden und sich Bezugspunkte für ihre Erinnerungen zu schaffen. Drei Tage habe ich geweint, weil ich ihn sehen wollte. Ich setzte mich auf die Erde, nur ein kleines Stückchen Erde, um sagen zu können, hier liegt er, hier steht das Kreuz, hier ist er, hier ist alles, hier werden wir zu Staub, und hier werden wir ihm unsere Achtung erweisen, ihm eine Kerze hinstellen. ... Aber wenn wir eine Kerze anzünden wollen, wo gehen wir dann hin? Wir können nirgends hingehen. In meinem Inneren fühle ich so tiefen Schmerz. Jede Nacht stehe ich auf, um zu beten, Nacht für Nacht. Wo sollen wir bloß hingehen?Fall 8673, Sibinal, San Marcos, 1982. Das gewaltsame Verschwinden eines Kindes Marco Antonio Molina Theissen Am 6. Oktober 1981 wurde der 14-jährige Marco Antonio Molina Theissen entführt. Die Tat steht mit der illegalen Verhaftung seiner Schwester Emma Guadalupe Molina Theissen in Zusammenhang.
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Einen Tag, nachdem sie von dem Ort ihrer Gefangenschaft hatte fliehen können, tauchten drei schwerbewaffnete Männer in Zivil vor dem Haus der Familie auf (Fahrzeug mit dem Kennzeichen P-16765). Zwei der Männer gingen hinein. Mit ihren Waffen hielten sie die Familie in Schach und durchsuchten das Haus eine Stunde lang. Sie ketteten Marco Antonio an einen Sessel im Wohnzimmer und knebelten ihn mit Klebeband. Dann stülpten sie ihm einen Sack über den Kopf, warfen ihn auf die offene Ladefläche des Lieferwagens und nahmen ihn mit, ohne sich um die flehentlichen Bitten der Mutter zu kümmern. Wir haben nie mehr etwas von ihm gehört. Die Eltern machten sich auf die Suche nach Marco Antonio. Sie fuhren nach Quetzaltenango, um mit Oberst Quintero zu sprechen, sie suchten Unterstützung bei der katholischen Kirchenhierarchie, ohne Erfolg. Erzbischof Casariego bot ihnen an, sich bei General Lucas, dem damaligen Staatspräsidenten, für sie zu verwenden, weil er nach eigenen Aussagen jeden Mittwoch mit ihm frühstückte. Danach suchten sie Hilfe bei anderen Bischöfen, bei Journalisten, beim Polizeichef, beim Präsidentennachfolger General Ríos Montt, aber sie konnten nichts erreichen. Die Antwort der Militärbehörden war immer die gleiche: ‘Ihr Sohn ist von der Guerilla entführt worden’. Wegen der Drohungen mußte die ganze Familie das Land verlassen. Fall 11826, Guatemala, 1981. In den meisten Fällen variierten die offiziellen Antworten: Meist wurde die Verhaftung geleugnet, oder man behauptete, nichts über den Verbleib der fraglichen Personen zu wissen. Auch wurden widersprüchliche Versionen benutzt, so daß die Angehörigen noch mehr verunsichert wurden. Darüber hinaus zog häufig bereits die Tatsache, überhaupt irgendwelche Schritte zu unternehmen, offene oder versteckte Drohungen nach sich, mit denen die Überlebenden eingeschüchtert werden sollten. Viele Familien lebten so in einem tiefen Widerspruch zwischen der Notwendigkeit zu erfahren, was geschehen war, und erzwungener Untätigkeit, um sich nicht noch mehr zu gefährden. Die Überzeugung, daß viele gewaltsam verschwundene Menschen in Wirklichkeit von den Sicherheitskräften gefangengehalten wurden, stützt sich auf zahlreiche Aussagen, bei denen die Deklaranten oftmals Tatzeugen waren. In einigen Fällen dienten familiäre Bindungen zwischen der Zivilbevölkerung und Soldaten als Informationsquelle über die Lage der Verhafteten. Doch trotz der Eingaben konnte in den meisten Fällen nichts über den endgültigen Verbleib der Angehörigen in Erfahrung gebracht werden. Viele der Opfer liegen entweder auf geheimen Friedhöfen oder in Massengräbern, die es nach den vorliegenden Aussagen in einigen Militärposten gibt.
1.1.3.5  Auswirkungen gestörter Trauerprozesse
Eine quantitative Analyse gibt uns einige Hinweise auf die Menschen, die nach dem Tod ihrer Angehörigen die größten Schwierigkeiten mit dem Trauerprozeß hatten: 1) Die massivsten Probleme treten heute bei den Menschen auf, die ihre Angehörigen durch kollektive Massaker verloren haben und sie nicht beerdigen konnten, weil die Leichen an einem unbekannten Ort oder möglicherweise auch in einem Massengrab liegen. Wenn die betreffende Person nicht weiß, wo ihre Angehörigen ermordet wurden und wo sich deren Leichnam befinden könnte, kann sie den Verlust nicht in ihr Leben integrieren. Es könnte noch eine (reale oder imaginäre) Spur von Hoffnung geben, daß der/die Angehörige noch am Leben ist, so daß der Versuch, den Trauerprozeß abzuschließen, in gewisser Weise einem Verrat gleichkäme. Deshalb sind auch die Exhumierungen von so großer sozialer Bedeutung. Die betroffenen Familien können aber auch eine widersprüchliche Haltung einnehmen, denn einerseits bedeutet eine Exhumierung, sich Gewißheit über den Tod und einen Bezugspunkt für die entsprechenden Trauerriten zu verschaffen; andererseits aber können die Menschen die Exhumierung als Bedrohung ihres Gleichgewichts empfinden, das sie sich im Lauf der Jahre nach und nach aufgebaut haben. 2) Bei denjenigen Menschen, die in Erfahrung bringen konnten, wo ihre Angehörigen ermordet wurden, ist die Trauer hingegen nicht mehr so ausgeprägt. Sie haben allerdings in früheren Jahren meist verstärkt unter Krankheiten und gesundheitlichen Problemen gelitten. Die Bestätigung für den Tod zu erhalten und damit die Hoffnung zu verlieren, hat für viele Menschen bedeutet, „krank zu werden“ (die vorliegenden Daten weisen darauf hin, daß dieses Phänomen insbesondere dann auftrat, wenn die Leiche nicht beerdigt werden konnte). Auf diese Art und Weise wird von vielen geschildert, wie der Körper vor Kummer zusammenbrach. 3) Schließlich sind da noch die Familien, die von dem Tod erfuhren und außerdem ihre Toten begraben konnten. Hier überwiegen neben der Trauer um den Tod die Gefühle von Ungerechtigkeit und Zorn über das, was geschehen ist. Das Begräbnis schließt den Todeszyklus ab und ermöglicht es den Überlebenden, Wut und Empörung über die Täter zu äußern. Aus den vorliegenden Daten geht darüber hinaus klar hervor, daß der spezifische Charakter der Gewalttaten und ihre soziale Dynamik klare Informationen über das Schicksal der Angehörigen notwendig machen, um den Trauerprozeß durchleben zu können. Außerdem müssen die Taten und die institutionelle Verantwortung dafür öffentlich eingestanden sowie Maßnahmen ergriffen werden, um eine gesellschaftliche Wiedergutmachung zu gewährleisten und den Opfern ihre Würde zurückzugeben.
1.1.4  1.1.4 EINSCHLAGEN AUF DEN, DER SCHON AM BODEN LIEGT
Den Opfern und Überlebenden Schuld und Verantwortung zuzuweisen, war ein tragendes Element der Aufstandsbekämpfungsstrategie. Die Armee setzte dabei vorrangig folgende Instrumente ein: Propaganda und psychologische Kriegsführung, Militarisierung und erzwungene Anpassung (z.B. Zivilpatrouillen) sowie religiöse Sekten. Die Manipulation der Gedankenwelt der Maya-Kultur (Rückbezug auf das eigene Verhalten, Störung des Gleichgewichts in der Gemeinde und Sündenbegriff aus religiöser Sicht) war darauf ausgerichtet, die betroffenen Menschen zu Schuldigen zu machen und die Intentionalität der Unterdrückungsstrategien zu vertuschen. Schuldgefühle treten aber auch häufig bei Menschen auf, die traumatische Erfahrungen durchlebten und die Vorstellung haben, daß sie möglicherweise die Geschehnisse hätten verhindern können. Manchmal denke ich, wenn sie auf mich gehört hätte, wäre sie vielleicht jetzt hier.Fall 10757, San Cristóbal Verapaz, Alta Verapaz, 1982.
1.1.4.1  Erzwungene Kollaboration
Einige Mitglieder der Zivilpatrouillen zeigen sich persönlich stark betroffen, weil sie an Ermordungen bzw. Massakern beteiligt waren. In diesen Fällen tritt am deutlichsten zu Tage, daß die Kollaboration gezwungenermaßen erfolgte. Die meisten Patrulleros gehen eher deskriptiv auf ihre Beteiligung ein: Sie schildern die Geschehnisse, ohne dabei Bezug auf ihre eigenen Erfahrungen zu nehmen. Die betroffenen Menschen haben jahrelang unter solchen Gefühlen gelitten. Durch die verschiedenen Formen der erzwungenen Kollaboration sind Personen, die direkt an der Repression mitgewirkt haben, häufig traumatisiert. Für sie war die Möglichkeit, mit ihrer Aussage diese Erfahrungen mitzuteilen, ihnen einen sozialen Sinn zu geben und Trost zu suchen, oftmals hilfreich. Vielleicht wird Gott mir ja vergeben. ... Deshalb bin ich hierhergekommen, um zu berichten. Wenn ich eines Tages sterbe, dann kann ich das nicht alles mit mir herumschleppen. Es tut gut zu erzählen. Das ist wie bei einer Beichte. Es ist eine große Erleichterung, wenn alles herauskommt, was man so lange mit sich herumgetragen hat.Fall eines Patrouillenmitgliedes, Sacapulas, Quiché, o.D. Als Teil ihrer Strategie der Schuldzuweisungen nahm die Armee jeden kleinsten Verstoß gegen die militärische Ordnung zum Anlaß, um eine exemplarische Strafe zu rechtfertigen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten und sie zu bedingungslosem Gehorsam zu zwingen. Darüber hinaus beinhaltete die Schuldzuweisung eine innere Kontrolle durch die Dorfgemeinschaft. Wir taten das auf Befehl der Armee. [...] Wir hätten das nicht gemacht. Wir schlossen uns der Armee an, um zu überleben, und auch, weil die Guerilla meinen Schwiegervater umgebracht hat. Er war Militärkommissar. Damals wußte man nicht, was man tun sollte, wir mußten uns einfach der Armee unterordnen.Fall 2463 (Patrouillenführer), Chutuj, Quiché, 1982. Die erzwungene Beteiligung an der Ermordung von Angehörigen der eigenen Dorfgemeinschaft wurde als Hebel eingesetzt, um so die kollektive Komplizenschaft zu fördern. Die Gewalt wird dadurch zur Normalität, und sie wird verinnerlicht. Die Werte zwischenmenschlicher Beziehungen und der Gemeinschaftssinn als solcher werden untergraben. In einigen Fällen wird im Detail geschildert, wie sehr die erzwungene Beteiligung an den Greueltaten gezielt darauf ausgerichtet war, das Sozialgefüge zu zerstören. „Nicht wir haben getötet, sondern die Patrouille hier aus dem Dorf. Die haben diese 12 Männer umgebracht. Es steht ja schon in der Bibel: ‘Der Vater gegen den Sohn, und der Sohn gegen den Vater’.“ So hat es mir der Mann erzählt. Sie machten sich also ans Werk. Unter den Leuten der Patrouille waren welche, die hatten Messer dabei, andere hatten Stöcke, und nur mit Messern und Stöcken brachten sie die zwölf Männer um, von denen hier die Rede ist. „Zuerst wurden sie gefoltert und dann getötet. Danach holten die Leute von der Patrouille Benzin und ordneten an, die Männer auf einen Haufen zu legen. Dann hieß es: ‘Ihr selbst werdet sie verbrennen’.Sie befahlen, jeweils sechs aufeinanderzulegen. Wir holten Äste und Kiefernzweige. Dann wurden die Toten mit Benzin übergossen und angezündet, bis nur noch Asche übrig war. Das alles passierte vor unseren Augen.“ So hat der Mann gesagt, der das alles mit angesehen und mir davon erzählt hat. Als die Toten brannten, applaudierten alle, und dann fingen sie an zu essen.Fall 2811, Chinique, Quiché, 1982. Um mögliche Widerstände oder Schuldgefühle bei den Tätern auszuräumen, ihr Einverständnis mit den Gewalttaten zu fördern und die Aggressionen gegen die Menschen zu schüren, wurde darüber hinaus auch eine neue Identität unter den Patrulleros geschaffen, indem ihr Verhalten belohnt und ihr Gefühl für Trauer durch kollektive Vergnügungen ersetzt wurde. Als wir aus Zacualpa abzogen, gaben sie dem Patrouillenkommandanten ein großes Auto, und uns auch, und dann sagte der Oberleutnant: ‘Am neunten Trauertag für die zwölf Männer wird es ein Festessen geben, draußen in Chinique, für die Leute von der Patrouille. Die von Chinique, das sind Pfundskerle.’ Geld haben sie uns auch gegeben, für eine Kiste mit 17 Flachmännern.Fall 2811, Chinique, Quiché, 1982.
1.1.4.2  Beteiligung an den politischen Auseinandersetzungen: Das Gefühl von Verantwortung und Schuld
Die wenigen Zeugenaussagen, in denen den Opfern selbst in irgendeiner Form die Schuld gegeben wird, beziehen sich auf die Zugehörigkeit zu einem der beiden Lager. Als Form des Versuchs, den Grund für die Geschehnisse zu begreifen, fragen sich die Überlebenden in vielen Fällen noch immer nach ihrer eigenen Verantwortung. ‘L.O. ist der Denunziant’, sagte Doña Teresa zu mir: ‘Merkst du nicht, daß er ein Tuch vors Gesicht gebunden hat?’ Und meine Mutter sagte darauf: ‘Wo ist unsere Schuld? Was haben wir denn nur getan? Sie tun uns so schreckliche Dinge an.’Fall 10583 (Ermordung des Vaters und Folterung der Mutter), Chisec, Alta Verapaz, 1982. Die - in vielen Fällen erzwungene - aktive Beteiligung der Zivilbevölkerung am bewaffneten Konflikt läßt in den Zeugenaussagen unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf das Gefühl von Schuld und Verantwortung für die Geschehnisse zum Ausdruck kommen. Das mit den drei Toten war für die Leute von Nojoyá am schlimmsten, denn sie meinten, die drei hätten keinerlei Probleme gemacht, und es habe gar kein Anlaß bestanden, sie umzubringen. Bei den anderen Toten überlegen die Leute schon, daß sie im Kampf umgekommen sind, aber da war es überhaupt nicht so. Sie kamen, um die Gegend zu durchkämmen und nach der Guerilla zu suchen, bewaffnet und in voller Kampfmontur. Die Leute sagen sogar, daß die Armee gar nicht dabei war, sondern nur die Patrouille, das heißt, die waren aus freien Stücken da. Und deshalb meinen die Leute, daß sie wohl auch ein bißchen selbst schuld sind. Aber die drei Toten gehen in ihren Augen auf das Konto der Guerilla.Fall 2267, Nojoyá, Huehuetenango, 1980. In anderen Fällen wird selbst eine geringfügige Unterstützung der Guerilla wegen der Konsequenzen für das Leben der Menschen im nachhinein als negativ bewertet. Der folgende Fall schildert, wie die Armee einen Angehörigen entführte und danach verschwinden ließ, und wie der Guerilla dafür die Schuld gegeben wird: Ich weiß, der Grund war, daß er den Guerilleros zu essen gegeben hat. Wirklich, er hat sie mit Essen versorgt. Das sagt meine Mutter. Sie suchte und fragte nach ihm, und dann erfuhr sie, daß er im Militärposten von Cotzal war. Später haben sie ihn dann nach Nebaj verlegt. Mein Vater schickte einen Brief, und er sagte, daß er schon bei den Soldaten sei und sich der Gruppe in Huehuetenango angeschlossen habe. Meine Mutter erzählte den Guerilleros, man hätte ihn mitgenommen. Die sagten dann, die Familie des Opfers müsse in die Berge fliehen, und meine Mutter meinte zu ihnen: ‘Wie kann denn das angehen? Ihr seid doch schuld daran, daß das alles passiert ist. Ihr kommt nur einfach hierher ... Von jetzt an gebe ich euch nichts mehr zu essen.’Fall 3627 (Folter, gewaltsames Verschwindenlassen durch die Armee und Rekrutierung der Guerilla), Cotzal, Quiché, 1980.
1.1.4.3  Zwischen Reden und Schweigen
Die Strategie, Menschen durch Angst zum Schweigen zu bringen, kann dennoch Schuldgefühle bei ihnen erzeugen, weil sie nichts gegen die Gewalt getan haben. Dazu kann es insbesondere dann kommen, wenn die Betroffenen den Geschehnissen ohnmächtig zugeschaut haben. Es war schlimm für mich, ihn sterben zu sehen, aber ich sah auch, daß ihm niemand im Dorf half. Als der Richter kam, um das Protokoll aufzunehmen, wollte ich gerade vortreten, aber wegen meiner Arbeit hielt ich mich dann doch lieber zurück, denn was wird aus mir, wenn ich als einziger den Kopf hinhalte? Seine eigene Familie machte den Mund nicht auf, und so passierte dann gar nichts. Dieses Gefühl bin ich nicht mehr losgeworden.Fall 6009 (Zeuge eines Mordes), Jolomar, Huehuetenango, 1993.
1.1.5  1.1.5 DER ZORN ÜBER DIE UNGERECHTIGKEIT
Wir wollen keine Rache, denn sonst nimmt die Gewalt nie ein Ende. Am Anfang hätte ich mich noch am liebsten in eine Giftschlange verwandelt, aber mittlerweile habe ich nachgedacht. Was ich fordere, ist, daß sie Reue zeigen.Fall 9909, Dolores, Petén, o.D.
1.1.5.1  Ungerechtigkeit ohne Sinn
Immer wieder kommt in den Interviews die Sinnlosigkeit des Todes zur Sprache. Am weitesten verbreitet ist unter den Angehörigen ein Gefühl von Ungerechtigkeit, das mit positiven Aussagen über das Opfer verknüpft wird. Die positiven Bewertungen beinhalten auch eine Anerkennung der gesellschaftlichen Rolle des Opfers, da viele Repressionsopfer eine wichtige Funktion in ihrer Dorfgemeinschaft innehatten. Ungerechtigkeit wird auch in ausgeprägter Form empfunden, wenn die fragliche Person in einer wehrlosen Situation war oder unter offensichtlichem Zwang stand. Warum haben sie meinen Schwager mitgenommen? Er hatte sich doch gar nichts zuschulden kommen lassen! Taufkatechet war er, und deshalb nahmen die Soldaten ihn mit und brachten ihn um. Dieser Mann war kein Verbrecher, sondern er arbeitete in unserem Dorf.Fall 1316, Parraxtut, Quiché, 1983. Es ist nicht recht, daß Menschen, die Macht haben, solche entsetzlichen Dinge tun.Fall 046 (Gutsverwalter, der sowohl mit der Guerilla als auch mit der Armee verkehrte; von der Armee ermordet), Santa Bárbara, Suchitepéquez, 1983. In vielen Aussagen finden sich Einschätzungen und Gedanken in dem Sinne, daß die fragliche Person „sich nichts hatte zuschulden kommen lassen und ein guter Mensch war“. Dies läßt auf ein positives Bild bei den Angehörigen schließen, ebenso aber auch auf einen fehlenden Zusammenhang zwischen der erlittenen Repression und den vorangegangenen Erfahrungen.
1.1.5.2  Ohnmacht angesichts der Straflosigkeit
In dieser brutalen Wirklichkeit waren die Angehörigen in fast allen Fällen mit Straflosigkeit und der Verleugnung der Geschehnisse seitens des Staates konfrontiert. Ebenso wurde ihnen jegliche gesellschaftliche Wiedergutmachung verweigert. Dies trägt dazu bei, daß das Gefühl von Ungerechtigkeit bei den Überlebenden auch heute noch von großer Bedeutung ist. Sie haben unsere Häuser niedergebrannt, sie haben unsere Tiere aufgegessen, sie haben unsere Männer, Frauen und Kinder ermordet. Aber wer wird all die Häuser ersetzen? Die Armee wird es nicht tun!Fall 839 (Ermordung und Folter), Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1985. Die Ohnmacht, zu der Opfer und Überlebende von Anfang an verurteilt waren, und die Tatsache, daß die Täter bis heute ungestraft geblieben sind, werden am häufigsten als Schlüsselfaktoren in Verbindung mit einem dauerhaften Haßempfinden genannt. Dennoch haben die Opfer ihren Haß häufig als tiefes Gefühl in ihrem Inneren vergraben, ohne daß es zu Racheaktionen gekommen ist. Meine Familie und ich denken: ‘Ich bin ein Mensch, und meine Würde ist verletzt worden’. Damals dachte ich mir alles Mögliche gegen die Täter aus. Ich dachte: ‘Ich bin ein Mensch, und ich bin dazu fähig, gegen irgendeinen von ihnen etwas zu unternehmen’. Aber dann dachte ich an meine Familie, an meine Geschwister und an die Nachbarn. Natürlich, wenn ich etwas unternehme, dann sind wir alle tot, auch meine Familie, und deshalb habe ich beschlossen, mich zurückzuhalten.Fall 2273 (Folter und Bedrohung), Jacaltenango, Huehuetenango, 1981.
1.1.5.3  Vorgetäuschte Normalität
Vor dem Hintergrund der Straflosigkeit und der fehlenden Anerkennung durch die Gesellschaft haben viele Opfer ihr Leben in vorgetäuschter Normalität weitergelebt. Durch die Aufrechterhaltung der sozialen Kontrolle, die Militarisierung und ihre abhängige Position im Machtgefüge der Dorfgemeinschaften waren sie dazu gezwungen. In unserem Dorf ist alles ganz normal, als ob nichts geschehen wäre, aber die Behörden haben uns ja damals eingeschüchtert. All die Fälle von Verschwindenlassen, Entführungen und Massakern sind nicht zur Anzeige gebracht worden. Deshalb will ich jetzt aussagen, damit alles auf nationaler und internationaler Ebene ans Licht kommt, wie eine Geschichte, die in einem Dokument niedergelegt ist. Darin soll all das geschildert werden, was dem Maya-Volk der Achí widerfahren ist.Fall 2024, San Miguel Chicaj, Baja Verapaz, 1982. Die Machtverhältnisse stützen sich nach wie vor auf militarisierte Strukturen, und viele Täter genießen noch immer eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung, so daß es für sie leichter ist, Zwang auf die Opfer auszuüben. Sobald die Betroffenen Aussagen zu ihrer Situation machen wollen, werden sie erneut bedroht. Auch jetzt sind sie wieder gekommen, um meine Enkel und meine Schwiegertochter einzuschüchtern. Das darf doch nicht passieren! Ich bin bereit, hier auszusagen, aber das Problem ist, daß ich nicht gut Spanisch spreche [...].Fall 3164, Najtilaguaj (Dorf), Alta Verapaz, 1982. All diese Aussagen lassen darauf schließen, daß viele Opfer noch immer - wenn auch verhalten - mit Wut reagieren. Manchmal aber - ich weiß gar nicht, wie -, da steigt in mir der Groll hoch, und dann weiß ich nicht, an wem ich meine Gefühle auslassen soll.Fall 5017 (gewaltsames Verschwindenlassen), San Pedro Necta, Huehuetenango, 1982.
1.1.5.4  Infragestellung des Kampfes
Bei den von der Guerilla durchgeführten außergerichtlichen Exekutionen geht das Gefühl von Ungerechtigkeit häufig damit einher, daß die Gewalttaten nicht mit den Werten in Einklang gebracht werden können, die die Guerilla theoretisch vertritt, so daß die Praxis der bewaffneten Organisation an sich in Frage gestellt wird. Das hat mir damals sehr wehgetan, denn ich kannte ihn gut und er gehörte doch zu uns. Ich fing an zu weinen und dachte bei mir: ‘Wieso tun sie das, wo sie doch dauernd von Menschenrechten reden? Wieso sagen sie, daß wir für den Frieden kämpfen, daß wir für die Freiheit eintreten, daß wir gegen die Ungerechtigkeit kämpfen? Warum haben sie dann die Rechte dieses Jungen nicht geachtet, warum haben sie ihn umgebracht? Dieser Junge hat drei oder vier Jahre lang sein Leben riskiert, er hat Hunger gelitten, er war dem Regen ausgesetzt, er hat alles durchgestanden, was man da draußen in den Bergen so aushalten muß, er hat das alles durchgemacht. Und immer hieß es: ‘Man muß kämpfen, für die Kinder, für die Familie, für das Volk’. Warum haben sie dann seine Rechte nicht geachtet? Wozu sollen wir dann noch weiterkämpfen?Fall 8352 (Ermordung eines Jungen aus der Dorfgemeinschaft), Widerstandsgemeinde Mayalán, Ixcán, Quiché, 1981. Im Guerillakampf hatten militärische Kriterien Vorrang, und die Organisation war rigide. In solchen Fällen hatte dies zur Folge, daß die Guerilla auf das Leid der Menschen unsensibel reagierte, ihr Leben mißachtete und ihren militärischen Interessen unterordnete. Meine Eltern sind mittlerweile tot. Ich ging zu meiner Oma, um ihr Bescheid zu sagen, daß sie meinen Onkel umgebracht hatten. Sie holten meine Oma und sagten ihr, sie hätten ihn umgebracht, „weil er ein Spitzel war“. Die Frau meines Onkels hatte ihn wohl bei ihrem Vater angeschwärzt, weil er nicht weiter im Widerstand bleiben wollte. Er wollte ins Hochland gehen, aber sie wollte nicht. Die Leute aus unserem Lager beschwerten sich bei den Verantwortlichen, aber es half nichts. Ganz traurig arbeitete ich weiter. Einen Monat später brachte die Armee meine Mutter und meine kleine Schwester um, dann meine Oma. Ich bin als Einziger übriggeblieben, und dann bin ich nach Mexiko gegangen. Fall 723 (Ermordung. Nach Aussage der Zeugin wurde das Opfer dazu gedrängt, sich der Guerilla anzuschließen, und aufgrund seiner Weigerung als Spitzel beschuldigt), Ixcán, Quiché, 1984.
1.2  1.2 IM KEIM VERNICHTEN: GEWALT GEGEN KINDER
Der Plan der Armee bestand darin, uns im Keim zu vernichten. Selbst so ein Wurm von ein oder zwei Jahren galt als schlechter Keim. So sahen die Pläne der Armee aus, das habe ich selbst erlebt.Fall 4017, Las Majadas, Aguacatán, Huehuetenango, 1982. In den meisten Zeugenaussagen spielen Kinder eine wichtige Rolle. Als indirekte Opfer der Gewalt gegen ihre Angehörigen, als Zeugen vieler traumatischer Vorfälle oder aber als direkte Leidtragende mit ihren eigenen Gewalt- und Todeserfahrungen haben Kinder als gesellschaftliche Gruppe besonders unter Gewalt und politischer Repression gelitten. Wenn Kinder einer bedrohlichen Wirklichkeit ausgesetzt sind, stehen ihnen weniger Möglichkeiten zur Verfügung, um sich zu schützen. Sie reagieren sensibler auf die fehlende Unterstützung durch die Familie, und ihre Fähigkeiten, dem eigenen Erleben einen Sinn zu geben, richten sich nach ihrer jeweiligen Entwicklung. Das Bedürfnis nach Sicherheit, Vertrauen und Fürsorge ist tief erschüttert, und diese Erschütterung wirkt über die Phasen akuter Repression hinaus. Kinder, die von der Familie adäquat unterstützt werden, die weiterhin Aktivitäten entwickeln können (z.B. Schulbesuch etc.), die entsprechende Bedingungen vorfinden, um ihr Alltagsleben neu zu gestalten, die von ihren Angehörigen Liebe und Verständnis erfahren und von ihnen Informationen über die Geschehnisse erhalten, die ihrem jeweiligen Entwicklungsstand angepaßt sind, können ihre traumatischen Erfahrungen besser bewältigen. Als er in diesem Dorf verletzt wurde, war er 14 Jahre alt. Auf der Flucht war er wie wahnsinnig. Er verletzte sich an Baumstümpfen und Dornen. Später hat er geheiratet. Jetzt lebt er in Quiché, in der Hauptstadt.Fall 1351, Parraxtut, Quiché, 1982.
1.2.1  1.2.1 DIREKTE GEWALTANWENDUNG
Im Zuge der massiven Angriffe auf die Zivilbevölkerung wurden auch Kinder verletzt und ermordet. Für sie war es in dieser Situation schwieriger zu fliehen. Die Kinder waren sich der Gefahr weniger bewußt, sie durchschauten die Gewaltmechanismen nur bruchstückhaft und waren in stärkerem Maße von der Familie abhängig, die ihnen unter solchen Bedingungen keine Unterstützung geben konnte. Insbesondere in den Jahren 1980-83 wurden zahlreiche Kinder direkt von Soldaten und Angehörigen der Zivilpatrouillen ermordet. Im Rahmen der Aktionen gegen die Zivilbevölkerung waren sie für die Militärstrategen ein leichtes Angriffsziel. Da die Kinder meist bei ihren Müttern blieben, ging die Gewalt gegen Frauen häufig mit Gewalt gegen Kinder einher. Als wir zu dem Weg nach Yaltoya kamen, lagen da Frauen und Kinder auf der Erde, aus Angst vor der Bombe, die man dort abgeschossen hatte. Das waren nur Frauen und Kinder. Es gab zwar auch einige Jungen, aber die waren noch klein.Fall 6065, Nentón, Huehuetenango, 1982. Ohne auch nur eine Frage zu stellen, fesselten die Soldaten sämtliche Leute in dem Haus. Dann übergossen sie das Haus mit Benzin und zündeten es an. Die Menschen verbrannten alle, darunter auch ein Kind von etwa zwei Jahren. So wurden meine Mutter, meine Schwester und mein Schwager mit seinen drei Kindern grausam umgebracht.Fall 3164, San Cristóbal Verapaz, Alta Verapaz, 1982. Bei der Hälfte der aufgezeichneten Massaker werden Kollektivmorde an Kindern geschildert. Bezugnehmend auf die wahllose Gewalt während der Massaker wird beschrieben, auf welche Weise die Kinder umkamen. In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Greueltaten geschildert (sie wurden verbrannt, mit der Machete verletzt oder zerstückelt, vor allem aber erlitten sie schwere Kopfverletzungen). Viele minderjährige Mädchen wurden bei Massakern oder bei ihrer Festnahme vergewaltigt. Weniger häufig sind Angaben über den Tod von Kindern bei Schußwechseln oder beim Beschuß ganzer Dörfer. Dies zeigt den intendierten Charakter der Aggression und deckt sich mit dem allgemeinen Vorgehen gegen die Dorfgemeinschaften bei solchen Aktionen. Sie brachten ein dreizehnjähriges Mädchen zu mir. Das arme Kind weinte bitterlich. ‘Was ist los mit dir, Kind?’ - ‘Wer weiß, wohin sie mich bringen werden’, antwortete mir das arme Ding. Ich holte ein Taschentuch heraus und gab es ihr. ‘Wisch dir erstmal das Gesicht ab.’ Naja, und dann kam ein gewisser Basilio Velásquez, Unterausbilder, und fragte: ‘Was gibt’s? Was ist denn mit der da los? Die muß wohl geimpft werden, was? Die ist gut!’ Wild entschlossen war der. Er vergewaltigte das Mädchen, und danach in die Grube. Wie sie das machten, die Leute umzubringen? Nun ja, sie verbanden ihnen die Augen, und dann in die Grube, mit einem Knüppelschlag auf den Kopf.Kollektive Zeugenaussage 27, Massaker Las Dos Erres, Petén, 1982. Die Frau lebte mit ihren Kindern in dem Haus. Sie schnappten sie sich und setzten ihr ein Messer an die Kehle. Ich war ganz in der Nähe und sah, was die Soldaten da machten. Sie hielten die arme Frau fest, und sie blutete schon, weil sie ihr ein Messer in den Hals gestoßen hatten. Es gelang ihr noch, sich loszureißen, aber sie fingen sie wieder ein, und ein Soldat schlug ihr ins Gesicht. Dann steckten sie das Haus mit sämtlichen Kindern in Brand.Fall 600, Chajul, Quiché, 1982. Im Zusammenhang mit den Massakern schlug die Gewalt gegen Frauen manchmal in besinnungslose Wut gegen die Kinder in ihrem Leib um. Viele Kinder wurden Opfer der Greueltaten, ohne daß sie je in den Statistiken der Gewalt auftauchen, weil sie namenlos geblieben sind. Sie starben, bevor sie geboren wurden. Sie warfen Bomben, Granaten ... Dann tauchten sie in der Schlucht auf. Dabei starben viele Kinder. Die schwangeren Frauen schnappten sie sich lebend. Sie schlitzten sie auf und rissen ihnen das Baby heraus.Schlüsselinformant 11, Chimaltenango, 1967-68. Bei viele Massakern war jedoch die Gewalt gegen Kinder nicht nur Bestandteil der Gewalt gegen die Dorfgemeinschaften, sondern wurde auch gezielt eingesetzt. In den im Rahmen des REMHI-Projekts gesammelten Aussagen finden sich häufig Äußerungen von Soldaten und Angehörigen der Zivilpatrouillen über den Mord an Kindern als ein Mittel, um die Möglichkeit des Wiederaufbaus der Gemeinschaft und auch der Gerechtigkeit für die Opfer völlig auszuschließen. Naja, sie sprachen mit meiner Schwester, also bei der Armee war einer, der unsere Sprache konnte, und der sagte zu meiner Schwester, daß sie alle Männer und auch alle Jungs erledigen müßten, um so mit der ganzen Guerilla endgültig aufzuräumen. Sie fragte: ‘Und warum bringt ihr die Kinder um?’ - ‘Weil sich diese Hurensöhne eines Tages rächen und uns zur Strecke bringen werden.’ Mit diesen Hintergedanken brachten sie auch die Kinder um.Fall 1944 (ehemaliger Patrouillenangehöriger) Chiché, Quiché, 1983. Die Angaben über den Tod von Kindern und die Schilderungen der Überlebenden von den Greueltaten decken sich mit den Zeugenaussagen über militärische Trainingsmethoden und die damalige Ausbildung der Soldaten zur Umsetzung der Politik der verbrannten Erde. In den Jahren 1980-82 wurde die Zivilbevölkerung in vielen Dörfern als Teil der Guerilla betrachtet, und ihre physische Vernichtung, einschließlich die der Kinder, war damals eine gezielt geplante Strategie. Als die Zeit für den Streifendienst kam, sagten sie: ‘Also, Jungs, wir werden jetzt in ein Gebiet kommen, in dem es nur Guerilleros gibt. Alle Leute dort gehören zur Guerilla. Es hat da Kinder gegeben, die haben Soldaten umgebracht, und auch Frauen, offensichtlich schwanger, die kommen einfach, schmeißen eine Bombe und töten. Die haben Soldaten umgebracht. Ihr müßt also allen Leuten gegenüber mißtrauisch sein. Dort, wo wir jetzt hinkommen, ist niemand euer Freund. Es sind also alle Guerilleros, und man muß sie alle umbringen.’Schlüsselinformant 80 (ehemaliger Soldat und ehemaliger Angehöriger des militärischen Geheimdienstes G-2), 1980. Die Massenvertreibungen der Bevölkerung, in denen oftmals Familien auseinandergerissen wurden, brachten für die Kinder noch größere Risiken mit sich. Wie auch für viele Frauen bedeutete die Tatsache, nicht bei den Angehörigen zu sein, eine tödliche Gefahr. Allein der Verdacht, sie könnten Kinder von Guerilleros sein, war in den Augen der Täter damals bereits ein berechtigter Grund, sie umzubringen. Als sie [die Männer von der Zivilpatrouille] kamen, fragten sie die Kinder, ob sie jemanden von den Leuten kannten, und die Kinder bejahten. Doña Candelaria hatte aber ihren Schwiegersohn, zwei Schwager und ihren Onkel da, und als die Patrouille die Leute fragte: ‘Wer von euch kennt diese Kinder? Wenn jemand sie kennt, dann nehmt sie mit, und wenn niemand sie kennt, dann bringen wir sie hier um’, sagten sie.Fall 0717, Senococh, Ixcán, Quiché, 1988. Unter den Bedingungen der undifferenzierten Gewalt gegen die Zivilbevölkerung mußten viele Kinder in den ländlichen Gemeinden die Greueltaten gegen ihre Angehörigen mitansehen. Bei den meisten Massakern wurden Kinder zu Zeugen von Gewalttaten gegen ihre Familie. Entweder war dies im Rahmen der Terrorstrategie gegen die Bevölkerung beabsichtigt, oder aber die Kinder erlebten Gewaltakte bei dem Versuch, sich in Sicherheit zu bringen. Kinder, die direkte Zeugen der Gewalt wurden, können heute zu der Personengruppe gerechnet werden, die unter den größten Problemen wie z.B. traumatischen Erinnerungen an den Tod ihrer Angehörigen zu leiden haben. Ich spielte gerade dort, als ich die Soldaten heraufkommen sah. Sie kamen, und meine Mutter sagte zu mir: ‘Lauf weg!’ Das Haus meines Vaters hatte zwei Türen, eine nach vorne und die andere nach hinten raus zur Kaffeepflanzung. Ich lief also weg, weil ich wußte, daß sie schon anfingen, die Leute umzubringen. Ganz allein versteckte ich mich in der Kaffeepflanzung. Meine Mutter kam nicht nach. Gegen vier Uhr nachmittags ging ich zurück ins Dorf. Sie hatten das Haus niedergebrannt und meine Familie auch. Es war niemand mehr da.Fall 10066 (Massaker), Kajchijlaj (Dorf), Chajul, Quiché, 1982. Die Bedrohung und Folterung von Kindern wurde auch als Mittel eingesetzt, um die Familien zu quälen. In solchen Fällen zielte die Folterung der Kinder darauf ab, die Bevölkerung zur Kollaboration zu zwingen, Denunziationen zu fördern und die Dorfgemeinschaft zu zerstören. Sie sollte als abschreckendes Beispiel für die Familienangehörigen gelten und stellte eine extreme Form von Geringschätzung gegenüber dem Leben und der Würde von Menschen dar. Angesichts der Möglichkeit, solches Leid ertragen zu müssen, erklärten viele Menschen, daß sie lieber sterben wollten. Ich habe immer zu Gott gebetet, daß sie mich wenigstens zuerst umbrächten, wenn sie mich schon töten würden. Ich wollte nicht sehen, was sie meinen Kindern antaten. Sie machten das nämlich immer so: Zuerst brachten sie die Kinder um. Das war eine Form, die Menschen, die Eltern zu quälen, und all das kam mir in den Sinn. Aber Gott sei Dank ist es nicht dazu gekommen. Einer konnte damals noch fliehen. Einer Frau rissen sie das Kind aus dem Leib. Sie lebte noch, und sie rissen ihr das Kind heraus, das sie erwartete, vor den Augen ihres Mannes und vor den anderen Kindern. Die Frau starb, und auch ihre Kinder. Sie brachten alle um. Als einziger blieb der übrig, der geflohen war.Fall 2173, Buena Vista, Huehuetenango, 1981. Abgesehen von dieser terrorisierenden Wirkung setzte die Armee die Gewalt gegen Kinder als Mittel ein, um Anzeigen und Informationen über die Bewegungen der Guerilla oder ihrer Sympathisanten zu bekommen. Von einigen Betroffenen werden Greueltaten gegen Kinder wie z.B. Leichenverstümmelungen und in einigen Fällen auch das Herausreißen der Eingeweide als nachhaltige traumatische Erinnerungen beschrieben. Die Art und Weise, wie die Kinder ermordet wurden, zeigt die Wirkung des Terrors und wird bis heute als äußerst leidvolle Erinnerung erlebt. Noch immer träume ich davon, und noch immer habe ich die Bilder vor Augen. Mein Herz ist schwer geworden nach der Verfolgung. Sie haben ihre Waffen auf uns gerichtet, die Patrouille ist hinter uns hergewesen. Was wir erlitten haben, nimmt mich immer noch sehr mit. Was tun sie den Kindern an? Sie hacken sie in Stücke, zerfetzen sie mit der Machete.Fall 2052, Chamá, Cobán, Alta Verapaz, 1982. Die Leute begruben die Kinder. Die Soldaten hatten ihnen die Köpfe mit einer Knebelschnur am Hals abgetrennt und sie ganz zusammengedrückt, wie Kugeln. Dreijährige Kinder waren dabei. Wir gingen hin, um nachzusehen, und da sahen wir drei Kinder, die hingen da ohne Kopf. Sie hatten die Handgelenke auf dem Rücken gefesselt.Fall 1367, Sacapulas, Quiché, 1981. Am 5. September 1985 schnappten sie sechs Leute, nachdem dort ein Flugzeug seine Runden gedreht hatte. Danach kam eine Kolonne Soldaten, und sie fingen an zu schießen. Dabei starben meine Cousins R.J., I. und E.. Sie waren etwa 13 Jahre alt. H.J.S. starb nicht durch Kugeln; ihm rissen sie das Herz aus dem Leib. Fall 3083, Chitucan, Rabinal, Baja Verapaz, 1981. Die Ermordung von Kindern hatte entsprechend massive Auswirkungen auf die Überlebenden. Sie vertiefte das Empfinden von Ungerechtigkeit und war Symbol weitreichender Zerstörung. Die Gewalt gegen Kinder stellt einen Angriff auf die Identität der Gemeinschaft dar, in der Vorfahren und Nachkommen mit eingeschlossen sind. Dies schlägt sich sogar in der Sprache nieder. So bezeichnet das Wort mam in der Sprache der Achí sowohl die Großeltern als auch die neugeborenen Enkel.
10
Ja, wirklich! Es starben so viele unschuldige Kinder. Sie wußten gar nicht, warum ihnen das geschah. Wenn man durch solche Orte kam, sah man wirklich überall Tote. Die wurden ganz zerstückelt da liegengelassen, ein Arm hier, ein Bein dort. So war das. Fall 3024, Panacal (Dorf), Rabinal, Baja Verapaz, 1981.
1.2.1.1  Zeugen der Leere und des Feuers
Als sie meinen Vater entführten, war ich zwölf Jahre alt. Ich war der Älteste von den Kindern. Wir wagten nicht, etwas zu sagen. Wir standen da und weinten, als sie ihn mitnahmen. Nach einer Weile kam mein Vater noch einmal zurück und sagte: ‘Sieh mal, Mario, du darfst nicht weinen, ich komme ja gleich wieder.’ Es war ungefähr 10 oder 11 Uhr nachts. Ich ging damals in die vierte Klasse der Grundschule. Am nächsten Tag ging ich zur Schule und erzählte der Lehrerin, daß sie meinen Vater entführt hatten und ich nicht weiter zur Schule gehen würde, weil mir jetzt niemand mehr Schulhefte kaufen konnte. Die Familie brach auseinander. Meine Stiefmutter ging in Pajapita auf Arbeitssuche, und mein kleiner Bruder und ich blieben allein zurück. Meiner Tante Lorenza und auch den Nachbarn hatten wir es zu verdanken, daß wir etwas zu essen bekamen. Kurz nach der Entführung meines Vaters wurde unser Haus niedergebrannt. An jenem Abend waren wir zu meiner Tante zum Abendessen gegangen und spielten zum Zeitvertreib noch ein bißchen Ball. Mein kleiner Bruder war schon vorausgegangen. Als er nach Hause kam, wartete dort eine Gruppe von Männern auf ihn. Sie packten ihn am Hals und sagten: ‘Bis du Mario? Nein? Dann warten wir auf ihn’. Ich kam erst später. Sie setzten meinen Bruder irgendwo hin und fingen an, Benzin im Haus zu verschütten. Ismael dachte, sie würden uns alle beide umbringen, und da dachte er: ‘Besser bringen sie nur mich um, ich laufe weg’. Er stand auf und sagte zu ihnen: ‘Ich gehe pinkeln’. Sie sagten: ‘Rühr dich nicht vom Fleck, du kannst auch hier pinkeln’. Sie packten ihn, aber er riß sich los. Zwei Schüsse gaben sie auf ihn ab, um ihn am Abhauen zu hindern, aber er scherte sich nicht darum, daß sie ihn umbringen wollten, weil er mir das Leben retten wollte. Das hat er gut gemacht, denn ich kam gerade den Berg rauf, und als ich die Schießerei hörte, dachte ich: ‘Was ist denn da los?’ Ich hörte das Knacken des Unterholzes und hockte mich hin. Er kam weinend angelaufen. [...]
11
Er war kleiner als ich. Ich lief hinter ihm her und rief: ‘He, was ist denn los?’ Er sagte: ‘Mario, stell dir vor, da sind ein paar Männer, die mit dir reden wollen, aber die wollen uns natürlich umbringen.’ Ich fing an zu zittern. Wir waren ja unschuldig, und dann gingen wir zurück zu meiner Tante. Als wir dort ankamen, sahen wir schon die Flammen. Ich sagte: ‘Sieh mal da hinten, die haben das Haus angezündet!’ Unser Leben als Kinder war eine einzige Quälerei. Sie haben uns alles genommen.Fall 8586, Ixcahin Nuevo Progreso (Dorf), San Marcos, 1973.
1.2.2  1.2.2 KINDER AUF DER FLUCHT
Auf unserer Flucht versteckte ich mich mit meinen sechs Kindern zwischen den Kaffeesträuchern. In jener Nacht versuchten wir, zum Fluß zu kommen, damit man mein Kind nicht weinen hörte. Als wir mitten im Suchiate-Fluß waren, weinten meine Kinder vor Kälte. Die armen Jungs! Bei Tagesanbruch waren sie schon ganz blaugefroren. Sie hatten nichts zum Anziehen. Ich zog mir die Bluse aus und deckte damit mein Kind zu. Wir liefen querfeldein mitten durch den Wald, um nach Toquian Grande zu kommen.Fall 8632, Bullaj, Tajumulco, San Marcos, 1982. Die extremen Lebensbedingungen während der Flucht und die Verfolgung in den Bergen oder auf dem Weg ins Exil führten bei den Kindern vielfach zu Krankheit und Tod durch Mangel und Hunger, fehlenden Schutz oder auch traumatische Erlebnisse. In vielen Zeugenaussagen über die ersten Monate der Flucht in die Berge werden Kinder erwähnt, die vor Hunger ganz aufgedunsen waren. Die geschilderten Probleme stimmen mit den Symptomen schwerer Unterernährung überein.
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Viele Kinder starben. Ihnen nicht einmal ein Minimum an Fürsorge und Nahrung zukommen lassen zu können, erzeugte bei den Angehörigen ein tiefes Gefühl von Ohnmacht und Schmerz, das in einigen Fällen bis heute anhält. Ich habe Ihnen ja schon erzählt, daß es damals noch nicht einmal ein Stück Plastik zum Zudecken gab. Dann kam ein heftiger Regenguß, und das Neugeborene starb fast durch das ganze Wasser. Wir hatten nichts zum Zudecken, weil wir schrecklich arm waren, wir hatten ja nichts.Fall 1280, Palob, Quiché, 1980. Wir Frauen und auch unsere Kinder waren mit der Zeit schon ganz aufgedunsen vor Kälte. Als wir fliehen mußten, war eine schwangere Frau dabei. Ihr Kind wurde draußen in den Wäldern geboren. Nach seiner Geburt weinte der Kleine ununterbrochen, vielleicht, weil er keine Milch bekam, denn seine Mutter war schlecht ernährt.Fall 4521, Salinas Magdalena, La Montaña (Weiler), Sacapulas, Quiché, 1980. Es war schrecklich, weil wir nichts mehr zu Essen fanden. Die Kinder schrien vor Hunger.Fall 10681, San Cristóbal Verapaz, Alta Verapaz, 1983. Unter den Bedingungen der überstürzten Flucht, zu der sich ganze Dorfgemeinschaften gezwungen sahen, waren die Kinder häufig ein Hemmschuh bei einer raschen Evakuierung und machten es für die Menschen schwieriger, ihr Leben zu retten. Die Kinder hatten größere Schwierigkeiten wegzulaufen, und den Angehörigen bereitete es Probleme, sie mitzunehmen. Dadurch kam es zu zahlreichen Fällen von Verlust, Ermordung oder Tod. Zu dem Drama der Eltern, die ihre Kinder auf der Flucht zurücklassen mußten, kommen potentiell noch die Schuldgefühle wegen des Todes oder Verschwindens der Kinder hinzu. Als sie verfolgt wurden, waren welche dabei, die drei oder fünf Kinder hatten, und wenn die nicht rennen oder laufen konnten, dann ließen die Eltern sie zurück, denn sie wollten nicht sterben. Sie konnten ihre Kinder nicht mitnehmen, weil sie mitten im Kugelhagel flohen.Fall 10004, Chajul, Quiché, 1982.
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Unter den Bäumen lagen Babys, überall starben sie. Manche Kinder waren an den Ästen aufgehängt, genau, wie die Leute es zu Hause auch machen: Die Kinder werden mit einem Tuch festgebunden und an einen Baum gehängt. Die Kinder dort lebten, aber du konntest sie nicht holen. Wo willst du sie denn auch hinbringen, wenn du nicht weißt, wo ihre Mutter ist?Kollektiver Fall 17, Santa Cruz, Verapaz, 1980. Solche dramatischen Schilderungen wiederholen sich immer wieder in verschiedenen Regionen, in denen die Menschen in die Berge oder in den Urwald flüchten mußten. Für die Gemeinden vergrößerten die Kinder die Gefahr, entdeckt zu werden. Monate- und in einigen Fällen jahrelang durften sie unter diesen extremsten Überlebensbedingungen nicht spielen und sich nicht eigenständig entfalten. Die Angehörigen mußten ihre Kinder sehr direkt unter Kontrolle halten. Sie mußten sie sogar daran hindern zu weinen, wenn Soldaten in der Nähe waren. Bei einigen Kindern führte die Erstickung zum Tod oder zu schweren neurologischen Schäden. Die Kinder durften nicht weinen. Wir mußten ihnen den Mund zuhalten. Wir steckten ihnen Taschentücher in den Mund, damit sie nicht weinten.Fall 3804, Cotzal, Quiché, 1976. Das Kind weinte, und unsere Leute schimpften mit uns. Sie sagten: ‘Mensch, sieh bitte nach deinem Jungen, der verrät uns sonst noch!’ Wir waren nervös, und dann stopften wir ihm einen Lappen in den Mund. Der Junge hat davon etwas zurückbehalten.Fall 4521, Salinas Magdalena, Caserío La Montaña (Weiler), Sacapulas, Quiché, 1980.
1.2.3  1.2.3 DIE MILITARISIERUNG DER KINDHEIT
Im Verlauf des bewaffneten Konflikts hatten auch die Kinder unter der Militarisierung der Dorfgemeinschaften zu leiden. In mehr oder weniger starkem Maße beinhaltete dieser Prozeß: Einfluß der Zivilpatrouillen (PAC), Zwangsrekrutierung, das Leben in Militärposten oder sog. „Wehrdörfern“ (aldeas modelo). Allein die Präsenz der Zivilpatrouillen (PAC) als ständige militärische Struktur zeigte in vielen Dorfgemeinschaften Auswirkungen auf die Kinder. Angefangen von der Angst vor Übergriffen und Tod bis hin zur „Normalisierung“ der Gewalt - das Zusammenleben in einem militarisierten Umfeld beeinflußt Kinder in ihren kriegsgeprägten Sozialisierungsmustern. Darüber hinaus werden insbesondere für die ersten Jahre der PAC Fälle beschrieben, an denen Minderjährige beteiligt waren und dies in vielen Dorfgemeinschaften gängige Norm war. Die Fälle, in denen es eine solche Beteiligung gab, bedeuteten Zwangsmilitarisierung für die Kinder und häufig auch ein hohes Risiko umzukommen, weil die PAC sowohl bei Geländedurchsuchungen als auch bei der direkten Guerillabekämpfung eingesetzt wurden. Praktisch im gesamten Verlauf des bewaffneten Konflikts gab es auch zahlreiche Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen durch die Armee.
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Sogar die Kinder wurden damals gezwungen, Patrouillendienste zu übernehmen. Mein Sohn sagte: ‘Mami, ich will nicht auf Patrouille gehen. Mit den Leuten will ich nicht gehen, weil mich dann vielleicht die Guerilla umbringt. Als ich das erste Mal mit auf Patrouille ging, habe ich zwölf Tote gesehen.’(Er wurde später umgebracht).Fall 2988, Vitzal (Weiler), Nebaj, Quiché, 1983.
1.2.4  1.2.4 KINDER DER GEWALT
Aussagen über Vergewaltigungen von Frauen finden sich zwar häufig, doch werden nur selten die Auswirkungen geschildert. Zum Stigma der Vergewaltigung kam wahrscheinlich noch hinzu, daß die Geschehnisse von der Dorfgemeinschaft als Kollektivschande empfunden wurden. Viele Frauen standen vor dem Dilemma, nicht zu wissen, was sie mit ihren Kindern tun sollen, die sie als Folge der Vergewaltigung empfangen hatten. In bestimmten Phasen waren Vergewaltigungen an der Tagesordnung. Zum einen gehörten sie bei Verhaftungen und Massakern zum Umgang mit der Zivilbevölkerung, die als subversiv eingestuft wurde; zum anderen waren viele Frauen verwitwet und schutzlos. Die Kinder dürfen hier nicht als Einzelproblem gesehen werden. In den Fällen, in denen die Frauen die Kinder behielten, waren sie gezwungen, sich bei den Erklärungen über die Vaterschaft mit dem Dilemma ihres eigenen Lebens auseinanderzusetzen und Erklärungsmuster zu finden, die mit ihrer eigenen Würde zu vereinbaren waren und gleichzeitig dem Kind halfen, seine Situation besser zu begreifen. Ich schlief oft auf der Straße, und weil ich auf der Straße schlief, bekam ich ein Kind. Ich weiß nicht, wer der Vater ist, denn es kamen zwei Männer und vergewaltigten mich. Ich war damals gerade mal fünfzehn, als ich merkte, was los war. Einen Monat nach meinem Geburtstag wurde mein Sohn geboren, und das Kind ist nun mal da. Manchmal fragt er mich: ‘Und mein Papa?’ Ich sage ihm dann, daß er eben mein Sohn ist, und dann versuche ich, ihm zu erzählen, daß es da einen Menschen gab, der mir gern helfen wollte, und daß der ihm seinen Namen gegeben hat, und dann sage ich, daß das sein Papa ist, aber er ist nicht sein Vater.Fall 0425, Uspantán, Quiché, 1983. In den Aussagen finden sich Beschreibungen zu dem späteren Schicksal der Kinder. Die Schilderungen stimmen mit den Ergebnissen einiger Studien
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dahingehend überein, daß die aus einer Vergewaltigung entstandenen Kinder tendenziell von der Gesellschaft abgelehnt werden, dies als Form gemeinschaftlichen Widerstandes, aber auch der sozialen Isolation von Frauen, die als Verkörperung der Kollektivschande betrachtet werden. Auf die ein oder andere Weise hatten die Vergewaltigungen von Frauen und die Übergriffe gegen Gemeinden in vielen Regionen des Landes oftmals zur Folge, daß die daraus entstandenen Kinder in die Obhut von Wohlfahrtseinrichtungen oder Aufnahmeheimen gegeben wurden. Mehrere Verantwortliche von Baja Verapaz vergewaltigten die Frauen, obwohl die Frauen Kinder auf dem Rücken trugen. Sie packten die Kinder und warfen sie auf den Boden. Die Männer standen Schlange, um über die Frauen herzufallen. Einige Frauen wurden geschwängert. Diejenigen, die schwanger wurden, brachten die Kinder nach der Geburt zu den Nonnen. Auf Bitten der Schwester fuhr ich nach Guatemala, um ein Kind zu holen. Die Mutter hatte es weggegeben, weil es von den Patrouilleleuten war. Es war zwei Wochen alt, als es von der Mutter verlassen wurde.Fall 5281, Buena Vista, Baja Verapaz, 1982. Ein Großteil dieser Kinder ist vermutlich in Heime gekommen. Auch Waisenkinder, die ihre Eltern als direkte Folge der Gewalt verloren haben, fanden dort Aufnahme.
1.2.5  1.2.5 VON DER ADOPTION ZUR ENTFÜHRUNG
In den meisten Fällen wurden die Kinder von Familienangehörigen aufgenommen oder in verschiedener Form innerhalb der Dorfgemeinschaft adoptiert. Diese Mechanismen des Zusammenhalts und der Solidarität gaben den Waisenkindern den für ihre Entwicklung, Gesundheit und soziale Integration äußerst wichtigen Rückhalt durch die Familie und die Gemeinschaft. Einer meiner Söhne kletterte auf einen Baum im Hof und rief: ‘Mama ist tot, sie ist tot! Ich geh’ als Geschenk zu Doña Luz.
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Sie will, daß ich zu ihr ziehe.Fall 5281, Buena Vista, Baja Verapaz, 1982. Insbesondere Familien, in denen die Mutter ermordet wurde, „verschenkten“ ihre Kinder manchmal an andere Familien, die bessere Möglichkeiten hatten, sich um sie zu kümmern, oder von denen sie dachten, daß sie den Kindern eine bessere Zukunft bieten könnten. Wenn die Mutter jedoch überlebte, war diese Praxis eher weniger verbreitet. In einigen Zeugenaussagen werden Kindesentführungen erwähnt. Die Kinder wurden als Dienstboten von Familien benutzt, die nicht unter der Gewalt zu leiden hatten, sondern eher gesellschaftliche Vorteile daraus zogen. Ebenso sind auch Aussagen über Fälle gesammelt worden, in denen Familien gewaltsam auseinandergerissen und die Kinder zur Umerziehung in spezielle Heime gesteckt wurden. 1984 befahl der Bürgermeister von Rabinal den Hilfsbürgermeistern, alle Kinder aus der Siedlulg Pacux im Alter von fünf bis zehn Jahrhn in das Kindedheim der Nazarenerkirche von San Miguel Chicaj zu bringen. Zwanzig Jungen und Mädchen wurden abgeholt, obwohl ihre Eltern sie nicht hergeben wollten. Ich war damals 13 Jahre alt. Später (1988) verlangten sie vom Pfarrer die Herausgabe der Kinder, die er zu Christen gemacht hatte. Noch im gleichen Jahr wurden sie zurückgegeben.Kollektive Zeugenaussage und Fall 3213, Kooperative Sa’chal, Las Conchas, Cobán, Alta Verapaz, 1984. In einigen Fällen wurden Kinder von ihren Familien oder Dorfgemeinschaften getrennt, von den Mördern ihrer Familie entführt und mit betrügerischen Methoden adoptiert. Durch diese Praktiken wurden sie dazu verurteilt, ohne ihr Wissen mit den Mördern ihrer Angehörigen zusammenzuleben. Nach Aussagen von General Gramajo war dies in bestimmten Phasen seiner Amtszeit als Verteidigungsminister gängige Praxis, so daß möglicherweise zahlreiche Jungen und Mädchen zu den Opfern zählen. Viele Familien von Armeeoffizieren haben sich durch die Adoption von Kindern, die Opfer der Gewalt wurden, vergrößert. Zu gewissen Zeiten war es bei der Armee Mode, drei- oder vierjährige Kinder, die in den Bergen umherstreiften, in ihre Obhut zu nehmen.General Héctor Alejandro Gramajo, Prensa Libre, 6. April 1989.
1.2.6  1.2.6 HUNGER NACH LEBEN
Trotz der erlittenen Gewalt, der extremen Lebensbedingungen und der Militarisierung konnten sich Kinder, die eine angemessene familiäre und soziale Unterstützung erhalten hatten, mittlerweile wieder relativ gut zurechtfinden. Viele Aussagende, die in ihrer Kindheit zu Zeugen der Geschehnisse wurden, haben ihre familiären und sozialen Beziehungen wieder aufgebaut und führen heute ein aktives Leben. Entgegen der Vorstellung, daß Kindheit einzig und allein Verletzlichkeit bedeutet, haben einige Jungen und Mädchen auch in angespannten Situationen eine aktive Haltung bewiesen und sich bei der Lebensbewältigung sowohl gegenseitig geholfen als auch ihre Familien unterstützt. Damals haben sich alle Geschwister zusammengetan und weitergelebt, ohne Mutter und ohne Vater, voller Trauer. Nur die Oma wohnte noch bei ihnen. Der Opa war schon vorher gestorben.Fall 5180, Jutiapa, 1987. An einigen Orten begegneten die Erwachsenen dem Risiko, angegriffen zu werden, indem sie die drohende Gefahr leugneten. Demgegenüber zeigten die Kinder bisweilen Fluchtreaktionen, wenn sie die nahende Gefahr spürten.
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In extremen Notsituationen gelang vielen Kindern die Flucht. Sie informierten andere Dorfgemeinschaften über die Geschehnisse oder warnten ihre Angehörigen, damit sie ihr Leben retten konnten. Auch später haben Kinder eine aktive Rolle übernommen und Vorfälle zur Anklage gebracht, von denen ihre Angehörigen nicht zu sprechen wagten. In einigen Fällen haben sie sich dadurch möglicherweise in Gefahr begeben, insbesondere, wenn die Täter am gleichen Ort leben und ihre Machtposition beibehalten haben. Die Kindern sagten bei der Polizei: ‘Ihr habt meinen Vater umgebracht’. Mein Kleiner sagte: ‘Ich werde davon erzählen’, denn er vergißt nichts. Als sie kamen und nachfragten, waren nur meine Kinder da, und eines meiner Kinder sagte: ‘Ja, ihr habt meinen Vater umgebracht. Ihr wart es!’ Da haben die Polizisten nichts mehr gesagt.Fall 2987, Nebaj, Quiché, 1985. Jungen und Mädchen müssen verstehen können, was mit ihnen und ihren Familien geschehen ist. Wenn diese Sinnsuche bei den Erwachsenen auf Gesprächsverweigerung stößt, auf Schweigen oder widersprüchliche Erklärungen, können sich die Auswirkungen der Gewalt noch verschlimmern. Erhalten die Kinder jedoch klare, an ihre kindlichen Bedürfnisse angepaßte Erklärungen und gelingt es ihren Familienangehörigen, sich ihre Erinnerung wiederanzueignen, so kann dies dazu beitragen, das Bewußtsein der Kinder von ihrer eigenen Identität wieder aufzubauen.
1.3  1.3 AGGRESSION GEGEN DIE GEMEINSCHAFTEN

1.3.1  1.3.1 KOLLEKTIVER VERLUST UND ZERSTÖRUNG DER GEMEINDEN
Die politische Gewalt hat auch das gemeinschaftliche Sozialgefüge erschüttert, insbesondere in den ländlichen Gebieten, in denen Kollektivmorde und Massaker massive Auswirkungen auf die Sozialstruktur der indigenen Gemeinschaften, auf Machtverhältnisse und Kultur hatten. Am häufigsten (in jeder 5. Zeugenaussage) wird auf die Zerstörung der Gemeinschaft, die Zerstörung der Natur und kollektive Repressalien Bezug genommen. Vor allem die tiefe soziale Krise der Gemeinschaft steht im Vordergrund, die in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt, so z.B. in Mißtrauen und innerem Zerfall. Die Massaker hatten weitreichendere Konsequenzen für die Gemeinschaft.
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Spezifische religiöse und kulturelle Veränderungen werden weniger beschrieben. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß die erlittenen Verluste und die Krise der Gemeinschaft in der Erinnerung stärker wahrgenommen werden als die kulturellen Folgen der Gewalt.
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Für die Überlebenden hat die Zerstörung der gemeinschaftlichen Strukturen erhebliche materielle Verluste mit sich gebracht. In diesem Kapitel steht die kollektive Bedeutung dieser materiellen und sozialen Verluste im Mittelpunkt. Sie nehmen neben ihrer wirtschaftlichen und sozialen Dimension vielfach auch den Charakter „symbolischer Verletzungen“ an, d.h. sie haben die Gefühle, die Würde, die Hoffnungen und die tragenden subjektiven Elemente der Menschen verletzt, die Teil ihrer Kultur, ihres sozialen und politischen Lebens und ihrer Geschichte sind. Durch die erzwungene Macht der Waffen, die Ermordung der Führungspersönlichkeiten und traditionellen Autoritäten sowie die Zerschlagung der sozialen Grundordnung wurde das Normengefüge dieser Gemeinschaften zerstört, ihre ethischen und moralischen Grundsätze und Kriterien wurden mit Füßen getreten. Dadurch wurden die Menschen verunsichert, denn die Armee tötete gerade diejenigen Mitglieder ihrer Dorfgemeinschaften zuerst, die am meisten geachtet, geschätzt und als Leitfiguren betrachtet wurden. Von den Militärs hingegen wurden sie als schuldig (als Sünder) angesehen, und man warf ihnen vor, Guerilleros oder Kommunisten zu sein. Geheiligtes wurde entweiht; das Land wurde den Menschen weggenommen, ihre Felder zerstört, die Berge und die Natur allgemein vernichtet, die Häuser und damit auch die Hausaltäre zerstört und niedergebrannt, das Wasser vergiftet, die Kirchen niedergebrannt, die geliebten Menschen an Orten getötet, an denen die von den Vorfahren überlieferten Zeremonien abgehalten wurden, die Räume entehrt, in denen die Toten begraben wurden, die Würde mit Füßen getreten, der Kampf der Menschen, ihre Hoffnungen und ihr Leben angegriffen.
1.3.1.1  Beseitigung und Kontrolle von Leitfiguren und Autoritäten
Jegliche Führungsrolle, die nicht unter militärischer Kontrolle stand, wurde kriminalisiert. Dadurch wurden die gemeinschaftlichen Konfliktlösungssysteme und Mechanismen zur Entwicklungsförderung zerstört. Auch auf längere Sicht bedeutete dies einen erheblichen Verlust, da jede Person, die eine wichtige gemeinschaftliche oder organisatorische Funktion übernehmen wollte, erneuten Repressalien und Drohungen ausgesetzt war. Sie nahmen die Führer mit, z.B. die Lehrer und Gemeindesekretäre. Es waren Leute, die eine Stimme hatten und sich verteidigen konnten. Francisco haben sie entführt, weil er ein Führer war und einen ausgesprochen strebsamen Geist hatte, weil er sich seiner Kultur nicht schämte.Fall 5017, San Pedro Necta, Huehuetenango, 1982. In dem Versuch, das Sozialgefüge der Dorfgemeinschaften unter Kontrolle zu bringen, wurden auch die zivilen Autoritäten zur Zielscheibe der Gewalt. Für die Armee beinhaltete die Kontrolle über die Bevölkerung auch die Zerschlagung der zivilen Instanzen sowie deren Gehorsam und Unterordnung unter die Militärbehörden oder aber ihre Ablösung. Entsprechend wurden zahlreiche Hilfsbürgermeister und lokale Amtspersonen ermordet. Bei der Guerilla lag das Motiv für selektive Morde an Gemeinschaftsvertretern in deren Weigerung, mit den Aufständischen zusammenzuarbeiten, oder aber in dem Vorwurf, mit der Armee zu kollaborieren. In anderen Fällen weitete die Guerilla ihre Macht im Kampf gegen die Armee auch auf das Sozialgefüge der Dorfgemeinschaften aus und ersetzte faktisch die zivilen Behörden. Aufgrund ihrer Möglichkeiten, Zwang auszuüben, ihrer militärischen Überlegenheit im Kampf gegen die Armee oder aber auch des Vertrauens, das die Guerilla in einigen Dorfgemeinschaften genoß, brachte ihre Präsenz einen Machtverlust für die zivilen Instanzen mit sich. Die Zerstörung und Ablösung der gemeinschaftlichen Autoritäten und deren Unterordnung oder Ersetzung durch Militärberhörden bedeutete nicht nur, daß den Dorfgemeinschaften Praktiken und Werte aufgezwungen wurden, die ihnen fremd waren, sondern es wurde damit auch eine Dynamik des Machtmißbrauchs in Gang gesetzt. Die bestehenden Mechanismen zur gemeinschaftlichen Kontrolle der Machtausübung wurden unterdrückt, und niemand durfte mehr das Verhalten der neuen Autoritäten in Frage stellen oder ihnen den Gehorsam verweigern. Militärkommissare und Zivilpatrouillen bewirkten eine weitreichende Verschiebung der Machtverhältnisse in den Dorfgemeinschaften, die sich nunmehr auf Waffenbesitz und die Möglichkeit zur Zwangsausübung stützten.
1.3.1.2  Verlust der materiellen Grundlagen der Dorfgemeinschaften
Die Angriffe von Armee und Zivilpatrouillen zielten darauf ab, die Dorfgemeinschaften zu zerschlagen, die als Basis der Guerilla angesehen wurden. Dies beinhaltete verschiedene Strategien zur massiven Zerstörung dieser Gemeinschaften: Häuser wurden niedergebrannt, Ernten vernichtet und das Vieh verbrannt. Werkzeuge, Instrumente und Symbole wurden zerstört und Dörfer bombardiert etc. In den Zeugenaussagen von Massakern und Übergriffen auf die Gemeinden, die sich in die Berge geflüchtet hatten und dort lebten, tauchen solche weitreichenden Verluste sehr häufig auf. Oftmals wurden Häuser zerstört und niedergebrannt, obwohl sich noch Menschen darin befanden. Neben seiner Vernichtungskraft hat das Feuer für die indigene Bevölkerung eine tiefe symbolische Bedeutung: Reale Dinge zu verbrennen, die in direkter Beziehung zum menschlichen Leben stehen, bedeutet, ihr mwel oder ihr dioxil zu zerstören, d.h. das Prinzip, das unter anderem die Kontinuität des Lebens ermöglicht. Dies gilt beispielsweise für den Mais, die Mahlsteine und auch den menschlichen Körper und all seine Bestandteile, z.B. die Haare. Sie haben unsere Häuser zerstört, unser Hab und Gut gestohlen, unsere Kleidung verbrannt, unsere Tiere mitgenommen, das Maisfeld vernichtet und uns Tag und Nacht verfolgt.Fall 5339 (Deklarant männlich, Achí
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), Plan de Sánchez, Baja Verapaz, 1982. Der Verlust von materiellen Gütern oder Vieh bedeutete jedoch nicht immer deren Vernichtung. Häufig gehörte es bei den Massakern zu den Verhaltensmustern von Soldaten und Offizieren, Vieh und Hausrat zu stehlen. Die Habseligkeiten der Menschen wurden von der Armee als Kriegsbeute betrachtet. Für viele Überlebende ist auch heute noch die Erinnerung an die erlittenen Verluste gegenwärtig und sogar quantifizierbar. Überall war nur der Tod. Sie nahmen mein gesamtes Vieh mit, sieben Rinder, und außerdem stahlen sie 80 cuerdas
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Mais, 24 Zinkbleche, eine Säge, eine Astsäge, Schweine, Kleidungsstücke, einen Mahlstein und eine Axt.Fall 3909 (Deklarant männlich, Quiché), Xemal (Dorf), Quiché, 1980. In der Maya-Kultur hat die Erde eine tiefe Bedeutung für die kollektive Identität. Sie ist Qachu Alom, Unsere Mutter Erde. Aus diesem Grund ist der Angriff auf die Natur auch ein Angriff auf die Gemeinschaft. Darüber hinaus zielte die Zerstörung darauf ab, den Menschen endgültig ihre Überlebensmöglichkeiten zu nehmen. Gesellschaften, die traditionellen Maisanbau betreiben, überwachen die kulturellen Faktoren, die für eine tragfähige Landwirtschaft notwendig sind: Boden, Saatgut, Technologie, Arbeitsorganisation, Kenntnisse und symbolische Praktiken.
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Mit der Zerstörung sämtlicher Felder wurde auch ein Teil des Saatguts vernichtet, das über Generationen hinweg weitergegeben und von den Gemeinschaften aufbewahrt wurde. Durch diesen Verlust wurden die Möglichkeiten, den Produktionszyklus wieder in Gang zu bringen, beschnitten, und der Mais und sonstige Anbauprodukte verloren an Qualität. Darüber hinaus gingen die überlieferten Kenntnisse und die genetischen Ressourcen des seit Generationen selektierten und gehüteten Saatgutes verloren. Schließlich wurden Strategien eingesetzt, die mit ihrem ganzen Ausmaß an Perversion und der umfassenden Zerstörung gemeinschaftlicher Strukturen darauf ausgerichtet waren, die Überlebensmechanismen und Lebenssymbole in ihren Grundfesten zu erschüttern. Wenn die Armee ihr Lager aufschlug, ließ sie bei ihrem Abzug ein paar Pfund vergiftetes Salz zurück. Die führenden Vertreter unserer Dorfgemeinschaft versuchten herauszufinden, ob das Salz vergiftet war oder nicht, und gaben es einem Huhn zu fressen. In Sumal haben sie versucht, einen Bach zu vergiften, um die Menschen dort zu töten. Nicht nur mit Bomben haben sie versucht, die Menschen umzubringen, sondern auch durch Vergiftungen.Fall 7907 (Deklarant männlich, Quiché), Xix (Dorf), Chajul, Quiché, 1981. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen (verwüstete Dörfer, zerstörte Häuser und Felder, totes oder verlorenes Vieh etc.) hat nicht nur die Armut der Familien vergrößert, sondern auch ein Gefühl der Niederlage und Hoffnungslosigkeit hervorgebracht. Viele Menschen ahnen, daß ihre finanziellen Opfer, ihr Kampf und die über Generationen hinweg geleistete Arbeit umsonst gewesen sind, und daß dieser Verlust nicht nur sie selbst trifft, sondern auch die künftigen Generationen. Ein augenfälliges Beispiel hierfür ist das Erbsystem der indigenen Gemeinschaften, das in Zukunft nur noch schwerlich beibehalten werden kann.
1.3.2  1.3.2 KRISE UND ZERFALL DER DORFGEMEINSCHAFTEN

1.3.2.1  Polarisierung
Insbesondere in den Jahren massiver Gewalt eskalierten die Spannungen und der offene Konflikt, so daß sich die Menschen gezwungen sahen, in einem bedrohlichen, polarisierten Klima Partei zu ergreifen. In vielen Fällen begann die Spaltung schon in der Familie, wenn keine Einigkeit darüber bestand, welche militärische Seite unterstützenswert war. Der gleiche Prozeß vollzog sich auf Gemeindeebene und führte in den Dorfgemeinschaften zu sozialen Spannungen und Konflikten. In zahlreichen Gemeinden bedeutete die Spaltung über der Frage, der Guerilla oder aber der Armee anzugehören bzw. mit ihr zu sympathisieren, ein enges Geflecht verratener Beziehungen, die nur schwerlich wieder zu kitten sind. Durch die Militarisierung sind Werte wie Loyalität und Achtung erschüttert und in Frage gestellt worden. Von seiten der Kommissare hat es viel Niedertracht gegen Menschen aus der Gemeinde gegeben. Auch wenn sie gar nichts getan hatten und keinerlei Probleme machten, wurden sie vom Kommissar oder von der Armee aus reiner Schikane beschuldigt, bei der Guerilla zu sein, aber das stimmte nicht. Sie wurden trotzdem umgebracht. Die Guerilla hatte die gleichen Methoden, und so zerstritten sich die Leute. Die einen waren bei der Guerilla und die anderen bei der Armee. Dabei sind wir von beiden Seiten betrogen worden.Fall 8008 (Deklarant männlich, Mam), Ixcán, Quiché, 1981.
1.3.2.2  Repressalien und Bruch der Alltäglichkeit
Die Schikanen begannen mit der Einschränkung der alltäglichen Aktivitäten, die sich auf eine gemeinschaftliche Dynamik stützten, so z.B. Handelsaustausch und Mobilität. Die Menschen wurden in ihren Handelsmöglichkeiten beschnitten, die Gemeinden isoliert und ihre Mobilität kontrolliert. All dies gehörte zu den vorbereitenden Maßnahmen für zahlreiche Kollektivmorde und die Zerschlagung der Dorfgemeinschaften. 1981 und 82 wurde der Markt geschlossen. In den Läden war nicht ein einziges Medikament oder irgend etwas zu essen zu bekommen. Unsere Arbeit, unsere Ernte konnten wir nicht mehr verkaufen, denn niemand kaufte etwas. Es blieb alles für uns und unsere Kinder übrig.Fall 2297 (Deklarant männlich, Mam, führender Vertreter seiner Gemeinde), Santa Ana Huista, Huehuetenango, 1981.
1.3.2.3  Kontrolliertes Leben
In den 80er Jahren wurde die Konzentration der Zivilbevölkerung zur gängigen Praxis der Armee. Dadurch wurde die soziale Isolation der Dorfgemeinschaften und ihre militärische Kontrolle verschärft. Nach den vorliegenden Aussagen wurde jede fünfte Gemeinde, die Opfer von Massakern geworden war, unter Militäraufsicht gestellt. Die militärische Kontrolle durch Armee, Militärkommissare bzw. Zivilpatrouillen hatte enorme Auswirkungen auf die Dynamik des Gemeinschaftslebens, die jahrelang der militärischen Logik untergeordnet war. Die sogenannten „Modelldörfer“ (aldeas modelo) und „Entwicklungspole“ (polos de desarrollo) repräsentieren diese erzwungene Umstrukturierung des Alltagsleben in ihrer extremsten Form, aber auch viele andere ländliche Gemeinden waren davon betroffen, wenngleich in weniger starkem Maße. Früher wohnten wir in Sebás, aber jetzt sind wir in Xacomoch. Ich habe meine Frau und meine Kinder hierhergeholt, weil alle Dörfer geräumt und die Leute nach Sebás gebracht werden sollten. Sie hatten ausgemessen, daß jedes Haus nur zwei Meter vom nächsten entfernt stehen sollte.Fall 3344 (Deklarant männlich, Qeqchí), Chimoxán (Weiler), Cahabón, Alta Verapaz, 1982.
1.3.2.4  Bruch der sozialen Beziehungen
Durch den Zerfall der gemeinschaftlichen Strukturen ging auch der soziale Rückhalt in den Beziehungen zwischen Familien und Nachbarn verloren. Die erlittenen Verluste und die Angst bedingten den Verlust von Möglichkeiten, Unterstützung und Solidarität in lebenswichtigen Dingen zu erhalten. Die Gefahr, aus dem geringsten Anlaß der Kollaboration mit der Guerilla bezichtigt zu werden, machte jeglichen Versuch, Solidarität zu üben, zu einem extremen Risiko. Durch die Gewalt wurden auch zahlreiche soziale Praktiken zerstört, so z.B. Heiratsallianzen und verwandtschaftliche Beziehungssysteme, die die sozio-ökonomischen und politischen Beziehungen und die gesellschaftliche Identität prägen. Dies gilt insbesondere für die Maya-Gemeinschaften. Ich saß auf der Straße. Niemand kümmerte sich um mich. Ich habe noch zwei Töchter. All die Gewalttaten, die wir erleben mußten, haben ihnen Angst gemacht. Ich habe sie nicht mehr wiedergesehen. Sie wurden auch von den Verantwortlichen vergewaltigt. Sie haben mich allein gelassen. Ich schlage mich so durchs Leben. Wenn ich sterbe, dann weiß ich nicht, wer mich beerdigen soll.Fall 535 (Deklarantin weiblich, Achí); Buena Vista, Rabinal, Baja Verapaz, 1981. Jede soziale Ordnung benötigt ein Minimum an Kooperation unter den Mitgliedern der Gesellschaft. Ohne dieses Miteinander - dazu gehören u.a. solidarische Bindungen, die Einhaltung bestimmter kollektiver Normen, Grundvertrauen, grundlegende Achtung - ist ein gemeinschaftliches Leben nicht möglich (Martín Baró, 1989). Die gelebte Solidarität war bisher das traditionelle Fundament der ländlichen Gemeinden. Die Armee hatte Angst davor, wie die Leute zusammenhielten, wie sie zu teilen verstanden, wie sie in ihrem Dorf zusammenlebten. Wurde einer krank, dann verrichteten die anderen seine Arbeit, 20 oder 30 kamen und erledigten seine Arbeit. Wenn eine Witwe ihr Haus renovieren wollte, dann halfen wir alle mit. Wenn die Häuser von Familienangehörigen renoviert werden mußten, dann kamen alle und brachten Holz mit. In anderen Dörfern war das nicht so. Sie begannen uns zu verdächtigen und hielten uns für Kommunisten.
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Fall 2297, Buena Vista (Dorf), Santa Ana Huista, Huehuetenango, 1981. Viele Menschen aber hielten an ihrem solidarischen Verhalten fest und nahmen die negativen Folgen auf sich, die eine entschlossene Hilfe für sie haben konnte. Neben den abscheulichen Massakern und Terrorakten gab es auch immer wieder Zeichen von Solidarität und tiefstem Altruismus.
1.3.3  1.3.3 DIE MILITARISIERUNG DES ALLTAGSLEBENS:AUSWIRKUNGEN DER ZIVILPATROUILLEN
Die Verpflichtung zur Teilnahme an den Zivilpatrouillen erschütterte das gemeinschaftliche Leben in seinen Grundfesten. Durch den Aufbau hierarchischer Strukturen nach militärischem Muster setzten sich neue Machtformen, Werte und Normen durch, die sich auf Waffenbesitz und Zwangsgewalt stützten. Jegliches gesellschaftliches Engagement wurde von den Befehlshabern der Zivilpatrouillen und somit der Armee unter direkte oder indirekte Kontrolle bzw. Aufsicht gestellt. Die militarisierte Macht bedeutete für einige eine bessere soziale Stellung innerhalb der Gemeinde und wurde häufig zum persönlichen Vorteil genutzt. Das System der Zivilpatrouillen wurde flächendeckend in allen ländlichen Gebieten aufgebaut. Dennoch hatte es nicht überall dieselben Merkmale und auch nicht dieselben Auswirkungen. Die erzwungene Beteiligung an den Zivilpatrouillen veränderte das alltägliche Leben in den Gemeinden und wirkte sich nachteilig auf die ökonomische Situation der Familien aus: Wenn die Männer ihren Dienst in der Patrouille versahen, ging ihnen ein Arbeitstag verloren. Auf längere Sicht wurden die Familien dadurch in ihrer ökonomischen Existenz schwer belastet. Überdies wurden ihre gängigen Möglichkeiten, zusätzliches Einkommen zu erzielen (z.B. durch Handel oder Wanderarbeit), durch das Regelsystem der Zivilpatrouillen beeinträchtigt. So mußten die Männer Urlaub beantragen, wenn sie das Dorf verlassen wollten. In vielen Fällen mußten sie den nicht geleisteten Patrouillendienst bezahlen. Entsprechend brachte die Patrouille ökonomische Nachteile mit sich. Aus Angst, ihr Leben oder das ihrer Familien zu gefährden, wie das in anderen Gemeinden geschehen war, taten sie, was die Armee ihnen befahl. Sie hatten keine Zeit mehr, das Land zu bestellen. Da wurde ihnen klar, daß man sie geholt hatte, um der Armee zu dienen.Fall 847, Ixcán, Quiché, 1982. Gruppenkontrolle und Kriegssozialisation wurden durch das Patrouillensystem reproduziert: Auf die Patrouillenmitglieder wurde Druck ausgeübt, damit sie sich an Gewalttaten wie z.B. willkürlichen Angriffen auf wehrlose Menschen beteiligten und sich dabei als einzelne sogar besonders hervortaten. Oftmals handelten sie unter Zwang, weil die Nichtbefolgung von Befehlen streng bestraft wurde und ihren eigenen Tod bedeuten konnte. Die Militarisierung der Gemeinden zog entsprechend auch langfristige Folgen nach sich, die nach Beendigung des bewaffneten Konflikts über den Demobilisierungsprozeß noch hinausgehen. Das nach wie vor ausgeübte Zwangsrecht durch Waffenbesitz oder sonstige Formen sozialer Kontrolle durch die Verantwortlichen der Zivilpatrouillen
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macht es notwendig, die lokalen Machtstrukturen in den Gemeinden neu zu überdenken. Für den sozialen Wiederaufbau der Gemeinden, die unter dem Krieg am stärksten zu leisten hatten, ist u.a. eine wirkliche Entmilitarisierung erforderlich.
1.3.4  1.3.4 SOZIALE IDENTITÄT, RELIGION UND KULTUR
Auch auf die religiösen und kulturellen Praktiken, die zu den zentralen Bestandteilen der sozialen Identität von Menschen und Dorfgemeinschaften gehören, wirkte sich die Gewalt aus: Die Aufstandsbekämpfungspolitik zielte darauf ab, das Denken und Fühlen der Menschen zu verändern, und zwar nicht nur gegenüber der Armee bzw. den militärischen Operationen, sondern es ging darum, auf Glaubensüberzeugungen, soziale Einstellungen und Praktiken Einfluß zu nehmen, die aus der Sicht des Staates als gefährlich galten. Viele Veränderungen, die im folgenden geschildert werden, deuten auf die gezielte Zerstörung der sozialen Identität hin; andere stehen mit Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus gegenüber der indigenen Bevölkerung in Zusammenhang, die durch die Aufstandsbekämpfungspolitik noch verschärft wurden. Einige Aspekte müssen schließlich in einem größeren Zusammenhang sozialer Veränderungen während der letzten Jahrzehnte gesehen werden, die durch wirtschaftliche und soziale Faktoren beeinflußt waren.
1.3.4.1  Kampf gegen die religiöse Praxis
Wir mußten unsere Vorfahren und die Toten zurücklassen. Wir wurden von den heiligen Orten vertrieben, und man konnte die Religion nicht mehr ausüben. Es gab militärische Kontrolle. Wir mußten um Erlaubnis bitten, um zur Arbeit zu gehen.Fall 567, Cobán, Alta Verapaz, 1981. Durch die Vertreibung und die Zerschlagung der gemeinschaftlichen Strukturen wurde es in vielerlei Hinsicht schwieriger, an Riten und religiösen Feierlichkeiten festzuhalten. Auf dem Land war die Angst, sich zur katholischen Religion zu bekennen, der häufigste Grund für die Aufgabe religiöser Praktiken, weil der Staat die katholische Religion als subversive Lehre einstufte. Durch den Verlust von Kapellen und geheiligten Stätten mußten sich die religiösen Praktiken der Maya- wie auch der katholischen Religion verändern. Andere religiöse Traditionen, die kollektive Riten stärker in den Mittelpunkt stellten (wie z.B. die katholischen Charismatiker oder die evangelikalen Sekten), hingegen verstärkten ihre Präsenz. Sie schickten uns einen Brief nach Hause. Darin schrieben sie, daß ich nicht mehr in der Kapelle gehen und nicht mehr beten dürfte, aber ich hörte deshalb nicht auf zu beten. Statt dessen verrichtete ich meine Gebete zu Hause, zusammen mit meinem Vater, jeden Samstag und Sonntag, denn sie ließen uns nicht mehr zur Kapelle gehen. Die Kirche schlossen sie auch.Fall 5308 (Deklaranten männlich, Achíes), El Nance (Dorf), Salamá, Baja Verapaz, 1982. Abgesehen von einigen protestantischen Kirchen
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, die weiterhin auf der Seite der leidenden Bevölkerung standen, stießen damals die evangelikalen Sekten, die bereits seit einiger Zeit auf dem Vormarsch waren, im Zuge der Repression in ein religiöses Vakuum. Der wachsende Einfluß dieser Sekten wurde von der Armee noch zusätzlich als Form der Kontrolle über die Menschen gefördert.
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Die Sekten verbreiteten ihre eigene Version von der Gewalt: Sie schrieben den Opfern die Schuld zu und setzten sich für eine Umstrukturierung des religiösen Lebens in den Gemeinden ein. Grundlegende Instrumente waren hierbei die Aufspaltung der Gemeinden in kleine Gruppen, die Botschaften zur Legitimierung der Macht der Armee, die individuelle Rettung und die Gruppenzeremonien, die auf eine emotionale Entladung abzielten. Die Gewalt wurde zum einflußreichsten Faktor für den Vormarsch der evangelikalen Sekten, die sich in weiten Gebieten des Landes etablieren konnten. Inés hat die Worte Gottes immer gut erklärt. Sie sprach über die Ungerechtigkeiten, über die Gerechtigkeit, über die Armen. Daher wurde sie beschattet. Die Brüder anderer Kirchen sagten zu uns: ‘Besser, du wechselst die Religion, komm lieber zu uns, weil sie dich sonst aus der Mitte deiner Kinder abholen oder euch alle töten können.’
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Fall 056 (Deklarantin weiblich, Mam), La Victoria (Dorf), San Juan Ostuncalco, Quetzaltenango, 1983. Die Entweihung heiliger Stätten gehörte ebenfalls zur gängigen Praxis der Militärbehörden: Im Rahmen von militärischen Operationen gegen die ländliche Bevölkerung wurden zahlreiche Morde an Orten begangen, die als geheiligt galten und seit Generationen Teil der Maya-Riten waren. Einer Frau von hier nahmen sie den Sohn weg, und sie lief hinter ihnen her. Es gibt dort einen Hügel aus Steinen, an dem die Vorfahren beten. Sie ging dorthin, um zu beten, und ausgerechnet da waren die Leute zwischen den Bäumen angebunden. Man hatte sie angezündet und verbrannt, ihre Zunge und ihre Füße. So wurden sie bestraft. Die Schuhe hatten sie weggeworfen. Dort verbrannten sie auch ihren Sohn. Fall 6257, Tzalá (Weiler), San Sebastián Coatán, Huehuetenango, o.D. Anfang der 80er Jahre wurden zahlreiche Kirchen zerstört und entweiht. In einigen Regionen wie z.B. in Quiché wurden sie sogar militärisch besetzt und als Haft- und Folterzentren benutzt. Die Leute von der Patrouille und die Armee kamen in den Weiler Chisis im Bezirk Cotzal. Sie drangen in jedes Haus ein und holten die Männer aus ihren Wohnungen, auch Mateo López, bis sie insgesamt etwa 100 Menschen zusammen hatten. Einige wurden verprügelt und in die Kirche getrieben. Dann zündeten sie das Haus Gottes an, und die Leute waren noch drinnen.Fall 1440 (Deklarantin weiblich, Ixil), Chisis (Dorf), San Juan Cotzal, Quiché, 1980. 1982 war das ganze Dorf verlassen, und ebenso auch das Kirchengelände. Als wir am 15. August 1982 zurückkehrten, stellte ich fest, daß die Armee die Kirche als Stützpunkt benutzte. Drinnen standen die Betten der ganzen Truppe in drei Reihen, und außerdem hatten sie da einen Riesenhaufen Dünger liegen. Der Hauptmann sagte, der sei vom Landgut El Aguacate.Fall 2300, Nentón, Huehuetenango, 1982.
1.3.4.2  Verlust der traditionellen Autoritäten
Mit dem Verlust ihrer alten Menschen und ihrer traditionellen Autoritäten verloren viele Gemeinden auch die Erinnerung an ihre Vorfahren und die Erfahrungen bei der Lösung gemeinschaftlicher Probleme nach dem traditionellen System der Mayas, in dem die Wiedergutmachung eines Schadens Vorrang vor Bestrafung hatte. Dieses System sah eine positive Handlung des Normübertreters gegenüber der betroffenen Person oder der Natur vor, die im Rahmen der Gemeinschaft vollzogen wurde.
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1.3.4.3  Verlust der Sprache
Es gab da eine Frau, die Dominga hieß. Sie war eine Qeqchí, und weil sie nicht so gut Spanisch bzw. Kastilisch sprach, wurde sie immer mißhandelt.Fall 1280 (Deklarant männlich, Quiché), Palob, Quiché, 1980. Nach ihrer Vertreibung aus anderen Landesteilen mußten viele Menschen eine neue Sprache erlernen, vornehmlich Spanisch. Sogar in solchen Fällen, in denen die Familien ihr Alltagsleben wiederherstellen konnten, wie dies im Exil oder in den Widerstandsgemeinden gelang, wurde Spanisch zur gemeinsamen Sprache, in der sie sich verständigen konnten. Dieser Wandel erschwerte im Sozialisierungsprozeß der Kinder das Erlernen der Muttersprache. Rosa und ihre Kinder können ihre Sprache nicht mehr. Sie haben schon gelernt, in anderen Sprachen zu sprechen. Wegen der Gewalt haben sie ihre Tradition verloren.Fall 10004, Chacalté (Dorf), Chajul, Quiché, 1982.
1.3.4.4  Die Farben der Identität
Die traditionellen Stoffe haben eine starke symbolische, künstlerische und emotionale Bedeutung, die in einem engen Zusammenhang mit der Identität und Gefühlswelt der Menschen steht. Die Kleidung der Mayas als ethnisches Identifikationsobjekt birgt vielschichtige und auch widersprüchliche Inhalte in sich, denn sie ist ein „Gegenstand“, der mit großer Intensität erlebt wird: Die Kleidungsstücke werden von den Frauen selbst hergestellt, sie sind Teil ihres sozialen Wesens und haben eine überaus komplexe Bedeutung, die sich in den Alltagspraktiken der guatemaltekischen Bevölkerung niederschlägt.
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Vielfach stand der Verlust der traditionellen Kleidung im Zusammenhang mit der generellen Zerstörung. Es war schwierig, Garn zu bekommen, zu weben oder das notwendige Material zu bekommen, und deshalb wurde es für die betroffene Bevölkerung zu einem kostspieligen Unterfangen, in ihrer ohnehin prekären ökonomischen Lage und unter den herrschenden Lebensbedingungen ihre traditionelle Kleidung wiederzuerlangen. Ich habe all meine Sachen dort zurückgelassen, meine Kleidung, meine Röcke. Ich ging von zu Hause fort, mit einem Rock, einem Güipil
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und meiner kleinen Tochter. Für das Kind nahm ich gar nichts mit, alles blieb dort zurück.Fall 579 (Deklarantin weiblich, Qeqchí), Cobán, Alta Verapaz, 1981. In einigen Aussagen kommt zum Ausdruck, daß sich die Frauen teilweise dafür schämten, in nicht traditioneller Kleidung oder Lumpen gehen zu müssen. Der symbolische Gehalt und der Bezug der traditionellen Kleidung zur eigenen Identität macht es insbesondere im Falle der Frauen notwendig, diesen Verlust nicht nur in seiner materiellen Dimension, sondern auch im Zusammenhang mit ihrer Würde zu begreifen. Wir hatten auch keine Kleidung, wir schämten uns, so herumzulaufen. Aus ein paar weggeworfenen Säcken zogen wir einzelne Fäden als Stopfgarn. Wir aßen von Bäumen und Sträuchern, was die Tiere aßen. Sie machten uns vor, was wir essen durften.Fall 7916 (Deklarant männlich, Quiché), Salinas, Magdalena, Quiché, 1983. Das Tragen traditioneller Kleidung war jedoch eine Gefahr für die Frauen, denn diese ermöglichte die Zuordnung zu ihren ursprünglichen Gemeinschaften. So konnten sie leicht identifiziert werden. Viele Frauen mußten sich anders kleiden oder ihre traditionelle Kleidung ganz aufgeben, um ihre Identität zu verbergen. Auch zahlreiche Männer mußten ihre Herkunft verleugnen, um nicht als Guerilleros beschuldigt zu werden.
1.3.4.5  Chancen und Probleme für den Wiederaufbau des Sozialgefüges
Mittlerweile ist es gelungen, ein neues Sozialgefüge aufzubauen. Eine tragende Rolle haben dabei gerade die Opfer und Überlebenden gespielt: Basiskomitees, Katecheten, Volks- und Gewerkschaftsorganisationen, Gesundheits- und Bildungspromotoren und in gewissem Maße auch die traditionellen Autoritäten haben erneut ihren Platz eingenommen. Wenngleich dieser Prozeß nur langsam vonstatten geht, so kommt er doch voran. Die Entstehung neuer Führungsstrukturen, Gruppen und sozialer Bewegungen in den letzten Jahren ist Ausdruck dieser Anstrengungen und eine Hoffnung für die Zukunft. Diese Zukunft ist jedoch von den heutigen Konflikten in den Gemeinden bedroht. Dazu gehört insbesondere die Landfrage, die sich durch die Entwurzelung der Vertriebenen und Flüchtlinge in verschärfter Form stellt. Der aus der Landfrage entstandene historische Konflikt ist durch die bewaffneten Auseinandersetzungen noch erheblich stärker geworden. Ein weiterer gewaltträchtiger Konflikt der Gegenwart hängt mit der Straflosigkeit und der Präsenz der Täter in zahlreichen Gemeinden zusammen. Nach den vorliegenden Daten sind bei jeder dritten Aussage die Täter bekannt, die an Diffamierungen, Morden oder sonstigen Aktionen gegen die Bevölkerung beteiligt waren (bei 17,3% der Fälle stammen die Täter aus der Gemeinde, bei 15,2% nicht). In einigen Fällen gehörten sie sogar zur Familie des Opfers (2%). Diejenigen, die uns Schaden zugefügt haben, sind noch am Leben. Sie leben in Salina Magdalena.Fall 1368 (Deklarant männlich, Quiché), Tierra Caliente, Sacapulas, Quiché, 1981. In einigen Aussagen sprechen die Betroffenen aufgrund ihrer religiösen Werte zwar von Vergebung; doch die meisten, die auf das Zusammenleben mit den Tätern Bezug nehmen, fordern explizit Gerechtigkeit und die Bestrafung der Verantwortlichen. Als grundlegende Voraussetzung für ein erneutes Zusammenleben in der Gesellschaft müssen unter anderem Mechanismen geschaffen werden, die auf Gewohnheitsrechten gründen. Die Täter müssen zu ihren Taten stehen, die lokalen Machtstrukturen sind umzugestalten. Schließlich stellt die Wiedereingliederung der Zivilbevölkerung und der ehemaligen Kämpfer in die Gesellschaft eine enorme Herausforderung für die nächsten Jahre dar, in denen das durch den Krieg zerstörte Sozialgefüge wiederaufgebaut werden muß. Es tut mir weh und versetzt mir immer wieder einen Stich, wenn die Nachbarn mich heute noch für einen schlechten Menschen halten. All die Erinnerungen tun uns weh und machen uns traurig. Dabei sind wir schon von einem anderen Ort hierhergezogen, und jetzt haben wir schon wieder dieselben Probleme, die Leute zeigen mit dem Finger auf uns, sie drohen uns, und sie sagen, daß wir Menschenmörder sind, daß wir Guerilleros sind, daß wir Teufel sind, daß wir viele Leute umgebracht haben.Fall 1642 (Deklarant männlich, Qeqchí), Cahabón, Alta Verapaz, 1980.
1.4  1.4 UMGANG MIT DER GEWALT

1.4.1  1.4.1 UNTERSCHIEDLICHE ERFAHRUNGEN UND FORMEN DER GEWALT zu begegnen

1.4.1.1  Die Kultur
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Die verschiedenen Formen des Umgangs mit der Gewalt sind von der Maya-Kultur geprägt. Im folgenden sind einige dieser kulturellen Eigenheiten kurz dargestellt.
1.4.1.2  Analoges Denken: ein wichtiges Reservoir an Bildern und Metaphern im Denken und in der Sprache.
Die Q’eqchí’es sprechen beispielsweise vom „mwel“ der Dinge. Das „mwel“ könnte als die Innerlichkeit charakterisiert werden, die jedes Wesen ausmacht und ihm seine eigene „Würde“ sowie die „Fähigkeit“ verleiht, zu dienen, wofür es bestimmt ist (so hat z.B. der Mais sein „mwel“).
1.4.1.3  Zeitbegriff: Der Zeitbegriff ist zirkulär. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart. besteht keine lineare Verbindung. Die Zeit steht im Einklang mit den Rhythmen der Natur und verläuft langsam gemäß den Abläufen im gemeinschaftlichen Leben.
Alle Dinge besitzen also ihr Mysterium, ihren „Herrn“ („ajaw“), auch die Zeit. Deshalb war und ist es für die Mayas auch so wichtig, ihren Kalender zu kennen und ihn richtig anzuwenden. Jeder Tag hat seinen „Herrn“. Das Gleiche gilt aber auch für die verschiedenen Kalenderphasen.
1.4.1.4  Verhältnis Leben/Tod: alltägliche Beziehung zwischen Lebenden, Toten und Vorfahren; ständige Präsenz dieser Beziehung in Riten, Träumen, Feierlichkeiten und Zeremonien.
Im Grunde begreifen die Mayas ihre Identität als Gesamtgefüge innerer Zugehörigkeit, das sowohl die Vorfahren als auch die heutigen Nachkommen mit einschließt. So bezeichnet beispielsweise bei den Achíes das Wort „mam“ sowohl die Ahnen als auch die neugeborenen Kindeskinder.
1.4.1.5  Weltbild: ganzheitliche Sicht der Beziehungen Mensch-Natur-Gemeinschaft. Diese Beziehungen besitzen ein eigenes Bedeutungssystem.
Die Maya-Kultur nimmt den Menschen als Individuum wahr, das dazu bestimmt ist, sich in eine Realität einzufügen. Die Realität durchdringt den Menschen, sie hat vor ihm bestanden und wird ihn in seiner Vergänglichkeit überdauern. Diese Wahrnehmung gilt auch für seine Einordnung in die Natur, die Gemeinschaft, die Geschichte, die Geister und das „Ajaw“.
1.4.1.6  Der Wert von Person und Gemeinschaft: Der Mensch wird mit Respekt und als Teil der Gemeinschaft betrachtet. Ausgeprägter gemeinschaftlicher Sinn der Identität.
Respekt bedeutet, die Würde des anderen zu berücksichtigen und entsprechend zu handeln. Die erste „Sünde“, von der das Poop Wuj
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erzählt, war die der Holzmenschen, die weder die Töpfe noch die irdenen Schalen, weder die Mahlsteine noch die Hunde zu achten verstanden.
1.4.1.7  Gegenseitigkeit: Die Beziehung des Menschen zur Natur, zu den anderen Menschen und zu den Geistern entwickelt sich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Diese Wechselbeziehung hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von der Wiedergutmachung eines Schadens.
Im Poop Wuj erwarten die „Schöpfer und Former“ der Menschen auch, daß diese ihnen zu essen geben. In ihren Zeremonien zünden die Mayas Kerzen an, um diese Beziehung wiederherzustellen und Gott und die Ahnen zu ernähren (sie riechen, kesiqonik). In jeder dritten Aussage spielt Verdrängung des Erlebten eine Rolle. In mindestens 50% der Fälle jedoch haben die Überlebenden im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten den Versuch unternommen, ihre Situation direkt anzugehen. Häufig werden solidarische Verhaltensmuster sowie Wachsamkeit und Vorsichtsmaßnahmen genannt. Danach kommt eine Gruppe sehr verschiedener Formen des Umgangs mit der Gewalt, die auf unterschiedlichste Erfahrungen zurückgehen (gemeinsame Erlebnisse, Rückkehr, Selbstkontrolle, Wiederaufbau familiärer Beziehungen, Widerstand in Grenzsituationen, Nicht-Sprechen von den Geschehnissen, religiöse Verarbeitungsansätze, politisches Engagement, Resignation und Traumdeutung).
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1.4.1.8  Leben inmitten der Gewalt
Allgemein lassen sich die Erfahrungen der Menschen in erster Linie als Gratwanderung zwischen Widerstand und Anpassung erklären, um in einer durch und durch militarisierten Situation zu überleben. Um diesen Bedingungen zu begegnen, setzte die betroffene Bevölkerung verschiedene Instrumente ein. Dazu gehörten Schutzmechanismen (nicht zu sprechen oder der Versuch, sich zu kontrollieren), gegenseitige Unterstützung (solidarische Verhaltensformen), der Versuch, etwas zu tun, um die bestehenden Verhältnisse anzugehen (z.B. die Suche nach Angehörigen) oder Wege der religiösen Bewältigung. In den meisten Fällen entstanden diese Formen des Umgangs mit der Gewalt als reaktive Schutzmechanismen der Überlebenden. Für uns war das etwas sehr Schönes und gleichzeitig etwas sehr Trauriges. Manche Verwandten und Freunde mieden uns auf der Straße, als ob wir Lepra hätten. Einige Familienangehörige aber setzten sich dem Risiko aus, im Ausnahmezustand, im Kriegszustand, in all diesen Zuständen, und sie kamen uns besuchen, allerdings nachts, und riskierten ihr Leben dabei. Es gab Menschen, die uns Wohnungen als Versteck anboten. Wir versteckten uns nie, denn wir hatten keinen Grund dazu. Bei uns gab es nichts, was nicht im Rahmen des Gesetzes und eines gemeinschaftlichen Lebens gewesen wäre, wir waren wie alle Menschen, wie alle Guatemalteken, unbescholten und ehrlich. Fall 5444 (ermordeter Universitätsprofessor), Guatemala, 1979.
1.4.1.10  Fliehen, um zu überleben
Die kollektive Flucht war eine Form, der Situation gemeinschaftlich zu begegnen, und war vor allem mit der Erfahrung des Exils oder der Vertreibung in die Berge verbunden.
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In den Zeugenaussagen finden sich zwei Grundmuster: a) kollektive Flucht der Gemeinde an Orte, die nicht unter der Kontrolle des Staates standen, meist über einen langen Zeitraum hinweg; b) reaktive Flucht der Familie in eine andere Gemeinde, vorübergehend.
1.4.1.11  Grenzsituationen begegnen
Diese Dimension des Widerstandes hat eher individuellen Charakter und beinhaltet eine Form der Anpassung an traumatische Erlebnisse und Streßsituationen (Verbindung des Widerstandes in Grenzsituationen wie z.B. Folter oder Leben in den Bergen mit Sprache und Traumdeutung). Zahlreiche Personen geben an, mit anderen Menschen gesprochen zu haben, die über die gleichen Erfahrungen verfügten. Auf diese Weise haben sie die Hilfe anderer gesucht, um ihre Situation öffentlich zu machen. Diese Situation war emotional hart für mich, aber auch für meine Mutter, die sehr gelitten hat. Die beiden waren ja so lange verheiratet. Jetzt, da sich die Gelegenheit bietet, möchte ich sie auch nutzen, um Zeugnis abzulegen, damit es auf Band und auch in den Dokumenten festgehalten wird und dieser Fall nicht als Einzelfall bestehen bleibt, sondern mit vielen anderen zusammenkommt, die es bekanntermaßen in diesem Lande gegeben hat.Fall 0046, Santa Bárbara, Suchitepéquez, 1981. Auch die Traumdeutung gehört zu den kulturellen Instrumenten, mit denen die Menschen versucht haben, der Gewalt zu begegnen. In der Kultur der Mayas erfahren die Träume eine kulturelle Interpretation in Bezug auf das gegenwärtige oder vergangene Leben des Menschen, die Zukunftsorientierung seines Verhaltens und die Kommunikation mit den Vorfahren. Die Träume werden häufig in der Familie besprochen, und Deutungsversuche werden meist von den Alten und den Maya-Priestern unternommen. In Grenzsituationen wie z.B. Folter beschreiben die Überlebenden Träume mit meist positiver Bedeutung, die ihnen geholfen haben, geistig wach zu bleiben und die Hoffnung zu behalten. Da kam ein Mann herein, ein großer, weißhäutiger, blonder Mann mit seinem Hut, der fragte: Ist Guillermo da? - Ja. - Gut, ihr müßt mir auf meinem Weg begegnen, über den ich kommen werde, über den ich schon gekommen bin. Ihr müßt dem gleichen Weg folgen, dem ich schon gefolgt bin. Dem Mann sagte er, daß er sich dort im Gefängnis keine Sorgen machen solle, und er solle nicht traurig sein. Der antwortete: Nein, ich bin nicht traurig. - Oh, keine Sorge, keine Sorge, deine Frau ist gestern gekommen, deine Familie, hier nach Cobán, gestern sind sie gekommen. Ich war bei ihnen und habe auch sie geleitet. Ich bin so lebendig wie du. Sorge dich nicht, fühle dich froh, ich bin bei dir. Ich bin hier, um dir zu helfen, und deiner Frau auch. Mach dir keinen Kummer wegen deiner Familie, ich bin bei ihr und auch bei dir. Außerdem bekomme ich alles mit, was sie tun, auch, wie sie dich gefangengenommen haben. Dann legte er ihm, dem Mann, seine Hand auf.Fall 1155, Ixcán, Quiché, 1981.
1.4.1.12  Gesellschaftspolitisches Engagement
Andere Zeugenaussagen beziehen sich auf gesellschaftspolitisches Engagement und eine positive Neuinterpretation der Geschehnisse, d.h. auf Formen des Engagements mit dem Ziel, die Wirklichkeit zu verändern und auf diese Weise der Gewalt zu begegnen. Die Organisation der von der Repression betroffenen Menschen und Gemeinden war jedoch kein leichter Weg, denn immer wieder gab es Entführungen und Drohungen, um solche Versuche zu stoppen. Erst nach Monaten wurde eine Menschenrechtsorganisation gegründet. Ich ging sofort hin, um mich einzutragen, und so begann ein sehr heftiger Kampf. Ich hatte die Hoffnung, ihn lebend wiederzufinden, und ich wollte diese Unsicherheit loswerden. Naja, wenn jemand in Haft ist, dann weiß man, er ist da, und auch wenn er hundert Jahre Gefängnis bekommt, hat man die Hoffnung, ihn lebend wiederzusehen. Aber so war es ja traurigerweise nicht. Wir begannen mit diesem Kampf, der wirklich sehr hart war, und ich glaube, daß dadurch das Bewußtsein stärker geworden ist. Es ist ja jetzt nicht mehr nur der Kampf um meine Familienangehörigen - in meinem Fall sind es sechs -, sondern der Kampf um alle Verschwundenen in Guatemala, um die Verschleppten, denn man merkt, daß man nicht allein auf der Welt ist. In dem Augenblick einer Entführung glaubt man ja, daß man allein ist. Manchmal lästert man Gott: Wenn ich für eine bessere Gesellschaft kämpfe, warum läßt der Herr dann zu, daß solche Dinge geschehen?Fall 5449, Guatemala, 1984. In der Geschichte des Poop Wuj wird von den Jünglingen Jun Ajpui und Wuqub’ Ajpu erzählt, die von den Herren von Xibalbá verhöhnt, gequält, ermordet und begraben wurden. Diese hatten zu ihren Opfern gesagt: „Nun werdet ihr sterben. Ihr werdet vernichtet werden. Wir werden euch in Stücke schlagen, und hier wird die Erinnerung an euch zurückbleiben“. Der Schädel des einen verbarg sich jedoch zwischen den Früchten eines schmackhaften Baumes. Als sich die junge Ixquic näherte und ihre Hand ausstreckte, spie der Schädel auf sie hinunter und sprach zu ihr: „In meinem Speichel und in meinem Schleim habe ich dir meine Nachkommenschaft gegeben ...“, und das Mädchen wurde schwanger
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. (Poop Wuj, 2. Teil, Kap. 2 und 3).
1.4.2  1.4.2 DIE ERFAHRUNGEN DER VERTRIEBENEN UND FLÜCHTLINGE

1.4.2.1  Schätzungen über die Vertreibung in Guatemala
- eine Million Binnenflüchtlinge; - 400.000 Exilierte in Mexiko, Belize, Honduras, Costa Rica, USA; - 45.000 legale Flüchtlinge in Mexiko, davon ein Großteil in neu organisierten Gemeinden in Flüchtlingslagern; - 150.000 illegale Flüchtlinge in Mexiko und ca. 200.000 in den USA; - 20.000 Personen, die sich in den Widerstandsgemeinden organisierten, weitere 20.000 konnten über mehrere Jahre als Flüchtlinge in den Bergen überleben; - in einigen Gebieten im Hochland, die am schlimmsten unter der Politik der verbrannten Erde zu leiden hatten, wurden phasenweise bis zu 80% der Bevölkerung vertrieben.
1.4.2.2  Massenvertreibung und Fluchtwege
Die Vertreibungen gehören zu den zentralen Erfahrungen der von der Gewalt betroffenen Bevölkerung. Sie waren zwar im gesamten Verlauf des Konflikts ein konstantes Phänomen, nahmen aber Anfang der achtziger Jahre massive Dimensionen an. In den sechziger und siebziger Jahren war die Flucht eher individuell. Später war die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur eine Folge der Gewalt, sondern wurde zum Ziel der Aufstandsbekämpfungspolitik, insbesondere in Gebieten mit einem hohen sozialen Konfliktpotential, in denen die Guerilla präsent und einflußreich war. Die Flucht war aber auch ein Mechanismus, mit dem verschiedene Bevölkerungsgruppen versuchten, ihr Leben zu schützen. Damals ging ich fort und lebte eine Weile in Mexiko. Ungefähr zehn Jahre zog ich durch Mexiko, allein, ohne Frau, ganz allein war ich da. Ich sparte mein Geld und arbeitete an verschiedenen Orten. So kam ich nach Tuxtla, und auch durch einen Ort, den sie Puebla nennen. Damals, als das mit dem Massaker von 1981 und 1982 passierte, flohen viele guatemaltekische Brüder nach Mexiko. Ich bekam Nachricht von meinen Leuten und fand sie in Mexiko wieder. Mit ihnen ging ich dann zurück.Fall 0783 (Entführung und Folterung durch die Soldaten), San Juan Ixcán, Quiché, 1975. Sowohl die Flucht einzelner Familien als auch die Vertreibung ganzer Gemeinden hatte in den meisten Zeugenaussagen, die im Rahmen des REMHI-Projekts zusammengetragen wurden, kollektiven Charakter. In den Gebieten im Norden von Quiché, San Marcos, Chimaltenango, Alta Verapaz und Huehuetenango kam es durch die Vertreibungen zu einem wahren Massenexodus der Bevölkerung. All die verängstigten Menschen gingen fort, ich auch. Wir blieben an einem Ort namens Xolghuitz. Danach gingen wir nach Tajumulco. Dort lebten wir fünf Monate. Dann ging ich nach Carrizales zurück. Da, wo ich heute lebe, gab es auch Gewalt. Alle Leute, die dort wohnten, gingen nach Mexiko, und da sind sie immer noch. Sie haben ihr Land verkauft, und jetzt haben sie kein Land mehr.Fall 8565 (Massaker), Montecristo (Dorf), Tajamulco, San Marcos, 1980. Wenn sich die Bedrohung ausschließlich gegen eine Person richtete und es für deren Familie genügend soziale Unterstützung und ein Minimum an Sicherheit gab, war die Flucht ein individueller Schritt. In vielen Fällen folgte jedoch die Familie nach, um so die familiären Bindungen wieder aufzunehmen. Diese Form der Flucht trat vornehmlich in den städtischen Gebieten auf. Ich weiß nicht, was ich tat, aber ich sagte zu ihm, er solle besser versuchen zu fliehen, wenn er könne, durch ein Fenster, das zur Straße hin lag. Er hörte auf mich und machte sich schnell aus dem Staub. Das war so: Als er das Fenster aufmachte und sprang, stand da einer und schrie, er solle stehenbleiben. Der andere machte ein Geräusch, als wolle er mit seiner Waffe schießen, tat es aber nicht, und so konnte er fliehen. Er lief im Zickzack über die Straße und versteckte sich bei Nachbarn. Schließlich kam er ans Flußufer. Bis dorthin war er gelaufen. Ich blieb mit meinen Kindern zurück. Es machte mich sehr traurig. Mir war ganz klar: Was auch immer mit mir passieren würde, er hatte wenigstens sein Leben gerettet.Fall 5042 (versuchte Entführung des Ehemannes), Santa Lucía Cotzumalguapa, Escuintla, 1984. Vor den großen Fluchtbewegungen hatten sich die Lebensbedingungen in den ländlichen Gebieten durch die herrschende Angst und die Auswirkungen der Militarisierung zunehmend verschlechtert. In den meisten Fällen war die Gewalt zwar der unmittelbare Grund für die Flucht, doch spielten auch die eingeschränkte Mobilität, die Isolation der Gemeinden und die Zerstörung des Alltaglebens eine wichtige Rolle in den Erfahrungen, die in den Aussagen geschildert werden. Damals wurden die Jugendlichen in die Kasernen verschleppt, die Militärkommissare unterstützten die Armee bei den Verhaftungen. Wir waren in Gefahr, man konnte nicht mehr frei herumlaufen und auf den Markt gehen, denn jeden Augenblick konnten sie den Markt zumachen, und dann fingen sie an, sich die Leute zu schnappen, oder auch, wenn Tanz war. Es war damals schon sehr schwierig, auf die Straße hinauszugehen.Fall 2267, Nojoya (Dorf), Nentón, Huehuetenango, 1980. In einigen Gebieten des Landes, in denen die Bevölkerung unmittelbar von Gewalttaten betroffen war, wurden die Menschen unter dem herrschenden Terror zur Massenflucht getrieben. Als Hintergründe für die Flucht werden in den meisten Zeugenaussagen Informationen über Geschehnisse in den Nachbargemeinden, Militärpräsenz, Entführungen und Morde oder gelegentlich auch Guerillaaktionen angegeben. In den Gemeinden, die Opfer von Massakern wurden, fiel der Entschluß zur Flucht häufig ganz abrupt vor dem Hintergrund extremer Gefahr. Viele Familien konnten auf ihrer Flucht nur ein paar Habseligkeiten mitnehmen. Die meisten verloren alles. Oft konnten Menschen ihr Leben retten, weil sie sich der drohenden Gefahr bewußt waren. Andere blieben, weil sie sich nicht bedroht fühlten oder glaubten, daß die Armee ihnen nichts tun würde. Die Weigerung, ihre Häuser zu verlassen oder Informationen aus anderen Gebieten Glauben zu schenken, hielt etliche Familien bzw. Dorfgemeinschaften von der Flucht ab, so daß viele Menschen dadurch ums Leben kamen. Eine Flucht von wenigen Tagen oder auf begrenzte Zeit gehörte ebenfalls zu den Strategien, der Gefahr zu begegnen und gleichzeitig das eigene Stück Land nicht zu verlassen. Diese Erfahrung findet sich häufig bei späteren Vertreibungen in die Städte, in die Berge oder ins Exil. Es war schwer für uns, von dort wegzugehen, denn da gehörten wir hin, da waren wir geboren worden, da hatten wir gelebt, da waren wir aufgewachsen. Wir wollten nicht von dort weggehen. Die Soldaten kamen immer wieder, jeden Tag, und wir merkten, daß die Lage immer schwieriger wurde. Wenn wir sahen, daß die Soldaten kamen, verließen wir am besten unsere Häuser, versteckten uns im Gebüsch, in den Schluchten, an den Flüssen, damit sie uns nicht entdeckten und uns nicht töteten. Ganze Nächte verbrachten wir so, wir schliefen draußen, zwei oder drei Tage, wir ertrugen Hunger und Kälte, gemeinsam mit unseren Frauen, unseren Kindern, unseren Alten. Das war das Schlimmste, was wir in unserem Leben ertragen mußten, ohne Dach über dem Kopf, ohne Kleidung.Fall 5106 (Ermordung des Bruders), Panzós, Alta Verapaz, 1980. Die erzwungene Flucht wurde von vielen Menschen als Ungerechtigkeit erlebt: Die Familien standen vor dem Dilemma, fliehen zu müssen, um ihr Leben zu retten, und wenn sie es taten, mußten sie sich darüber im klaren sein, daß die Armee sie dann der Guerilla zuordnen würde. Dies stellte die Familien und Dorfgemeinschaften vor die paradoxe Situation, daß ihr Leben bedroht war, unabhängig davon, welche Entscheidung sie trafen. Nur bei einem geringen Prozentsatz der registrierten Fälle gingen einer solchen Entscheidung gründlichere Überlegungen zu den bedrohlichen Umständen, zur Suche nach einem sicheren Zufluchtsort und zur Planung der Flucht voraus. Die Bedrohung und die selektiven Morde an führenden Gewerkschafts- und Basisvertretern, die fast über den gesamten Zeitraum der sechziger und siebziger Jahre und seit Mitte der 80er bis in die 90er Jahre hinein an der Tagesordnung waren, führten zur Flucht von Menschen, die in Berufs- und Studentenverbänden oder Gewerkschaften aktiv waren. Die meisten gingen ins Exil. Bis vor wenigen Jahren spielten dabei die Botschaften eine wichtige Rolle, da sie beim Verlassen des Landes Schutz boten. Im Pfarrhaus tagten die Gruppen für öffentliche Arbeiten und Gesundheit, die wegen ihrer Probleme mit dem Krankenhaus eine Kommission gegründet hatten. Da kamen Leute an und sagten, wenn sie nicht verschwänden, würden sie sie umbringen. Es gingen alle hinaus, und da warteten ein paar Leute mit Autos. Jemand holte Dolores ab, ohne Kleidung, ohne alles, um sie in eine Botschaft zu bringen. Ich glaube, sie ist immer noch in Kanada.Fall 6522 (Verfolgung führender Vertreterinnen und Vertreter), Escuintla 1982. In den ländlichen Gebieten wurden viele Menschen durch Informationen über die Ereignisse zur Flucht getrieben. Informationen zu bekommen über das, was dort geschah, war für die Menschen eine Grundvoraussetzung, um Entscheidungen treffen und ihr Leben retten zu können in einer Situation, in der aufgrund der Spannungen, der Isolation und der unsicheren Zukunft häufig Gerüchte kursierten. In einigen Fällen empfahl die Guerilla, in andere Gebiete zu fliehen oder mit ihr in die Berge zu gehen. Es kam sogar vor - wenn auch eher selten -, daß Soldaten oder Mitglieder der Zivilpatrouillen die Menschen vor einer geplanten Aktion warnten oder ihnen nahelegten, sich in Sicherheit zu bringen. In der Armee gab es nämlich manchmal Soldaten, die nicht töten wollten. Deshalb gaben sie Informationen weiter. Die Leute erfuhren so, daß die schon die Namen von bestimmten Personen hatten, und sie flüchteten.Fall 0977 (Drohungen und Ermordung), Santa María Tzejá, Quiché, 1981-82. Während der Flucht bereiteten die Gefahren unterwegs und die Trennung der Familien die größten Probleme. Für die meisten Flüchtlinge kam zu den schweren Verlusten, die sie erlitten hatten, noch eine Flucht unter extrem schwierigen und gefährlichen Bedingungen hinzu. Wir entfernten uns immer weiter von unserem Dorf, bis wir eines Tages zwei Männern aus der Gemeinde La Victoria begegneten, die uns bis nach Mexiko mitnehmen wollten. Wir beschlossen schließlich, mit ihnen zu gehen, aber unterwegs stießen wir auf eine Gruppe Soldaten. So wurde ich von meinem Mann getrennt. Sie brachten mich zum Militärposten von Cotzal, wo sie mich monatelang festhielten. Danach ließen sie mich hierher nach Uspantán gehen. Hier habe ich meinen Mann wiedergefunden, aber ich habe meine Kinder nicht mehr.Fall 4409, El Caracol, Uspantán, Quiché, 1981. Die prekären Umstände der Flucht werden in zahlreichen Aussagen als einschneidende Erinnerungen geschildert. Dazu gehören fehlende Nahrung und Kleidung, die Flucht bei Nacht und Nebel und die Vermeidung jeglichen Kontakts mit der übrigen Bevölkerung, der für die Menschen eine Gefahr hätte bedeuten können. Ich machte also das Licht aus, und wir gingen. Fast wäre ich mit meinen Kindern die Schlucht hinuntergestürzt. Dort unten gibt es nämlich eine Schlucht. Von dort gingen wir dann weiter zu den [Lafetten]
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. Bis dorthin habe ich meine sieben Kinder geschleppt. Zwei Wochen blieb ich da, und dann ging ich hinunter nach Zapote.Fall 5304, Xibac (Dorf), Salamá, Baja Verapaz, 1982. Die betroffenen Familien flohen an Orte, von denen sie sich größere Sicherheit und eine gewisse soziale Unterstützung erhofften. Die Familienbeziehungen waren eine wichtige Quelle der Solidarität. Auf ihrer Flucht, die häufig in mehreren Etappen und über verschiedene provisorische Unterkünfte verlief, konnten die Menschen aufgrund der Existenz solcher Beziehungen Aufnahme finden. Als sich die Armee hier im Dorf, in Nentón, einquartierte, befahlen sie den Leuten, ihre Häuser zu räumen, und so zogen wir fort. Einige gingen nach Guatemala Stadt, andere hatten Verwandte in Mazatenango oder Huehuetenango, und wieder andere, die wie wir keine Angehörigen hatten, kamen in Cajomá Grande unter. Dort blieben wir einen Monat. ...Von da kamen wir nicht weiter. Am besten war es, anderswo Arbeit zu suchen, an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko, und dort unseren Lebensunterhalt zu verdienen, denn wir hatten Angst vor dem Tod, den uns beide Seiten brachten, wir hatten Angst, daß die Armee uns umbringen könnte.Fall 2300, Nentón, Huehuetenango. Grund für die Flucht in Etappen war die Verfolgung durch die Armee und die Zivilpatrouillen, der ein Großteil der Zivilbevölkerung Anfang der achtziger Jahre ausgesetzt war. Häufig mußten die Betroffenen und auch die Gemeinden, in denen sie Unterschlupf fanden, erneut fliehen. Es waren etwa 500 Personen, und sie kamen an eine Stelle, an der ich eine Kaffeepflanzung habe. Du lieber Himmel, ich war vielleicht wütend, denn ich wollte keine Leute mehr in meiner Pflanzung sehen. Ich ging also hin, und da waren viele arme Menschen. Zuerst war ich böse, aber als ich die ersten Leute sah, taten sie mir leid. ‘Du lieber Himmel, was ist denn mit euch passiert?’ fragte ich. ‘Sehen Sie, der eine von uns hier humpelt, und zwei oder drei andere sind schon voller Würmer, am Kopf, an den Knien, an den Armen.’ Du lieber Gott! Ich dachte nicht mehr daran, mit ihnen zu schimpfen, ich wollte ihnen helfen. ... Da fingen sie [die Soldaten] an, die Leute hier zu bedrohen. Die ganze Kooperative wurde niedergebrannt, und auch die Maismühle. Naja, und dann gingen die Leute fort, sie verließen die Häuser, und die Soldaten vertrieben uns von hier.Fall 3624 (Flucht unter Führung der Guerilla), El Desengaño, Uspantán, Quiché, 1981. Danach gingen die Erfahrungen auseinander, je nachdem, welche Bedingungen die Flüchtlinge vorfanden. Die Form der Aufnahme war sehr unterschiedlich, je nach Ort und je nachdem, ob die Flucht individuell oder kollektiv verlief. Wir waren damals schon in Las Palmas, als die Nachricht kam, daß die Soldaten Leute in San Francisco umgebracht hatten. Da hieß es: ‘Bevor die kommen, gehen wir lieber.’ So zogen wir dann aus Las Palmas wieder fort. Wir gingen über die Grenze nach Mexiko und kamen an einen Ort namens Ciscao, direkt an der Grenze. Dort blieben wir dann und arbeiteten bei den Mexikanern. Aber wir waren traurig, da gab es nichts Vertrautes mehr. Wir hatten nichts, noch nicht einmal Wolldecken. Dann fingen wir an, den Mexikanern zu erklären: ‘Wir sind arm, unsere Familie haben sie umgebracht, alles haben sie getötet, unsere Frauen. Was sollen wir jetzt bloß machen?’ Die Mexikaner sind bewußte Leute, und sie sagten zu uns: ‘Also, seht mal, Compañeros, wir sind Kinder Gottes, wir werden euch helfen. Macht euch keine Sorgen, hier werden wir euch helfen.’ Und dann unterstützten sie uns mit etwas Kleidung, etwas Geld.Fall 6070, Petanac, Huehuetenango, 1982. In anderen Fällen erhielten die Betroffenen solidarische Unterstützung von anderen Gemeinden oder Angehörigen, so daß sie ihre Lage besser bewältigen konnten. Zehntausende von Menschen aber waren gezwungen, unter extremen Bedingungen über die Berge zu fliehen. Hier trug die gegenseitige Achtung und Unterstützung unter den Flüchtlingen dazu bei, Formen des Überlebens und der kollektiven Flucht in einer ungleich schwierigeren Situation zu entwickeln. Viele Flüchtlinge siedelten sich schließlich an einem neuen Ort an, nachdem sie zuvor an verschiedenen Orten versucht hatten, sich ein neues Leben aufzubauen. Mit der Zeit veränderte sich durch die Flucht nicht nur die Lebensweise, sondern auch die Identität der Menschen, je nachdem, ob sie sich mit der Gemeinde, in der sie Aufnahme fanden, identifizieren konnten oder nicht, und wie sie dort mit den anderen Menschen zusammenlebten. Viele Vertriebene empfinden einen Verlust ihrer ursprünglichen Identität, weil sie nicht mehr in ihrer Dorfgemeinschaft leben (ich bin nicht mehr von Nebaj). Andere hingegen haben aufgrund der positiven Erfahrungen, die sie bei ihrer Aufnahme in der neuen Gemeinde und in dem erlebten Prozeß gemacht haben, eine neue Identität angenommen. Bei den Binnenflüchtlingen, die verstreut in den Städten leben, war die Verleugnung der eigenen Herkunft ein Schutzmittel. Die Gemeinden, in denen sie Aufnahme fanden, wiesen keine kollektive Identität auf, wodurch die Verunsicherung bei den Vertriebenen vertieft werden konnte.
1.4.2.3  Flucht ins Exil
Jede fünfte Zeugenaussage zur Vertreibung nimmt Bezug aufs Exil. Nach den vorliegenden Daten mußten zwischen 125.000 und 500.000 Menschen ins Ausland flüchten, insbesondere nach Mexiko, um sich vor der Verfolgung durch die Armee und paramilitärische Gruppen in Sicherheit zu bringen und ihr Leben zu schützen. Die Flucht, die zunächst vorübergehend zu sein schien, wurde zu einer langwierigen Erfahrung, verbunden mit einer völligen Neuorganisation des Lebens in den Flüchtlingslagern, einer gesellschaftlichen Umstrukturierung auf der Grundlage gemeinschaftlicher Erfahrungen und neuen Problemen familiärer und kultureller Art. Für viele Menschen bedeutete die Flucht die Erfahrung, mit der stets präsenten Vergangenheit zu leben. Meine Mutter sagte also, daß wir an die mexikanische Grenze gehen müßten. Viele gingen fort, und die, die blieben, gehörten zur Armee. Wir aber standen auf der Seite der Guerilla, und deshalb gingen wir. Gegen vier oder fünf Uhr nachmittags kamen wir an die Grenze. Wir ließen alles zurück: Hühner, Schweine und unser Feld mit jungem Mais, alles blieb liegen. Nichts haben wir mitgebracht, wir haben alles verloren. Wir hatten große Angst, und meine Mutter zitterte.Fall 8391, San Miguel Acatán, Huehuetenango, 1982. Für viele Menschen war die Flucht nach Mexiko die letzte Rettung, nachdem sie zuvor alles versucht hatten. Im Kooperativengebiet von Ixcán lag bei den meisten Menschen der Grund für die Weigerung fortzugehen darin, daß sie ihr Land nicht aufgeben wollten. 1982 begann die Armee, an allen möglichen Orten Leute umzubringen. Im Februar flüchteten viele Leute nach Mexiko. Wir hörten, daß die Armee in Xalbal und Santo Tomás mordete, aber wir blieben. Im April kam die Armee in die Nähe der Grenze. Die Leute warnten uns, aber wir blieben. Wir bereiteten uns nur vor. Im Juni gab die Armee ihren Posten in Los Angeles auf und zog sich nach Playa Grande zurück, aber im Juni kamen sie dann wieder nach Los Angeles, um Menschen zu töten, und die Leute flohen. Wir hatten keinen Mais mehr und konnten nicht länger durchhalten. Deshalb beschlossen wir, nach Mexiko zu fliehen. Dort litten wir unter Krankheiten und Hunger. Ich war zwei Jahre krank, und meine Familie hatte viel zu leiden. Zehn Jahr lebten wir in Chiapas.Fall 0472, Ixtahuacán Chiquito, Ixcán, Quiché, 1981-1982. Viele Familien wurden auseinandergerissen, sei es aus Uneinigkeit über die zu treffende Entscheidung oder aber als Überlebensstrategie, um sich auf verschiedene Anlaufpunkte stützen zu können. Es gab Leute, die hierherkamen, und andere, die nach Mexiko gingen. Es gab Frauen, die gingen zusammen mit ihrem Mann, andere nicht. Ich wollte nicht nach Mexiko gehen und blieb hier. Auch die Frauen, die hiergeblieben sind, haben viel durchgemacht, weil ihre Kinder nach und nach gestorben sind.Fall 7392 (Massaker und Leben in den Bergen), CPR Petén, 1982-1990. Ein Großteil der Flüchtlinge konzentrierte sich in den Flüchtlingslagern, in denen die meisten humanitären Hilfsaktionen stattfanden. Die Flüchtlingslager boten den Menschen einen eigenen kollektiven Raum, um ihren Alltag wiederherzustellen. Gleichzeitig aber war aufgrund des abgeschotteten Lebens und der Regierungsentscheidungen die Kontrolle stärker. 1984 sollte ein Großteil der Flüchtlinge von Chiapas nach Quintana Roo und Campeche zwangsumgesiedelt werden. Die Menschen wehrten sich. Einige Familien gingen daraufhin auch nach Guatemala zurück oder zerstreuten sich in Mexiko. Als sie kamen und die Hütten der Flüchtlinge niederbrannten, sagten die Leute: ‘Ob wir nun in Mexiko oder in Guatemala sterben, wo ist da noch der Unterschied?’ In Guatemala zu sterben bedeutete, den eigenen Grund und Boden zu verteidigen, in Mexiko zu sterben hieß, als der letzte Dreck zu enden. Zu dieser Zeit hatte die Widerstandsgemeinde im Ixcán großen Zulauf von Menschen, die lieber in organisierte Widerstandsstrukturen zurückkehren wollten, denn damals waren die Gemeinden im Widerstand schon gut strukturiert, gut organisiert.Schlüsselinformant 9, Ixcán, Quiché, o.D. Neben Berichten von den Reaktionen der Regierung auf den Flüchtlingsstrom ist in den Zeugenaussagen auch viel von der Solidarität die Rede, die den Flüchtlingen in den Aufnahmegemeinden entgegengebracht wurde. Anfangs leisteten die mexikanischen Gemeinden Unterstützung mit materiellen Gütern und Nahrungsmitteln oder nahmen sogar Menschen in ihre Häuser auf. Sie halfen Leuten, sich zu verstecken, um von den mexikanischen Behörden nicht entdeckt zu werden, oder auch, um sich gegen militärische Übergriffe zu schützen. In der kollektiven Erinnerung an den Zufluchtsort spielt die Unterstützung durch diese Gemeinden und auch einige Institutionen wie z.B. die Kirche von Chiapas eine wichtige Rolle. Mir half niemand, nur die Mexikanerinnen. Das sind wirklich gute Menschen. Fall 9164, Massaker von Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1991 Drei Jahre lebten wir dort. Es ging uns sehr gut, wir waren glücklich, denn die Kinder bekamen ein Stipendium und fingen mit ihrer Ausbildung an. Zu dieser Zeit bekam er einen kleinen Hof mit Schweinen, fast schon in Mexiko City, in der Nähe von Puebla. So weit wurden wir gebracht, aber wir waren glücklich. Wir wollten vor allem zusammenbleiben.Fall 5042, Santa Lucía Cotzumalguapa, Escuintla, 1984. Die Tatsache, Zugang zu internationalem Schutz und humanitärer Hilfe zu bekommen und extremste Erfahrungen überstanden zu haben, bedeutete jedoch nicht zwangsläufig, daß damit schon die Probleme überwunden waren. Die wichtigsten Belastungsfaktoren für die Flüchtlinge waren die erlebte Repression, die Zerrissenheit der Familien und die negativen Erfahrungen an ihren Zufluchtsorten, so z.B. die Lebensbedingungen, die Umsiedlungen und die Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Darüber hinaus brachten das Festhalten an den Hoffnungen auf eine Rückkehr und die fehlende Veränderung der politischen Bedingungen im Land, die eine solche Rückkehr erst möglich gemacht hätten, ständige Unsicherheit über die Zukunft mit sich. Deshalb entschlossen sich einige Menschen zur Rückkehr, insbesondere nachdem die Zivilregierungen Erwartungen geweckt hatten. Dies war jedoch nur eine Minderheit. Mit der Zeit entstanden in den Familien Generationskonflikte. Die Jugendlichen machten Erfahrungen mit der Arbeit im Ausland und hatten ambivalente Erwartungen an ihre Integration in Mexiko. Dem stand die Rückkehr in ein unbekanntes Land gegenüber, das als gefährlich wahrgenommen wurde. Solche Konflikte gehörten zwar zu den Alltagsbeziehungen in den Familien und Gemeinden, wurden jedoch durch den Entschluß zur Rückkehr verschärft. Für viele Familien hat die Rückkehrerfahrung deshalb neue Trennungen und Reintegrationsprobleme mit sich gebracht, die auf ökonomische Schwierigkeiten, bisweilen negative Erwartungen der Nachbargemeinden und den Kulturschock, insbesondere bei den Jugendlichen, zurückzuführen sind.
1.4.2.4  Das Leben in den Bergen: Von der Flucht zum Widerstand
In dem gesamten Gebiet verbreitete die Armee durch die Repression Angst und Schrecken. Viele oder eigentlich fast alle verließen das Dorf und flüchteten sich in die Berge. Monatelang harrten sie dort aus, zogen von hier nach da, immer auf gepackten Koffern für den Fall, daß die Armee auftauchte, denn sobald die Warnung kam, machten sich die Leute alle auf den Weg. Schließlich hielten sie es nicht mehr aus und gaben auf. Sie wurden auf die andere Seite des Flusses zum Landgut Las Trojas in San Juan Sacatepéquez gebracht, in die Berge bei unserem Dorf. Am Ende kehrten sie in ihre Dörfer zurück.Fall 1068 (Ermordung zweier Angehöriger), San Martín Jilotepeque, Chimaltenango, 1982. Viele Menschen, die im Rahmen des REMHI-Projekts aussagten, mußten in die Berge fliehen. Ein Großteil konzentrierte sich auf den Norden des Quiché, auf Alta Verapaz und Huehuetenango. In bestimmten Phasen gab es jedoch auch im Gebiet von Izabal, Chimaltenango und Petén Fluchtbewegungen in die Berge. Meist war es für die Menschen der letzte Ausweg, ihr Leben durch die Flucht in ein unwirtliches, unwegsames Gebiet zu retten. In einigen Fällen war die Flucht in die Berge eine Reaktion auf die Bedrohung und dauerte nur wenige Tage, bis die Menschen in ihre Häuser zurückkehren konnten oder in sicherere Gebiete weiterzogen. Meist aber dauerte die Flucht in die Berge Monate oder sogar Jahre und wurde so zu einer chronischen Lebenssituation, die von extremer Not, Hunger und ständiger Verfolgung geprägt war. In diesen Gemeinschaften verlief das Leben der Menschen zwischen provisorischen Lösungen, Alarmzustand und organisierter Flucht. Sie starb nach dem Massaker von Cuarto Pueblo. Wir waren auf der Flucht in die Berge. Es ging ihr so weit gut, aber nach dem Massaker wurde sie in den Bergen krank. Es ist nicht dasselbe wie zu Hause zu sein. Medikamente waren nicht zu bekommen. Jemand sagte zu mir: ‘Deine Frau muß behandelt werden’, und er zeigte mir eine Heilpflanze. Ich hatte gerade angefangen, meine Frau zu versorgen, als die Soldaten kamen. Auf der Flucht mußte ich sie tragen.Fall 0456, Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1983. Die Anpassung an die extremen Lebensbedingungen brachte die Menschen dazu, die verschiedensten Pflanzen auszuprobieren, um festzustellen, ob sie giftig waren, oder sie aßen Wildtiere, die in ihren Augen eigentlich nicht zum Verzehr geeignet waren. Fünf oder sechs Monate hatten wir keine einzige Tortilla mehr gegessen, wir waren am Verhungern. Deshalb aßen wir eine ganze Menge Dinge, die wir unterwegs fanden, manchmal hatten wir ein bißchen Wasser, manchmal eine Banane, das war alles, was wir aßen. Ein paar von unseren Leuten fingen an, Tiere zu töten. Sie aßen zum Beispiel Schlangen, sie aßen Ratten, sie aßen auch andere Tiere. Es kam sogar so weit, daß wir Pferdefleisch aßen. Warum mußten die Menschen Dinge durchmachen und Dinge essen, die wir als unwürdig bezeichnen könnten? Wegen des Konflikts eben, wegen der bewaffneten Auseinandersetzungen, die es da gibt.Fall 2052, Chamá, Alta Verapaz, 1982. Viele Gemeinden, die in den Bergen im Widerstand lebten, hatten keinerlei Vorerfahrungen mit solchen Bedingungen. Manche lernten sich sogar erst während ihrer gefahrvollen Flucht kennen. Die gegenseitige Anerkennung und Unterstützung aller, um die Gefahr zu meistern, und ihre gemeinsamen Bedürfnisse führten zur Bildung von Gruppen und neuen Gemeinschaften, die zum Teil bis heute Bestand haben.
1.4.2.5  Die Erfahrungen der Gemeinden im Widerstand
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1.4.2.6   in den Bergen
Seit Ende 1982 begann sich ein Teil der Vertriebenen, die sich in die Berge geflüchtet hatten, neu zu organisieren, und bildeten von 1984 an die „Gemeinden im Widerstand“ im Ixcán, im Ixil-Gebiet und später auch im Petén. Aufgrund ihrer Unzugänglichkeit und der Guerillapräsenz war es in diesen Zonen möglich, selbst in Grenzsituationen extremer Verfolgung an bewährten gemeinschaftlichen Strukturen festzuhalten. In anderen Gemeinden, die beispielsweise in den Bergen von Alta Verapaz unter vergleichbaren Bedingungen lebten, konnten solche Erfahrungen jedoch nicht erreicht werden. Wir hatten Hefte, in denen wir zur Kontrolle alles aufschrieben: an welchem Tag eine Gemeinde angegriffen wurde, wieviele Menschen starben oder verletzt wurden. Wir führten Buch, aber bei dem Regen - wir hatten ja nicht einmal Plastikfolie, um uns zu schützen - gingen unsere Papiere allmählich kaputt, und außerdem wollten wir nicht, daß irgendeine Liste gefunden würde, als wir zur Patrouille von El Rosario gingen. Wir wollten nicht, daß sie bei uns irgendeine Liste mit Berichten fänden, denn dann hätten sie uns umgebracht.Schlüsselinformant 33, Sahakok, Alta Verapaz. In bestimmten Zeiten gab es zwar Anweisungen von der Guerilla, daß die Menschen nicht ins Ausland fliehen, sondern in den Bergen bleiben sollten, um so deren Unterstützung zu gewinnen. Für die Gemeinden im Widerstand war jedoch die Verteidigung ihres Landes und ihrer Heimat offenbar der Hauptgrund, sich zur Wehr zu setzen. Hinzu kommen noch andere Faktoren wie z.B. Schwierigkeiten, sich an einen anderen Ort zu flüchten, ohne verhaftet zu werden, politische Überzeugungen, Beziehungen zu Familienangehörigen in der Guerilla und vielfach auch der Schutz vor den Armeeangriffen, den die Guerillapräsenz der Zivilbevölkerung bieten konnte.
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Diese Gruppen sind niemals ins Exil gegangen und wurden zur Keimzelle des Widerstandes: Menschen, die sich zur Wehr setzten, die bleiben wollten, um ihr Land zu verteidigen, weil sie fest entschlossen waren, lieber zu sterben, als ihr Land zu verlassen. Sie zogen von Parzelle zu Parzelle, denn dort gibt es nur Parzellen. Diese Gruppen spürten die Unterstützung, die Präsenz, die Begleitung der Guerilla, und das hatte schon seine Auswirkungen, denn die Armee konnte nicht mit der gleichen Straflosigkeit gegen eine Gemeinde vorgehen, in der die Guerilla die Waffen in der Hand hatte, wie gegen eine Gemeinde, von der nicht ein einziger Schuß kommen würde.Schlüsselinformant 9, Ixcán, Quiché. Physische Nähe und Zusammenarbeit bedeuteten jedoch nicht, daß die Menschen unter dem Befehl der Guerilla standen oder von ihr organisiert waren. Die stärksten Beziehungen gab es bei den Wachdiensten und bei der Verteidigung, also in Bereichen, die für das Überleben der Menschen von zentralster Bedeutung waren. Die CPR ist eine zivile Gemeinde, sie ist nicht bewaffnet. Da muß man unterscheiden: Wenn sie zivil ist, dann ist sie zivil, und wenn sie zur Guerilla gehört, dann gehört sie zur Guerilla. Nicht nur ich, sondern viele Leute, Journalisten kamen, um sich die Gemeinden anzusehen. Das Gebiet liegt mitten in den Bergen, ist Konfliktzone. Ja, es stimmt, und wir streiten das gar nicht ab, daß die Guerilla hier ist. Wir aber sind Zivilbevölkerung.Schlüsselinformant 14, Ixcán, Quiché, o.D. In den ersten Jahren unterstützte die Guerilla die Widerstandsgemeinden und unterrichtete sie in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung und Selbstverteidigung. Später allerdings organisierten die Gemeinden im Widerstand ihre Strukturen für diese Bereiche selbst. Im Lauf der Zeit entwickelten sie ihre Fähigkeiten, sich zu organisieren und ihre autonomen Freiräume zu verteidigen. Dabei erhielten sie Unterstützung aus der internationalen Solidaritätsbewegung und auch von einigen Mitgliedern und Strukturen der Kirche. Arbeitsorganisation, Wachdienste, Versorgung, Gesundheitswesen, Bildung, Religion, Postdienste und Fluchtorganisation entwickelten ganz eigene Merkmale eines komplexen Sozialgefüges, trotz der kritischen Bedingungen, der Bombardierungen und militärischen Übergriffe. Konkrete Angaben über die Anzahl der Familien, die in den Widerstandsgemeinden lebten, gibt es nicht. Es kann jedoch von 15.000 bis 20.000 Menschen ausgegangen werden, wobei die Zahl allerdings wegen externer und interner Faktoren schwankte. Im Ixcán pendelten beispielsweise die Menschen die meiste Zeit zwischen dem Exil in Mexiko und den Widerstandsgemeinden hin und her. Wenn es nach mehreren Jahren für sie zu schwierig wurde, unter den extremen Bedingungen des Widerstandes weiterzuleben, suchten die Familien auch nach Wegen, um sich in anderen Gemeinden in Guatemala zu reintegrieren, die entsprechende Bedingungen für ihre Aufnahme boten. Kennzeichnend für das Alltagsleben in den Widerstandsgemeinden waren die Sicherheitsmaßnahmen bei allen Aktivitäten, die Anpassung an massive Einschränkungen in einer kritischen und extrem instabilen Situation sowie die Notwendigkeit, sich gegenseitig zu unterstützen, um Angst und Tod zu trotzen. Das dauerte 14 Jahre, und wir organisierten uns. Mit Unterstützung der Flüchtlinge in Mexiko besorgten wir uns nach und nach Hühner und Saatgut, aber man konnte nur nachts kochen, damit der Rauch uns nicht verriet. Bei Mondschein konnte man kein Feuer anmachen. Einmal waren die Leute so verzweifelt, daß sie bei Tag Feuer machten, und da kam der Hubschrauber und bombardierte uns, aber wir versteckten uns in unseren Unterständen, und so kam niemand ums Leben.Fall 0928, Ixcán, Quiché, o.D. In all diesen Jahren gehörte die Ernährung zu den Grundbedürfnissen, deren Befriedigung ständig von neuem erkämpft werden mußte. Immer wieder zerstörten Armee und Zivilpatrouillen die Felder oder nahmen die Ernte mit, um den in ihren Augen am Kampf beteiligten Menschen und damit der Guerilla die Versorgungsbasis zu entziehen. Die Praxis der Kollektivarbeit und die interne Verteilung der Produktion gehörten zu den grundlegenden Überlebensstrategien. Mit der Zeit aber entwickelten sich daraus neue Formen der Aufgabenverteilung und gemeinschaftliche Werte.
1.4.2.7  Die Wiedereingliederungsprozesse
Die Wiedereingliederungsprozesse der vertriebenen Einzelpersonen und Gemeinden waren von der politischen Situation in Guatemala geprägt. Die erste Rückkehrerwelle von Vertriebenen in ihre Gemeinden war Bestandteil der politischen Repression, deren Opfer sie geworden waren. Die harten Lebensbedingungen, die permanenten Übergriffe und die Amnestieangebote führten dazu, daß bereits 1983 einige Bevölkerungsgruppen zurückkehrten, die sich in den Bergen versteckt hatten. Viele Menschen konnten sich in ihre Gemeinden reintegrieren. Andere Gemeinden, die aus den Bergen kamen, wurden hingegen als Guerillagemeinden betrachtet. Sie wurden Opfer von Entführungen, Folterungen oder sogar Tod. Einer von den Alten sagte: „Ich gehe jetzt los und spreche mit denen, und wenn sie mich umbringen, werden wir sehen, was mit mir passiert, aber ich werde in jedem Fall mal schauen“, und er ging. Er ging als einziger. ‘Und deine Leute, wo sind die?’ fragte ihn der Oberleutnant. ‘Die sind irgendwo da draußen, denn ihr bringt Menschen um, und wir haben Angst vor euch, weil ihr uns tötet.’ ‘Töten, wir? Wir töten jetzt niemanden mehr, wir suchen jetzt den Frieden, wir organisieren jetzt die Patrouillen. Geh und hol deine Leute her’, sagte der Oberleutnant. ‘Gut’, sagte der Mann und ging zurück. Er sagte den anderen Bescheid. ‘Es ist besser, wenn nur etwa 25 von den Alten gehen, Kinder kommen nicht mit, und auch keine Jugendlichen, nur die Alten gehen’, sagten sie.Fall 3880, Choaxán (Weiler), Quiché, 1982. Viele Gemeinden mißtrauten sowohl der Regierung als auch der Armee und suchten nach Wegen, um ihre leidvolle Situation in den Bergen zu verändern. Einige wählten Vertreter, die mit der Armee verhandeln sollten, andere beschlossen, sich unter den Schutz der Kirche zu stellen. Einer unserer Brüder suchte im Namen der Gruppe nach einem Weg. Trotz der Verfolgung überquerten sie die Sperren, bis wir am Ziel waren. Die Kirche nahm uns in Empfang und beschützte uns. Wir kamen in zwei Gruppen aus den Bergen. Der Bischof kam, um uns zu empfangen, und wir stiegen auf einen Laster. Wir wurden in einem Konvent untergebracht. Von dort aus begann nach sechs Jahren der Verfolgung unser Leben von neuem.Fall 3213, Sachal, Alta Verapaz, 1981. Als die Nachrichten über eine gewisse Normalisierung der Lage durchsickerten und die Zivilregierungen nach 1986 Hoffnungen weckten, gab es erste Schritte zur Repatriierung einzelner Flüchtlingsgruppen aus Mexiko. Nach ihrer Rückkehr hatten viele Menschen unter den Bedingungen der Militarisierung zu leiden, die in den Aufnahmegemeinden herrschten. Andere machten ihre eigenen Erfahrungen in Internierungslagern oder Wehrdörfern. Die Reaktion der Armee auf die Rückkehr der Flüchtlinge war von ihrer Sicht der Bevölkerung als soziale Basis der Guerilla geprägt. Eine ähnliche Einschätzung bestand auch gegenüber den Vertriebenen, die sich in die Berge geflüchtet hatten. Nach einem Geheimpapier der Armee aus dem Jahre 1987
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zeichnete sich ein Großteil der Flüchtlinge in den mexikanischen Lagern „ideologisch durch ein marxistisch-leninistisch geprägtes Bewußtsein und ein hohes Maß an Haß“ aus, „der Kindern, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen gegen die Sicherheitskräfte des Landes eingeimpft wird“. Deshalb wurden die Repatriierungsprozesse von den Militärbehörden aus nächster Nähe verfolgt. Diese Stigmatisierung durch die Armee war die allgemeine Grundlage für den Umgang mit den Repatriierten und führte in der Zeit von 1992 bis 1997 zu zahlreichen Überwachungsmaßnahmen und Übergriffen auf Rückkehrergemeinden. Für die bäuerliche Bevölkerung, die einen überwiegenden Teil der Vertriebenen und Flüchtlinge stellte, stand die Motivation zur Rückkehr in engem Zusammenhang mit der Wiederinbesitznahme ihres Landes. Heute gehören die innerdörflichen Konflikte um Landbesitz zur historischen Erfahrung der bäuerlichen Dorfgemeinschaften. Durch die Vertreibung, die Militarisierung und die Umsiedlungspolitik, die von der Armee unter Gesichtspunkten der Aufstandsbekämpfung durchgeführt wurde, werden diese Konflikte noch verschärft. Ich ging zurück, um die Parzelle meines Großvaters wieder in Besitz zu nehmen. Jetzt habe ich Schwierigkeiten, weil es darüber kein Papier gibt. Auch die CONFREGUA
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hat es nicht beschafft. Ich versuche aber weiter, mein Land wiederzubekommen, trotz der politischen Streitereien in den Kooperativen von Ixcán Grande.Fall 723, Ixcán, Quiché, 1984.
1.4.2.8  Wiederaufbau familiärer Bindungen und Unterstützung durch die Familie
In den Fällen, in denen Familien durch Tod oder Flucht auseinandergerissen wurden, haben sie vielfach versucht, etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen oder abgebrochene Beziehungen wieder anzuknüpfen. Bei Verhaftung, Flucht oder Vertreibung hatten die Familien oft keinerlei Informationen über ihre Angehörigen. Sobald die grundlegenden Sicherheitsbedingungen wiederhergestellt waren, galten die ersten Schritte der Menschen dem Wiederaufbau der familiären Beziehungen. Als das alles passierte, teilten wir uns auf. Ich war ja die Älteste und ging arbeiten, um meinen Geschwistern das tägliche Brot zu verdienen, solange sie noch klein waren. Als sie größer wurden und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen konnten, kamen wir wieder zusammen, auch wenn wir traurig waren, aber unsere Familie war wenigstens wieder vereint. Wir stehen zusammen und besprechen alles, denn eigentlich haben wir Angst. Wir hatten damals Angst und auch heute noch. Denn im Grunde können sie jedem von uns etwas antun, und alles bleibt wie gehabt.Fall 6456, Morales, Izabal, 1968. In einigen Fällen knüpften Menschen neue Beziehungen an, obwohl sie nicht mit Sicherheit wußten, ob ihr Mann oder ihre Frau tot war. Viele davon fanden nach Jahren ihre früheren Angehörigen wieder, und es entstanden neue Bedingungen, mit denen die betroffenen Menschen und ihre Familien lernen mußten zu leben. Ich habe eine Frau, aber eine andere, verstehen Sie? Meine frühere Frau starb nämlich, und als ich allein war, trafen wir andere Leute, Familien, in denen es auch Frauen gab, deren Männer umgebracht worden waren. Sie waren bei Massakern in anderen Gemeinden ermordet worden, in denen es solche Morde gegeben hatte. Wir taten uns also mit mehreren Leuten zusammen. Einige von uns, die allein waren, verwitwet, taten sich mit anderen Frauen bzw. Männern zusammen, die ebenfalls verwitwet waren. Daraus sind viele Paare entstanden, aber erst in diesem Leben. Nach so langer Zeit in den Bergen, nach 13, 14 Jahren, haben einige von uns eben auch Kinder bekommen. Ich habe im Augenblick zwei Kinder, die dort in den Bergen geboren wurden. Mehr kann ich Ihnen von meiner Geschichte nicht erzählen.Fall 7392, CPR Petén, 1990.
1.4.3  1.4.3 DIE SUCHE NACH EINER ERKLÄRUNG
Welche Erklärungen haben die Menschen für die Gewalt gefunden, die sie erlitten haben? Insgesamt läßt sich feststellen, daß eher allgemeine Erklärungen für konkrete Hintergründe und einzelne Verhaltensweisen überwiegen. Nach der Reihenfolge ihrer Häufigkeit wurden in den Zeugenaussagen folgende Erklärungen abgegeben: An erster Stelle steht die Beschuldigung wegen eines bestimmten Verhaltens (‘Sie brachten ihn um, weil sie ihn beschuldigten, mit der Guerilla zusammenarbeiten’). Danach folgen Neid, Rückbezug auf das eigene Verhalten und Unfähigkeit, die Geschehnisse zu erklären, sowie Macht und Vorgehensweise von Armee und Zivilpatrouillen. Schließlich gibt es noch allgemeinere Erklärungen wie Maßnahmen der Regierung, Auseinandersetzungen zwischen den ethnischen Gruppen und sozio-ökonomische Konflikte.
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Tendenziell lassen sich die verschiedenen Erklärungsmuster zu vier großen Gruppen zusammenfassen:
1.4.3.1  Sinnlosigkeit oder individuelle Erklärungen
Eine große Gruppe fand keine oder eine individualisierte Erklärung, d.h. viele Menschen sagten aus, sie wüßten nicht, warum. Sie versuchten, die Dinge so zu begreifen, daß die betroffene Person wohl irgend etwas getan haben mußte, was die Gewalt provoziert hatte. Hier handelt es sich um Menschen, die sich an eine nicht mehr funktionierende Logik von Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit klammerten: „Wenn ich nichts getan habe, können sie mir auch nichts tun.“ Aus diesem Grund ist auch die Antwort „Ich weiß nicht, warum das passiert ist’’ vollkommen logisch, denn für viele war es unmöglich zu verstehen, warum sich auf einmal grundlos so viel Gewalt gegen die Menschen richtete.
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Damals, 1981/82, sahen wir soviel Gewalt gegen Männer, Frauen, Kinder und alte Menschen. Ich möchte auch danach fragen, warum so viele Menschen aus diesen Dörfern geflohen sind, und wie wir geflohen sind, und ob wir nur geflohen sind, weil die Menschen häßlich waren, weil sie sich deshalb Probleme eingehandelt haben. Man hat Leid und Tod über uns gebracht, und jetzt sind wir allein. Vielleicht sagen die Leute das, ich weiß nicht. Nur Gott allein weiß es.Fall Salaqwil, 18. Deklarantin, Alta Verapaz.
1.4.3.2  Politischer Konflikt und Partizipation
Eine zweite Gruppe bezog sich in ihren Erklärungen der von der Regierung ausgelösten Gewalt auf Landkonflikte und politische Partizipation. Die früheren Erfahrungen aus sozialen Landkonflikten auf lokaler Ebene oder die Repression gegen gemeinschaftliche Organisationsstrukturen stehen bei diesen Erklärungsmustern im Vordergrund: Daß sie meinen Bruder mitgenommen haben, und meinen Vater auch, lag daran, daß wir auf einem Hof wohnten und sie schon für viele Tage keinen Lohn mehr bekommen hatten. Er und ein paar andere fingen an, für die Bezahlung der Tage zu kämpfen, die sie schon für den Gutsbesitzer gearbeitet hatten, und sie forderten auch einen gerechten Lohn für die Arbeit, die sie tun mußten. Das Problem war: dem Gutsbesitzer gefiel das nicht. Sie konnten nichts erreichen. Die Landbesitzer und die anderen, die nicht einverstanden waren, setzten sich zusammen und beschuldigten sie, schlechte Menschen zu sein, Kommunisten. Deshalb kamen die Soldaten und holten meinen Bruder ab.Fall 5106, Panzós, Alta Verapaz, 1980.
1.4.3.3  Zwischenmenschliche Erklärungen
Eine dritte Gruppe von Erklärungen führte die Repression auf Neid und Denunziation des Opfers zurück. In den traditionellen Gesellschaften ist der Neid ein häufig auftretender Begriff. Darüber hinaus waren die militärischen Strategien darauf ausgerichtet, zu spalten und innergemeinschaftliche Auseinandersetzungen zu provozieren. Nachbarn sollten gegeneinander aufgebracht werden, indem man sie denunzierte oder sie schlechtmachte, oder sie wurden von einigen Personen benutzt, um gesellschaftliche Vorteile zu erzielen. Er war sehr geistreich und liebevoll, sehr geachtet und großherzig, aber weil ihn die Leute beneideten, mochten sie ihn nicht, und deshalb ist es dann so gekommen. Er wurde von den Leuten aus dem Dorf angeschwärzt, oder besser gesagt von seinen Feinden, denn wenn ein Mensch sich für die Allgemeinheit einsetzt, wird das nicht gern gesehen, er wird nicht etwa geliebt, sondern er wird beneidet.Fall 1316, Parraxtut, Quiché, 1983.
1.4.3.4  Ethnisch-politische Erklärungen
Die vierte und letzte Kategorie, der allerdings weniger Gewicht zukommt, sind die ethnisch-politischen Faktoren, die in den Erklärungen für die militärische Macht (Armee, Zivilpatrouillen) und die Konflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen (Ladinos/indigene Bevölkerung) angeführt werden. Solche Erklärungen finden sich häufiger bei Massakern als bei individuellen Gewaltakten. Diese Wahrnehmung deckt sich mit der Tatsache, daß die Armee eine Politik der verbrannten Erde verfolgte und deshalb zusammen mit den paramilitärischen Einheiten die Hauptverantwortung für die kollektiven Massaker trägt. Die Erklärungen der Opfer und Angehörigen beinhalten Einschätzungen über die Vorgehensweise der Armee (‘die töten aus Lust’), die auf Erfahrungen mit wahllosen Morden und Greueltaten zurückgehen. Wir alle haben ein Recht zu leben, wir sind Guatemalteken. Es kamen sogar welche aus anderen Ländern, um uns zu töten oder uns zu vertreiben. Wir sind Guatemalteken, wir sagen, wir haben unsere Geschichte, die Geschichte der Maya, wir sind die indianischen Ureinwohner, wir sind Guatemalteken. Nur kamen dann die großen Herren, so wie die Spanier, um das Land hier in Guatemala zu besetzen.Fall 4017, Las Majadas, Huehuetenango, 1982. Die Erklärungen über die Ursachen der Gewalt, die sich in zahlreichen Aussagen finden, sind auch von der Guerillapräsenz in den ländlichen Gemeinden geprägt. Trotz „verdrängter“ Erinnerungen zum Schutz des eigenen Lebens in diesen Jahren, die möglicherweise zu bestimmten Erklärungsmustern geführt haben, begreifen die meisten Aussagen das Auftauchen der Guerilla als etwas, das von außen in die Gemeinde hineingetragen wurde, in einigen Fällen aber auch mit den bereits bestehenden Forderungen in Einklang stand. In anderen Fällen wurden dadurch Erziehungs- und Bewußtseinsprozesse gefördert, und in wieder anderen wurde die Präsenz der Guerilla als störend und einengend für die Dynamik des Gemeinschaftslebens empfunden. Unsere erste Organisation war das Komitee für Bauerneinheit (Comité de Unidad Campesina, CUC). Dann kam die Guerillaarmee der Armen (EGP) und gab uns Ratschläge. Wir fuhren dann eher zweigleisig, aber am Anfang des Kampfes stand der CUC. Danach wurden wir von der anderen Organisation noch einmal beraten, und da fing die Verwirrung unter den Leuten an. Da lag das Problem. Wir Indígenas können weder lesen noch schreiben. Wir waren im CUC organisiert. Aber dann kam diese andere Organisation, und das verwirrte uns. Aber unseren Kampf, meine Überzeugung werde ich niemals aufgeben. Ich mache mit meinem Kampf weiter wie immer.Fall 1311, La Montaña, Parraxtut, Quiché, 1984. Dies bedeutet, daß sich die Erklärungen tendenziell eher auf die lokale als auf die allgemeine Ebene beziehen. Darin überwiegt die direkte Erfahrung, mit der versucht wird, die konkreten Fakten zu erklären. Deutungen, bei denen eher gesellschaftliche Gründe angeführt werden, stehen im Vergleich zu den Erklärungen, die sich auf direkte Erfahrungen stützen, im Verhältnis von 1:4. All dies deutet darauf hin, daß sich die Menschen auf ihre eigenen kulturellen Vorstellungen und ihre eigenen direkten Erfahrungen aus den Gewalttaten stützen, um den Geschehnissen einen Sinn zu geben. Es gibt vielfältige lokale Ausprägungsformen, je nachdem, wie sich die Gewalt in dem betreffenden Gebiet, die vorausgehenden sozialen Konflikte und die daraus entstandenen Auswirkungen auf das Leben der Menschen entwickelten. Dazu gehört auch die gesellschaftliche Vorrangstellung einiger, oder der Verlust von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht anderer. Diese Vielfalt an Faktoren kommt in den meisten Aussagen zum Ausdruck und überwiegt die ideologischen oder religiösen Erklärungen allgemeiner Art. All diese Wahrnehmungen sollten einbezogen werden, damit die kollektiven Erinnerungsprozesse dazu beitragen können, die Geschehnisse zu interpretieren. Gleichzeitig sollen sie sowohl den einzelnen Menschen als auch den Gemeinden helfen, eine klarere Vorstellung von ihren Erfahrungen zu entwickeln.
1.5  1.5 GEWALT GEGEN FRAUEN UND DEREN SELBSTBEHAUPTUNG
Die Hälfte der Zeugenaussagen, die vom REMHI-Projekt aufgenommen wurden, stammen von Frauen. Dabei gehen diese meist allgemein auf die Gewalt-erfahrungen und die Bedingungen der Familien und der Dorfgemeinschaften ein, aber nicht, wie sie diese Situation spezifisch als Frauen erlebt haben. Vor diesem Hintergrund wurden Einzelinterviews mit Frauen geführt, die für die Informationserhebung eine Schlüsselrolle spielten. Auch gab es kollektive Gespräche mit Frauen in Gebieten, die von der Gewalt besonders in Mitleidenschaft gezogen waren. Dies mit dem Ziel, die Auswirkungen der Gewalt in ihrem Leben, ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihre Rolle als Frauen besser zu verstehen.
1.5.1  1.5.1 VERSCHIEDENE FORMEN DER GEWALT GEGEN DIE FRAUEN
Zwischen der Küche und dem Zimmer lag die andere Frau, sie war vielleicht 23, ihr hatten sie auch drei Beilhiebe hier in den Hals versetzt, und sie hatten ihr ein kleines Mädchen abgenommen, das an ihrer Brust hing. Sie war schon tot, und die Kleine saugte noch an ihr. Fall 1871 (Täter), mehrere Orte, 1981. Horror, Tod, Folter und Schmähungen belasteten Männer wie Frauen, Junge wie Alte. Obwohl der größte Teil der direkten Opfer Männer waren, wurden im bewaffneten Konflikt auch spezifische Formen von Gewalt gegen Frauen entwickelt. Die Frauen zählten in größerem Ausmaß zu den Überlebenden und mußten den Folgen der Gewalt in sehr prekären Bedingungen die Stirn bieten. Der Entmenschlichung der Täter entsprach es, ihren Opfern ihre menschliche Natur abzusprechen. Im Umfeld extremer Gewalt ging der Terror so weit, die Opfer zu verhöhnen. Sie befehligten uns, daß diese Leute zu eliminieren seien. Stellen Sie sich vor, die Soldaten wollten ihr Vergnügen haben. Da waren ein paar Soldaten und Frauen und Männer, Gefangene, die sie töten würden. Als ich das Gelächter hörte, ging ich hin, um zu sehen, was da abging. Sie ließen die Gefangenen, die Männer, die Frauen packen, sagen wir, sie mußten Sex mit ihnen machen, und das brachte sie [die Soldaten] zum Lachen, dabei zuzuschauen. Diese armen Kerle hatten keinen Bissen bekommen und kein Auge zugetan, sie waren übel zugerichtet, völlig am Ende, denn das war kein Zuckerschlecken dort, und dann ließen sie sie sogar das noch machen. Schlüsselinformant 027 (Täter), 1982. Die Frauen erfuhren Greuel und Vergewaltigungen in Situationen, die in “Alltäglichkeiten” gekleidet waren. Inmitten eines Massakers und in Erwartung des sicheren Todes wurden bestimmte Praktiken zu einer besonderen Form der psychologischen Folter. Die Frauen wurden gezwungen, den Tätern Essen zu bringen, zu kochen, zu tanzen und anzutreten, um sich vergewaltigen zu lassen. Spott und Erniedrigung wurden dabei für die Mörder zu einem Freudenfest. Dann kam das Heer und sagte: Vielleicht werden wir euch ja nicht umbringen, aber bringt uns doch jede ein Huhn, hier sind zwölf Männer und ihr seid zwölf Frauen, also sind das zwölf Hühner fürs Mittagessen. Die Frauen gingen schnell nach Hause und holten die Hühner. Dann begann das Massaker: Wenn der Sohn bei der Zivilpatrouille mitmachte, aber der Vater nicht, dann tötete der Sohn den Vater. Wenn aber der Sohn nicht mitmachte, dann mußte sich der Vater die Hände schmutzig machen und den Sohn töten. Dann wurden die zwölf Hühner aufgesetzt, die Frauen mußten sie selbst zubereiten. Die Armee befahl ihnen, ein gutes Essen zu machen, nachdem sie die zwölf Männer umgebracht hatten. Sie folterten und töteten sie, danach holten sie Benzin. Als alle verbrannt waren, applaudierten sie und begannen zu essen. Fall 2811, Chinique, Quiché, 1982. Folterungen oder der Tod von Familienangehörigen und die Manipulation von Gefühlen wurden zu Werkzeugen der seelischen Peinigung von Frauen. Besonders stark wurden die Frauen unter Druck gesetzt, wenn ihre Kinder verwendet wurden, um ihr Gewissen und ihre Verantwortung als Mütter kontrollieren, beherrschen oder verletzen zu können. Die Kinder sahen alles, was sie ihren Müttern, Schwestern und sonstigen Angehörigen antaten; darauf töteten sie sie selbst. Schlüsselinformant 027 (Täter), 1982. Die Aussagen über Schreckenstaten, die an schwangeren Frauen verübt wurden, sind besonders grauenerregend. Dabei dreht es sich nicht um vereinzelte, sondern um wiederholte Handlungen von Mitgliedern der Armee. Dies verdeutlicht die Brutalität, mit der diese gegen die Zivilbevölkerung vorging. Selbst das entstehende Leben sollte ausgelöscht werden. Eine der schwangeren Frauen war im achten Monat, sie schnitten ihr den Bauch auf, holten die Kreatur heraus und spielten mit ihr Ball, sie schnitten ihr eine Brust ab und ließen sie an einem Baum hängen. Fall 6335, Barillas, Huehuetenango, 1981. Die Föten blieben an der Nabelschnur baumeln. Es besteht kein Zweifel, daß es vor allem gegen die Indígena-Frauen gerichtet war, die Kinder vor den Augen ihrer Mütter zu töten. Interview 0165.
1.5.1.1  Massaker an Frauen
In den Zeugnissen des REMHI-Projektes wird auch über Massaker berichtet, bei denen nur Frauen und Kinder umkamen. Die Umstände waren unterschiedlichen Charakters, gehorchten jedoch Situationen, in denen die Männer nicht im Dorf präsent waren (u.a. die Massaker von Pexlá Grande, Yalambojoch, Chipal, Chinimaquin). In anderen Fällen waren die Männer schon umgebracht worden (Massaker von Pacoxom). PEXLÁ GRANDE, PULAY, NEBAJ. Fall 5508, Februar 1982: Die Armee kam nach Pexlá Grande und nahm die Leute fest, die sie finden konnte. Sie töteten sie mit Schußwaffen oder verbrannten sie. Nachdem sie die Leute getötet hatten, steckten sie die Leichen in ein tiefes Erdloch. Es gab zwischen 38 und 80 Opfer, nur Frauen und Kinder. YALAMBOJOCH, NENTÓN, HUEHUETENANGO. Fälle 766 und 6065, 1982: Das war die Operationsbase für das Massaker von San Francisco. Als sie von San Francisco zurückkamen, zwangen sie die Frauen, zwei Rinder für sie zuzubereiten. Dann machten sie ein großes Loch in die Erde, legten Bomben hinein und zündeten sie. Die Männer machten Patrouille, es waren nur Frauen und Kinder da. Der Krach schlug die Frauen und Kinder in die Flucht. Die Soldaten verfolgten sie, fanden sie und töteten sie. PACOXOM, RIO NEGRO, RABINAL. Fälle 543 und 2026, 1982, Armee und Zivilpatrouille von Xococ, zwischen 150 und 176 Opfer: Die Verantwortlichen kamen um sechs Uhr morgens nach Río Negro. In dem Dorf waren (nach vorhergehenden Massakern) nur noch Frauen, Kinder und alte Leute zurückgeblieben. Sie holten sie alle aus den Häusern, versammelten sie in der Schule, ließen die Frauen für sich kochen, brachten sie dann nach Pacoxom und ließen sie dort mit den Leuten von den Patrouillen und den Militärs tanzen. Schließlich begannen sie, die Frauen zu vergewaltigen. Die Jüngsten nahmen sie zuerst dran. Danach töteten sie ihre Opfer. Zuerst kamen die Frauen dran, dann die Kinder. Einige Kinder ließen sie am Leben und adoptierten sie. Ein paar Frauen und Kinder konnten entrinnen.
1.5.2  1.5.2 SEXUELLE VERGEWALTIGUNG

1.5.2.1  Die Vergewaltigung von Körper und Würde
Die Aussagen des REMHI-Projekts beinhalten 92 Aussagen über sexuelle Vergewaltigung. Darunter sind Fälle von Vergewaltigungen mit Todesfolge, Vergewaltigungen als Folter und als Form sexueller Versklavung. Dabei kam es zu wiederholter Vergewaltigung. Bei einem von sechs analysierten Massakern gehörten Vergewaltigungen von Frauen zum “gewöhnlichen” Verhalten der Soldaten oder der Angehörigen der Zivilpatrouillen. Wegen der Schuld- und Schamgefühle, die Vergewaltigungen bei Frauen wecken, werden sie im Verhältnis zu anderen Gewalttaten, z.B. Folterungen und Morde, weniger häufig angezeigt. Nach Gewaltstudien in westlichen Ländern kommt gewöhnlich nur einer von fünf Vergewaltigungsfällen zur Anzeige. Wir können davon ausgehen, daß in unserem Fall diese Dunkelziffer noch wesentlich höher liegen dürfte. Nach den Zeugnissen werden sowohl individuelle wie kollektive Vergewalti-gungen in sehr unterschiedlichen Situationen als Form der Gewaltausübung gegen Frauen eingesetzt: bei Entführungen und Festnahmen, Massakern, Militäroperationen, usw. Vergewaltigungen waren keine Einzelerscheinung. In diesem - wie in vielen anderen Kriegen - waren sie ein vehementer Ausdruck der Gewalt gegen Frauen. In der unendlichen Liste von Schmähungen, Erniedrigungen und Folterungen, die Frauen erlitten haben, sind Vergewaltigungen besonders hervorzuheben. Sie sind eine der häufigsten grausamen Handlungen. Sowohl in bezug auf die Demonstration von Macht von seiten des (männlichen) Täters wie in bezug auf den Mißbrauch und die Erniedrigung des (weiblichen) Opfers haben Vergewaltigungen eine komplexe Bedeutung. In vielen Fällen wurden Frauen infolge des erzwungenen Geschlechtsakts schwanger oder steckten sich mit Geschlechtskrankheiten an. Ein paar Soldaten dort waren krank, sie hatten Tripper, Syphilis, also wurde befohlen, daß sie auch drankommen sollten, aber ganz zuletzt, nachdem wir schon alle durchwaren. Sexuelle Beziehungen mit Prostituierten als Form der psychosexuellen Kontrolle. Fall 1871 (Täter), mehrere Orte, 1981-1984. In den Zeugnissen werden Vergewaltigungen Mitgliedern der Armee, der Zivilpatrouillen und Angehörigen paramilitärischer Verbände zugeschrieben. Sechs Soldaten haben die Ehefrau eines Freundes vergewaltigt - vor dessen Augen. Die Vergewaltigungen von Frauen durch die Armee waren sehr häufig; die Frau und die Tochter eines anderen Bekannten wurden von 30 Soldaten vergewaltigt. Fall 7906, Chajul, Quiché, 1981.
1.5.2.2  Massive sexuelle Vergewaltigungen
Im Fall von Massakern und Festnahmen von Frauen kam es zu massiven Vergewaltigungen durch Soldaten. Dies war Teil der Kriegsmaschinerie. Die sexuellen Aggressionen gegen Frauen fanden oft vor den Augen ihrer Familien statt
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. Eines Tages glückte es mir wegzulaufen, und aus dem Versteck heraus sah ich, wie sie einer Frau einen Schuß versetzten und sie hinfiel; alle Soldaten schnallten ihren Rucksack ab, schleiften sie wie einen Hund ans Ufer des Flusses, vergewaltigten und töteten sie. Auch ein Hubschrauber, der gerade das Gebiet überflog, landete, und alle taten das gleiche mit ihr. Fall 11724 (Täter), Xecojom, Nebaj, Quiché, 1980. ‘Gib deinen Mann raus, sonst stirbst du auf der Stelle!’ Und sie packten sie und überwältigten sie, sie war kurz vor der Geburt. Sie dachte: ‘Um Himmelswillen, was werden mir diese Männer nur antun?’ Es waren ungefähr 20, und sie machten genau das, was sie vorgehabt hatten. Fall 1791, El Juleque, Santa Elena, Petén, 1984. Der öffentliche und offen zum Ausdruck gebrachte gewaltsame Geschlechtsverkehr, der von mehreren Männern vollzogen wurde, förderte den Geist männlich-machistischer Komplizität und stimulierte die Verherrlichung von Macht und Autorität als Werte, die der “Männlichkeit” zugeschrieben wurden. Er vergewaltigte die Kleine, danach ließ er von ihr ab, damit sie die übrigen weitervergewaltigen konnten. Ich wollte bei dieser Scheiße nicht mitmachen, weil man sich danach ganz schlapp fühlt, man hat zu nichts Lust. Aber die anderen ließen nicht locker, und danach haben sie sie umgebracht. Schlüsselinformant 027 (Täter), 1982.
1.5.2.3  Bedeutungen der Vergewaltigungen
Körperliche Vergewaltigungen sind Teil des Terrors und an erster Stelle eine Demonstration von Macht und Beherrschung der männlichen Täter gegenüber den weiblichen Opfern. Die Zugehörigkeit zu militärischen Strukturen verlieh den Mitgliedern der Armee oder der Zivilpatrouillen die Voraussetzungen, ihre Macht über die Frauen unter Beweis zu stellen und dabei ungestraft zu bleiben. Die Zivilpatrouillen und die Armee vergewaltigten ein paar Kinder und Frauen, sie töteten sie mit Gewehrschüssen, hängten sie am Genick auf und versetzten ihnen Fußtritte in den Bauch. Fall 8385, Saacté 1, Quiché, 1980. Der Mißbrauch des weiblichen Körpers ist das vorrangige Merkmal, wenn Gewalt gegen Frauen verübt wird. Damit wird auch zum Ausdruck gebracht, wer herrschen und wer sich unterordnen soll. Die unterschiedlichen Umstände und Momente, in denen sich diese Form von Gewalt äußert, spiegeln eine gesellschaftliche Auffassung und Praxis wider, die den bewaffneten Konflikt transzendieren. Die Armee brachte Indígena-Mädchen mit dicken Zöpfen und Ohrringen aus Wolle in die Kaserne. Sie sagten, daß sie Guerilleras seien, sie vergewaltigten sie und ließen sie verschwinden. Fall 769, San Juan Ixcán, Quiché, 1982. Auch Frauen wurden wegen ihrer Möglichkeiten, sich an den Strukturen der Guerilla zu beteiligen oder diese zu unterstützen (Post, Information, Essen usw.), als direkte militärische Ziele eingestuft. Aber sie wurden auch verwendet, um den Sieg über den Gegner zum Ausdruck zu bringen. Oft war ihr “Wert” abhängig davon, was sie für die Gegenseite bedeuteten. Vergewaltigungen wurden in vielen Fällen genutzt, um die Gemeinden und Familien zu erniedrigen und zu kontrollieren. Die Soldaten vergewaltigten die Frauen des Feindes als Ausdruck von Demütigung und Zeichen ihres eigenen Triumphes. Mit der gleichen Motivation zündeten sie die Häuser an.
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Da war auch ein Paar, sie steckten die Frau in ein Zimmer, das direkt neben dem war, wo der Señor, ihr Mann, und wir waren. Die Soldaten sagten, mach dir nichts draus, wir passen schon auf deine Frau auf. Der arme Mann mußte alles mitanschauen, was sie ihr antaten, sie folterten sie, bis sie es nicht mehr aushielt. Die Soldaten, einer nach dem anderen, vergewaltigten sie. Danach baten sie ihren Mann um Geld, um Tabletten zu kaufen, weil es ihr sehr schlecht ging. Fall 710, Santa María Tzeja, Ixcán, Quiché, 1982. Vergewaltigungen wurden auch zu einer Art Tauschwährung: Als “Gegenleistung” konnten einige der Opfer und ihre Kinder überleben oder es vermeiden, daß die Vergewaltiger sie bezichtigten, “Guerilleras” zu sein. Aber oft wurde ihnen trotzdem das Leben genommen. Sexuelle Gewalt und Aufstandsbekämpfung waren in vielen Fällen eine Einheit. Die Beschuldigung, eine “Guerillera” zu sein, wurde zur Rechtfertigung, diese Frau zu vergewaltigen. Sie sagten: ”Wenn du eine junge Tochter hast, lassen wir dich frei.” Sie hatten mir einen Strick um den Hals gebunden [und mich total im Griff]. Fall 6042, San Miguel Acatán, Huehuetenango, 1981. Frauen zu vergewaltigen war außerdem eine Art “Prämie” oder Kompensation für die Soldaten. Es war eine Form, deren Teilnahme am Krieg zu vergüten. In einem Kontext, in dem die Gewalt auch als Mittel verstanden wurde, zu Macht und Reichtum zu kommen, war der Körper von Frauen ein Besitztum mehr. Wir fanden eine Frau, ich rief einen Soldaten und sagte zu ihm: “Kümmere dich um sie, das ist ein Geschenk vom Unterleutnant!” “Verstanden, Herr Gefreiter!”, sagte er zu mir, rief die Männer und sagte: “Es gibt Fleisch, Kerle!” Sie kamen und griffen sich die Kleine, sie nahmen ihr das Kind weg, und alle vergewaltigten sie, es war eine massive Vergewaltigung. Dann sagte ich ihnen, sie sollten die Señora zuerst töten, damit sie den Tod ihres Kindes nicht so sehr spüre. Schlüsselinformant 027 (Täter), 1982.
1.5.2.4  Andere Folterungen, die Vergewaltigungen begleiteten
Vergewaltigungen waren eine häufige Form der Folterung von Frauen, aber nicht die einzige Form, ihnen Schmach zuzufügen und sie zu verletzen. Frauen wurden auch durch extreme sexuelle Foltermethoden, z.B. durch Verstümmelung, getötet. Dies war Ausdruck größter Mißachtung, Grausamkeit und Terror. Da hingen die Frauen, der Stock war unten reingesteckt und kam aus dem Mund wieder raus, sie waren aufgehängt wie eine Schlange. Kollektive Zeugenaussage, Huehuetenango. Diese grausamen Praktiken hatten zum Ziel, die Frauen in ihrer sexuellen Identität zu erniedrigen. Es war eine extreme Nichtachtung ihrer menschlichen Würde. Die Intimität von Frauen wurde eingesetzt, um dem Rest der Bevölkerung mit dieser Dimension des Terrors ein abschreckendes Beispiel zu setzen. Bevor sie sie umbrachten, nagelten sie sie an ein Kreuz, das sie gemacht hatten, sie schlugen ihr in die Hände und in die Brust ziemlich große Nägel ein, danach brachten sie sie ins Haus, um sie zu verbrennen, sie fanden sie da verkohlt und immer noch am Kreuz; ihr Sohn war an ihrer Seite, er war auch verbrannt, ziemlich verbrannt. Fall 1319, Parraxtut, Sacapulas, Quiché.
1.5.3  1.5.3 Die Folgen der Gewalt gegen Frauen

1.5.3.1  Auswirkungen der Vergewaltigungen
Sie sahen nicht auf das Alter, es war ihnen egal, ob es Mädchen, Jugendliche, erwachsene oder alte Frauen waren. Ihnen blühte immer das schlimmste; weil sie sich nicht wehren konnten. Kollektives Interview, Huehuetenango. In den Interviews werden die Gewalthandlungen gegen die Frauen beschrieben, aber es finden sich wenig Bezüge darauf, wie diese selbst sie erlebt und empfunden haben. Dies mag zu einem guten Teil auf die Stigmatisierung und die Schwierigkeiten zurückzuführen sein, über die Erfahrungen von Vergewaltigung und ihre Auswirkungen zu reden. Neben der persönlichen Erniedrigung und der Isolation von seiten der Familie, die die betroffenen Frauen erfahren können, ist es auch möglich, daß sich ihre Partner, Geschwistern und Eltern für das Geschehene verantwortlich fühlen, und von einem Gefühl der Ohnmacht erfüllt werden. Während Männer und Frauen, die verwundet oder ermordet wurden, als “Held/inn/en” oder “Märtyrer/inn/en” gelten, wird vergewaltigten Frauen kein vergleichbarer Status zugeordnet. In den Fällen von “Verschwundenen” ist dies ähnlich. Auch hier kann das Leiden der betroffenen Person und ihrer Familie nicht geltend gemacht werden. In gleicher Weise mag der kulturell-religiöse Wert der “Reinheit” und der sexuellen Intimität einwirken, daß eine Vergewaltigungserfahrung die betroffenen Frauen oder ihre Familien noch empfindlicher trifft. Häufige Folge einer Vergewaltigung ist auch die Angst vor Schwangerschaften sowie ethische Probleme, die sich aus einer ungewollten Schwangerschaft infolge von Vergewaltigung ergeben. Viele Frauen haben danach eine veränderte Beziehung zu ihrem Körper. Sie empfinden ein Gefühl von “Schmutz” oder Ekel, manchmal glauben sie sogar, “von einem bösen Geist bewohnt” zu sein. Nach einer Vergewaltigung bedrängen Frauen Sorgen um ihre Gesundheit, sie haben Angst vor der Sexualität, und sie fürchten sich vor Männern.
1.5.3.2  Folgen für die Familien
Zum Zeitpunkt der Geschehnisse überwiegen die Gefühle des Verlustes von einem oder mehreren Mitgliedern der Familie. Dazu kommen wirtschaftliche Schwierigkeiten und Gefühle von Überforderung, da die Überlebenden, vor allem die Frauen, mehrere Familienrollen gleichzeitig übernehmen müssen. Später treten - mit mittlerer Häufigkeit - eine Menge von Wirkungen auf, die mit dem traumatischen Erlebnis verknüpft sind: Repressalien gegenüber der Familie, ihre Desintegration und gewaltsame Trennung. Obwohl sie in den Jahren nach den traumatischen Erlebnissen gewaltige Anstrengungen unternommen haben, die Familien voranzubringen, kommt es auch heute noch in vielen Familien, vor allem im Fall der Witwen, zu einer starken emotionalen und sozialen Überlastung. In jedem zweiten Zeugnis, in dem zum Zeitpunkt der Ereignisse über eine Rollenüberlastung und wirtschaftliche Probleme berichtet wird, trifft dies heute immer noch zu. Die erwähnten Folgewirkungen sind untereinander verknüpft. In den Zeugnissen kristallisieren sich drei Muster heraus: - der -in vielen Fällen mehrfache- Verlust von Familienangehörigen: der Verlust des Partners (in 21% der Fälle), der Eltern (22%), der Kinder (12%) und anderer Personen (21%).
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- die Bedrängnis und Verfolgung der Familie, die einen Bruch in der familiären Entwicklung herbeiführen; - eine Krise der Familie infolge der Rollenüberlastung, der wirtschaftlichen Probleme und der Desintegration und Trennung der Familie. Frauen trifft der Verlust von Familienangehörigen besonders. Sie haben häufiger ihren Mann verloren, sind in größeren wirtschaftlichen Nöten, erleben intensive Familienkonflikte, eine Vervielfältigung der Pflichten und Überforderung mit ihren Rollen und die Unmöglichkeit, ihr Leben neu zu gestalten. Nicht nur der Verlust von Familienangehörigen lastet mehr auf den überlebenden Frauen. Ihnen werden auch die Folgen, die der Krieg für die Familien beinhaltet, aufgebürdet. Unsere Untersuchungsergebnisse unterstreichen, daß vor allem die Witwen psychologische und soziale Unterstützung erfahren müssen
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.
1.5.4  1.5.4 EINE PRAXIS DER AUFSTANDSBEKÄMPFUNG
Aufgrund der Analyse der Informationen, die das REMHI-Projekt zusammengetragen hat, läßt sich nicht ableiten, ob es geplant war, eine spezifische Gewaltstrategie gegen Frauen einzusetzen. Aber es ist nachweisbar, daß sich die Praktiken der Aufstandsbekämpfung der Armee gegen Frauen in unterschiedlichen Kontexten und Augenblicken ähnelten und zu einem Teil einer Strategie massiver Zerstörung wurden. Die Aufstandsbekämpfung nahm den Charakter eines Genozids, eines Völkermords, an. Der Versuch, Frauen und Kinder auszulöschen, war ein Angriff auf den Kern des sozialen Gefüges der Gemeinschaften. Frauen und Kinder standen für die Fortsetzung des Lebens und die Übermittlung der Kultur. Ich glaube, daß die Frauen absichtlich so behandelt wurden. Ausgehend von der sexuellen Gewalt war diese Politik darauf ausgerichtet, die Frauen und die Gemeinschaften zu treffen: die massiven Vergewaltigungen, das Einführen von Stöcken, die Behandlung der schwangeren Frauen, auch dann, wenn sie festgenommen wurden, einfach diese ganze Gewalt. Ich glaube, daß die Frauen als Mütter, als Frauen, sehr empfänglich waren; auch der Umgang mit ihren Männern, das Problem der Verschwundenen hatte einen sehr großen gesellschaftlichen Effekt. Es gab Dinge, die für die Frauen, für die Familien ausgedacht waren, weil es die Frauen sind, die die Familien erhalten und für die anderen sorgen. Interview 0803 Das soziale Gefüge der Dorfgemeinschaften wurde vor allem von den Frauen getragen und zusammengehalten. Es waren auch die Frauen, die die zerstörten sozialen Bande wiederherstellten, die Familienstrukturen unter den abträglichsten Bedingungen erhielten, und es schafften, in den Zirkeln der Überlebenden die Mindestvoraussetzungen abzusichern, um das Leben zu reproduzieren. Ich glaube, daß im Fall der Frauen die Aufstandsbekämpfung eine sehr gut ausgearbeitete, überlegte und kalkulierte Politik war. Denn die Frauen sind ja wirklich ein Symbol, ein Symbol des Lebens und der Fortsetzung des Lebens. Eine Frau zu töten, bedeutete, das Leben selbst zu töten. Vergleichbar damit, wenn die Alten getötet wurden. Dies bedeutete, die Weisheit der Menschen, ihr historisches Gedächtnis, ihre Wurzeln zu töten. Interview 0165.
1.5.5  1.5.5 DER WIDERSTAND DER FRAUEN

1.5.5.1  Das Leben knüpfen und verknüpfen: Die Rollen der Frauen und das soziale Gefüge
Es wurde zu einer vitalen Haltung der Überlebenden, sich über Schmerz und Tod hinwegzusetzen. So handelten die meisten Frauen. Unabhängig von Alter und ethnischer Herkunft, sozialen Bedingungen und geographischen Standorten, teilten Frauen in dieser Zeit ähnliche Erfahrungen. Ihre Lebensgeschichten waren von dem Verlust nahestehender Menschen infolge der Gewaltgeschehnisse geprägt. Sie mußten die “Verschwundenen” suchen, das Leben derer bewahren, die zurückblieben, und das eigene Überleben und das der Familie sichern. All dies zusätzlich zu dem großen emotionalen Verschleiß, den die Gewalt und ihre Folgewirkungen für die Frauen bedeutete: Einsamkeit, Überlastung und eine negative Selbsteinschätzung. In den langen Jahren des bewaffneten Konflikts waren die Frauen das Rückgrat der Familien- und Sozialstruktur. Der Konflikt stellte die traditionelle Rolle der Frauen in Familie und Gemeinde in Frage. Die Auswirkungen der Gewalt anzugehen, bedeutete in vielen Fällen, allein für die Familien aufkommen zu müssen. Die veränderte Situation des sozialen Notstands bedingte, daß viele Frauen in ihren Gemeinden oder in der Gesellschaft mit Gewicht an die Öffentlichkeit traten, und beeinflußte außerdem ihr Selbstverständnis und ihr Weltbild.
1.5.5.2  Hebammen in den Bergen
Entbindungen und die Betreuung der Mütter bei der Geburt wurden in diesen zwölf Jahren (1982-1994) im Versteck in den Bergen von Ixcán durch die Verfolgung durch die Armee erschwert. Auch die Regierung trägt Schuld. Es gab keine Medikamente und keine geeigneten Plätze, um die Kinder zur Welt zu bringen. Wenn es soweit war, legten sich die Mütter auf einen Berg Blätter. Manchmal mußten sie unter Schmerzen und mit Blutungen fliehen. Die Hebammen verwendeten wildwachsende Gräser, um die Nabelschnur abzubinden. Der Nabel wurde mit einem Messer getrennt. Manchmal ruhte die Mutter im Schutz einer Baumwurzel. In Zeiten von Bombardierungen aßen sie nur rohe Früchte und ungekochte wilde Pflanzen. Manchmal aßen sie gestampfte und gekochte Baumwurzeln. Fall 888 (Hebamme) Widerstandsgemeinde (CPR), Ixcán, 1982. Auch wenn sie Situationen extremer Gefahr ausgesetzt waren oder sich auf der Flucht befanden, drehte sich der Alltag der Frauen um die Sorge für ihre Kinder. Sie hatten sie ständig bei sich, kümmerten sich um ihr Essen und garantierten das Überleben. Als die Armee kam, war ich schwanger. Wir gingen mit der ganzen Familie in die Berge, um uns zu schützen. Dort gebar ich meinen Sohn. Aber die Armee kam von neuem, und wir mußten weglaufen. Wir kamen an einen Fluß. Beim Überqueren ließ ich meinen Sohn los, er war gerade einen Tag alt. Ich fiel über einen Stein, aber ich konnte meinen Kleinen gerade noch auffangen. Fast wäre er gestorben, weil er in das Wasser gefallen war. Fall 3618, El Desengaño (Dorf), Uspantán, Quiché, 1982. Trotz Entbehrungen, Not und Belastungen war das mütterliche Verantwortungsgefühl stärker als andere Bedürfnisse. Viele Frauen kämpften um ihre Kinder und hatten sie immer an ihrer Seite. (Sie spricht von sechs Kindern)... Ich war es, die immer an ihrer Seite war. Um nichts auf der Welt und für kein Geld hätte ich sie im Stich gelassen, es ist meine Pflicht, an ihrer Seite zu sein. Fall 5334, Pozo de Agua (Dorf), Baja Verapaz, 1983. Bei Massakern trugen viele Frauen dazu bei, das Leben der Mädchen und Jungen in den Gemeinden zu retten, auch wenn es nicht ihre eigenen Kinder waren. Eine Señora hat sie mitgebracht und mit zu sich nach Hause genommen. Sie hat sie in einen Backofen gesteckt, um sie zu verbergen. Dann hat sie beschlossen, ihre Kleidung zu wechseln. Sie kleidete sie wie die Leute aus Cunén. Nur deshalb wurden diese Kinder gerettet. Fall 2442, Cunén, Quiché, ohne Datum. Sie töteten meinen Mann. Von da an litt ich wie ein kleines Mädchen. Ich konnte nicht mit Geld umgehen, ich hatte keine Arbeit, ich konnte die Familie nicht versorgen. Siehst du, für eine Frau ist es schlimm, unter den Männern zu leben, aber es ist schlimmer, als Frau allein mit den Kindern zu leben. Sie ließen mich wie einen Vogel auf einem trockenen Ast zurück. Fall 8674, Malacatán, San Marcos, 1982. Inmitten ihrer Einsamkeit mußten die Frauen das ökonomische und emotionale Überleben ihrer Familien angehen. Dieses Gefühl der Einsamkeit ist noch immer bei den Frauen präsent, denen es nicht gelungen ist, ihr Leben neu aufzubauen. Als mein Mann lebte, haben wir alles gemeinsam gemacht, wir haben gemeinsam überlegt, was wir tun und was wir essen sollen, aber jetzt bin ich allein und muß allein denken. Das ist das, was mich schmerzt. Es tut mir im Herzen weh und geht nicht weg. Bis ich sterbe, geht das nicht weg. Meine Hoffnung ist, daß ich da hingehen werde, wo mein Mann ist, ich werde mich aufmachen, ihn zu treffen, denn ich will mit keinem anderen Señor auf dieser Erde leben. Ich habe mich entschlossen zu leiden, aber wenn ich sterbe, werde ich ihn treffen, und das wird mich zufriedenstellen. Fall 5057, San Miguel Chicaj, Baja Verapaz, 1982. Die harten Lebensumstände haben aber auch dazu beigetragen, daß Frauen mit Würde und Autorität die Führung der Familie übernommen und dies für sich anerkannt haben. Diese Aufwertung ihrer Rolle und Situation belegt die Kraft der Frauen, die Folgen der Gewalt in Angriff zu nehmen. Obwohl sie vielfältige Schwierigkeiten bewältigen mußten, hat dies das Selbstbewußtsein vieler Frauen gestärkt. Für mich bin ich der Kopf der Familie, ich bin auch der Kopf der Familie meiner Eltern, weil die schon bejahrt sind. Das heißt, eigentlich bin ich die Achse des Familienlebens. Fall 8674, Malacatán, San Marcos, 1982.
1.5.5.3  Auf der Suche nach den Menschen, die man liebt: Die “Verschwundenen” finden
Die Suche nach den “verschwundenen” Familienangehörigen wurde zu einem von Angst beladenen Kampf und war eine schlimme Folge der politischen Repression. Sie wurde vor allem von Frauen unternommen. Der ewige Zweifel, was geschehen war, an welchem Ort die Angehörigen sind, ob sie noch am Leben oder schon tot sind, ob es möglich sein wird, sie zu finden, waren die unendlichen Fragen all derjeniger, die auf der Suche nach ihren Nächsten Tag für Tag alle Wege abliefen und inständig hofften, sie zu finden. Bei ihrem unermüdlichen Kampf scheuten die Frauen keine Kosten und Opfer, um den Aufenthaltsort der Angehörigen zu ermitteln. Als sich die Frauen gewahr wurden, daß sie nichts mehr zu verlieren hatten, stürzten sie sich mit noch größerer Intensität in diesen Prozeß.
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Die Bedeutung, die die Opfer für sie hatten, bestärkte sie in ihrer Suche und darin, das Geschehene öffentlich zu machen. In diesen Extremsituationen bewiesen die Frauen eine enorme Fähigkeit, sich über Mutlosigkeit hinwegzusetzen, wieder Kraft zu schöpfen und neue Projekte anzugehen. Der Schmerz war so groß, ich glaube, daß wir uns deshalb gar nicht bewußt wurden, was wir eigentlich taten. Es ging einzig und allein darum, diesen geliebten Menschen zu retten, er mußte gerettet werden. Das war das einzige, woran wir dachten, an diesen Menschen, von dem wir glaubten, daß er gefoltert wurde. Man mußte alles daransetzen, um ihn zu retten. Interview 015. Die Suche nach den “Verschwundenen” wurde zur einzigen Alternative, der Armee die Stirn zu bieten und dem Terror zu trotzen, den die Verschleppungen bewirkten. Während der schlimmsten Jahre des bewaffneten Konflikts wurde sie zum unerschütterlichen Ausdruck, die Menschenrechte zu verteidigen. Die Mütter, Frauen, Töchter und Schwestern der “Verschwundenen” hatten die Courage, sich der Gewaltsituation entgegenzustemmen. Niemals zuvor waren sie im politischen Leben des Landes hervorgetreten und für wichtig gehalten worden. Sie lieferten unendlich viele Beweise von Mut, Standhaftigkeit und Hoffnung. Ich sagte zu meinen Compañeras: “Hört zu, ich habe Nachrichten, wer es war, kennt ihr diese Personen?”- “Ja”, sagten sie mir. “Und warum sagen wir es nicht?” sagte ich. “Aber sieh, hier kann doch niemand was sagen, sonst bringen sie eine/n um”, sagten sie zu mir.“ Zwingen wir sie in die Pflicht, wenn nicht, werden sie uns auf jeden Fall weiter umbringen, und wenn sie uns töten, sind wir am Ende angekommen.”- “Ja, wir unterstützen dich”, sagten sie, “aber wenn die übrigen nicht gehen wollen, was werden wir machen?” - “Aber mit einer, zwei oder drei kann man schon etwas machen.” Da sagten sie: “Also ich komme mit”, “ich auch”. So haben wir uns organisiert. Fall 1791, El Juleque, Santa Ana, Petén, 1984. Die “Verschwundenen” zu suchen wurde zum zentralen Ziel einer sozialen Bewegung, die eigene Ermittlungen anstellte, sich öffentlich äußerte, die Herausgabe der Personen reklamierte und sich gegen diese unmenschliche Praxis organisierte. Die Frauen waren der Kopf dieser Bewegung und erschlossen neue Räume für den Kampf gegen die Straflosigkeit. Besonders ab den 70er Jahren begannen Gruppen von Familienangehörigen mit zahlreichen Protesten und konkreten Aktionen, um den Aufenthaltsort ihrer Angehörigen herauszufinden. Als sich dann die politische Repression auf dem Land verschlimmerte, verstärkten die Frauen die kollektiven Suchaktionen. Ab Mitte der 80er Jahre artikulierten sich ihre Informationsarbeit und sonstigen Unternehmungen in wesentlich besser organisierten Bewegungen, die in der Hauptstadt Demonstrationen und Protestaktionen durchführte. Als wir dann nach Guatemala zur GAM [Organisation der Familienangehörigen der “Verschwundenen”] kamen, da schrien wir Mejía Víctores
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zu, er solle die Verschwundenen herausgeben, weil er wisse, [was passiert sei], er sei doch an der Regierung, er wisse doch, was mit seiner Armee los sei, warum er nicht untersuche, was die mache, wenn er es nicht wisse, dann solle er das doch bitteschön untersuchen, weil die ungerechterweise die Leute umbringe. Wir gingen zur Kathedrale und blieben acht Tage dort. Ein Jahr später sagten sie uns, daß sie sie [die Verschwundenen] von Poptún weggebracht hätten, ein junger Kerl dort sagte uns, sie hätten sie dort ein Jahr gehabt und sie hätten sie zum Präsidentenpalast gebracht. Wir gingen dahin, und als sie uns sahen, sagten sie zu uns: “Was fällt Ihnen ein, Señoras, sie hier zu reklamieren, hier ist nichts.” - “Aber wir sind hier, um zu reklamieren und damit sie Untersuchungen anstellen und in den Gefängnissen suchen, vielleicht halten sie sie dort fest. Was wir wollen, ist, daß sie [uns] erklären, ob sie sie schon getötet, oder was sie ihnen angetan haben.” Fall 1791, El Juleque, Santa Ana, Petén, 1984.
1.5.5.4  Frauen schaffen neue Räume
Die Frauen haben wesentlich dazu beigetragen, neue Räume für die Achtung der Menschenrechte und für gesellschaftliche Partizipation zu schaffen. Dies ist der wichtigste Nachweis für ihre aktive Beteiligung an den sozialen Veränderungsprozessen während und nach der letzten Periode der politischen Gewalt in Guatemala. Als wir Frauen begannen, unsere verschwundenen Angehörigen, das Leben und die Freiheit zu reklamieren, und gegen die Militärdiktaturen [protestierten], die das Land total beherrschten, kam die Beteiligung der Frauen klarer ans Licht. Sogar die Armee war überrascht. Es war unglaublich, daß diese kleinen, schwächlichen Frauen sich einer Armee widersetzten, die immer gefürchtet worden war. Verstehst du mich? Ich glaube, daß sie da mitbekommen haben, daß die Beteiligung der Frau etwas bewirkt, daß wir Frauen stark und mutig sind. Niemand konnte glauben, daß wir uns widersetzen, die Armee verfolgen und zum Laufen bringen konnten, so kam das jedenfalls raus, das wurde wörtlich so gebracht: ‘Frauen bringen die Armee zum Laufen.’ Das war nicht so, daß man das gekonnt hätte, wir haben gewagt, das zu machen. Interview 0151. Danach führten die Entwicklung der politischen Situation, Führungskrisen und unterschiedliche Auffassungen über die Menschenrechtsarbeit dazu, daß sich neue Gruppen, unter anderem FAMDEGUA
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, gründeten. Auch die Aktionsformen veränderten sich. Sie führten über das Öffentlichmachen und Anzeigen der Verletzungen und der gegenseitigen Unterstützung hin zu Untersuchungen von Massakern, der Begleitung von Exhumierungen, den Forderungen nach Gerechtigkeit und Strafverfolgung und von Entschädigungen. Auch Frauen - neben vielen anderen Rigoberta Menchú Tum, Helen Mack, Rosalina Tuyuc und Nineth Montenegro - führten die Verteidigung der Menschenrechte an und spielten eine wichtige Rolle, die Situation in Guatemala auf internationaler Ebene bekannt zu machen und im Land selbst den Kampf gegen die Straflosigkeit aufzunehmen. Andere Angehörigengruppen, wie die Witwenorganisation CONAVIGUA
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, machten auf die kritischen Probleme der Witwen aufmerksam. Diese waren in großer Zahl und besonders extrem von der Gewaltsituation betroffen. Sie stellten Forderungen auf, die über die Suche nach ihren Familienangehörigen hinausgingen. Sie kämpften gegen die Militarisierung in den ländlichen Gebieten und insbesondere gegen die Zwangsrekrutierung. Auch unter den Flüchtlingsfrauen gab es Organisationsprozesse und Reflexion über ihre Situation als Frauen. Viele andere Frauen engagierten sich in breiten sozialen und politischen Organisationen. Die Bemühungen der Frauen in unterschiedlichen sozialen Bewegungen und die der Angehörigengruppen bündelten sich. Dies förderte das Wiederbeleben vieler Gruppen und trug zu einer größeren gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Forderungen bei. Viele dieser unterschiedlichen Erfahrungen waren nicht frei von Problemen und politischen Widersprüchen. Auch Machtkämpfe beeinträchtigten die Teilhabe der Frauen. Trotzdem führte dieser Partizipationsprozeß zu einer Forderung: Die Frauen, die für die Gesellschaft lange Zeit unsichtbar waren, sollen jetzt als Subjekte von Veränderung wahrgenommen und anerkannt werden. Ihr Beitrag soll als ein Beispiel für Würde und für die Verteidigung des Lebens Respekt und Wertschätzung erfahren.
1.6  1.6 DAMIT ES NIE WIEDER GESCHIEHT
Damit es einem leichter wird, muß es ans Licht kommen, nur so können die Wunden verheilen. Wir haben diese Geschichte am eigenen Leib erfahren, wir wollen nicht, daß sich diese Dinge wiederholen. Wir, die wir direkt betroffen sind, müssen sofort Gehör finden und betreut werden, wir müssen zurückbekommen, was wir verloren haben. Wir brauchen auch Feiern und Zeremonien, um der Toten zu gedenken, all derer, die in dieser Zeit der Gewalt massakriert wurden. Und es ist außerordentlich notwendig, daß die klandestinen Kräfte verschwinden, der G-2 [Militärgeheimdienst], die Paramilitärs. Weg mit den Waffen. Zeugnis 0569. Mord (Guerilla). Frau, Qeqchí. La Laguna, Cobán, September 1981. Die Menschen, die dem REMHI-Projekt Zeugnis abgelegt haben, sprachen nicht nur von ihren Gewalterfahrungen. Sie formulierten auch ihre Forderungen und Vorstellungen in bezug auf das, was unternommen werden muß, damit sich die Zerstörung und die Mißachtung des Lebens nicht wiederholen. All diese Forderungen und Erwartungen sollten bei der Rekonstruktion der guatemaltekischen Gesellschaft berücksichtigt werden. Die Opfer und Überlebenden sprechen von der Achtung der Menschenrechte, von dem Wert von Wahrheit und Gerechtigkeit, vom Kampf gegen die Straflosigkeit, der Notwendigkeit des Friedens und von sozialen Veränderungen. Auch wird der Wert der gesellschaftlichen Wiedergutmachung unterstrichen.
1.6.1  1.6.1 WAHRHEIT, GERECHTIGKEIT UND MENSCHENRECHTE

1.6.1.1  Die Verteidigung der Menschenrechte
In den Zeugnissen, die die Greuel der Aktionen gegen die Bevölkerung beschreiben, kommt die Bedeutung zum Ausdruck, die die Achtung des menschlichen Lebens hat. Die Aussagen verweisen nicht nur auf die Beschädigung der Identität, sondern sind vor allem der Versuch, die Würde des Menschen zu bekräftigen. Über das Formale hinausgehend hat die Anerkennung eigener Rechte für die betroffenen Gemeinden den Sinn individueller und kollektiver Bestätigung. Außerdem beinhaltet es für sie, daß sich die Behörden der Verantwortung bewußt sind, sie zu achten. Wir hoffen, daß es mehr Unterstützung gibt, damit wir ein Leben als Menschen führen können, daß die Rechte von jedem [und jeder] einzelnen von uns nicht verletzt werden, denn wir haben doch eine Identität als Personen, wir haben doch dieses Recht. Hoffentlich wird das auf Papier festgehalten, damit die Behörden tätig, und die Menschenrechte geachtet werden. Fall 6009, Jolomar (Dorf), Huehuetenango, 1993. Viele Betroffene halten die Kenntnis der eigenen individuellen und kollektiven Rechte für ein wichtiges Instrument, um die Wiederholung der Gewalttaten zu vermeiden. [Wir müssen] von der Wahrheit reden, unsere persönlichen Rechte kennen, und wir müssen besser wissen, was Menschenrechte sind, was das für die indigenen Gemeinschaften und Völker heißt. Fall 1642, Chicaj (Dorf), Cahabón, Alta Verapaz, 1980. Die Achtung der Menschenrechte ist eine Grundvoraussetzung für die soziale Reintegration. In einem Klima, das infolge des Krieges und der politischen Unterdrückung von Polarisierung und Spaltung geprägt ist, hilft die Respektierung der Menschenrechte, in den Dorfgemeinschaften das soziale Zusammenleben wiederherzustellen. Die Konsequenzen von Spaltung, extremer Polarisierung und Ideologisierung, denen ein großer Teil der Bevölkerung unterworfen war, machen aus dem sich gegenseitigen Kennen und Achten einen Wert, der unbedingt zurückgewonnen werden muß. Bei den Übergriffen auf die Zivilbevölkerung haben die Anschuldigungen, “Guerillero” oder “Guerillera” zu sein, eine unrühmliche und zerstörerische Rolle gespielt. Ein zentrales Ziel der Menschenrechtserziehung und -maßnahmen muß es deshalb sein, Vorurteile abzubauen und soziale Verhaltensweisen zu fördern, die von Offenheit und Solidarität geprägt sind.
1.6.1.2  Sich organisieren, um das Leben zu verteidigen
Um die Verteidigung der Menschenrechte Wirklichkeit werden zu lassen, müssen Regierung und Behörden dafür wirksame Mechanismen einrichten. Aber viele Überlebende glauben, daß es sinnvoll ist, sich zusammenzuschließen, um die Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen. Organisierung wird auch als eine notwendige Strategie zur Lebensbewältigung gesehen, um Armut und materieller Not zu trotzen. Wir sind bereit, weiter zu kämpfen, damit man uns Gehör schenkt, damit wir frei sind, damit man uns nicht wie Tiere, sondern wie Menschen behandelt. Wir sind doch Menschen, wir sind Menschen, die denken, aber wer weiß, wie sie das sehen. [Wir wollen] ein neues Guatemala aufbauen und in einem wirklich demokratischen Land leben. Die Armee muß für all das, was sie gemacht hat, bestraft werden, ...für das, was sie den Ärmsten, den armen Bauern angetan hat, den Menschen, die für ihr Land, ihr Essen, ihre Kinder kämpfen. Fall 7386, Almolonga (Weiler), Tiquisate, Escuintla, 1981. Daß sie unser Recht als Guatemalteken, [als Bürger], die wir sind, achten. Wenn wir uns äußern, wenn wir für etwas auf die Straße gehen, dann, weil wir es wirklich brauchen, deshalb tun wir das! Wir haben keinen Strom, keine Straßen, kein Trinkwasser, wir haben keine Schulen, ja wirklich, bei uns fehlt es an vielem. Fall 7727, Palob (Weiler), Nebaj, Quiché, 1982. Für viele Menschen gilt es jedoch zwei grundlegende Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um sich erneut an einer organisierten Gruppe zu beteiligen. Zum einen weckt das Wort Organisation vielerorts die Erinnerung an persönliche Gewalterfahrungen. Zum zweiten wurden früher alle sozialen Organisationen kriminalisiert, die nicht unter militärischer Kontrolle waren. Die Angst davor besteht auch noch heute und wird zur Herausforderung. Die Gemeinde soll sich nicht mehr einwickeln lassen, sie soll sich gut organisieren, damit sie erreicht, was wir brauchen. Es ist doch nicht gerecht, daß der Reiche zu essen hat und der Arme nicht. Wenn wir einen Omnibus brauchen, dann soll sich die Gemeinde zusammenschließen, um einen zu bekommen. Ich will das machen, wenn ich nach Guatemala komme, aber mag sein, daß die Leute glauben, daß ich von der Guerilla bin, weil ich von Organisation rede. Ich muß verstehen, wie ich das meinen Leuten rüberbringen kann. Fall 8390 (Mord und Verfolgung) Concepción Huista, Huehuetenango,1979-80. Nun, ich denke darüber nach, was man machen sollte, damit das nicht wieder geschieht. Ich glaube, [wir sollten uns] in Basisorganisationen zusammenschließen, wir sollten wissen, welche Rechte wir als Personen haben, und was unsere Aufgabe ist. Wir sollten auch die Angst abschütteln, weil die uns am meisten beeinträchtigt. Wegen der Angst haben sie uns zum Schweigen gebracht, aber jetzt ist es langsam wieder möglich, zu reden. Für mich ist es deshalb wichtiger, daß wir diese Angst loswerden, denn nur so können wir die Achtung der einen für die anderen erreichen. Drohungen wegen der Verweigerung, an den Zivilpatrouillen teilzunehmen. La Puerta, Chinique, Quiché, 1982 Die Forderungen und Bestrebungen, die Organisationen wieder ins Leben zu rufen, müßten von lokalen und regionalen Mechanismen begleitet werden, die die Vereini-gungsfreiheit garantieren und den Wiederaufbau der gemeinschaftlichen Organisa-tionsstrukturen fördern. Dabei sollten die traditionellen Organisationsformen der Indígenas und der armen Bevölkerung geachtet und von den staatlichen Instanzen ihre Befugnis anerkannt werden, die Gemeinschaften zu vertreten.
1.6.1.3  Gegen Diskriminierung
Die Forderung, die Menschenrechte zu achten, steht für die Menschen im Zusammenhang mit der Bekräftigung ihrer persönlichen Würde. In einem sozialen Umfeld, in dem die indigene Bevölkerung starke Diskriminierung erfährt, ist die Forderung, die Würde des Menschen zu achten, oft mit dem Prinzip der Achtung der kollektiven Identität verflochten. Die Zeugnisse nehmen häufig Bezug auf den interkulturellen Dialog. Viele Indígenas sahen in den Übergriffen auf die Zivilbevölkerung - insbesondere in der “Politik der verbrannten Erde” - einen Beweis der Kontinuität ihrer historischen Abwertung durch die Herrschenden. Doch hat der Kampf gegen die Diskriminierung der Ärmsten nicht nur ethnischen Charakter. Es wird dabei gefordert, in einer umfassenden und globalen Weise Achtung zu erfahren. Diese Situation darf sich nicht wiederholen. Ich glaube, [das ist] vielleicht auf Grundlage von Entwicklung, Erziehung für uns, für alle Bürger von Guatemala [möglich]. Aber unsere Rechte als Indígenas müssen wirklich geachtet werden. Denn ich bin Indígena, ich habe meine Rechte, und ich habe eine Stimme, um etwas zu sagen. Fall 2176, Salquil (Dorf), Nebaj, Quiché, 1980.
1.6.1.4  Daß die Wahrheit ans Licht kommt
Ein wesentlicher Bestandteil des REMHI-Projekts ist es, die Wahrheit zu ermitteln. Darauf gründet sich auch die Motivation der Menschen, ihr Zeugnis abzulegen. In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem das Anzeigen von Menschenrechtsverletzungen kriminalisiert worden ist und sich die Opfer in Schweigen hüllen mußten, um ihr Leben nicht in Gefahr zu bringen, war das Bedürfnis, die Wahrheit zu kennen und sie öffentlich zu machen, immer latent vorhanden. Die Anerkennung der Wahrheit ist für die Personen, die ihr Zeugnis ablegten, der erste Schritt, um die Würde der Opfer und der Überlebenden wiederherzustellen. Viele Personen sind auch heute noch sehr verwirrt: Was ist konkret mit ihren Angehörigen geschehen, wo sind ihre Verwandten, warum mußten sie sterben? Wahrscheinlich werden einige dieser Fragen immer ohne Antwort bleiben, denn es bedeutet enorme Schwierigkeiten, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Aber die Wahrheit zu kennen, kann den Familienangehörigen helfen, ihre Verwirrung zu überwinden. Dafür darf die Wahrheit nicht im Privaten bleiben, sondern muß in der Gesellschaft Verbreitung erfahren. Die Geschehnisse müssen von den staatlichen Behörden öffentlich anerkannt werden. Für die Erarbeitung der kollektiven Erinnerung, die den Menschen hilft, in dem Geschehenen einen Sinn zu finden und ihre Würde zu behaupten, ist das Sammeln der Zeugnisse von großer Bedeutung: Das Erinnern ist eine Form, anzuerkennen, was geschehen ist, zu erkennen, daß es ungerecht war, und daß es sich nicht wiederholen darf.
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Daß das jetzt aufgenommen wird, dabei fühle ich mich ruhig, weil ich weiß, daß mein Zeugnis zum Wohl von uns allen ist, die dieses Gewitter erlebt haben. Wir fühlen uns zufrieden. Ich verstehe, daß das für uns alle gut ist, all unsere Brüder werden so denken, und alle, die schon ihr Zeugnis abgelegt haben. Fall 6029 (Mord) San Francisco, Huehuetenango, 1982. Die Aufklärung der Geschehnisse und die Anerkennung der Greuel und Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung, die von der Armee und anderen Kräften ausgingen, sind deshalb ein erster Schritt für die Opfer, aber auch für die Erinnerung der gesamten Gesellschaft. Die Wahrheit hat auch für die, die nicht direkt unter Verlusten gelitten haben, einen hohen gesellschaftlichen Wert. In einer Gesellschaft, die über Jahre hinweg der Zensur, der Manipulation der Information und der sozialen Isolation unterworfen war, kann die Kenntnis der Gewalt- und Schreckenstaten dazu beitragen, das Bewußtseinsniveau bezüglich des Geschehenen zu erhöhen (im Sinne von: die eigene Geschichte kennen und verfälschte Versionen der Realität vermeiden), die gesellschaftliche Sanktionierung der Täter zu fördern, und die notwendige Wiedergutmachung der Opfer zu übernehmen. Ich erwarte, daß die Armee eines Tages alles, was sie gemacht hat, anerkennen wird, und daß sie nicht damit weitermachen wird, die Gesetze zu verletzen. Das macht zornig, nicht wahr, arm bleiben wir sowieso. Fall 0785 (Morde) Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1991. Aber die wiedergutmachende Rolle der Wahrheit kann ins Wanken kommen, wenn sie nicht von Gerechtigkeit begleitet ist. Wenn der Kenntnis der Geschehnisse Schweigen und Straflosigkeit folgen, kann sich für die Opfer die Wahrheit in eine Beleidigung verkehren. In den Zeugnissen ist die Forderung, die Wahrheit zu kennen, mit der Forderung nach Gerechtigkeit verknüpft.
1.6.1.5  Die Forderung nach Gerechtigkeit
Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist in den Zeugnissen sehr präsent. Bei den Opfern und Überlebenden hat die Gewalt in ihrem eigenen Leben und dem ihrer Familien und Gemeinschaften ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit hinterlassen. Dies nicht nur wegen des Schmerzes über den Verlust von Angehörigen, sondern auch, weil die Verbrechen bis heute nicht geahndet wurden.
1.6.1.6  Die Machtbeziehungen verändern
An erster Stelle hat die Forderung nach Gerechtigkeit mit Veränderungen der lokalen Machtbeziehungen und der Prävention neuer Gewaltformen zu tun. Wenn keine gesellschaftliche Sanktionierung erfolgt, ist es weitaus wahrscheinlicher, daß sich die Gewalttaten wiederholen. Es fehlen Grundvoraussetzungen für das soziale Zusammenleben. Auch die Tatsache, daß viele Täter aus dieser Situation Nutzen gezogen haben und eine vorteilhafte gesellschaftliche Position genießen, erzeugt bei den Opfern und Überlebenden ein Gefühl tiefer Ungerechtigkeit. Im Gegensatz dazu mußten sie lange Jahre mit der Erniedrigung des Schweigens und ohne gesellschaftliche Macht leben. Diese Machtsituation wird vielerorts auch noch nach der Beendigung des bewaffneten Konflikts aufrechterhalten (wie im Fall vieler ehemaliger Militärkommissare). Sie birgt das Risiko neuer Gewalt und erzeugt Angst, daß die Repression wiederkommt. Aus der Sicht der Opfer haben Recht und Gerechtigkeit die Funktion, die gesellschaftlichen Beziehungen und die Machtausübung wieder ins Lot zu bringen. Die Regierung soll Gerechtigkeit walten lassen, sie muß auch all diese schlechten Leute absetzen, nun, das ist ihre Verantwortung. Denn wenn diese Leute, die so viel Schaden angerichtet haben, auf ihren Posten bleiben, ist es gut möglich, daß die Repression wiederkommt. Fall 1271, Chajul (Dorf), Quiché, 1985. Obwohl man häufig davon ausgeht, daß der Wunsch nach Gerechtigkeit Vergeltungsgelüsten der Opfer entspricht, werden in den Zeugnissen keine Forderungen von Rache oder Todesstrafe formuliert. Nun, daß es nicht zu Racheakten kommt, denn aus Rachegelüsten beginnen die Verletzungen von neuem, wegen einem Stück Land. Fall 7442, Plan de Sánchez, Baja Verapaz, 1982. Hoffentlich werden ein paar Gesetze gesucht, um die Leute zu bestrafen, denn ihnen das Leben zu nehmen, das geht nicht, aber Strafe, ja. Sie sollen bestraft werden, aber sie sollen nicht das Leben verlieren. Sonst werden wir wieder zu Mördern. Fall 1274, Chajul (Dorf), 1982.
1.6.1.7  Den Sinn von Autorität zurückgewinnen
Die Forderungen nach Gerechtigkeit und gerichtlicher Verfolgung beinhalten den Kampf gegen Straflosigkeit und den Kampf gegen Korruption, die in vielen Fällen Hand in Hand gingen. Die Entlassung von Zivil- und Militärpersonen, die wichtige Posten innehatten und für die Gewalt gegen die Bevölkerung verantwortlich waren, sollte dabei der erste Schritt sein. Zu diesem Kreis gehören auch die Personen, die bei oder mit den Militärgeheimdiensten arbeiteten. Wenn die Verantwortlichen in den Militärbehörden, die die Greuel gegen die Zivilbevölkerung angerichtet haben, nicht ausgewechselt werden, wird die Straflosigkeit kein Ende haben. Dabei sind deren Möglichkeiten zu sehen, auf die Gesellschaft und andere staatliche Strukturen Zwang auszuüben, auch weil sie in den Jahren des bewaffneten Konflikts ein breites Netz von Komplizenschaften geknüpft haben. Den Opfern kann die Entlassung der Verantwortlichen außerdem helfen, Gefühle von Erniedrigung und Ungerechtigkeit zu überwinden. Wir wollen keine Waffen mehr, wir wollen keine Bombardierungen mehr, wir haben genug von Massakern, Entführungen, Morden, die Straflosigkeit und die Korruption müssen aufhören, die hohen Militärs, die in diese blutigen Gescheh-nisse verwickelt sind, bei denen Tausende und Abertausende ihr Leben gegeben haben, nur weil sie ihre Rechte forderten und sich und ihre Familie verteidigten, müssen entlassen werden. Fall 1885 (Mord eines Militärkommissars durch die Guerilla) Cobán, Alta Verapaz, 1983. Die Veränderungen der Machtbeziehungen und die Gewalt, die gegen die Bevölkerung geübt wurde, haben den Sinn von Autorität als einer Kraft, die im Dienste der Gemeinschaft stehen sollte, in Frage gestellt. In diesem Sinne wird Autorität vor allem in der Maya-Kultur verstanden. Aber die politische Repression veränderte auch den Wert der Gesetze und der Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Um den eigentlichen Sinn von Autorität wahren zu können, der die Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt, müssen Recht und Gerechtigkeit, die von den Behörden ausgeht, sich jetzt in ein Instrument verkehren, um diejenigen zu verfolgen, die ihr Amt und ihre Autorität mißbrauchten. Diese Gewalttaten dürfen nicht wieder vorkommen, die Autoritäten dürfen dieses Unrecht nicht noch einmal begehen, denn untereinander hatten sie beschlossen, die arbeitenden Menschen, die Bauern, auszurotten. Fall 1316, Parraxtut (Dorf), Sacapulas, Quiché, 1983. Die (eigentliche) Bedeutung des Gesetzes wiederherzustellen heißt also, das gesellschaftliche Zusammenleben wieder in Ordnung zu bringen und die Beziehungen in den Gemeinden wiederzubeleben, die durch die Gewalt zerstört wurden. Gesellschaftliche Sanktionierung wird von den Überlebenden im allgemeinen als eine Wiedergutmachung des Geschehenen betrachtet. Aber rechtliche Schritte werden auch als Präventivmaßnahmen gesehen. Werden sie nicht durchgeführt, sind Gegenwart und Zukunft bedroht. Ich will, daß es ein Gesetz gibt, daß es eine Justiz gibt, die die Schuldigen bestraft, daß die bestraft werden, die Böses getan haben. Es muß doch ein Gesetz, eine Instanz geben, die für Bestrafung sorgt, damit all diese Dinge nie wieder geschehen. Denn wenn all das, was sie gemacht haben, all die Gewalt, durch die unsere Brüder umgekommen sind, so stehenbleibt, dann heißt das, daß es kein Gesetz und keine Gerechtigkeit gibt. Dann werden sie so weitermachen, ohne Angst, ohne Strafe, sie werden alle Freiheit haben, das zu machen, was ihnen gerade einfällt. Fall 5910 (Gewaltsames Verschwindenlassen) Sayaxché, Petén, 1988.
1.6.1.8  Der Straflosigkeit ein Ende bereiten
Die Wünsche nach Recht und Gerechtigkeit sind keinesfalls naiv. Einige Personen sind sich der Schwierigkeiten bewußt, unter den aktuellen Bedingungen Gerechtigkeit zu erreichen. Der fehlende politische Wille und die Macht der Armee lassen viele Menschen die Notwendigkeit erkennen, daß die Wünsche nach Recht und Gerechtigkeit einen organisierten Ausdruck finden müssen, um Wirklichkeit zu werden. Meiner Meinung nach wird das von der Anstrengung des Volks abhängen, sie in naher oder ferner Zukunft vor Gericht bringen zu können. Das ist die einzige Hoffnung, die uns bleibt, daß eines Tages mit allem ein Ende sein wird. Fall 7336 (Mord) Patzún, Chimaltenango, 1984. Unter den Schwierigkeiten, die in den Zeugnissen genannt werden, befinden sich die Ineffizienz und Korruption des Gerichtswesens. In Anbetracht von Willkür und Zwangsgewalt setzt die Forderung, daß die Gesetze zur Anwendung kommen sollen, eine Reform des Justizwesens voraus. Außerdem müssen korrupte Richter und Staatsanwälte und diejenigen, die die Straflosigkeit gefördert und protegiert haben, aus dem Amt entfernt werden. Angesichts der Modelle der inneren Sicherheit, die sich auf verstärkte soziale Kontrolle gründen, sowie Tendenzen, erneut den Alltag zu militarisieren, betonen einige Personen die Notwendigkeit, die Sicherheitsapparate zu erneuern und die Sicherheitspolitik zu verändern. Damit sollen neue Gewaltformen vermieden werden, die auf der Konzentration von Macht beruhen. Ideal wäre, dieses Rechtssystem abzuschaffen, weil es uns überhaupt nichts bringt, sie [die Täter] vor Gericht zu bringen. Die Korruption wird in Guatemala immer schlimmer und dabei gewinnt der, der mehr Geld hat. Wenn ich Geld habe und es einem guten Anwalt zahle, oder sogar demjenigen, der über mich richten wird, dann werde ich dabei gut wegkommen. Wenn ich aber kein Geld habe, gelingt mir das nicht, und der Schuldige wird in Freiheit bleiben. Es sollte Behörden geben, die drastischer vorgehen und kompetenter sind. Jetzt setzen sie ja mehr Autorität ein, also mehr Polizisten, aber dabei geht das ganze Geld verloren. Es sind doch die Polizisten, die all diese Dinge machen. Es steht doch immer in der Zeitung, daß die Polizisten jemanden umgebracht oder Autos gestohlen haben. Fall 3077 (Entführung und Folter) Salamá, Baja Verapaz, 1982.
1.6.1.9  Gerechtigkeit für die Zukunft
Gerechtigkeit und strafrechtliche Verfolgung sind auch wichtig, damit sich die Verantwortlichen der Schreckenstaten ändern können. Wenn die Geschehnisse nicht anerkannt werden und sich die Täter nicht mit gesellschaftlicher Sanktionie-rung konfrontieren müssen, werden sie nie die Möglichkeit haben, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, ihre Identität zu rekonstruieren, und ihre Beziehungen mit den Opfern und der Gesellschaft neu zu formulieren. Wenn jemand etwas verbrochen hat, dann ist es besser, daß er bestraft wird, abhängig von dem, was er gemacht hat, aber er soll bestraft und nicht getötet werden. Wenn er etwas ganz Schlimmes gemacht oder jemand umgebracht hat, dann sollen das die Gerichte untersuchen. Fall 9524 (Täter) Huehuetenango, 1980-82. In einigen Zeugnissen wird auch die Bedeutung der Gerechtigkeit für die zukünftigen Generationen betont. Wenn der Ahndung der Greuel nicht ein klarer ethischer Sinn beigemessen wird, besteht die Gefahr, daß die Gewalt zu einem Muster gewöhnlichen Verhaltens wird, was für die Jugend und die zukünftige Gesellschaft negative Auswirkungen haben wird. Wir wollen, daß es gegen die Verantwortlichen Gerichtsverfahren gibt, damit das nachgewiesen wird. Den Tätern hat es überhaupt nicht leid getan, unseren Familien Schaden zuzufügen, deshalb soll jetzt die Justiz tätig werden und gegen die ermitteln, die für den Tod dieser Märtyrer verantwortlich sind. Die laufen nämlich ruhig und zufrieden herum, haben zwei oder drei Häuser, Frauen, Autos, Geschäfte. Fall 5339 (Massaker) Plan de Sánchez, Rabinal, Baja Verapaz, 1982. In den (Alltags-)Formeln, in denen Gott vorkommt, wird häufig auch auf Gerechtigkeit Bezug genommen. Irdische und göttliche Gerechtigkeit werden meist nicht getrennt empfunden. Jedoch beziehen sich einige Personen, ausgehend von einem Gefühl der Resignation oder der Akzeptanz des Geschehenen, auch auf die “Gerechtigkeit Gottes”. Dabei ist schwer abzuklären, ob dieser Appell an die “göttliche Gerechtigkeit” eine Form ist, den Wunsch nach Gerechtigkeit aufzuschieben, einem erlernten Ohnmachtsgefühl entspricht, oder ob es sich dabei um eine höhere Stufe des gegenwärtigen Wunsches nach Gerechtigkeit handelt. Ich möchte wenigstens die Knochen sehen. Ich denke, die liegen dort, wo FAMDEGUA die Exhumierungen macht. Ich überlasse Gott die Dinge. Ich fordere nicht Gerechtigkeit. Fall 9925 (Gewaltsames Verschwindenlassen) El Chal, Petén, 1981. Wir haben einen einzigen Gott und unsere Würde. Ich möchte, daß sie die Verantwortlichen vor Gericht stellen, denn wenn wir weiter ohne Recht und Gesetz bleiben, ist das nicht gut. Fall 0577 (Mord) San Pedro Chicaj, Cahabón, Alta Verapaz, 1981. In den Zeugnissen gibt es nur wenige Bezüge auf das Vergeben der Gewalttaten. Die meisten Personen fordern als erstes, daß die Geschehnisse öffentlich anerkannt und die Verantwortlichen bestraft werden. Vergeben im Sinne einer freiwilligen Versöhnung mit den Tätern wird nur als Folge der Anerkennung der Tat, von Gerechtigkeit und sozialer Wiedergutmachung akzeptiert. Ich will auf die Opfer dieser Situation aufmerksam machen, aber nicht nur auf die Opfer seit dem Jahr 1983, sondern die von vielen Jahren zuvor. Damit will ich dazu beizutragen, zu Gerechtigkeit zu kommen, ich werde nicht still bleiben....Vergeben werde ich nur, wenn ich sehe, daß ein paar von denen hinter Gittern sind, daß das klar ist. Niemals und an keinem Ort werde ich vergeben, daß das so bleibt, wie es ist. Das ist unmöglich. Fall 2155 (Gewaltsames Verschwindenlassen) Tactic, Alta Verapaz, 1983.
1.6.2  1.6.2 DIE URSACHEN ANGEHEN

1.6.2.1  Soziale Veränderungen für den Frieden
Viele Forderungen, die in den Zeugnissen aufgeführt werden, beziehen sich auf soziale Veränderungen. Viele Überlebende sind sich bewußt, daß sich die Gewalt mit großer Wahrscheinlichkeit reproduzieren wird, wenn nicht die Ursachen des Konflikts angegangen werden. Es muß ein klarer Wille bestehen, diese Verpflichtungen umzusetzen. Die wichtigsten gesellschaftlichen Forderungen beziehen sich auf Entmilitarisierung, die Frage des Bodenbesitzes und die Freiheit, den Alltag neu zu gestalten.
1.6.2.2  Entmilitarisierung des Alltagslebens
Die wichtigste Forderung in bezug auf die Armee betrifft die Verringerung ihrer Präsenz in den Dorfgemeinschaften. Außerdem soll sie ihre Beziehungen mit der Bevölkerung von Grund auf verändern. Ja, darum suchen wir nach einer Lösung, und die Regierung tut gut daran, für uns auch eine Lösung zu suchen, damit uns ihre Armee nicht dort, wo wir leben, belästigt, sie soll sie abziehen. Wir wollen keinen Krieg mehr. Fall 0717, Senococh, Uspantán, Quiché, 1988. In den Aussagen wird auch oft auf die Macht der Waffen und ihre zerstörerische Wirkung in den Gemeinden verwiesen. Dies in unterschiedlichen Momenten und Situationen des Konflikts: als Teil des Systems der Militärkommissariate, während der Präsenz der Guerilla, in den 15 Jahren der militarisierten Kontrolle der Zivilpatrouillen. Die Forderung von Entmilitarisierung beinhaltet die Konfiszierung der Waffen und die Zerschlagung des Waffenhandels in den Gemeinden. Wir haben die Waffen schon abgegeben (Zivilpatrouillen), wir sollten uns jetzt daran gewöhnen, so wie früher zu leben, da konnten wir ohne Waffen auskommen. Unsere Väter haben uns gelehrt, die Saat auszustreuen, aber nicht, mit Waffen umzugehen. Hoffentlich bewaffnen sie die Gemeinde nicht wieder, denn die Waffen machen Angst. Fall 4687, Dorf Guantajau, Quiché, 1982. Für die Leute fängt Entmilitarisierung mit der Auflösung der militärischen Strukturen wie der Militärkommissariate und der Zivilpatrouillen an: Damit diese Gewalttaten, die in der Vergangenheit passiert sind und immer noch geschehen, vermieden werden, müssen die Behörden zunächst dafür sorgen, daß das Gesetz befolgt wird. Sie müssen all die Waffen einsammeln, die überall im Umlauf sind und die so viel Gewalt angerichtet haben, und sie müssen die Militärkommissare abschaffen, denn die haben dem Volk von Guatemala großen Schaden zugefügt. Fall 6456 (Mord) Morales, Izabal, 1968. Um zu vermeiden, daß sich diese Gewalttaten wiederholen, müssen die Zivil-patrouillen, die Soldaten, die Militärs, die so viele Massaker angerichtet haben, abgeschafft werden, es sollen die Friedensverträge unterzeichnet werden und die katholische Kirche soll weiter den Friedensprozeß unterstützen. Fall 4789, Massaker Finca La Estrella, Chajul, Quiché, 1981. Die Zwangsrekrutierung wurde zu einer dauernden Bedrohung der Jugendlichen, die gezwungen und in vielen Fällen entführt wurden, um in der Armee zu dienen. Die Militarisierungserfahrung war für die Menschen außerordentlich belastend. Deshalb beinhalten die Forderungen nach Entmilitarisierung, daß der Druck auf die Jugendlichen verringert wird, und daß Alternativen zur Zwangsrekrutierung geschaffen werden, die für die Gemeinschaften von Nutzen sind und von ihnen selbst übernommen werden. Der Wiederaufbauprozeß nach dem Krieg muß das Gewicht der Armee in der Gesellschaft reduzieren. Damit das nicht wieder passiert, dafür müssen wir uns organisieren und unser Bewußtsein entwickeln. Diese Zeit kann zurückkommen, wenn wir uns nicht gegenseitig verstehen. Aber wenn wir die Nöte verstehen, die wir als arme Schlucker, als Guatemalteken gehabt haben, dann ist das vielleicht nicht mehr das gleiche. Wir sind damit einverstanden, einen Dienst zu leisten, aber nicht für die Armee, sondern für die Gemeinschaft: wir können zum Beispiel die Leute alphabetisieren oder Gesundheitspromotoren werden. Fall 2297, Buena Vista (Dorf), Santa Ana Huista, Huehuetenango, 1981.
1.6.2.3  Veränderungen der lokalen Machtstrukturen
Entmilitarisierung beinhaltet auch Veränderungen der lokalen Machtstrukturen. Dabei muß die Rolle der zivilen und der traditionellen Autoritäten neu bewertet werden. Die Forderungen des Wiederaufbaus und der Beteiligung der Gemeinschaft an der lokalen Macht bedeuten, daß der Protagonismus der Gemeinschaften und ihre eigenen Partizipationsstrukturen und -systeme wirklich anerkannt werden müssen. Damit sich all dies nicht wiederholt, müssen wir in Frieden arbeiten, zunächst mit der Familie und dann mit der Gemeinde. Wir müssen mit denen arbeiten, die in Guatemala geblieben sind, die nicht ins Ausland geflüchtet sind, wir müssen dafür kämpfen, daß wir glücklich leben können, so wie vor der Zeit dieser Gewalt. Wir müssen die Rechte des Menschen kennen, den Wert der zivilen Autorität zurückgewinnen, und die Regierung muß sich verpflichten, Gesetz und Verfassung zu erfüllen. Fall 0977, Massaker Santa María Tzejá, Ixcán, Quiché, 1981. Viele Personen fordern, daß die Veränderungen nicht nur formalen Charakter haben dürfen, sondern einen wirklichen Bruch mit den vom Krieg auferlegten Werten bedeuten müssen. Dabei werden die Willkür, der Mißbrauch von Macht und die soziale Diskriminierung besonders hervorgehoben. Diese Perspektive ist wichtig für die Zukunft, da sich möglicherweise neue Herrschaftsformen herausbilden können, die sich auf einem autoritären Regime ohne formale Militärstruktur gründen. In einigen Landesteilen wurden die Zivilpatrouillen vor kurzem in “Entwicklungs-komitees” (Comités de Desarrollo) verwandelt; dies birgt die Gefahr, mittels der Abwicklung von Entwicklungsprojekten und Hilfsleistungen als neuer Kontroll-mechanismus zu funktionieren. Sie belegen den Versuch, die gleichen Strukturen mit anderem Namen aufrechtzuerhalten. Wir wollen, daß es hier im Dorf Najtilabaj eine Person gibt, die uns Orientierung bietet und unser Gemeinwohl im Sinn hat, die uns hilft, uns zu wehren, wenn wir übers Ohr gehauen werden; außerdem, daß unsere Kinder ein besseres Leben haben. Was wir jetzt im Moment wollen, ist, daß sie auf unsere Forderungen eingehen; daß wir nicht mehr unter ihrer Knute stehen und dem ausgesetzt sind, was ihnen gerade einfällt. Fall 10684 (Mord) San Cristóbal Verapaz, Alta Verapaz, 1982.
1.6.2.4  Demobilisierung und Veränderungen bei der Armee
Bezüglich konkreter Veränderungen bei der Armee gibt es vor allem drei Forderungen: die Demobilisierung der militärischen Verbände und die Absetzung der Offiziere und Soldaten, die in die Greueltaten verwickelt sind; die Auflösung der klandestinen Apparate und die moralische Wiedergutmachung für die Opfer. Die Zwangsgewalt der Armee über die Gesellschaft abzubauen und deren Beherrschung des Staatsapparats zu verringern, erfordert Entlassungen und personelle Veränderungen. Dies impliziert aber auch, die hierarchischen Strukturen im Militär zu verändern und Möglichkeiten zu schaffen, die Armee durch Gesellschaft, Regierung und Gesetze kontrollieren zu können. Auch die Geheimdienste und ihre Ableger müssen als klandestine Repressionsorgane untersucht und demontiert werden. Bei den Soldaten muß man unterscheiden: viele haben diese Massaker angerichtet, weil sie dazu gezwungen wurden; andere haben ihre Macht mißbraucht. Die Verantwortlichen bei der Armee müssen abgesetzt und neue ernannt werden, damit es Demokratie und Achtung gibt. Ich finde es auch schlecht, daß die Militärs, die aus dem Dienst ausgeschieden sind, einen Sold bekommen, das ist Geld vom Volk. Sie sollten besser arbeiten, so wie wir Campesinos arbeiten. Fall 1280, Massaker Palob (Weiler), Nebaj, Quiché, 1980. Wirksame Entmilitarisierungsmaßnahmen müssen nach Ansicht der Opfer international begleitet und überwacht werden. Damit ihre Forderungen konkrete Gestalt und einen amtlichen Charakter annehmen, setzen viele Überlebende und ihre Familien große Hoffnungen auf Instanzen wie die Wahrheitskommission (Comisión de Esclarecimiento Histórico).
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Schluß mit den Waffen, was wir jetzt brauchen, ist, daß die klandestinen Apparate der Regierung sofort außer Kraft gesetzt werden, und es ist notwendig, der Wahrheitskommission und der ganzen Welt vor Augen zu führen, was geschehen ist, damit sie Zeugen sind und wissen, was mit uns, den Armen, passiert, was es mit der Diskriminierung und der Verletzung unserer Rechte auf sich hat. Fall 568, Cobán, Alta Verapaz, 1981.
1.6.2.5  Der Wunsch nach Freiheit
Das Streben nach Freiheit ist mit Forderungen gekoppelt, der militärischen Kontrolle im Alltag ein Ende zu setzen. In den Gemeinden, die wie im Fall der Wehrdörfer (aldeas modelo) absoluter militärischer Konzentration und -kontrolle unterworfen waren, oder die in sehr zahlreichen Fällen unter anderen Formen von Militarisierung (wie z.B. der Zivilpatrouillen) litten, wollen die Menschen Bewegungsfreiheit, um Handel treiben und ihr Leben neu organisieren zu können. Wir wollen nicht mehr angebunden, nicht mehr in Zwinger eingeschlossen sein, wir wollen in Freiheit und in Frieden leben. Kollektives Zeugnis, San Lucas Chiacal, San Cristóbal Verapaz, Alta Verapaz. In den Zeugnissen ist die Forderung nach Freiheit mit dem Streben verbunden, eigene Identität und Kultur auszudrücken. Dies wird zum Teil als die Freiheit verstanden, Riten, Zeremonien und eigenen Glauben zu praktizieren, bezieht sich jedoch auch auf das Arbeitsleben. Viele Personen verknüpfen diese Forderung mit besseren Bedingungen auf den Landgütern, höheren Löhnen oder wirtschaftlichen Leistungen. Auch wollen sie die Beziehungen zu ihren Dienstherren ändern, da ihr Leben durch deren Anordnungen dominiert wird. Hinter der Forderung nach mehr Freiheit bei Arbeit und Produktionsweise steht auch das Bedürfnis, daß ihre Identität als Campesinos, als eigenständige Bauern, anerkannt wird, und daß sie nicht mehr länger nur Mozos
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, quasi Leibeigene auf den Landgütern der Großgrundbesitzer sein wollen.
1.6.2.6  Lösung der Landfrage
Die Maßnahmen für Wahrheit, Gerechtigkeit und Entmilitarisierung müssen soziale und wirtschaftliche Reformen begleiten, die die eigentlichen Ursachen des Konflikts bekämpfen. Aus der Sicht der Opfer kann die Gewaltsituation nur dann bewältigt werden, wenn das Landbesitzproblem gelöst wird und sich die Lebensbedingungen der Menschen ändern. Damit diese Gewalt aufhört, dafür muß es weniger Soldaten geben. Denn die, die Gewalt anwenden, die Waffen einsetzen können, zum Beispiel die Armee, nun, die haben mit ihren Waffen diese Massaker angerichtet. Aber damit wirklich ein und für allemal mit diesem Problem der Gewalt aufgeräumt wird, dafür muß Land an die Armen verteilt werden, dann wird es wirklich keine Gewalt und keine Probleme mehr geben. Fall 6629, Finca Sapalau, Cobán, Alta Verapaz, 1981. Eine gerechtere Verteilung des Landes ist nicht nur eine Form der Wiedergutmachung, sondern würde vor allem auch neuen Problemen und sozialen Konflikten vorbeugen.
1.6.2.7  Erwartungen an den Frieden
Die Erwartungen an den Friedensprozeß beinhalten Forderungen sozio-ökonomischer Verbesserungen für die arme Bevölkerung, den Abbau von sozialer Ungleichheit und Wechsel in der Regierung und im politischen System, um den Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen. Obwohl die Aussagen vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages erfolgten, machen einige Personen bereits auf die Gefahr aufmerksam, daß sich der Friedensprozeß auf die Demobilisierung oder Desaktivierung des bewaffneten Konflikts reduziert, falls keine konkreten sozio-ökonomischen und gesetzlichen Veränderungen vereinbart werden, die die Wurzeln der Armut bekämpfen.
1.6.2.8  Forderungen an die (ehemalige Guerillakoordination) URNG
Es werden auch explizite Forderungen an die ehemalige Guerillakoordination URNG herangetragen. Die Angehörigen von Personen, die von der Guerilla ermordet wurden, sowie von Personen, deren Todesursache oder sogar Aufenthaltsort bis heute nicht aufgeklärt ist, fordern eine öffentliche Untersuchung der Geschehnisse und das Gedenken an ihre Angehörigen. Da in den 80er Jahren bei vielen bewaffneten Aktionen absichtlich Verwirrung bezüglich der Täterschaft gestiftet wurde, wollen die Angehörigen, daß bei der Aufklärung der Morde, die mutmaßlich von der Guerilla begangen wurden, die unterschiedlichen bewaffneten Akteure einbezogen werden. Die Familie will, daß das Geschehene untersucht wird, und daß sowohl bei den Streitkräften wie bei der [Guerillagruppe] EGP ermittelt wird, weil die EGP nie aufgeklärt oder zurückgewiesen hat, was das Kommuniqué sagte, das [damals] aufgetaucht ist. Gegen die Streitkräfte soll ermittelt werden, weil bei den späteren Erschießungen die Täter identifiziert wurden, denn das war eine Methode, gegen Personen vorzugehen, die den Gemeinschaften geholfen haben, und weil es eine Verantwortung des Staates ist, diese Situation aufzuklären, und er das nie getan hat. Fall 3338 (Entführung und gewaltsames Verschwindenlassen) Chiantla, Huehuetenango, 1981. Auch soll die Guerilla ihr Verhalten gegenüber der Bevölkerung erklären. Vor allem im ländlichen Raum entsprach sie nicht ihrem Versprechen, soziale Veränderungen herbeizuführen oder die Bevölkerung im Falle von Übergriffen der Armee zu verteidigen. Diese fühlte sich durch den Kriegsverlauf und die Nichteinhaltung der Versprechen durch die Aufständischen enttäuscht. Einige Personen, die sich am Krieg beteiligt oder in der Guerilla eine Chance gesehen hatten, ihre Situation zu verbessern, fühlten sich später allein gelassen, da im Augenblick der allergrößten Krise eine Antwort der Guerilla ausblieb. Ich will in Frieden leben, diese gewaltsamen Geschehnisse sollen sich nicht für unsere Kinder wiederholen. Wir wollen, daß die Guerilla die Leute nicht länger einwickelt, denn das war nicht wahr, was sie gesagt haben, sie haben uns gegenüber den Soldaten nicht verteidigt. Alle Toten sind Unschuldige, es war Zivilbevölkerung, aber die Guerilleros sind geflohen, sie haben sich nicht der Armee entgegengestellt, sondern haben diesen Platz der Bevölkerung über-lassen. Die Armee und die Zivilpatrouillen haben alle ermordet. Deshalb wollen wir nicht, daß das wieder passiert, wir wollen, daß der Frieden unterzeichnet wird. Die leiden, das sind doch wir, wir Armen. Fall 2454 (Mord und ‘Politik der verbrannten Erde’) Chipal, San Juan Cotzal, Quiché, 1982. Die Guerilla muß ihre Fehler anerkennen, sie muß sich an die Flugblätter erinnern, die sie verteilt hat und auf denen stand: ‘Die Guerilla ist mit dem Volk vereint, sie wird nie besiegt werden’, das war nicht wahr. Die Armee muß ihre Fehler anerkennen, als sie zivil vorstellig wurde, um zu untersuchen, und dann mit dem Tod bestraft hat. Das war betrügerisch. Fall 8008, Los Angeles, Ixcán, Quiché, 1981.
1.6.2.9  “Die Augen der Welt”: Die internationale Präsenz
Obwohl Armee und Regierung in vielen Fällen versuchten, die Anzeigen und Forderungen der Menschenrechtsgruppen international abzuwerten, hat die Information der internationalen Öffentlichkeit für die Opfer und die Familienangehörigen weiterhin einen präventiv abschreckenden Charakter. Die Möglichkeit, Druck auf die Regierung und die staatlichen Institutionen auszuüben, um die Einhaltung der Abkommen mit den vom Krieg geschädigten Gemeinden (bezüglich ihrer Rückkehr etc.) zu überwachen, war mit der Fähigkeit der Opfer und Unterstützungsgruppen verknüpft, ihr Leiden über die nationalen Grenzen hinweg sichtbar zu machen. Die Abhängigkeit der Regierung von internationalen Abkommen, Gesetzen und Mechanismen zur Kontrolle der Menschenrechtssituation, sowie ihr Bedürfnis, mit anderen Ländern erneut wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen, begünstigten in vielen Fällen Veränderungen. Aufgrunddessen wird in vielen Zeugnissen gefordert, die Präsenz internationaler Menschenrechtsinstitutionen aufrechtzuerhalten, damit diese die Einhaltung der Abkommen überwachen. Die Aussagen beinhalten keine konkrete Evaluierung, sondern beziehen sich auf die Rolle, die die internationale Präsenz bei der Restitution von Bedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens und Achtung global gespielt hat. Wenn diese Rolle mit vorherigen Erfahrungen, Werten und Erwartungshaltungen der Gemeinden abgestimmt werden konnte, wird die internationale Präsenz sehr positiv bewertet. Danke an diese Señores, die daran gedacht haben, eine Instanz zu schaffen, um unsere Werte zu verteidigen. Wir müssen sie unterstützen, wir müssen verstehen, daß sie das verteidigen, was wir verloren hatten. Mit Hilfe dieser Autoritäten fühlen wir uns schon wieder als Menschen, wir haben Mut geschöpft. Jetzt müssen wir klarhaben, daß wir alle gleichen Wert haben, wir müssen unsere Kinder erziehen und ihnen guten Rat und gute Gedanken mit auf den Weg geben, eben nicht, wie diese Leute erzogen wurden, die dieser schlechten und zerstörerischen Politik verfallen sind. Damit sie [unsere Kinder] sorgsam mit dem Leben umgehen, in dieser Welt gut zurechtkommen. Fall 2300 (gewaltsames Verschwindenlassen) Nentón, Huehuetenango, 1982.
1.6.2.10  Die Rolle der Kirche
Die Kirche wird in den Zeugnissen mit der Suche nach Wahrheit und mit der Rolle verknüpft, für die Menschenrechte zu erziehen. Obwohl die Aussagen eine gewisse Gefälligkeit gegenüber der Kirche enthalten können, da sie von Personen aufgenommen wurden, die bei der Kirche arbeiten oder ihren Strukturen nahestehen, implizieren die institutionelle Präsenz und das Vertrauen, das die Kirche bei breiten gesellschaftlichen Kreisen genießt, auch die Forderung, daß die Kirche ihre aktive Rolle bei der Verteidigung der Menschenrechte beibehalten soll. Damit das nicht wieder geschieht, muß die Kirche, alle Brüder und Schwestern, die ganze Menschheit dafür kämpfen, denn wir sind doch als Menschen auf dieser Erde, die uns von Gott geschenkt ist, wir sind doch keine Tiere, nach der Heiligen Schrift sagt Gott, daß er es ist, der uns das Leben gegeben hat, und nur er hat das Recht, es uns zu nehmen. Fall 9513 (Folter) Huehuetenango, 1981. Die in sie gesetzten Erwartungen stellen eine Herausforderung für die Kirche Guatemalas dar. Sowohl in bezug auf ihr Engagement für die Menschen wie in bezug auf die Kirche als Machtinstitution sind die REMHI-Zeugnisse ein wertvolles Material zur Reflexion ihres sozialen Handelns. Nun, ich glaube, daß unserer Religion, der katholischen Kirche, ein großer Auftrag aus all diesen Gewaltgeschehnissen entsteht. Wir werden zur Kirche, zur Religion zurückkehren, aber nicht zum Alten Testament, sondern zum Christus mit der Tunika, zum Christus, der gesagt hat: ‘Selbst die Vögel haben einen Ort, wo sie ihren Kopf ausruhen können, aber der Menschensohn hat keinen Platz [wo er sein Haupt hinlegen könnte].’ Wenn wir einen aufrichtigen Glauben im Herzen haben, könnten wir die wirtschaftlichen und politischen Mächte bezwingen. Aber heute ist das Geld, ist die politische, die wirtschaftliche Macht, unser Gott. Ich habe mir diese Frage gestellt: Wenn es eine Religion gibt, warum sieht es auf dieser Welt so aus? Fall 5444 (Mord) Guatemala, 1979. Auch die Rückgabe der Erinnerung wird erwartet. Einige der von der Gewalt betroffenen Familien und Gemeinschaften meinen, daß die Arbeit der Wahrheitssuche nicht mit der Erstellung eines Berichts enden darf, sondern zu ihren Anfängen zurückkehren muß. Die Erarbeitung von Materialien soll die Erinnerung als Instrument des gesellschaftlichen Wiederaufbaus stützen. Mit dieser Aussage fühle ich mich erleichtert, weil ich gesagt habe, was ich alles erlitten habe, dank Ihnen, die Sie zu uns gekommen sind, um unser Zeugnis zu hören, so können wir uns das von der Seele reden, wo wir doch so bedrückt sind, dank Gott, dabei wird es uns leichter. Hoffentlich geben sie uns ein Buch darüber, damit das als Geschichte aufgeschrieben bleibt, damit unsere Kinder erfahren können, was wir erlitten haben. Fall 7462 (Massaker) Chichupac (Dorf), Baja Verapaz, 1982.
1.6.3  1.6.3 WIEDERGUTMACHUNG UND ENTSCHÄDIGUNG
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Wir müssen uns wieder verbünden und unsere Rechte fordern. Ich fordere, daß mir die Regierung die Schäden bezahlt. Wir leben von unseren Schweinen, Hühnern, wir haben kein anderes Einkommen. Auch das Volk fordert; das zurückzubekommen, was es verloren hat, wir leben doch davon. Die Armee will mit uns ein Ende machen, sie will nicht, daß wir weiterkommen. Unsere Großeltern haben gesagt, daß die Regierung in der Pflicht steht, uns zu helfen, aber dann sind diese schlechten Regierungen drangekommen und haben uns nicht mehr geholfen. Fall 3909, Xemal (Dorf), Quiché, 1980. Eine dritte Forderung hat mit Vorschlägen sozialer Reparation der Überlebenden, mit Formen kollektiven Gedenkens an die Opfer und mit Exhumierungen zu tun. Die Formen der Wiedergutmachung können weder das Leben zurückgeben noch die enormen gesellschaftlichen und kulturellen Schäden reparieren. Aber der Staat hat die Verpflichtung, den Opfern und Überlebenden der Grausamkeiten und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit Maßnahmen anzubieten, die ihnen helfen, einige ihrer Verluste zu kompensieren, und damit die von der Gewalt betroffenen Gemeinden in Würde leben können. Erster Schritt zur Wiederherstellung der Würde der ermordeten oder zum Verschwinden gebrachten Personen ist die Anerkennung der Geschehnisse. Darauf folgt die Aufklärung ihres Schicksals, das sich in der Suche nach den sterblichen Überresten und Exhumierungen konkretisiert. Danach muß eine Bestattung erfolgen, die den öffentlichen und familiären Riten kulturellen und religiösen Charakters gehorcht. Die “Reparations”maßnahmen, die in den Zeugnissen der Überlebenden gefordert werden, beziehen sich auf finanzielle Kompensation, Entwicklungsprojekte, Stipendien oder Bildungsprogramme sowie Gedenkfeiern und Gedenkstätten. Auch Projekte zur psycho-sozialen Betreuung der Opfer und Überlebenden werden angesprochen. Man soll uns diese Traurigkeit nehmen, die in uns steckt, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ein Wort der Linderung, damit wir diese Traurigkeit loswerden können. Vielleicht gibt es irgendeine Methode, die uns hilft, daß wir das Schlechte abschütteln können, das von dieser großen Traurigkeit in uns steckt. Fall 3907, Nebaj, Quiché, 1980. Bei der Bewertung der Hilfen muß sowohl ihr praktischer Nutzen als auch die Bedeutung, die sie für die Würdigung der Menschen haben, zum Tragen kommen. Wiedergutmachungsmaßnahmen dürfen nicht als Ersatz der Forderung nach Wahrheit und Gerechtigkeit gesehen werden. Wenn die Kriterien für Wiedergutmachung nicht klar definiert werden, kann die Beschaffung von Hilfsleistungen zu neuen Problemen führen und die Gemeinschaften spalten.
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Trauerfeierlichkeiten und Bestattungen, die den religiösen und kulturellen Traditionen gehorchen, haben eine wichtige Bedeutung für den Trauerprozeß. Partizipation kann ein wichtiger Indikator für die Qualität der Arbeit und der Begleitung sein, die von den Gemeinden gefordert wird. Der Umgang mit den sterblichen Überresten gemäß kulturellen Vorgaben und Glaubensvorstellungen sowie eine klare Information über das Vorgehen müssen zum notwendigen Bestandteil von Exhumierungen werden, damit diese eine wiedergutmachende Wirkung haben. Wir wollen zuallererst, daß man uns hilft, unsere Brüder, die an diesem gott-verlassenen Ort liegen, christlich zu bestatten. Und das zweite ist, daß unsere Gemeinde von der Regierung völlig im Stich gelassen wurde, wir haben keine Wege, keine Verbindungsmöglichkeiten. Die Regierung hat uns überhaupt nichts anerkannt, sie hat uns völlig vergessen.... Wenn das auf den Weg gebracht wird, wollen wir, daß nationale und internationale Instanzen kommen, um die Geschehnisse zu verifizieren, wir wollen wahrhafte Gerechtigkeit. Fall 560, Cobán, Alta Verapaz, 1981. Aber die Forderung, das Schicksal der Angehörigen zu untersuchen und ihre sterblichen Überreste zu exhumieren, ist auch mit dem Bedürfnis verknüpft, das eigene Leben wiederaufbauen und fortsetzen zu können. Obwohl sie von dem Tod ihrer Verwandten überzeugt sind, stoßen viele Familien bei den Behörden auf bürokratische Widerstände, was sie zu immer wieder neuen Bemühungen verpflichtet und Demütigungen erfahren läßt. Außerdem müssen sie Kosten auf sich nehmen, die von der Repression verursacht wurden. Es wäre gut, der Justiz zu sagen, daß sie der Bezirksverwaltung auftragen soll, die Namen der Toten im Personenstandsregister zu streichen, damit sie frei sind und wir nicht weiter Probleme haben. Wir wollen, daß mit Hilfe der Justiz ihre Namen gelöscht werden. Außerdem wollen wir, daß die Toten, daß die Knochen der Toten geborgen werden, so wollen wir das. Fall 10514 (Massaker) Sawachil, Alta Verapaz, 1980. Erinnerung als Wiedergutmachung geht über die Rekonstruktion der Geschehnisse hinaus. Sie stellt ein moralisches Urteil dar, das die Täter ethisch ins Unrecht setzt. Gedächtnisfeierlichkeiten und Zeremonien verleihen der Erinnerung gesellschaftliche Bedeutung und rücken sie ins öffentliche Bewußtsein. Außer der Rekonstruktion der Vergangenheit hat kollektives Gedenken auch den Charakter gesellschaftlicher Mobilisierung. Es hilft den Überlebenden, das Schweigen zu brechen und ihren Angehörigen Würde zu geben. Die Feierlichkeiten und Akte zum Gedenken an die Opfer sollen nicht nur eine Erinnerung an den Schmerz, sondern auch eine Erinnerung an Solidarität sein. Viele Familienangehörige bestätigen den Wert der kollektiven Erinnerung, die den neuen Generationen übermittelt wird, um daraus Lehren zu ziehen. Auch ist es für sie wichtig, daß diese Erinnerung durch öffentliche Veranstaltungen, die Publikation der Untersuchungsergebnisse, die Herausgabe von Bildungsmaterialien und gemeinschaftliche Aktivitäten Verbreitung erfährt. Hoffentlich bleibt das alles auf Papier stehen, damit die kleinen Kinder von heute es eines Tages erfahren können und verhindern, daß das von neuem geschieht. Vor 15 Jahren haben wir unsere Toten ausgegraben, aber bis jetzt gibt es noch keinen Friedhof für sie. Aber wir wissen, daß sie da sind, und so wollen wir es. Fall 11418 (Morde) El Limonar (Weiler), Jacaltenango, Huehuetenango, 1982.
2  2 Der Geplante Terror: Instrumente, Mechanismen und Formen der Gewalt

2.1  2.1 DAS GEHIRN DER GEWALT: Die Geheimdienste

2.1.1  2.1.1 DIE STRUKTUR DER GEHEIMDIENSTE

2.1.1.1  Die Dynamik der Gewalt und die Rolle der Nachrichtendienste
Die Geheimdienste hatten bei der Entwicklung der Aufstandsbekämpfung in Guatemala eine Schlüsselrolle. Sie bildeten ein komplexes Netzwerk aus Polizei- oder Militärorganen, die in hohem Maße das Sozialgefüge durchdrangen (Geheimdienstagenten, -informanten etc.). Sie hatten hierarchische Zuordnungen und verfügten in vielen Momenten über eine totale Handlungs- und Aktionsgewalt. Der militärische Nachrichtendienst spielte bei der Durchführung von Militäroperationen, Massakern, extralegalen Hinrichtungen, “Verschwindenlassen” und Folterungen die wichtigste Rolle. In den langen Jahren des bewaffneten Konflikts waren es Offiziere und Experten dieses Armeeorgans, die in die systematischen Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren. Die innere Struktur und die Organisation des Geheimdienstapparats änderten sich gemäß der Regierungspolitik, der militärischen Dynamik und der Entwicklung des bewaffneten Konflikts. Die Nachrichtendienste waren grundlegend militärischer Natur. Die wichtigsten Organe sind der Militärnachrichtendienst, der kurz La 2 (Die 2), genannt wurde, und das Geheimdienstorgan des Generalstabs des Präsidenten
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, el Archivo (das Archiv). Wegen ihrer Operationsfähigkeit und relativen Autonomie waren zu bestimmten Zeiten auch die Ambulante Militärpolizei (Policía Militar Ambulante, PMA) und die Ermittlungsabteilung der Nationalpolizei (Policía Nacional, PN) für verdeckte Aktionen zuständig. Diese war in bestimmten Phasen auch als La Judicial (etwa: Kripo) oder als Comando Seis (Kommando Sechs) bekannt.
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Auch die zivilen Militärkommissare (Comisionados Militares) und die Zivilpatrouillen (Patrullas de Autodefensa Civil, PAC) agierten als Teil dieses nachrichtendienstlichen Netzwerks. Dieses komplexe Netz unterschiedlicher Organe und Institutionen wurde von einem nachrichtendienstlichen Oberkommando geleitet, das sich aus dem Staats-präsidenten, dem Verteidigungs- und dem Innenminister, dem Direktor des militärischen Nachrichtendienstes, dem Chef des Generalstabs des Präsidenten und dem Chef der Nationalpolizei zusammensetzte. Auf übergeordnetem Niveau gab es eine noch restriktivere Instanz, die Zugriff zur gesamten nachrichtendienstlichen Information hatte und die strategischen Entscheidungen fällte. Diese Instanz, die in Wirklichkeit das Oberkommando des Heeres war, wurde vom Präsidenten, dem Verteidigungsminister und dem Chef des Generalstabs der Verteidigung gebildet.
2.1.1.2  Der Geheimdienst La-2: Name der Angst
Die Leitung des militärischen Nachrichtendienstes D-2 (Dirección de la Inteligencia Militar), allgemein bekannt als La 2, ist eine Struktur innerhalb des Generalstabs der nationalen Verteidigung
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. In den 60er und 70er Jahren nahmen die Aktivitäten dieses Nachrichtendienstes zu und erreichten in den 80ern ihren Höhepunkt. Er ist in die schlimmsten Vorgänge und Gewaltverbrechen verwickelt: Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen, Morde, Entführungen und Folterungen durchziehen seine Geschichte. Mit dem Abhören von Telefonen und einem ausgeklügelten Computersystem, in dem die Daten von Personen, ihre Fotografien und Angaben über die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder Organisation gespeichert wurden, führte dieser Dienst umfassende Spionage- und Informationstätigkeiten durch. Seine Mitglieder genossen in der Militärstruktur eine privilegierte Position. Sie hatten die besten Dienstleistungen zur Verfügung und konnten sich leicht in zivilen Berufen spezialisieren, wodurch sie geschult wurden, auf leitender Ebene Verwaltungs-posten zu besetzen und in der Regierungsbürokratie Entscheidungen zu treffen. Durch den direkten Kontakt mit hohen Offizieren und politischen Führungspersonen erhielten sie früher als alle anderen Militärs Auszeichnungen und kamen in den Genuß zusätzlicher Vergünstigungen. Der privilegierte Charakter der Geheimdienst-agenten kam auch in einem besonderen Abhängigkeitssystem innerhalb der Militärstruktur zum Ausdruck. Der G-2-Offizier [Nachrichtendienstoffizier] eines Militärkommandos führt in seinem Zuständigkeitsbereich seine Arbeit frei und autonom aus... Er ist eher der Führung des Nachrichtendienstes als dem Kommandanten des Militär-kommandos Gehorsam schuldig. Auch wenn er einem niedrigeren Dienstgrad angehört, hat der G-2-Offizier Autorität, dem Kommandanten seine Kriterien aufzuerlegen. (Tageszeitung elPeriódico, 11.08.1997)
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Das Personal des Nachrichtendienstes im aktiven Dienst setzte sich schätzungs-weise aus 2 000 Leuten zusammen (Simon, 1985). Sie verwendeten Pseudonyme und hatten Fahrzeuge, Kommunikationsgeräte und klandestine Wohnungen zu ihrer Verfügung. Auf nationaler Ebene sowie in mittleren und kleineren Einheiten war die Befehlsstruktur konzipiert, um “aus dem Schatten heraus” zu operieren. Die Leitung war im Generalstab der Verteidigung zentralisiert. (elPeriódico, 11.08.1997) Während der 80er Jahre waren die wichtigsten Kader des militärischen Nachrichtendienstes in der Führungsspitze der Streitkräfte verortet, was es diesem ermöglichte, für seine Operationen ein breites Arsenal materieller, technischer und personeller Ressourcen zu verwalten. Zu Ende der 80er und Beginn der 90er Jahre führte der militärische Nachrichtendienst einen großen Teil der Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung durch. Außerdem wurde er für die Verfolgung des organisierten Verbrechens, des Rauschgifthandels und der gewöhnlichen Delinquenz eingesetzt. Dies mündete darin, daß seine Kommandos diese Strukturen nutzten, um sich an illegalen Aktivitäten wie Fahrzeugdiebstahl, Entführungen mit Erpressung, sowie an Rauschgiftgeschäften zu beteiligen. Dem Nachrichtendienst war ein Netz von Spitzeln zugeordnet, das aus Personen besteht, die in den Regierungsbehörden, in allen Schichten der städtischen Bevölkerung sowie in den ländlichen Gemeinden Aktivitäten von Spionage und Gegenspionage durchführten. Die Geheimdienstagenten und Informanten waren durch ein “Gesetz des Schweigens” geschützt. Auch wurden sie durch ein aufgeschlüsseltes internes System gedeckt. Das gesamte Personal unterstand den Gesetzen und Vorschriften des Heeres, ... nach Artikel 35 der ‘Vorschriften für Spezialisten’... sind sie dazu verpflichtet, Diskretion zu wahren und sich zu enthalten, Befehle und Arbeiten, die ihnen aufgetragen werden, zu verbreiten, und den Charakter ihrer Mission mit absoluter Zuverlässigkeit geheimzuhalten. Dies um so mehr, wenn es sich um besonders heikle Aktionen handelte. (Zeitschrift Crónica, 20. August 1993) Auf Operationsebene bestand zwischen dem militärischen und dem Nachrichtendienst des Generalstabs des Präsidenten (Archivo) eine Koordination.
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Der Fall der Entführung und des Todes von Eugenia Beatriz Barrios Marroquín (26) am 10. Dezember 1985 belegt die Effektivität der Telefonspionage und ihre schnelle Koordination mit den klandestinen Apparaten bzw. Todesschwadronen. Für nachrichtendienstliche Aufgaben, die nicht mit direkten Operationen verknüpft waren, entwickelte der Militärgeheimdienst La 2 das Netz der Militärkommissare mit deren Helfern und Informanten. Für Ermittlungen, Information und Überwachung wurde die Ambulante Militärpolizei (PMA) eingesetzt. Das Netz der Armeespitzel, das innerhalb einer Militärstruktur, aber in “zivilem Gewande” funktionierte, diente dazu, sich in die unterschiedlichen Gesellschaftssektoren zu infiltrieren. Das Personal des militärischen Nachrichtendienstes war in vier Sektionen unterteilt: den internationalen Nachrichtendienst, den technischen Nachrichtendienst, die Abteilung für Analyse und die für Aufstandsbekämpfung. Außerdem gab es eine fünfte Abteilung, die mit Gegenspionage befaßt war. Sie war beauftragt, die eigenen Agenten zu überwachen. In bestimmten Phasen kontrollierte sie jedoch die gesamte Militärstruktur.
2.1.1.3  Der Geheimdienst des Generalstabs des Präsidenten (El Archivo)
Der Nachrichtendienst des Generalstabs des Präsidenten (EMP) wurde ursprünglich mit dem formalen Zweck geschaffen, dem Präsidenten und seiner Familie Sicherheit zu geben. Aber bald wiesen ihm die militärischen Befehlsträger Aufgaben der Kontrolle von Zollbetrug an den Grenzen sowie der Migrationskontrolle zu. Außerdem wurden ihm Funktionen politischer Spionage beigeordnet. Obwohl ab 1986, als die Zivilisten an die Macht kamen, die Bedeutung und das politische Gewicht von El Archivo aufgrund seiner Beraterfunktion für den Präsidenten noch gewachsen ist, gehörte dieser Geheimdienst wegen seiner Nähe zur Macht von Beginn an zum “inneren Zirkel”. General Héctor Gramajo beschreibt den Generalstab des Präsidenten während der Regierungsperiode von General Romeo Lucas (1978-82) folgendermaßen: Mit dem zeitlichen Abstand sieht man klarer, wie der Generalstab des Präsidenten zu einem Rezipienten von Spekulationen und Beschwerden über Angelegenheiten der Armee wurde. Dies spiegelte die moralische Zersetzung wider, die die Offizierskader prägte, und die durch den Machtmißbrauch des Kreises, der dem Präsidenten nahestand, noch gesteigert wurde. Man organisierte dem Präsidenten General Lucas äußerst intime Feste auf seinem privaten Landgut im Munizip Sebol (Alta Verapaz), weit oben im Norden des Landes, und bei dieser Gelegenheit konnten nach eigenem Ermessen die Hubschrauber der schlecht bestückten Militärluftwaffe genutzt werden. (Gramajo, 1995) In den Jahren des bewaffneten Konflikts partizipierte El Archivo “arbeitsteilig” an Geheimdienstaktionen, die gegen die urbanen Strukturen der Aufständischen gerichtet waren. Wegen seines großen Einflusses auf das Präsidialamt und seiner Unabhängigkeit in bezug auf finanzielle, technische und personelle Mittel genoß er gegenüber dem Militärnachrichtendienst und selbst gegenüber der Führung des EMP relative Autonomie. Der Nachrichtendienst des EMP
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hatte eine sehr raffinierte technische Ausrüstung, was ihm die Kontrolle von Telekommunikation und Bildträgern (Videos, Fotografien, Fernsehen) und elektronische Spionage (Abhöraktionen, Mikrophone) ermöglichte. Für die notwendige technische Unterstützung und Beratung hatten seit dem Staatsstreich von 1963 die USA gesorgt. El Archivo war an der Schaffung von paramilitärischen Gruppen und Todes-schwadronen wie Jaguar Justiciero („Rächender Jaguar“) beteiligt. Nach unter-schiedlichen Quellen wird die Zahl seiner Mitarbeiter
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zwischen 1 200 und 3 500 Personen geschätzt.
2.1.1.4  Der Nachrichtendienst DIC und andere Polizeiorgane
Die Abteilung für Kriminaluntersuchungen (Departamento de Investigaciones Criminológicas, DIC) ist das nachrichtendienstliche Organ der Nationalpolizei. In den letzten zwanzig Jahren wechselte es mehrmals seinen Namen, seine Funktionen als politische Polizei blieben jedoch seit seiner Gründung zu Zeiten von Präsident Manuel Estrada Cabrera im wesentlichen gleich. Es dient der politischen Verfolgung, aber nicht dem Schutz und der Sicherheit der Bürger.
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Auch die Polizei war an der politischen Repression beteiligt. Bei den Aktionstagen im März und April 1962 kam zum ersten Mal das sogenannte Pelotón Modelo, eine Spezialeinheit, zum Einsatz, die die Demonstranten angriff, die Verwundung und die Verhaftung mehrerer Personen provozierte und die Proteste - vor allem die der Studenten - radikalisierte.
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Vielleicht kam ab 1963, während der jüngsten autoritären Regierungen, die von militärischen und zivilen Cliquen beherrscht waren, diese perverse Form, Polizeigewalt auszuüben, am meisten zu tragen. Unter diesen Regierungen waren die Polizisten im Rahmen der globalen Aufstandsbekämpfungsstrategie wichtige Glieder des Staatsterrorismus. (Aguilera, 1993) Bei illegalen Operationen in der Hauptstadt war in Koordination mit dem Detektivkorps das Vierte Polizeikorps sehr aktiv. Beide wurden dafür verantwortlich gemacht, Operationen “sozialer Säuberungen” zu fördern. Dafür setzten sie Personal ein, das wegen disziplinarischer Vergehen normalerweise suspendiert war. Für dessen Bezahlung wurden sogenannte Fondos confidenciales, vertrauliche Fonds, herangezogen, die für die Bezahlung von Informanten zur Verfügung standen. Dieselben Leute leisteten auch Personenschutzdienste. Bei den nicht-uniformierten Polizeikräften gab es in den 70er Jahren das Kommando Sechs (Comando Seis)
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, das als unmittelbare Einsatzgruppe konzipiert war, um verdeckte Operationen gegen die urbane Guerilla durchzuführen. Dieses Kommando leitete die Operation, die 1980 zum Massaker in der spanischen Botschaft führte.
2.1.1.5  Die Ambulante Militärpolizei (PMA)
Die Ambulante Militärpolizei, PMA, die vom Verteidigungsministerium abhing, hatte auch ein eigenes Geheimdienstorgan, das zu Beginn der 80er Jahre mit operativer Autonomie in der Hauptstadt und in der Provinz Escuintla agierte. Die PMA hatte zwei Typen von Personal: eines, das Funktionen der Kontrolle und Überwachung der ländlichen Bevölkerung ausübte, und ein weiteres, das sich um den Schutz von Privatunternehmen kümmerte. Die PMA wurde im Juni 1965 geschaffen. Ihr gehörten anfänglich ehemalige Soldaten an, die Aufgaben zur Kontrolle der bäuerlichen Gemeinden durchführten. Aber sie bekämpften auch Verbrechen und Ordnungsmängel in den Reihen des Militärs. Mehrere Aussagen verweisen darauf, daß in den Hauptquartieren der PMA in der Zone 6 in Guatemala Stadt und in San Marcos verhaftete Personen geheim festgehalten wurden. Dort wurden physische und psychologische Foltersitzungen abgehalten. Dies belegt u.a. der Fall von Maritza Urrutia (für Guatemala Stadt) und der des Guerillakommandanten Efraín Bámaca (für San Marcos)
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. Auch die Guardia de Hacienda, die Finanzpolizei, die für die Verfolgung von Schmuggel und Schwarzbrennerei zuständig war, hatte ein eigenes nachrichtendienstliches Organ, die “Abteilung für Sonderdienste”, geschaffen, und stellte ihre Installationen als klandestine Gefängnisse zur Verfügung. Sie ist in den Fall involviert, der als Panel Blanca bekannt geworden ist. Dabei handelt es sich um einen Fahrzeugtyp, einen weißen geschlossenen Wagen, der bei Menschenrechtsverletzungen verwendet wurde. Unter den Opfern der Finanzpolizei sind die Studentenführerin Ana Elizabeth Paniagua sowie José Albino Grijalva.
2.1.1.6  Geheimdienstnetze
Außer dem Netz von Spitzeln unterhielt der militärische Nachrichtendienst ein breites Netz, das aus den Militärkommissaren (comisionados militares) zusammengesetzt war. Dabei handelt es sich um Zivilisten, denen erlaubt war, Waffen zu tragen, und die damit befaßt waren, Information über die Bewegungen der Bevölkerung zu sammeln und sie direkt dem militärischen Nachrichtendienst S-2
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zu übermitteln, der in ländlichen Gebieten tätig war, oder diese Informationen dem Geheimdienst S-5 (Zivile Angelegenheiten) in den Militärposten zu übergeben. In den 80er Jahren kam es häufig vor, daß allein die Beschuldigung von seiten eines Militärkommissars für die Ermordung der betroffenen Person reichte. In ihrer Rolle als ojos, oídos y brazos (Augen, Ohren und Arme) der Armee führten die Militärkommissare zahlreiche Aktionen gegen die Zivilbevölkerung durch. Dieses Netz setzte sich aus 28 000 Personen zusammen, genug, um jede einzelne der städtischen und ländlichen Siedlungen des Landes abzudecken. Die Spitzel, die orejas (Ohren) genannt wurden, waren ein Netz von Zivilisten, das der militärische Nachrichtendienst geschaffen hatte, um in den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten präventiv kontrollierend tätig zu werden. Auch bei diesem Netz muß man differenzieren. An erster Stelle waren Personen, die seit langem der Armee nahestanden und deshalb eine bessere Ausbildung hatten. In diesem Zusammenhang hatten sie auch geheimdienstliche Missionen durchgeführt. Dieser Personenkreis wurde besser bezahlt und war Vollzeit mit Infiltrierung und Spionage beschäftigt. In den 80er Jahren wurden die Zivilpatrouillen (Patrullas de Autodefensa Civil, PAC) dem Netz des Militärnachrichtendienstes angegliedert. 1981 waren sie von General Benedicto Lucas García, dem damaligen Generalstabschef der Armee, zunächst als eine Zivilmiliz eingesetzt worden. Aber bereits 1982, unter der Regierung von General Efraín Ríos Montt, wurden sie zu einem Apparat permanenter Kontrolle und einer Einheit zur Guerillabekämpfung.
2.1.1.7  Todesschwadronen
Die Todesschwadronen tauchten erstmals 1966 als Teil der ersten großen Gegenoffensive des Heeres gegen die Guerilla auf. Sie waren als operative Arme des Geheimdienstes konzipiert und für die Bedrohung, Folterung und Hinrichtung von politischen Gegnern zuständig. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war es, unter der Bevölkerung psychologischen Terror zu verbreiten.
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Allein 1967 standen über 500 Personen auf Todeslisten. Die Todesschwadronen hatten einen stark antikommunistischen Akzent, womit sie bei gewissen sozialen Schichten Legitimität für ihre Aktionen gewinnen wollten. Im Juni 1966 tauchte die erste dieser Schwadronen auf, die als Mano Blanca, Weiße Hand, bekannt wurde. Ihr Symbol war eine Hand, die die fünf zivilen Führer der Schwadron repräsentierte, darunter Raúl Lorenzana, Orantes Alfaro und Nufio. Neben finanzieller und operativer Hilfe von seiten der Armee wurden die Todesschwadronen auch von reichen Leuten, besonders von Einwohnern der ehemaligen Hauptstadt Antigua unterstützt. Im gleichen Jahr tauchte eine weitere Schwadron auf, der Antikommunistische Rat von Guatemala (Consejo Anticomunista de Guatemala, CADEG), und im Februar 1967 die Neue Antikommunistische Organisation (Nueva Organización Anticomunista, NOA). Beide wurden von der Armee organisiert. An ihrer Führung war kein einziger Zivilist beteiligt. Danach tauchten die Todesschwadronen eher gelegentlich auf und wurden zur Bedrohung eingesetzt. Unter der Regierung von Lucas García wurde die Geheime Antikommunistische Armee (Ejército Secreto Anticomunista, ESA) wiederbelebt. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre tauchten andere Todesschwadronen auf wie der „Rächende Jaguar“ (Jaguar Justiciero), die in der Hauptstadt und in vielen anderen Städten Menschenrechts-aktivisten bedrohten.
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2.1.2  2.1.2 KONTROLLSTRATEGIEN: DER GEHEIMDIENST IN AKTION

2.1.2.1  Internationale Überwachung
Die internationale Abteilung des Nachrichtendienstes wurde organisiert, um mittels Kontrolle der Ausweispapiere die politische Migration zu überwachen und ein Monitoring der Menschenrechtsdebatte bei den Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sowie der Solidaritätsgruppen zu unternehmen.
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Seit Mitte der 60er Jahre koordinierte die internationale Abteilung des Geheim-dienstes ihre Aktionen mit den Nachrichtendienstorganen von Zentralamerika und den USA. Dies lief über ein Kommandozentrum in der Panamakanalzone. Die Sektion organisierte und überwachte Reisen ins Ausland, deren Ziel gewöhnlich Mexiko und Costa Rica waren, wohin in den 80er Jahren viele Menschen ins politische Exil gingen. Sie entsandte sowohl verdeckte Agenten wie ehemalige Aufständische, die zum Verrat angestiftet worden waren und danach für den Geheimdienst arbeiteten. Sie schulten sich in Techniken der Persönlichkeitsveränderung. Ziel war, Informationen operativen Charakters und allgemeiner Art zu erheben, um die Überwachung der Aufständischen und der politischen Opposition aufrechtzuerhalten und ihre Pläne zum Scheitern zu bringen.
2.1.2.2  Die Technik im Dienste der Gewalt
Die Technische Abteilung (Sección Técnica) bediente sich hochentwickelter Apparate für Spionage und Informationsbeschaffung. Für die Betätigung dieser Geräte brauchte man spezialisiertes Personal, das von den Geheimdiensten selbst geschult oder bei Universitäten, Banken und Konzernen angeworben wurde. Nach der Zeitschrift Crónica wurde Eduardo Suger Cofiño, ein bekannter Physiker und Mathematiker, von dem jetzigen Chef des Generalstabs der Verteidigung, General Marco Antonio Espinoza
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, rekrutiert, um eine computerisierte Kontrolle der Bevölkerung einzurichten. Dies geschah mittels einer Einladung, das Verwaltungspersonal des Verteidigungsministeriums zu organisieren. (Crónica, 30. Mai 1997) Bestandteil der technischen Ressourcen war ein Computerzentrum, das mit Beratung der US-Army während der Regierung von Oberst Enrique Peralta Azurdía (1963-1966) installiert wurde. Es wurde gemäß den technologischen Neuerungen ständig aktualisiert. In den 80er Jahren operierte dieses Rechenzentrum von der alten Polytechnischen Schule aus. Die Kapazität der telefonischen Überwachung wurde unter der Regierung von Präsident Vinicio Cerezo
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merklich verbessert. Der Geheimdienst erwarb eine elektronische Anlage, die die Kapazität hatte, bis zu 500 Leitungen abzuhören. Sobald programmierte Schlüsselwörter erwähnt wurden, schaltete sich ein Aufzeichnungsgerät ein, und das Gespräch wurde fast simultan ausgedruckt. Das Telekommunikationsunternehmen GUATEL stellte die technischen Mittel und das Personal bereit, um die internationalen Gespräche zu kontrollieren.
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Bei GUATEL operierte auch eine verdeckte Abteilung, die der Technischen Abteilung des Nachrichtendienstes Archivo zugeordnet war. Ein anderes Feld von Geheimdienstoperationen war die Kontrolle der Korrespondenz öffentlicher Persönlichkeiten, politischer Führungspersonen und von Oppositionellen. Diese wurde von der Technischen Abteilung von Archivo durchgeführt, die dafür im Postamt ein Büro eingerichtet hatte. Dort wurde die Korrespondenz zurückgehalten und geöffnet.
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Am 4. August 1997 wurde Juan José Orellana, ein Agent von Archivo, der auf Befehl von Oberst Juan Valencia Osorio
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bei der Post als “diskreter” Beamter beschäftigt war, wegen des Delikts der Verletzung des Briefgeheimnisses sowie privater Papiere zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
2.1.2.3  Die Überwachung des alltäglichen Lebens
Die Analyse-Abteilung des Nachrichtendienstes befaßte sich mit der Verarbeitung der Information und erstellte periodisch Berichte, die eine Beschreibung der Vorgänge, Namen, Orte und Beziehungen enthielten. Außerdem wurden in ihnen Szenarien umrissen und Empfehlungen gegeben. Informationsquellen waren Geheimdienstagenten, Spezialisten, Informanten, Zeitungen und Zeitschriften. Es wurden auch Informationen elektronischer Medien verarbeitet. Normalerweise handelte es sich bei den Agenten um Personen, die für geheime Aktivitäten legaler oder illegaler Art ausgebildet waren. Sie wurden bezahlt und schleusten sich in Parteien, Gewerkschaften, revolutionäre Organisationen und Berufs- oder Standesorganisationen ein. Ihre Arbeit war äußerst geheim. Sie unterstanden der Führung eines Nachrichtendienstorgans, dem sie jedoch nicht zugehören durften. Die Spezialisten waren im Unterschied dazu mehr oder weniger unverdeckt arbeitende Agenten, die ein Ausweispapier hatten, das sie jedoch nicht notwendigerweise dem jeweiligen Geheimdienstorgan zuordnete. Sie konnten an Geheimdienstaktionen teilnehmen und zu irregulären Kommandos gehören. Die Informanten waren anonyme oder bekannte Personen, die nicht zum Nachrichtendienst gehörten, dem sie zuarbeiteten. Die Rekrutierung des Personals für das Grundniveau konnte offen sein und über eine Agentur erfolgen.
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Für das Expertenniveau lief die Anwerbung weitaus geplanter ab.
2.1.2.4  Ausschalten des inneren Feindes
Die Abteilung für Aufstandsbekämpfung (Sección Contrainsurgente) war vor allem aus operativen Kommandos zusammengesetzt, die zum Ziel hatten, die Durchführung von Plänen der Aufständischengruppen zu verhindern, indem sie diese neutralisierten oder ihre mutmaßlichen Mitglieder eliminierten. Neutralisierung ist dabei zu verstehen als: Lähmung durch Terrorisierung der Unterstützungsbasis der Aufständischen; Entführung, Verhaftung und Folterung, um Information von dem jeweiligen Opfer und eventuell dessen freiwillige Kollaboration zu erhalten, sowie extralegale Hinrichtungen. Diese Sektion war in Abteilungen untergliedert, die jeweils auf eine der Guerillaorganisationen (EGP, ORPA, FAR und PGT) spezialisiert waren. Jedes Kommando hatte eine eigene Leitung und eigene Mittel (Information, Waffen, Fahrzeuge, Geld, Personal), was ihm einen hohen Grad von Operationsautonomie verlieh. Die Kapitel: 2.2 Die Strategie der Aufstandsbekämpfung:Die Militarisierung der Bevölkerung 2.2.1 Die Kontrolle von feindlicher Bevölkerung 2.2.2 Modelldörfer und Entwicklungspole Die Zivilpatrouillen 2.3 Mechanismen und Praxis des Horrors 2.3.1 Die Erziehung zur Gewalt 2.3.2 Die Massaker Liste der Massaker 2.3.3 Die Folter 2.3.4 Bedroht, entführt, ermordet 2.3.5 Schlußfolgerungen:Von der Erinnerung an die Greueltaten zur Gewalt der Gegenwart werden hier in der spanischsprachigen Kurzfassung wiedergegeben:



CAPÍTULO SEGUNDO
2.2   2.2 LA POBLACION COMO OBJETIVO
Para llevar adelante sus planes, el Ejército buscó la forma de implicar activamente a la población en la guerra. Para ello realizó análisis específicos de la relación entre ésta y la guerrilla en distintas zonas, además de estudiar las características socioculturales de las comunidades, que hicieran más factible su estrategia de inserción y control. Aunque su discurso estaba lleno de referencias ideológicas vagas al comunismo internacional, en sus planes operativos el Ejército fue mucho más preciso y utilizó los conocimientos acumulados por la sociología y la psicología militares para explotar las contradicciones sociales y el grado de cohesión comunitaria al margen de aspectos ideológicos. El Ejército no actuó en todas las regiones con un mismo patrón, sino que diversificó su estrategia hacia la población civil según su consideración de zonas rojas (bajo control de la guerrilla), rosadas (con presencia guerrillera) y blancas (no afectadas por presencia guerrillera). La actitud hacia la población tuvo un diseño estratégico propio en cada una de las zonas.
2.2.1  2.2.1. EL CONTROL DE LA POBLACIÓN HOSTIL
En las zonas consideradas bajo el control de la guerrilla, la estrategia respecto de la población civil fue diseñada según un programa que contempló los siguientes pasos: 1) Tomar contacto con la población. 2) Ejercer control sobre ella. 3) Darle protección. 4) Recopilar información sobre la organización política local de la guerrilla. 5) Iniciar reformas en el campo socioeconómico. (id.pag. 85) Las capturas se evaluaron tanto en relación con su eficacia práctica para obtener información como respecto de su impacto psicológico en la población, tomando en cuenta el riesgo de que posteriormente los colaboradores fueran señalados en la comunidad. El siguiente perfil de actuación se define en el Manual de Contrainsurgencia con el objetivo de disminuir los efectos adversos que las capturas podían tener para la confianza con la comunidad: 1. No puede esperarse de ellos ningún cambio de actitud, tampoco que hablen con libertad al ser arrestados. 2. Temor a que las capturas de otros sean atribuidas a sus revelaciones. 3. La población conoce. Un procedimiento indirecto sería: arrestar simultáneamente a un gran número de sospechosos de poca monta y basándose en sus revelaciones arrestar enseguida a los cabecillas de la OPA local. (pag 91) Sin embargo, las capturas se usaron también de forma masiva no sólo para buscar información, sino para concentrar de manera forzosa a la gente. La concentración fue el modelo que facilitaba tanto el control de la población como del territorio. Implicar a la población en la guerra En las zonas consideradas en disputa, las acciones de control de la población estuvieron orientadas a tener un poder local afín e implicar directamente a la población en la lucha contra la guerrilla. En la medida en que el Ejército fue logrando un mayor control, algunas aldeas fueron constituidas como "aldeas modelo", las que trató de presentar públicamente como su alternativa para el desarrollo de las comunidades rurales en las zonas de conflicto. Tanto por el momento en que se realizaron (después de masacres y operativos de "limpieza"), como su ubicación (lugares estratégicos desde el punto de vista militar), estuvieron concebidas como una forma de utilizar a la población civil para acciones de guerra (consolidación de la retaguardia, ruptura de vías de paso de la guerrilla, aseguramiento de zonas en disputa, etc.). La población civil también formó parte de la planificación de la guerra, como una fuerza más. Las misiones encomendadas a ella fueron la participación en los trabajos considerados de utilidad pública y las funciones de seguridad interna. Entre éstas cabe destacar: la información sobre personas y delaciones; la vigilancia en puntos estratégicos; la participación en operaciones de contrapropaganda; las acciones llamadas de autodefensa, que incluyeron el patrullaje y la participación en combates con la guerrilla; y, por último, el apoyo al Ejército mediante información, guías y transporte.
2.2.2  2.2.2. LA ESTRATEGIA DE ALDEAS
Realmente a nosotros nos despreciaban. Nos aconsejaban otra vez, como se hace con un bebé. Actualmente nos desprecian, no tenemos dignidad, allí desprecian definitivamente a los indígenas, a todos los pobres. Ahora estamos bajo ellos, porque tenemos pecados ante ellos y nos desprecian, así nos hacen ahora. TC Acamal, Alta Verapaz, 1986. Como parte de su política de control de la población y el territorio, el Ejército desarrolló proyectos de militarización de las comunidades rurales basados en un control social exacerbado, que afectaron a cerca de medio millón de mayas. Estos proyectos incluyeron las llamadas aldeas estratégicas, las aldeas modelo y los polos de desarrollo. Entre 50 mil y 60 mil personas vivieron en aldeas modelo, esto significa entre un 12,5% y un 2% de la población del altiplano. En esas aldeas el Ejército experimentó en el periodo 1982/86 su propio modelo de reorganización social para tener un control total de la población considerada base social de la guerrilla.
POLOS DE DESARROLLO18
1. Polo de Desarrollo Triangulo Ixil: Municipio de Nebaj, Aldea Acul, Tzalbal, Juil-Chacalté, Río Azul, Pulaj, Xolcuay, Ojo de Agua, Santa Abelina, Bichibalá, Salquil-Palob Atzumbal, Juá-Ilom, Chel, Xemal/Xepatul, Chiché, San Felipe Chenlá y Xix. 2. Polo de Desarrollo Playa Grande: Jurisdicción Departamental de El Quiché: Xaclbal, Cantabal, San José la 20, Efrata, Santa Clara, San Pablo, San Francisco, Trinitaria y aldeas fronterizas. En jurisdicción de Alta Verapaz: Salacuín y aldeas fronterizas. 3. Polo de Desarrollo Chacaj: en las aldeas de Chacaj y Ojo de Agua, Municipio de Nentón. 4. Polo de Desarrollo Chisec: en el Municipio del mismo nombre: Chisec, Setzí, Saguachil, Sesuchaj, Carolina, Setal, Semuy, Pecajbá, Santa Marta, Semococh, Las Palmas, El Tamarindo, Cubilhuitz, Secocpur, Sibisté, Ticario, y en el Municipio de Santa Cruz Verapaz, Acamal.

Existieron muchas más aldeas de las habitualmente reconocidas y se establecieron en territorio considerado de disputa entre el Ejército y la guerrilla (en Ixcán por ejemplo: San Marcos; San Luis Ixcán y La Nueva Comunidad; Santa María Tzejá y Santiago Ixcán; y Samaritano; y de forma tentativa Los Angeles19).
UN DIA EN LA VIDA DE ACAMAL
4:30 Formación, izada de la bandera, cantar los himnos (Nacional, del Ejército y del "Macho Patrullero"), gritar consignas antisubversivas. Participación de mujeres. 5:30 Desayuno (la dieta básica consistió en tres tortillas y un poco de frijol en los tres tiempos, en ocasiones un poco de arroz). 6:00 Formación y plática ideológica (15 minutos después de romper filas para ir a desayunar, los formaban nuevamente). 7:00 Plática sobre autodefensa civil (hombres) a cargo del Ejército y sobre salud o prepararación de alimentos (mujeres) a cargo de Ministerio de Salud Pública. 8:00 Trabajo. 12:00 Formación, al mediodía los volvían a formar, cantaban el himno y plática de reideologización. 13:00 Almuerzo. 13:15 Plática de reideologización. 14:00 Trabajo. 18:00 Formación, cantar los himnos, arriada de la bandera y gritar consignas. El encargado de confianza del sargento tenía como principal obligación llevar el "parte de novedad" al mediodía y a las 18:00 a la oficina. 19:00 Cena. 19:15 Plática de reideologización. 21:00 Fin de la jornada.

2.2.3  2.2.3. LAS PATRULLAS DE AUTODEFENSA CIVIL:
2.2.3.1  Militarización de la vida cotidiana Una estrategia para la guerra
Las Patrullas de Autodefensa Civil (PAC) fueron creadas por el Ejército de Guatemala a finales de 1981 como parte de la política contrainsurgente. 20 Su función principal era la de involucrar a las comunidades de forma más activa en la ofensiva antiguerrillera que el Ejército había puesto en marcha. Por una parte, el Ejército percibió que la insurgencia contaba con un fuerte apoyo dentro de la población civil y con la utilización de las PAC pretendía cerrar las comunidades a la posible penetración de la guerrilla, pero también sacarla de donde ésta ya había logrado alguna presencia. Las patrullas comenzaron a funcionar durante el gobierno del general Romeo Lucas García,21 pero no fueron legalizadas sino hasta el 1 de abril de 1982, dentro el Plan Nacional de Seguridad y Desarrollo, de la Junta Militar de Gobierno golpista, encabezada por el general Efraín Ríos Montt, y fueron refrendadas por el Decreto 19-86 del 10 de enero de 1986, en el que el gobierno de Vinicio Cerezo les dio el nombre de Comités Voluntarios de Defensa Civil. No hay datos oficiales del número de hombres integrados a las PAC. Hacia 1982/83 llegaron a agrupar a unos 900,000 campesinos comprendidos entre los 15 y 60 años, es decir, cerca del 80% de la población masculina de las zonas rurales indígenas. Durante el gobierno de Vinicio Cerezo (1986-90) los miembros de las PAC bajaron a 500,000, y eran unos 375,000 en el momento de su disolución (1995). Las PAC constituyeron además un sistema de vigilancia y represión a bajo costo, dado que no le resultaron onerosas al Ejército ni al Estado: escasa provisión de armas en muchos casos, falta de salario etc. Además, en muchos lugares se utilizaron para la realización de trabajo forzado especialmente en tareas de abastecimiento, construcción de infraestructuras etc. Dentro de la economía de guerra, la instalación de las PAC permitía también redistribuir la tropa en otros lugares. Los de Xococ (aldea de Rabinal) son los primeros en organizarse en autodefensa, en patrullas de autodefensa y llegaron a obligar a Río Negro que se organicen, junto con el Ejército, a final del 81. De lo contrario todos son guerrilleros. Caso 1118, Río Negro, Rabinal, Baja Verapaz, 1981. Si bien el involucramiento de la población civil tenía beneficios evidentes para el Ejército, éste tampoco estaba exento de problemas tales como la actitud tendiente a no colaborar o el riesgo que suponía la entrega de armas a una población sobre la que se tenía todavía escaso control social o psicológico.22 Estos aspectos fueron cuidadosamente evaluados en términos de planificación estratégica militar. Entre las características que debía tener ese sistema de "autodefensa" estaban: debe ser deseado y no impuesto a ellos; buscar éxitos iniciales para permitir la cohesión y elevar su moral de combate; basarse en un conocimiento profundo de los habitantes, sus problemas y dificultades, eligiendo los lideres más proclives.23
Tipos de Violaciones realizadas por las PAC
Del total de testimonios recogidos por el Proyecto Remhi, las PAC fueron responsables del 12,76% de los hechos y los Comisionados Militares del 7.44%. Globalmente, uno de cada cinco hechos recogidos se atribuye por tanto a estas fuerzas irregulares del Estado. Las PAC estuvieron involucradas en asesinatos (3.4%), tortura y otros tratos crueles (2%), desaparición forzada (1.82%) y detención irregular (1.8%), y amenazas (1.18%). Las PAC y los Comisionados Militares aparecen implicados en uno de cada cinco casos que recogen muertes como resultado de persecución en la montaña (1.3% respecto del total de violaciones documentadas). Las PAC aparecen como responsables en casi una de cada cinco masacres (18,12%), mientras que los Comisionados como responsables directos en una de cada veinte (5,38%). Globalmente uno de cada cuatro asesinatos colectivos fueron responsabilidad de estas fuerzas irregulares del Estado. Algunas de las PAC más beligerantes implicadas en casos de masacres y graves violaciones de los derechos humanos fueron las de Xococ, Vegas de Santo Domingo, Patixlán, Chuaperol, Nimacabaj, Panacal, La Ceiba, Pinchec (Baja Verapaz), Pojom, Colotenango (Huehuetenango), y Chacalté (Quiché).

La imposición de las PAC: la formación de las Patrullas Para lograr la organización e incorporación de la gente a las PAC, el Ejército trató de utilizar algunas redes o estructuras previamente existentes en las comunidades y que facilitaban el reclutamiento y control de la población. La mayor parte de las veces se basó en los cargos o en autoridades proclives, como los Comisionados militares, pero también utilizó otro tipo de estructuras comunitarias o de producción. En muchos lugares los Comisionados fueron los encargados, por parte del Ejército, de organizar y controlar el funcionamiento de las PAC. Esto les dio un poder de coacción y control mucho mayor del que habían tenido en los períodos anteriores. El poder de las armas y la impunidad de sus acciones fueron muy importantes durante mucho tiempo después. Después de la época de las masacres y asesinatos masivos, los Comisionados cumplieron una función de control militar de las comunidades, haciendo ostensible su poder a través de las patrullas, las coacciones personales o incluso las amenazas a grupos sociales o políticos. Forzar la voluntad Se presionaba a la gente a incorporarse a las PAC por medio de la coacción, las acusaciones y las amenazas de muerte que incluían hasta a a los familiares. Las amenazas fueron el mecanismo más importante para involucrar a los hombres de la comunidad y, a través de ellos, establecer un sistema de control de las familias. El control de la vida cotidiana llevó a que fuera muy difícil que la gente se resistiera a participar. Lo hicimos por miedo. Cumplimos porque el que no cumple sería castigado y además hicieron un gran pozo, ahí a la orilla del camino. Nosotros tenemos miedo y tenemos que hacer, porque para dónde. Y estamos a la mano, en la mano de ellos. Caso 0542, Aldea Río Negro, Rabinal, Baja Verapaz, 1982. Con el paso del tiempo las comunidades menos proclives fueron buscando la forma de negarse colectivamente a seguir con el sistema de patrullas, lo que obtuvo resultados positivos especialmente en los lugares considerados poco estratégicos por el Ejército. Sin embargo, a pesar de la resistencia de la gente a la patrulla, ésta funcionó en muchos sitios hasta la finalización del conflicto armado. Muchas comunidades fueron obligadas a aceptar la organización de las PAC en vista de la amenaza del Ejército de ser eliminadas. En otros casos, la patrulla fue presentada como una forma de redimirse frente al Ejército, es decir que el compromiso con el Ejército significaba que no colaboraban con la guerrilla. Las PAC obligaron a la población civil a tomar partido en la guerra del lado del Ejército.24 Si no patrullábamos decían que éramos guerrilleros, por eso nos cuidábamos, porque teníamos miedo a la guerrilla y a los soldados. Así estábamos en 1982, 83, 84, hasta que en 1994 se terminó la patrulla. Taller Nentón, Huehuetenango, 18-10-96. El Ejército también utilizó otras estrategias para que la gente se vinculara con las PAC. Las formas de indoctrinamiento, los programas de acción cívica y otras se utilizaron como estratagemas de índole psicológica destinadas a aumentar el grado de conformidad de la población. La educación cívica es parte de la acción psicológica y se inicia proporcionando toda información sobre las posibilidades de la fuerza del orden para tener el éxito en la lucha contrasubversiva. Durante la instrucción se debe evitar el trato demasiado severo porque ello disminuye la participación de individuos dinámicos y aptos para el combate. Asimismo, tampoco debe ser demasiado benévolo, porque ello facilitará el relajamiento de la disciplina.25 Estructura de las Patrullas Para la realización de las tareas asignadas, las PAC tuvieron que adoptar una estructura jerárquica que, en términos generales, respondía a un modelo militar: un jefe de patrulla y pelotones de patrulleros de acuerdo con las condiciones del lugar y cantidad de miembros reclutados. Los jefes de patrulla o Comisionados en su caso, dependían directamente de los mandos militares del Ejército. En algunas comunidades en las que no existían riesgos previos de liderazgos hostiles a la presencia militar, el Ejército dio a la población la posibilidad de elegir al comandante de la patrulla. Esa participación ayudaba a aumentar la conformidad con el sistema y las ejecución de las órdenes posteriores. Sin embargo, en la mayor parte de las ocasiones fueron escogidos por el Ejército o los comisionados militares directamente entre las personas a las que les tenían confianza. Me pusieron por mi nombre usted es el comandante, tiene que llevar la lista, qué número su patrulla primero, su nombre, su dirección, un sello que dice PAC en los brazos, usted tiene que llevar bandera. Informante clave 49, Santiago Atitlán, Sololá, 1982.
2.2.3.2  Entrenamiento militar y Patrullajes
Según el Ejército, las Patrullas requerían un proceso de entrenamiento para aumentar la eficacia de sus acciones y, sobre todo, el mantenimiento de la disciplina militar dado que muchos de ellos ni siquiera habían hecho el servicio militar obligatorio: la instrucción debe comprender educación cívica y entrenamiento militar a cargo del Ejército.26 Estas actividades de entrenamiento físico e indoctrinamiento militar se realizaron especialmente en las comunidades que el Ejército consideraba más conflictivas por una mayor presencia o cercanía de la guerrilla. En muchos lugares, esos días de entrenamiento se convirtieron en una práctica colectiva que involucraba a toda la comunidad. Allá con nosotros hubo marcha, entrenamiento como un mes, cada día o cada tres días. Les obligaban cómo pasar en un lazo. Allí no llegaron los soldados, sino que ex-soldados daban ese curso. Desde 15 años hasta los ancianos fueron todos; los ancianos se lastimaban y ellos no tienen lástima, hacían lunes cívico, martes cívico o miércoles cívico, depende de la comunidad, hombres y mujeres tienen que participar. Taller Nentón, Huehuetenango, 18-10-96. A pesar del interés que el Ejército puso en las patrullas y de las tareas que les asignó, la población no fue armada indiscriminadamente, probablemente porque no podía confiar en que las comunidades le serían fieles. La mayor parte de las veces, las proveía de poco y limitado armamento. En otros casos, los patrulleros utilizaban sus armas de cacería o machetes y palos. La adjudicación de las armas estuvo relacionada, entonces, con su grado de disciplina y lealtad al Ejército por lo que se dieron diferencias incluso dentro de las patrullas de una misma comunidad. Fue muy frecuente que las patrullas realizaran los rastreos o participaran en masacres junto con los batallones del Ejército, pero también hubo casos en los pareciera que actuaron con una mayor autonomía, especialmente en los referidos a las patrullas más beligerantes contra otras comunidades. En muy pocas ocasiones las PAC actuaron solas. Los patrulleros de Xococ pidieron fuerzas de Cobán, entonces vinieron los soldados. Caso 0537, Agua Fría, Uspantán, Quiché, 1982. Los miembros de las PAC salían a rastrear y patrullar las montañas para encontrar guerrilleros. También fueron utilizados como guías, dado su conocimiento del terreno, pero también como una forma de defenderse de posibles ataques de la guerrilla. En la mayoría de las ocasiones los miembros de las PAC fueron obligados a ir delante de los soldados y eran los primeros en caer en las minas o las emboscadas. Lo que más se sintió participando en la patrulla es el temor, porque al salir al frente del Ejército, el Ejército nunca iba adelante, siempre iba la patrulla como anzuelo, allí existía el temor de un ataque en cualquier momento. Taller Nentón, Huehuetenango, 18-10-96.
2.2.3.3  Las capturas de población
En el marco de los operativos de persecución en la montaña, las PAC colaboraron con el Ejército en las capturas, muchas veces masivas, especialmente en el área ixil y en Alta Verapaz. Además, realizaron capturas más selectivas dentro de las mismas comunidades. Una de las formas en las que actuaron fue la búsqueda de supuestos colaboradores de la insurgencia, cuyos nombres figuraban en listas previamente elaboradas. Sin embargo, esas capturas no se dirigían solo contra los presuntos colaboradores, sino que tenían también una dimensión de terror ejemplificante, dado que se reportan casos de detenidos y asesinados que no eran los buscados (sus nombres eran parecidos, resistieron a las acciones etc.). En muchas comunidades, los patrulleros se presentaron acompañados de otros vecinos que denunciaron a gente de su comunidad. Los acusadores actuaban en general encapuchados, aunque en algunos casos mostraban signos evidentes de que habían sido brutalmente torturados. Los formaron. Ellos tomaron la lista, hubo un rezo de la fiesta de la agonía. Los dejaron en dos pozos, 34 hombres, dos traían del pueblo que empezaron a abrir el hoyo, los cuidaban, cubrieron toda la aldea. Quedaron los 32 hombres que son catequistas. Estos hombres son los que empezaron a trabajar con la iglesia. El 18 de enero de 1982 entraron bastantes soldados, civiles en Chirrum,... el mismo comandante de Chirrum tenía la lista. Caso 7463, Chichupac, Rabinal, Baja Verapaz, 1982-83.
2.2.3.4  Masacres y asesinatos
Las PAC cometieron numerosos asesinatos en las propias comunidades. La mayoría de esas acciones se realizaron, según los testimonios, sin antecedentes previos que implicaran a las víctimas en acciones militares de la guerrilla. Es posible que una parte de ellas fueran miembros de la infraestructura guerrillera en muchas comunidades (FIL), pero también las ejecuciones tuvieron un carácter indiscriminado y se perpetraron contra cualquier sospechoso, en medio de un despliegue desmedido de fuerzas, en una situación de completa indefensión de las víctimas y muchas veces delante de sus familiares. El primero de noviembre de 1982, a las 6 de la mañana, fueron sorprendidos por las PAC [de la finca San Francisco, Santa Avelina, Pamaxán] cuando dormían en un lugar escondido y empezaron a salir corriendo. Cuando se agotaron de correr entre el monte, las PAC les alcanzaron: en el mismo lugar quedaron matados a puro machetazos. Pedazos ya por pedazos tirados donde fueron matados. La hija mayor fue torturada y violada hasta las 12 del medio día la mataron. Caso 3931, San Pedro La Esperanza, Uspantán, Quiché, 1982.
2.2.3.5  Controlar los movimientos
Otras de las funciones de las PAC fueron la vigilancia y el control de los miembros de sus propias comunidades, quienes ya no podía moverse libremente dentro de ellas o salir a otras para trabajar, intercambiar sus productos, o visitar a sus familias o amigos. Para poder hacerlo era preciso que el comisionado o el comandante de la patrulla autorizara la salida y extendiera un pase, con el cual debía presentarse ante las autoridades militares de la localidad hacia la que se movilizaba. Nosotros ya no podíamos entrar en el pueblo ya que nos estaban esperando y nos controlaban los de las PAC, cuando entrábamos en el pueblo nos exigían nuestros documentos personales. No podíamos salir de dos o tres porque nos trataban de guerrilleros. Caso 0544, Aldea Río Negro, Rabinal, Baja Verapaz 1982.
2.2.3.6  Beneficios del saqueo
Especialmente en las masacres e incursiones militares, las PAC saquearon las comunidades que arrasaron, robando bienes, ropa, alimentos, animales etc. En algunas ocasiones esas acciones se dieron en las aldeas despobladas cuyos miembros ya habían huido; en otras, en cambio, la ceremonia del despojo precedió o siguió a los asesinatos masivos. Se llevaron nuestras cosas, gallinas, reses. A los ocho días de haberse ido, sacaron sus cosas y le echaron fuego. Sacaron café, dulce, cama, amueblados, tenía bestias, no dejaron ni un santo parado. A mi hija que mataron ya no tenía ropa. Se llevaron doce vacas paridas, mi perol lo destruyeron, mi máquina de caña, a tres casas les echaron fuego. Empezaron a llevar nuestras ropas nuevas, gallinas, vacas, lo comieron cerca de la clínica, se llevaron una mi vaca gorda, pelaron mi vaca, se la comieron los soldados y civiles. Cortaron nuestra milpa, guineos, caña; se llevaron cortes, fajas, azadones, machetes. Caso 7463, Chichupac, Rabinal, Baja Verapaz, 1982-83.
2.2.3.7  Solidaridad y resistencia
A pesar del impacto que tuvieron las PAC en las comunidades y la implicación de muchas de éstas en graves violaciones de los derechos humanos, en algunas ocasiones se dieron procesos de apoyo mutuo y resistencia entre sus miembros para evitar las consecuencias negativas de ser acusados o para sobrellevar colectivamente la obligación de patrullar, dándose expresiones de solidaridad, como por ejemplo, la de cubrir las ausencias en los turnos de ronda en caso de enfermedad etc. Estas acciones fueron factibles en los sitios en los que los patrulleros no habían asumido la ideología contrainsurgente y realizaban la patrulla como una forma de mantener su cohesión y evitar las acusaciones contra la comunidad. Algunos patrulleros ayudaron a las familias afectadas a buscar a las víctimas o les trataron de proteger de situaciones de mayor peligro aprovechando el cargo que desempeñaban. La madre vio que no llegaba su hijo (que era patrullero), fue con el grupo de patrulleros que está de turno y les dijo: ¿qué han hecho con mi hijo?, ¿dónde lo fueron a dejar? Entonces uno de ellos ayudó a buscarlo. Uno de los patrulleros quiso levantar el cadáver, pero ya no se pudo porque murió y vieron que tenía torturado el pescuezo, lo golpearon. Caso 362, Cantón Racaná, Santa María Chiquimula, Totonicapán, 1984. Incluso, en algunos casos, la defensa de personas de la comunidad llevó a algunos patrulleros a enfrentarse a los soldados o hacer gestiones para la libertad de miembros de sus comunidades. La esposa del comandante de las PAC nos dio cinco libras de maíz para hacer algunas tortillas, ya que ellos estaban para venir al destacamento con otros hombres, a hablar por sus compañeros detenidos. Cuando llegaron, dijo el capitán: allí vienen el resto de guerrilleros. Poco faltó para que murieran. Cuando entraron, eran don Marcos Sical y sus acompañantes (patrulleros) que se quedaron vivos en la comunidad. Caso 3069, Chua Tiox Chee', Concul, Rabinal, Baja Verapaz, 1981. A pesar de que estas conductas de solidaridad fueron muy limitadas, muestran los mecanismos de adaptación que desarrollaron algunas comunidades como una forma de defender su vida. También hubo respuestas de rechazo o lucha contra la obligatoriedad de las PAC. A partir de 1986 algunas de esas formas de resistencia a las PAC dieron lugar al inicio de un incipiente movimiento social, el Consejo Étnico de Comunidades Runujel Junam (CERJ), que poco a poco fue consolidándose y que fue, durante la primera parte de la década de los 90, la expresión organizada de un rechazo abierto cada vez mayor a las PAC que llevó a su disolución en 1996.

2.2.3.8  CAPITULO TERCERO
2.3  2.3. LOS MECANISMOS DEL HORROR
Este capítulo trata de ofrecer algunas respuestas a la pregunta de cómo han sido posibles las atrocidades cometidas en Guatemala. Develar algunos de los mecanismos utilizados puede ayudar a plantear los cambios necesarios en los aparatos de seguridad del Estado y el Ejército para hacer que el deseo compartido y la reivindicación de nunca más, se concrete en medidas que lo hagan posible. Se analizan algunos de esos mecanismos, a partir de los testimonios de personas que han formado parte del Ejército, cuerpos de inteligencia y las PAC, y que fueron recogidos por el Proyecto REMHI. Se recogen también algunos datos sobre las acciones de la guerrilla contra la población civil. El impacto de los procesos de militarización de la sociedad guatemalteca va mucho más allá de la finalización del conflicto armado y tiene consecuencias importantes en el futuro, tanto desde el punto de vista de la formación de los cuerpos de seguridad, la impunidad, la educación en la violencia y el mantenimiento de estructuras clandestinas de poder.
2.3.0.1  Reclutamiento forzoso
Durante la mayor parte del conflicto armado, el Ejército se nutrió de soldados por medio del reclutamiento forzoso.27 La mayor parte de los soldados son jóvenes, pertenecientes a las clases bajas y, en un porcentaje muy elevado, provenientes de las distintas etnias mayas. Desde la revolución liberal, sin embargo, prácticamente la totalidad de los oficiales han sido ladinos formados en academias militares y escuelas de tropas especiales. En todo el período de formación militar, los soldados estuvieron bajo condiciones de gran presión psicológica. Desde su captura como parte de la práctica del reclutamiento forzoso, fueron entrenados en un sistema de despojo de su identidad, basado en la sumisión absoluta, el aislamiento de su contexto social y su entrenamiento en un sistema de valores y prácticas ajeno a cualquier consideración de los derechos humanos o el derecho internacional humanitario.
En ese entonces agarraban a la gente para prestar sus servicios. El que no prestaba su servicio era de la guerrilla. Te matamos, decían. Nosotros dijimos que entonces mejor vamos. Hicimos un grupo de unos veinte de la aldea, nos decidimos a prestar servicio, nos venimos. Era el primer batallón que se presentaba. Caso 9524, Barillas, Sololá, Quiché, s.f . Otros jóvenes, que fueron reclutados de forma voluntaria, relatan también el contraste entre la imagen que tenían del Ejército y los cuerpos de seguridad, y la práctica que se encontraron una vez dentro. Los que entramos voluntariamente íbamos con una mentalidad diferente de lo que era el Ejército, verdad, pero cuando empecé a ver las prácticas, qué era lo que estaban haciendo realmente, entonces quise retractarme, pero me dije: si me voy a la mierda, estos me matan, porque ya vi mucho. Caso 1871 (ex-G2) Varios Lugares, 1981-84. Sin embargo, a pesar del riesgo que suponía, muchos soldados que fueron reclutados a la fuerza se resistieron a seguir formando parte del Ejército. La deserción parece haber sido una práctica frecuente, a pesar de los duros castigos aplicados a los que eran capturados después.
Las tropas especiales Los grupos de inteligencia y tropas especiales se acrecentaron con los soldados que habían terminado su formación militar y tenían experiencia en acciones armadas. Esa selección se hizo en función de las habilidades que el Ejército consideraba importantes para la lucha contrainsurgente, básicamente para tareas de control de la población y disposición a la obediencia absoluta. Los beneficios económicos no se derivaban sólo del ascenso en la escala jerárquica, sino también de las ventajas que obtenían de su posición de poder muchos de los miembros del Ejército y de los cuerpos de inteligencia. El poder de coacción que suponía la simple tenencia de credenciales militares, otorgaba al portador la posibilidad de utilizar las acusaciones y denuncias como una forma de chantaje y obtención de favores personales.
Anibal Pérez y Pajuil entraron a la 2, o sea, entraron al Ejército hace muchos años, entraron como soldados a prestar su servicio militar lo que sucede es que conocían a algunas personas; Pajuil fue el primero, conocía a varias personas entonces ya lo apadrinaron para entrar a la dos, lo recomendaron, como le digo ahí crece alguien si tiene apadrinamiento o funciona demasiado bien, entonces comienza a crecer y a irse para arriba. IC 80, ex-G2, s/f.
2.3.1  2.3.1 La educación en la violencia
Sacamos tres meses que decían eran de estudio llegaron a un polígono nos pusieron a agarrar como trescientos perros, los agarramos y a todos no encerraron, bueno oigan está es la carne que vamos a comer hoy, nos llevaron a un polígono que estaba abajo de la universidad entre rejollada, decimos a matar los perros pues, llenaron una olla de sangre como un tonel, cada quién tenía un vaso desechable con sangre y adentro pues, él que no se lo tomaba, era doble. A todos nos dieron un vaso de sangre de perro. Ese día para que nos comiéramos eso no nos dieron de almorzar eso fue el almuerzo un vaso de sangre, en la comida ya nos dieron un pepián de perro fue por eso que mucha gente desertó, resultaron enfermos esa fue la finalización del curso. Caso 9524, Barillas, Sololá,Quiché, s/f. Detrás la tortura, la violación o las masacres, hay estructuras y prácticas sociopolíticas, pero también mecanismos psicosociales de entrenamiento, valores dominantes y formas de organización que en muchos casos permanecen intactas. Ese sistema explica en gran medida el carácter tan destructivo de la represión política, pero también se manifiesta todavía en la actualidad en numerosas formas de violencia en la postguerra.
Estimular la violencia Para llevar a cabo sus acciones, el ejército desarrolló un sistema de formación de cuerpos militares basado en el reclutamiento forzoso y un entrenamiento en la obediencia, fuerte control de grupo y complicidad en las atrocidades. El Ejército trató de inculcar una ideología en el periodo de entrenamiento de los soldados, que proporcionara un esquema de referencia para la justificación psicológica a las acciones, una cohesión y moral de grupo, y un estado afectivo precondicionado hacia la agresión a cualquier cosa que pudiera estar relacionada con la guerrilla. Según esto, servir al Ejército representaba un bien inmediato y positivo en sí mismo para el beneficio del país. El diseño de esta representación social del conflicto presentaba al Ejército como víctima; en él se aribuyó a la acción de la guerrilla la pobreza del país y desarrolló la exaltación de la patria como un ente superior que requiere la ayuda de todos frente a la amenaza exterior del comunismo.
Es que allí le meten a uno ideas turbias. Por ejemplo, le dicen a uno que en Guatemala "no hay que dejarnos vencer, nada por el comunismo, que el comunismo viene a quitar tierras y todo esto, viene a explotar, viene a hacer esto y viene a hacer este otro". Entonces ahí más que todo le lavan el coco a uno, pues, le lavan el coco bien, a ver cómo está el movimiento. Les dijeron: "Mirá, fijate que esto y esto". Y ya el soldado se indigna y dice: "Pues sí, los causantes de esto son los guerrilleros y por eso es que Guatemala está pobre". Y comienza uno a reaccionar, pero ¿por qué? Porque le lavan el coco antes. "Mirá, fijate que la guerrilla viene a ser esto". Y ahí lo entrenan, pues a todo eso, de que uno no más dice que se eche uno pues enemigos del pueblo, pues, de todo el país. Y ya cuando uno está entrenado y todo eso, dice: "es cierto". IC 80, ex-G2, s/f. La violencia fue un valor recompensado y se convirtió en una norma social del grupo. Los relatos sobre el refuerzo de la crueldad, mediante ascensos o premios, muestran claramente el objetivo del entrenamiento y funcionamiento de grupo militar.
Uno de los mecanismos más importante para el ascenso y la mejora de la posición interna fue no sólo el grado de cumplimiento de las órdenes, sino sobre todo, el grado de crueldad en la realización de las tareas encomendadas. La capacidad de matar, de tener iniciativas propias en el contexto de masacres, o de crueldad demostrada en las acciones fueron así las cualidades que primaban implícitamente en el Ejército y otros cuerpos de seguridad. La competitividad interna por subir puestos en la escala supuso un estímulo añadido para que los agentes y oficiales se involucraran más en la represión, generando un sistema de perversión en el que el desprecio por la vida se convirtió en el primer valor para ascender. Eso muestra también el grado de involucramiento de los oficiales y cuadros medios, ya que no podía ascenderse en la escala jerárquica si uno no se comprometía en esas acciones.
2.3.1.1  Controlar la obediencia
En los casos de desobediencia a las órdenes, la práctica de fuertes castigos físicos, el aislamiento en calabozos y las ceremonias de degradación, estuvieron a la orden del día. Sin embargo, en muchos casos no sólo estuvieron dirigidas en contra del transgresor de las órdenes, sino que involucraron al grupo con castigos o penas colectivas si se daban transgresiones individuales a la norma. El control en parejas se convirtió en un mecanismo privilegiado que estimulaba la vigilancia entre sus miembros y la responsabilización de cualquier acto que pudiera salirse de las reglas establecidas, convirtiéndose en un sistema de delación interna.
Digamos si a usted le decían mate a este, usted no podía decir no lo hago, porque ya nos habían inculcado de que una orden se cumple y no se discute. Caso 1871 (ex-G2), Varios lugares, 1981-84. La compartimentación total de las acciones permitió a los aparatos represivos contar con un sistema eficaz para desarrollar su actividad limitando al mínimo los riesgos de desobediencia, lo que aumentó el grado de conformidad con la función asignada y el sistema jerárquico. Para ellos, el refugiarse en una determinada tarea operaba como un mecanismo de conformidad que no cuestionaba la ética ni la estima de la persona.
Este sistema permitía también una colaboración creciente de las personas involucradas en la represión, generando una escalada en su participación. Este fenómeno, conocido en psicología como "pie de puerta",28 fue utilizado de forma planificada y sistemática no sólo para aumentar la obediencia, sino también el grado de conformidad con las tareas represivas. En el caso de sentirse demasiado involucrados o generarse contradicciones entre los propios victimarios, éstos se enfrentaban al riesgo de su propia muerte, ya que no podían dar marcha atrás en sus acciones.
Para ganar puntos en La Oficina te hacen pruebas que van eliminando a gente. Te manchan las manos de sangre. Eso es lo importante para que vos seas leal, ya que entonces no tenés cómo zafarte. O si querés zafarte te matan. Ellos te mandan a matar para comprometerte, para probarte. Ellos te ponen un blanco. Entrevista con Noel de Jesús Beteta Alvarez. 7/4/94. Centro Preventivo de la Zona 18. Fundación Myrna Mack. Por si los mecanismos ya mencionados no fueran suficientes, el Ejército organizó sesiones de refuerzo de grupo para realizar compromisos explícitos de fidelidad colectiva, verdaderos "pactos de sangre" que trataban de controlar cualquier tipo de disidencia, haciendo ver las consecuencias negativas que podrían tener para todos y basándose incluso en los juicios que en otros países de Latinoamérica se estaban realizando en contra de las autoridades militares comprometidas con la represión. Cuando estaba el problema en Argentina, cuando en los tribunales se plantaba un soldado a decirle a fulano de tal que se acordara de lo que había hecho, nos reunían a nosotros y pasaban los videos y nos sacaban las prensas de allá de Argentina, que jamás se debería de permitir que eso sucediera aquí en Guatemala, eso ya hace 10 años, ¿por qué? porque tenía miedo, o sea, que van inculcando y van preparando a la gente para que no los traicione, porque aunque digan la verdad esos no traicionan. Hay muchas reuniones de oficiales para hacer llamadas de atención. Exacto, entonces eso era lo que estaban inculcando que no se fuera a perder el poder y que no nos fuéramos a comer unos con otros, esa es la idea. Y yo creo que lo han logrado porque hasta el momento no se ha visto eso. IC 80, ex-G2, s.f.
2.3.1.2  Forzar la complicidad
En un intento de forzar la complicidad de los oficiales jóvenes que podían mostrar algún grado de resistencia a participar en las atrocidades, el Ejército desarrolló un sistema de operaciones destinado a involucrarles desde el primer momento. Según algunos testimonios, eso impidió la infiltración por parte de la guerrilla. En muchos casos, el asesinato de vagabundos, o presuntos delincuentes, se convirtió en una forma de "limpieza social" entremezclada en las acciones de tipo contrainsurgente.
Las operaciones psicológicas que le hacen a la gente que trabaja allá, la comprometen de tal manera para que no pueda hablar. Llegaron y los presionaron y los callaron, los silenciaron, sino compran su silencio con dinero lo compran con represión, con amenazas. Eso fue lo que hicieron, los callaron. Informante clave 80, ex-G2, s.f. El sistema de inteligencia adquirió todas las características de una mafia. Son numerosos los relatos de favores personales que incluían el secuestro o desaparición de personas por conflictos familiares, afectivos, etc. y que eran recompensados con mayor protección, ascensos o devolución de favores. Cualquier cosa se pudo hacer desde él, con tal de que no tuviera efectos negativos en la estructura interna de grupos de poder o, más adelante, en los intentos de ganar legitimación social por parte del Ejército.
2.3.1.3  El desprecio por la vida, el paso de la muerte
La insensibilización frente al sufrimiento constituyó el primer paso del entrenamiento para la ejecución de las acciones violentas. El repudio contra la vida entró a formar parte no sólo del modo en que se desarrollaron las acciones militares, sino también del propio entrenamiento militar, en los que se manifestó el desprecio permanente contra la dignidad y la vida de los soldados. Esta insensibilización también comprendió la celebración y la normalización del horror como una ceremonia festiva. Las atrocidades cometidas fueron muy generalizadas y formaron parte también del sistema de entrenamiento en esos años.
Cuando llegué, me mandaron a Senahú, porque nos íbamos a trasladar a pie a ese lugar. Entonces cuando llegué me bajé y pregunté por los oficiales y no estaban y los de la 2 tampoco, y me gritaron apúrate porque te vas a perder de algo bueno, y cuando yo llegué ya solo tenían a uno de los muchachos que le estaban cortando la cabeza. Eso era lo que yo me estaba perdiendo IC 80, ex-G2, s.f. El aprendizaje del asesinato formó parte tanto del entrenamiento como de la práctica de los operativos militares o secuestros. En el lenguaje de entrenamiento militar se le llamó "el paso de la muerte". Los soldados aprendían las distintas formas de matar, las formas de organizar los asesinatos masivos y el ocultamiento de los cadáveres. ‘Bueno hoy van a aprender cómo se mata a la gente’. Entonces uno hace unos hoyos prácticos, así se hacen los hoyos prácticos, después de estudiar lo teórico. Pero no lo práctico, así de que va a ir a matar a su compañero, sólo le dicen ‘mirá, este se agarra así y se mata así, y se tira así, y tira para allá, pero antes de matarlo se le da vuelta’. Ya después que aprende el ‘paso de la muerte’, le enseñan a matar directamente. Ya se le mete tiro en el pecho o en la frente, tiro de gracia y al hoyo, tranquilo, vas a matar, así ya es un paso que estudiamos, la muerte. Después ya es práctico, ya cuando uno está en su lugar donde le va a corresponder. Se torturaba un día, se torturaba otro día, tercer día, y se dejaba un tiempo que descansara unos ocho días. Siempre se le daba comida pero se limitaba por poco, ah. Entonces a los ocho días, entonces ya se miraba a ver qué se hacía más, y ahí el que daba la orden de muerte era el segundo negociado, el segundo negociado era el oficial S2. Ese en especial da la orden al punto de matarlo, de terminarlo. Caso 1741 (victimario), Izabal, 1980-83.
2.3.1.4  Extender el control
Cuando las expectativas del mando no se vieron respondidas por sus subordinados, o los "especialistas" realizaban actividades fuera de control o habían acumulado demasiada información, fueron eliminados mediante asesinatos. Muchos de los miembros de los servicios de inteligencia han sido con el tiempo víctimas de sus propios compañeros.
Tal vez uno lleva dos ó tres años de trabajar, y aquel lleva 10 ó 12 años, lo llama en silencio, en secreto: "Aquel, hoy en la noche lo vamos a terminar porque no está haciendo nada. Nos lo vamos a echar". Lo invita a una coca-cola a un trago y... se terminó. De la compañía especial, unos ya están muertos, la mayor parte están muertos porque lo andaban cantando: "Yo soy del Servicio de Inteligencia, yo soy esto...", y gritando por las calles y chupando, contando con las mujeres, y a veces lo contaban hasta con mujeres también que estaban metidas adentro de la guerrilla, ellos mismos les daban un arma. Caso 1741, Izabal, 1980-83 El grado de control sobre la vida de los agentes y oficiales implicados va mucho más allá de su participación directa o incluso de su estancia en los cuerpos de seguridad. Se extiende hasta toda la red social que está bajo control del Ejército e implica un comportamiento acorde con el pacto de silencio si no se quieren sufrir tanto atentados a la vida, como bloqueo de las posibilidades de trabajo, etc.
2.3.2  2.3.2. LA PRÁCTICA DEL HORROR
El interrogador no es ningún ente raro, sanguinario o psicópata, carente de sensibilidad (concepto generalizado por desconocimiento de la materia); antes bien es un elemento singular, cuya capacitación en todos los campos de las diferentes ciencias, artes, religiones, costumbres etc. lo ubican en el núcleo de las discrepancias y le permiten profundizar concienzudamente en el complejo mundo interno del mal llamado "Ser Humano". Desarrollo y ejecución de los interrogatorios. Escuela de Inteligencia, Ejército de Guatemala, enero 1980.
2.3.2.1  Las masacres. Anatomía de la destrucción Las razones de lo inexplicable
Los responsables son el Ejército, patrullas civiles de las PAC y el ex comisionado militar. En estos asesinatos participaron 75 elementos del Ejército y cien patrullas de las PAC. Fueron agarrados en el camino. Los torturan y los amarran con lazos de pies y manos. Y en esos hechos, las patrullas de las PAC, les quitaron las ropas antes de matarlos, les quitaron las ropas, les dejaron desnudos allí, empezaron a darles golpes y tortura, allí los arrojaron en el camino. Dejaron el cuerpo de estos dos hermanos tirados en el camino, porque ya no se pueden recoger, ya no se les puede dar sepultura, porque tal vez hubieran buscado alrededor de la víctima si llega otro a recoger y lo matan allí mismo. Caso 3243 Aldea Panamán, Buena Vista, Uspantán, Quiché, 1982 Como parte de la política contrainsurgente, el Ejército, en un intento de destruir la guerrilla y su infraestructura, llevó a cabo una práctica de asesinatos colectivos para eliminar a los supuestos colaboradores (FIL)29 y posteriormente aniquilar globalmente a las comunidades consideradas como su base social, especialmente entre 1980 y 1983. Muchas de esas masacres contaron con la colaboración de población civil militarizada, en algunos casos ya indoctrinada, en otros obligada a participar en las masacres, como Comisionados Militares y Patrullas de Autodefensa Civil (PAC).
A pesar de que las masacres guardan un último nudo de inexplicabilidad (Falla 1983:46), la ofensiva del Ejército, la cadena de masacres y la estructura interna de cada una obedecen a una lógica determinada,30 y no fueron fruto de un impulso reactivo de los soldados u oficiales. Para lograr la finalidad de separar a la guerrilla de la población civil de apoyo, el Ejército desencadenó contra ella masacres masivas e indiscriminadas, persiguiéndola en la montaña donde se escondía, aterrorizándola, sitiándola luego por hambre, después de haber quemado sus casas y cosechas almacenadas y de haber destruido enseres domésticos y robado pertenencias. De esa forma se forzaba a la gente a rendirse y concentrarse en "campamentos especiales". A esta práctica de masacres, persecución, quema y sitio se le ha denominado política de la tierra arrasada. Por su parte, la guerrilla llevó a cabo algunas masacres en contra de grupos de población, y en algún caso toda una comunidad, que se habían posicionado en su contra o que habían sido implicados por el Ejército en la lucha contrainsurgente.
Las masacres
Los testimonios recogidos por REMHI Entre los testimonios recogidos por el Proyecto REMHI, un 24% incluye masacres definidas como asesinatos colectivos de más de tres personas (1570 de 5238 casos). Para este capítulo, sin embargo, hemos utilizado un criterio más restringido, considerando como masacres los asesinatos colectivos asociados a destrucción comunitaria (422 masacres). La comparación con el resto de asesinatos colectivos, que constituyen también masacres pero que podemos considerar más selectivas, ofrece unos resultados similares en cuanto a distribución geográfica, fecha y fuerza responsable. La mayor parte de las masacres analizadas corresponde a los años 81/82 (70%). El número de víctimas de masacres registrado como promedio es de catorce mil personas, entre muertos y desaparecidos, aunque el número máximo es de dieciocho mil. La mayoría de las masacres registradas corresponden al Departamento de Quiché (263). Le siguen Alta Verapaz (63) Huehuetenango (42) Baja Verapaz (16) Petén (10) y Chimaltenango (9), pero también aparecen en otros departamentos (ver anexo), aunque existen seguramente otros muchos casos no recogidos. Los datos sobre las fuerzas responsables revelan la importancia de las masacres como parte de la política contrainsurgente, siendo la participación de los distintos autores: el Ejército aparece implicado en el 90.52% de las masacres (en un 55% como única fuerza, el resto junto con Comisionados Militares y PAC); PAC y Comisionados el 35.54%; (como única fuerza en un 4,5%, resto junto con el ejército); desconocidos el 1.18%; y la guerrrilla el 3.79%.
Los muertos incontables Mataron a varios –mujeres embarazadas, ancianos, ancianas–, nadie vio exactamente cuántos eran, nadie contó por el miedo. Caso 6021, Yoltan, San Mateo Ixtatán, Huehuetenango, 1981. La mayor parte de las veces las masacres produjeron muertes muy numerosas, incluso masivas (31.21% de los casos corresponde a masacres de más de 21 víctimas). La mayoría de las masacres fue indiscriminada, asociándose las víctimas de todos los grupos y edades.31 En los testimonios analizados se recoge una mayoría de víctimas hombres (82%), pero afectaron también de forma mayoritaria a las mujeres (62%). Algunas masacres más selectivas buscaron eliminar específicamente a hombres al considerarlos más colaboradores de la guerrilla.
2.3.2.2  El tiempo de la destrucción
Primero decían que el Ejército no hacía daño, pero al ver que sí destruían la comunidad, quemaban y los que no se defendían los mataban, los quemaban, así muchos se fueron hacia la montaña, así se salvaron. Caso 2512, El Desengaño, Uspantán, Quiché, 1981. La mayor parte de las masacres32 se dieron en un contexto previo de deterioro del clima social, aumento de la represión selectiva y movimientos reactivos de la población que trataba de defenderse de la violencia. El hostigamiento militar previo estuvo relacionado con asesinatos y desapariciones en una gran parte de las ocasiones. En menor medida se recogen ataques previos de la guerrilla o de las PAC.
Es decir, predomina un clima de hostigamiento y represión selectiva congruente con los intentos de descabezar las comunidades o cooperativas y eliminar la presencia guerrillera. Los hechos muestran en la práctica una decisión de terminar totalmente con determinadas comunidades.
El Ejército asesinaba y por eso decidieron colaborar con la guerrilla. La guerrilla aconsejaba a la comunidad. La gente creyó en ellos, cuando supo el Ejército llegó a asesinar a la comunidad. Caso 4922. Aldea Xix, Chajul, Quiché, 1980. El análisis muestra que después de octubre de 1981 hay más testimonios de masacres y se caracterizan por un patrón más indiscriminado (mayor componente de sorpresa, concentración de la población, separación por grupos y mayor persecución en la montaña, entre las víctimas hay un alto porcentaje de mujeres, hay una gran destrucción de la naturaleza y son más frecuentes los enterramientos clandestinos que en la primera época). Todo ello sugiere que después de esa fecha las masacres fueron más importantes, estaban planificadas con mayor premeditación y llevaron a cabo una destrucción más global de las comunidades, en congruencia con la gran ofensiva desarrollada por el Ejército a partir de Chimaltenango hacia grandes áreas del Altiplano.33
El inicio de la muerte
Los soldados llegan por temporadas y se sitúan alrededor de la Iglesia, el lugar más alto, allí estaban controlando, así estaban esperando, con armas como si fueran a esperar animales. Caso 1640, Sechaj, Los Pinares, Alta Verapaz,1982. El factor sorpresa fue un elemento muy frecuente de las masacres (52%), lo cual sugiere que formó parte del modo de actuación preestablecido para llegar en un momento en el que fuera posible agarrar al mayor número de gente y hacerse con el control total de la aldea. El clima de control y tranquilidad con que se realizaron muchas masacres, así como la ausencia de referencias en los testimonios, supone una constatación de que el Ejército no contó con resistencia armada en las comunidades.
En otros casos, la huida de la población al ser consciente de la situación, contribuyó a evitar posiblemente nuevas masacres, como en el caso de Mayalán (Ixcán) donde después de las masacres de Cuarto Pueblo y Piedras Blancas, el Ejército encontró despoblada la comunidad.34
Empezamos a poner vigilancia para estar pendientes del Ejército, cuando llegó el Ejército algunos estábamos reunidos y empezaron a balear y quemar casas, únicamente a una mujer embarazada mataron, y todos salimos a la montaña. Caso 8074, Mayalán, Ixcán, Quiché, 1980. La práctica de concentrar a la población aparece en una de cada tres masacres, relacionada con el terror ejemplificante y como forma de engaño con un grado extremo de perversidad. Vinieron el Ejército, ellos hicieron una reunión, dijeron que iban a regalar juguetes, pues dieron sus muñecas a los pequeños, pero no les regalaron a todos. Después nos reunieron a nosotros los hombres, nos colocaron en fila, nos pidieron la cédula. Pues dieron los regalos y los soldados habían colocado un tanque por si alguien se huía. Caso 7446, Chichupac, Baja Verapaz, 1982. Por otro lado, la persecución en la montaña aparece como tercer factor en orden de frecuencia (17%), mostrando de una manera indiscriminada el objetivo de terminar con la gente. Si bien la persecución en la montaña formó parte del patrón de actuación del Ejército en muchas zonas (en Alta Verapaz, Ixcán, área Ixil, Huehuetenango,etc.), en algunos casos –como en las grandes masacres de Chimaltenango y las Guacamayas– ese patrón fue el aspecto central, dado que se fueron desarrollando contra gente indefensa en medio de la huida.
La búsqueda de personas con listas es característica de masacres más selectivas de líderes o personas acusadas de pertenecer a la guerrilla.
Nos dice el Ejército que hay guerrilleros entre nosotros y llevan una lista, lee una lista, preguntamos quién pues, y menciona los nombres y les dañaron. Llevaron a los capturados y los asesinaron. Caso 1369, Tzununul, Sacapulas, Quiché, 1981. Una de cada seis masacres analizadas se realizó en día señalado para la comunidad. Ya fuera en día de mercado, de fiesta, o de reuniones de carácter religioso, los ataques en días señalados trataban de aprovechar la concentración de población para desarrollar de manera más masiva sus acciones y en algunos casos tenían un claro significado simbólico (día de navidad en Palop, Bijolom y Quejchip, en el área de Nebaj). Este aspecto, junto con la concentración de la población, y el control de la situación mostrado por el Ejército, muestra que las masacres fueron el resultado de una planificación. La masacre de Cuarto Pueblo (Ixcán, 1982), por ejemplo, duró tres días: no fue el resultado de un momento irreflexivo en el combate. Según los testigos, existió comunicación continua por radio con la base y el helicóptero unía a ésta con el operativo. La línea de mando se elevaba hasta los niveles superiores: la masacre fue el resultado de planes estratégicos y tácticos que la tropa cumplió y los oficiales dirigieron en campaña. Primero llegó el helicóptero sobrevolando Cuarto Pueblo. Al principio la gente se asustó y se retiró, pero el helicóptero se fue y la gente volvió a juntarse en el mercado, no sabían que los soldados se estaban acercando y rodearon a la gente. Los tuvieron como dos días reunidos y los soldados les metían alambre caliente del fuego, rojo, rojo, lo trabaron en la boca, se metió hasta la panza. A otros los patearon, no importaba si era chiquito o si era mujer, o si estaba embarazada, ahí no hay perdón para nadie. Caso 920, Cuarto Pueblo, Ixcán, Quiché, 1982. El camino de las masacres
Junto con la quema y destrucción de las casas, las torturas y atrocidades masivas cometidas (56%) y las capturas de la población (52%) aparecieron en más de la mitad de las masacres analizadas.
Corre afuera la manteca quemando, ve, como corre la manteca de las pobres mujeres. Parece como cuando estaba lloviendo que viene el agua en las zanjas. Como viene así la manteca pura agua. ¿Y qué es eso?, pensaba yo cuando entré, pura manteca está saliendo de las pobres mujeres, pura agua sale. Caso 6070, Petanac, Huehuetenango,1982. La destrucción de la naturaleza (quema y destrucción de siembras y animales, 30%) y los robos y saqueos (23%) dan a las masacres el carácter de destrucción total que llega a la tierra arrasada Después de todo esto, cuando han matado ya a mucha gente, entonces los comisionados de varias aldeas alrededor de Cahabón, se juntaron y con los soldados, pues, llegaban a recoger todo lo que tenían aquellas personas: sus machetes, sus ropas nuevas, naguas nuevas, azadones, piedras de moler, sus cubetas y todo lo que les servía a las personas en su casa de habitación, se los llevaron, se los llevaron todo los comisionados que se juntaron. Caso 5931, Sechaj, Pinares, Alta Verapaz 1982. Los enterramientos en fosas comunes, a menudo excavadas por las propias víctimas, se describen también en una parte importante de los testimonios (17%). Estos enterramientos clandestinos en fosas comunes fueron utilizados muchas veces como una forma de ocultar las pruebas de los asesinatos. En ocasiones, sin embargo, el Ejército recurrió a otras formas de ocultamiento de los hechos. Comenzaron a acarrear a los muertos y fueron a abrir un hoyo en los astilleros, ahí fueron a meter a todos, aproximadamente como 70 personas se quedaron con las patas para arriba y las manos. Bueno, se acabó eso. Dicen que al segundo día la gente fue a sacar a todos, qué triste. Los amarraron a todos y les vendaron a todos los ojos, los fueron a matar en Armenia Lorena. Yo lo ví, fueron torturados, quemados, con plomo. Cuando comenzó la noche los sacaron a tirar abajo de los puentes, se encargó un camión de meter a todos y en cada puente dejaban aventados a dos o tres. Se fueron por todo el rumbo a Coatepeque regando. Injustamente los mataron a todos, se murió la gente de Tibuj, donde decían que había una cooperativa de guerrilleros, hasta aquí a saber, no sé yo. Ahí fue otra masacre que hubo igual a la de Sacuchum, Dolores en Armenia Lorena. Caso 8649, Sacuchum Dolores, Tiubuj, San Marcos, 1982. En otras ocasiones las masacres se dieron en el marco de operativos a gran escala con gran despliegue de fuerzas militares y apoyo de la aviación que bombardeó esas zonas. Al menos una de cada nueve comunidades analizadas sufrió bombardeos asociados a masacres, ya fuera en los días anteriores o después del bombardeo. Las regiones más bombardeadas fueron las comunidades del área ixil y Sacapulas en Quiché, algunas zonas de Baja Verapaz (Las Vegas etc.) y de Huehuetenango. Ya cuando el Ejército sacó a toda la gente de Palob, lo cual sería en la primera masacre. Entonces se tuvo que retirar toda la gente, se retiraron mas de 300 familiares de ese lugar para defender la vida. Pero el Ejército los persiguió y los encontró arriba de donde estaba la aldea, allí los encontró, los bombardeo y masacró a la mayor parte de la gente. Caso 7727, Palob, Nebaj, Quiché, 1982. Algunas comunidades sufrieron con especial crudeza un estado permanente de hostigamiento y masacres repetitivas. Al menos una de cada nueve masacres tuvo antecedentes de masacres en la misma comunidad. Ese patrón se dio especialmente en las cooperativas de Ixcán Grande, contra la población ixil (en lugares como Palop, Salquil, Xeucalbitz, Chel) y en zonas de refugio en Uspantán.
Vivir después de la muerte Después de la masacre lo más frecuente fue que la gente huyera (40%) como forma de defender su vida, ya fuera a la montaña, al exilio o a otra comunidad.
Pero el Ejército nos estuvo matando, saber cuántas gentes mataron. Estuvimos como año y medio sólo en las montañas. No podemos ir a nuestra siembra porque el Ejército nos llega a velar, los patrulleros están por ahí. No podemos salir de las montañas, sufrimos mucha hambre. Caso 3624, Las Guacamayas, Uspantán, Quiché,1982. En los testimonios analizados, una de cada seis aldeas que sufrieron masacres quedó completamente arrasada. Barrieron la comunidad, los que quedaron vivos se fueron, huyeron para las montañas, ya no vivieron allí y todo desocuparon. Otros ya andábamos por ahí, casi dos años fue de sufrir, al huirnos en la montaña, y viera para conseguir algo de maíz, algo para comer, anduvimos va de correr. Caso 8341, Los Josefinos, Petén, 1982. Otra parte importante de las aldeas, cuya situación hacía de ellas algo estratégico para el Ejército, quedó bajo control militar directo (22%). El miedo de los sobrevivientes hizo que muchos se quedaran en la montaña, siendo posteriormente perseguidos, capturados y reubicados. Muchos otros murieron como resultado de la persecución en la montaña35. Por fin, otros lograron refugiarse en lugares muy poco accesibles en zonas de selva o montaña y formar nuevas experiencias comunitarias, como en el área de Alta Verapaz, o las CPR en Quiché y Petén. Y no sólo a nosotros, a varios grupos que les pasó lo mismo: capturaron algunos y mataron a otros, en total hubo una masacre de unos catorce, donde varias mujeres cayeron. A los capturados los tenían concentrados en el centro, y sólo podían ir a trabajar cerquita y siempre pasando por donde está la garita, les cuentan las tortillas, a qué hora sale y a qué hora regresa. Caso 0902, Santa María Tzejá, Ixcán, Quiché, 1982. Muchas veces los sobrevivientes no pudieron volver a sus comunidades. Otras en cambio, después de pasar la situación de mayor peligro, volvieron a interesarse por sus familiares, recoger sus pertenencias, o tratar de salvar a los que quedaron heridos. Eso hizo que muchos de ellos, en medio del miedo y la tristeza, fueran testigos de la devastación de su vida. Ahí fue donde acabaron con esas personas, cuando terminaron de dejar esa gente. Había mucho humo y que olía mucho. Entonces fuimos a ver, tanta gente estaba ahí entre pajones, en la orilla de los ríos, algunos que todavía estaban casi vivos, pero ya no podíamos hacer nada por ellos, porque estaban sangrando mucho. A otros todavía les palpitaba el corazón. Caso 2295 Lajcholaj, San Rafael Independencia, Huehuetenango, 1981.
2.3.2.3  Las masacres de la guerrilla
Casi todas las masacres de la guerrilla se dieron en 1982 cuando ya imperaba una mayor militarización con presencia generalizada de las PAC en las comunidades36. En muchas de ellas, las víctimas refieren la no-colaboración con la guerrilla como causa de la masacre. En algunos casos se dio el antecedente de un ataque previo de PAC (2/12).
(Los hechos sucedieron) porque un día antes de la masacre fueron los patrulleros a buscar a los guerrilleros hacia donde se encuentran acampados por arriba de la comunidad de Panamán, los patrulleros de la aldea trajeron mochilas con papelería, overoles y biblias. Caso 8741, Lancetillo, Uspantán, Quiché, 1982. En las masacres atribuidas a la guerrilla no aparece el uso de delatores, ni concentración de la población, ni la separación por grupos, ni orgía; tampoco se da ningún caso de obligación a participar, ni violaciones, ni masacre repetitiva. No aparecen casos de aldeas arrasadas y muestran una menor tendencia a huida masiva, aunque ésta si se dio en algunos casos (3/12). También en las masacres de la guerrilla documentadas por el Proyecto REMHI es más frecuente el uso de listas (5/12). Todo ello muestra un patrón más selectivo de los asesinatos colectivos, que lo diferencia globalmente de las masacres orientadas a eliminar la comunidad. Y don Domingo cuando se dio cuenta ya estaban cerca de la casa y agarró su niña, salió corriendo de la casa junto a su esposa, ya habían salido como unos cien metros de la casa cuando dispararon y le prendieron fuego a la casa. Caso 8749, Rosario Monte María, Quiché, 1982. En la primera cruz, ahí los mataron (a los 32). No que cualquier gente agarraban, sino que cargaban una lista y conforme la lista, y el que no aparecía en la lista, pues no lo iban a agarrar, y zapoteado, pero lo dejaban allí. Caso 4700, La Estancia, Santa Cruz del Quiché, Quiché, 1980. La mayor parte de las veces las víctimas fueron hombres, aunque en algunas ocasiones las muertes tuvieron también un carácter indiscriminado. Las mujeres fueron víctimas en la mitad de las masacres de la guerrilla, en menor medida, se describe la muerte de niños o de ancianos. Llegaron a la casa de Santos buscando a su esposo (Benigno Coc Ixim), pues él era jefe de patrulla. No lo encontraron en su casa. Este grupo armado ametralló y mató a su mamá y más cuatro hermanos de Benigno. Luego de allí, este grupo armado siguió cometiendo sus masacres en otras familias. Caso 0703, Lancetillo, Uspantán, Quiché, 1982. La masacre con carácter más indicriminado fue la de Chacalté, en la que fueron asesinadas entre 60-100 personas37. Ellos hablaban en ixil y tenían tapada la cara con pañuelo de color negro; tenían puesta la ropa de color verde, llevaban arma, mochilas y unas armas muy grandes; entre ellos andaban mujeres. Caso 4262, Chacalté, Chajul, Quiché, 1982. Estaba patrullando con otros 10 hombres en un lugar llamado Balama, donde estaba ubicado el juzgado auxiliar. Llegaron los guerrilleros y lo balearon en la frente. Don Diego trató de huir y se fue a esconder en la Iglesia y allí lo mataron. Habían muchos muertos en la Iglesia y mucha sangre se estaba derramando. Caso 4277 Chacalté, Chajul, Quiché, 1982 En los relatos de las víctimas se denuncian también atrocidades y quema de casas cometidas en 5 masacres. En menor medida aparecen la destrucción de la naturaleza (2), los robos (1) y quema de cuerpos (2). Francisco fue baleado en la garita. A Ana le quebraron la cabeza con un palo y Domingo Guzmán. Caso 4264, Chacalté, Chajul, Quiché, 1982. Como consecuencia de esas masacres se produjo un aumento de la colaboración de la población con el Ejército y el refuerzo de las PAC. Sin embargo, en algunas ocasiones esas comunidades sufrieron también posteriormente nuevas masacres a manos del Ejército (como Chacalté en 1985). Entonces empezaron a colaborar con el Ejército toda la gente de aquí, pues. Caso 8800, Lancetillo, Uspantán, Quiché, 1982. Tuvieron que organizarse (en las) PAC y se tuvieron que reunir en una sola comunidad, ya no pudieron vivir separados porque los mataban, tuvieron que apoyarse unos a otros. Caso 8734, Rosario Monte Maria, Quiché, 1982.
2.3.2.4  LISTADO DE MASACRES
Cuando se trabajó el análisis de las masacres contábamos testimonios que documentaban 410 masacres. En el transcurso de la elaboración del Informe, fuimos documentando otras masacres, por lo que este listado reporta un número mayor que las que fueron analizadas. Las fechas que fueron anotadas corresponden a las fechas más frecuentemente señaladas en los testimonios, considerando que el recuerdo de las personas no siempre retiene ese dato con fidelidad.
LUGAR FECHA FUERZA 1 GUATEMALA (ciudad), GUATEMALA, GUATEMALA 1-80 Ej,Pol 2 RABINAL (ciudad), RABINAL, BAJA VERAPAZ 9-81 Ej,Pol,CM,PAC 3 PICHEC (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 1-82 Ej,Pol,CM,PAC 4 CHIXIM (caserío), CHUATEGUA (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 7-82 Ej 5 CHICHUPAC (caserío), XEABAJ (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 1-82 Ej,Pol,PAC 6 PLAN DE SANCHEZ (caserío), RAXJUT (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 7-82 Ej,Pol,CM,PAC 7 VEGAS SANTO DOMINGO (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 11-81 Ej,Pol,CM,PAC 8 XOCOC (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 2-82 Ej,CM,PAC 9 BUENA VISTA (caserío), XOCOC (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 4-82 Ej,Pol,CM,PAC 10 CHIRRUM (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 1-82 Ej,Pol,PAC 11 RIO NEGRO (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 2-82 Ej,CM,PAC 12 LOS ENCUENTROS (caserío), RIO NEGRO (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 4-82 Ej,PAC 13 PANACAL (aldea), RABINAL, BAJA VERAPAZ 9-81 Ej,PAC 14 LAGUNA CHISAJKAP (caserío), CUBULCO (villa), CUBULCO, BAJA VERAPAZ 2-82 Ej,PAC 15 SUTUN (aldea), CUBULCO, BAJA VERAPAZ 11-81 Ej,PAC 16 RANCHO BEJUCO (caserío), PACOC (aldea), EL CHOL, BAJA VERAPAZ 7-82 Ej,CM,PAC 17 EL APAZOTE (aldea), EL CHOL, BAJA VERAPAZ 8-82 Ej,CM,PAC 18 ROCJA PASACUC (caserío), COBAN (ciudad), COBAN, ALTA VERAPAZ 9-81 Ej,PAC 19 SAN JOSE RIO NEGRO (finca), COBAN (ciudad), COBAN, ALTA VERAPAZ 1-81 Ej,CM,PAC 20 EL PETATE (finca), COBAN (ciudad), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej,PAC 21 SACAAL (aldea), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 22 SANIMTACA (FINCA) (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 6-83 Ej 23 SACACHE (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 24 SACOMUN (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 7-80 Ej 25 SACHAL (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-81 Ej,PAC 26 CHAMA (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-81 Ej,PAC 27 SALQUIL (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 28 CRUZ RAXMAX (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 29 EL PAIZAN (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej,CM,PAC 30 Cooperativa SAMAC (finca), COBAN, ALTA VERAPAZ 6-83 Ej,CM,PAC 31 CHIQUIGÜITAL (aldea), SANTA CRUZ VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 10-81 Ej 32 PAMBACH (caserío), CHIQUIGÜITAL (aldea), SANTA CRUZ VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 6-82 Ej 33 SAN CRISTOBAL VERAPAZ (municipio), ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 34 LAS PACAYAS (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 3-79 Ej 35 EL CONGUITO (caserío), LAS PACAYAS (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-81 ?? 36 NAJTILABAJ (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 37 CHIRREXQUICHE (caserío), NAJTILABAJ (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 12-82 Ej,PAC 38 CHITUJ (caserío), NAJTILABAJ (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 3-82 Ej,PAC 39 CHITUJ (caserío), NAJTILABAJ (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 11-82 Ej,PAC 40 SAN LUCAS CHIACAL (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 6-83 Ej,PAC 41 SAN LUCAS CHAAL (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej 42 SANTA INES CHICAR (finca), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej 43 SANTA INES CHICAR (finca), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-81 Ej 44 KATALJI (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej 45 SAN ISIDRO (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej 46 SANIMTAKAJ (aldea), SAN CRISTOBAL VERAPAZ, ALTA VERAPAZ 0-80 ?? 47 TAQUINCO (caserío), CAHABONCITO (aldea), PANZOS, ALTA VERAPAZ 2- 0 Ej 48 PANZOS (PUEBLO) (aldea), PANZOS, ALTA VERAPAZ 5-78 Ej,CM,EM 49 YALIJUX (caserío), SENAHU (pueblo), SENAHU, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej,CM 50 OXLAJUJA (TRECE AGUAS) (finca), SENAHU, ALTA VERAPAZ 0-78 Ej 51 SEMUY (caserío), SETOC (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej,PAC 52 SEMUY (caserío), SETOC (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej,PAC 53 SAIJA (finca), SETOC (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej,CM 54 GANCHO CAOBA (finca), SETOC (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 0-83 Ej 55 CHIQUISIS (caserío), CHIRREQUIM (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 6-82 CM,PAC 56 RAXRRUJA (caserío), YALMACHAC (aldea), SAN PEDRO CARCHA, ALTA VERAPAZ 1-82 Ej 57 CAHABON (pueblo), CAJABON, ALTA VERAPAZ 8-82 Ej,CM 58 CHICHAJ (caserío), CAHABON (pueblo), CAJABON, ALTA VERAPAZ 3-80 CM 59 SALAMTUN (finca), CAHABON (pueblo), CAJABON, ALTA VERAPAZ 0- 0 CM 60 CHI KA'HA (finca), CAHABON (pueblo), CAJABON, ALTA VERAPAZ 0- 0 CM 61 CHAJBELEN (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 8-82 Ej,CM 62 SACTA (caserío), CHAJBELEN (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 0-80 Ej 63 CHIMOXAN (caserío), CHAJBELEN (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 10-82 CM,PAC 64 CHIMOXAN (caserío), CHAJBELEN (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 10-82 Ej,CM,PAC 65 SEGUAMO (caserío), CHAJBELEN (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 9-82 Ej,CM,PAC 66 PINARES (caserío), CANTZUM (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 4-80 Ej,CM,PAC 67 SEBALAMTE (caserío), MARICHAJ (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 5-80 CM,PAC 68 SETZAPEC (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 6-81 Ej 69 SETZAPEC (aldea), CAJABON, ALTA VERAPAZ 6-82 Ej,CM 70 TZIBALPEC (finca), CAJABON, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej,CM 71 CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 1-82 Ej 72 CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 2-82 Ej,PAC 73 SAWACHIL (caserío), CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 8-81 Ej 74 SETZI (caserío), CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 8-82 Ej 75 PECAJBA (caserío), CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej,PAC 76 LAS RUINAS (caserío), CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej,PAC 77 SAN MIGUEL SECHOCHOCH (finca), CHISEC (pueblo), CHISEC, ALTA VERAPAZ 3-82 G 78 XAMAN (finca), CHISEC, ALTA VERAPAZ 10-95 Ej 79 SEAMAY (caserío), REBELQUICHE (ALDEA) (aldea), CHISEC, ALTA VERAPAZ 9-81 Ej 80 SEMANZANA (caserío), CHAHAL (pueblo), CHAHAL, ALTA VERAPAZ 0-82 Ej 81 SAN MARCOS (finca), EL ESTOR, IZABAL 0-82 Ej 82 CAULOTES (aldea), CAMOTAN, CHIQUIMULA 12-81 Ej,CM 83 SACALA (caserío), LAS LOMAS (aldea), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 0- 0 Ej 84 EL MOLINO (aldea), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 0-81 Ej 85 CHUABAJITO (caserío), PATZAJ (aldea), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 0-80 Ej,CM 86 SAN JOSE LAS CANOAS (finca), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 0-83 Ej 87 RETIRO LAS CANOAS (finca), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 8-82 Ej,EM 88 SANTA ANITA LAS CANOAS (finca), SAN MARTIN JILOTEPEQUE, CHIMALTENANGO 5-88 Ej,CM 89 PATZAJ (aldea), COMALAPA, CHIMALTENANGO 0-81 Ej 90 XIQUIN SANAI (aldea), COMALAPA, CHIMALTENANGO 0-82 Ej 91 SAN DIEGO CHIMACHOY (aldea), SAN ANDRES ITZAPA, CHIMALTENANGO 10-82 Ej,CM 92 LA VICTORIA (aldea), OSTUNCALCO, QUETZALTENANGO 0-81 Ej 93 TUICUBNIBE (PARAJE) (finca), CONCEPCION CHIQUIRICHAPA, QUETZALTENANGO 8-84 Ej 94 BARRANCA DE GALVEZ (aldea), SAN MARCOS, SAN MARCOS 8-84 Ej 95 EL TABLERO (aldea), SAN PEDRO SACATEPEQUEZ, SAN MARCOS 1-82 Ej 96 SACUCHUM (aldea), SAN PEDRO SACATEPEQUEZ, SAN MARCOS 0-82 Ej 97 TOJCUTO (aldea), TAJUMULCO, SAN MARCOS 2- 0 Ej 98 BULLAJ (aldea), TAJUMULCO, SAN MARCOS 6-81 Ej,PAC 99 TOTANA (aldea), TAJUMULCO, SAN MARCOS 1-81 Ej 100 TOTANA (aldea), TAJUMULCO, SAN MARCOS 2- 0 Ej,CM 101 VILLA NUEVA (aldea), TAJUMULCO, SAN MARCOS 2- 0 Ej 102 LAGUNA ESCONDIDA (finca), IXCAHUIN (CANTON) (aldea), NUEVO PROGRESO, SAN MARCOS 6-83 Ej 103 EL TUMBADOR (pueblo), EL TUMBADOR, SAN MARCOS 0-81 Ej 104 EL RETIRO (aldea), EL TUMBADOR, SAN MARCOS 0-81 Ej 105 TUIBUJ (aldea), TOCACHE (aldea), SAN PABLO, SAN MARCOS 0-82 Ej 106 SAN NICOLAS (aldea), CHIANTLA, HUEHUETENANGO 4-82 Ej,PAC 107 MIXLAJ (aldea), CHIANTLA, HUEHUETENANGO 0-81 Ej 108 TZALA (caserío), NENTON (pueblo), NENTON, HUEHUETENANGO 7-82 Ej 109 YALAMBOJOCH (aldea), NENTON, HUEHUETENANGO 1-82 Ej 110 SAN FRANCISCO (caserío), YALAMBOJOCH (aldea), NENTON, HUEHUETENANGO 6-82 Ej 111 NUBILA ENTRE 2 RIOS (finca), NENTON, HUEHUETENANGO 6-82 Ej,PAC 112 CATARINA (aldea), JACALTENANGO, HUEHUETENANGO 1-81 Ej 113 LIMONAR (caserío), LA LAGUNA (aldea), JACALTENANGO, HUEHUETENANGO 1-82 Ej 114 TZISBAJ (aldea), JACALTENANGO, HUEHUETENANGO 9-82 Ej 115 LA LIBERTAD (pueblo), LA LIBERTAD, HUEHUETENANGO 0-81 Ej 116 SAN MIGUEL ACATAN (pueblo), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 0- 0 G 117 JOM (caserío), CHENICHAM (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 0-79 Ej 118 COYA (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 6-81 Ej 119 COYA (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 9-81 Ej 120 EL MUL (caserío), COYA (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 10-81 Ej 121 IXLAHUITZ (caserío), COYA (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 7-81 Ej 122 XOCOL (caserío), CHIMBAN (aldea), SAN MIGUEL ACATAN, HUEHUETENANGO 2- 0 Ej 123 SAN RAFAEL LA INDEPENDE (pueblo), SAN RAFAEL LA INDEPENDENCIA, HUEHUETENANGO 7-82 Ej,PAC 124 LAJCHOLAJ (aldea), SAN RAFAEL LA INDEPENDENCIA, HUEHUETENANGO 2-81 Ej 125 SAN MATEO IXTATAN (pueblo), SAN MATEO IXTATAN, HUEHUETENANGO 5-81 Ej 126 NACAPOXLAC (caserío), SAN MATEO IXTATAN (pueblo), SAN MATEO IXTATAN, HUEHUETENAN 7-82 Ej 127 PETANAC (caserío), GUAISNA (aldea), SAN MATEO IXTATAN, HUEHUETENANGO 7-82 Ej 128 CONCEPCION (pueblo), CONCEPCION, HUEHUETENANGO 6-79 Ej 129 JOLOMHUITZ (aldea), SAN JUAN IXCOY, HUEHUETENANGO 10-81 Ej 130 SAN SEBASTIAN COATAN (pueblo), SAN SEBASTIAN COATAN, HUEHUETENANGO 7-82 CM 131 SAN JOSE PUEBLO NUEVO (caserío), SAN SEBASTIAN COATAN (pueblo), SAN SEBASTIAN CO 0-81 Ej 132 LOS ANGELES (finca), BARILLAS (pueblo), BARILLAS, HUEHUETENANGO 5-82 Ej 133 XOXLAC (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 6-81 Ej 134 XOXLAC (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 5-81 Ej 135 NUCA (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 6-82 Ej 136 CANANA (caserío), NUCA (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 7-82 Ej 137 CANANA (caserío), NUCA (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 7-82 Ej 138 EL QUETZAL (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 2-82 Ej 139 PUENTE ALTO (caserío), EL QUETZAL (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 6-81 Ej 140 YOLHUITZ (caserío), JOLOMTAJ (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 6-82 Ej 141 MONTE BELLO MOMONLAC (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 6-82 Ej 142 CENTINELA (aldea), BARILLAS, HUEHUETENANGO 0-82 Ej 143 XENAXICUL (aldea), AGUACATAN, HUEHUETENANGO 0-81 Ej 144 LAS MAJADAS (aldea), AGUACATAN, HUEHUETENANGO 4-80 Ej 145 BUENA VISTA (aldea), SANTA ANA HUISTA, HUEHUETENANGO 1-81 Ej 146 COYEGUAL (aldea), SANTA ANA HUISTA, HUEHUETENANGO 0-80 Ej,CM,PAC 147 CUMBRE DEL PAPAL (PARAJE) (aldea), IXTAHUACAN, HUEHUETENANGO 0-82 Ej 148 SANTA CRUZ DEL QUICHE (ciudad), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 7-82 ?? 149 PAMESABAL (caserío), SANTA CRUZ DEL QUICHE (ciudad), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUIC 1-80 Ej 150 PACHOJ (caserío), SANTA ROSA CHUJUYUB (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 7-81 Pol 151 CUCABAJ (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 12-81 Ej,PAC 152 CUCABAJ (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 8-81 Ej,PAC 153 CUCABAJ (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 0-80 Ej 154 CHICABRACAN (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICH 8-81 Ej 155 CHICABRACAN (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICH 7-80 Ej,PAC 156 CHICABRACAN (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICH 12-81 Ej,PAC 157 CHICABRACAN (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICH 8-81 Ej,CM,PAC 158 CANTON PACHO (caserío), SAN SEBASTIAN LEMOA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUIC 0-81 PAC 159 EL CARMEN CHITATUL (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 4-81 Ej 160 CHUACAMAN (caserío), EL CARMEN CHITATUL (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 12-82 G 161 LA ESTANCIA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 4-80 Ej,CM,PAC,EM 162 LA ESTANCIA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 8-81 G 163 LA ESTANCIA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 8-81 Ej,CM,PAC 164 SUALCHOJ (caserío), LA ESTANCIA (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 0-82 Ej 165 CHAJBAL (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 6-81 Ej 166 CHAJBAL (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 11-81 Ej,Pol 167 XESIC (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 0-81 G 168 XESIC (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 0-81 Ej 169 XESIC (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 7-82 Ej 170 XESIC (aldea), SANTA CRUZ DEL QUICHE, QUICHE 4-82 Ej,PAC 171 CHICHE (pueblo), CHICHE, QUICHE 5-81 Ej 172 CHICHE (pueblo), CHICHE, QUICHE 5-79 Ej 173 CARRIZAL (caserío), CHICHE (pueblo), CHICHE, QUICHE 0-82 Ej,PAC 174 CARRIZAL (caserío), CHICHE (pueblo), CHICHE, QUICHE 0-82 Ej,PAC 175 CHUPOJ (caserío), CHICHE (pueblo), CHICHE, QUICHE 0-82 Ej,PAC 176 TULULCHE (aldea), CHICHE, QUICHE 0-85 Ej 177 AGUA TIBIA (caserío), CHINIQUE (pueblo), CHINIQUE, QUICHE 0- 0 Ej,PAC 178 XIMBAXUC (caserío), CHINIQUE (pueblo), CHINIQUE, QUICHE 0- 0 PAC 179 LA PUERTA (caserío), CHINIQUE (pueblo), CHINIQUE, QUICHE 0-82 Ej,PAC 180 TAPEZQUILLO (caserío), CHINIQUE (pueblo), CHINIQUE, QUICHE 0- 0 Ej,PAC 181 CANTON CUCABAJ (caserío), LA PUERTA (aldea), CHINIQUE, QUICHE 7-81 Ej 182 ZACUALPA (pueblo), ZACUALPA, QUICHE 0-82 Ej,PAC 183 ZACUALPA (pueblo), ZACUALPA, QUICHE 0-80 Ej 184 PIEDRAS BLANCAS (caserío), ZACUALPA (pueblo), ZACUALPA, QUICHE 0-82 Ej 185 CHIXOCOL (aldea), ZACUALPA, QUICHE 0-82 Ej 186 SAN ANTONIO SINACHE (aldea), ZACUALPA, QUICHE 0-82 Ej,PAC 187 SAN ANTONIO SINACHE (aldea), ZACUALPA, QUICHE 5-82 Ej 188 CHAJUL (pueblo), CHAJUL, QUICHE 5-80 Ej 189 CHAJUL (pueblo), CHAJUL, QUICHE 11-81 Ej 190 CHAJUL (pueblo), CHAJUL, QUICHE 9-79 Ej 191 TZITZE (caserío), CHAJUL (pueblo), CHAJUL, QUICHE 2- 0 Ej 192 POI (caserío), CHAJUL (pueblo), CHAJUL, QUICHE 1-81 Ej 193 ILOM (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej,PAC 194 CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-81 Ej 195 CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 1-81 Ej,PAC 196 CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 0-83 Ej,PAC 197 CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-80 Ej 198 AMACHEL (caserío), CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej,PAC 199 JUA (caserío), CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-80 Ej 200 XESAYI (caserío), CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej 201 VIALA (finca), CHEL (aldea), CHAJUL, QUICHE 3-82 Ej 202 XEMAL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-80 Ej 203 PAL (caserío), XEMAL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej,PAC 204 BIJUM (caserío), XEMAL (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-81 Ej 205 XOLCUAY (aldea), CHAJUL, QUICHE 3-82 Ej,PAC 206 XIX (aldea), CHAJUL, QUICHE 1-82 Ej,PAC 207 XIX (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej,PAC 208 CHACALTE (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-85 Ej,PAC 209 CHACALTE (aldea), CHAJUL, QUICHE 6-82 G 210 JUIL (caserío), CHACALTE (aldea), CHAJUL, QUICHE 3-81 Ej,PAC 211 KAJCHIXLAJ (aldea), CHAJUL, QUICHE 5-81 Ej 212 LA ESTRELLA (finca), CHAJUL, QUICHE 2-82 Ej,PAC 213 COBADONGA (finca), CHAJUL, QUICHE 3-80 Ej 214 IXLAJ (aldea), CHAJUL, QUICHE 3-80 Ej 215 XECHULULTZE (aldea), CHAJUL, QUICHE 2-80 Ej 216 SIBANA (aldea), CHAJUL, QUICHE 0-80 Ej 217 BISIQUICHUM (aldea), CHAJUL, QUICHE 0-84 Ej 218 LA PERLA (finca), CHAJUL, QUICHE 0- 0 Ej 219 CPR SIERRA (finca), CHAJUL, QUICHE 0-84 Ej 220 CPR SIERRA (finca), CHAJUL, QUICHE 2-83 Ej 221 CPR SIERRA (finca), CHAJUL, QUICHE 0-88 Ej 222 XOLJA (caserío), CHAJUL, QUICHE 3-82 Ej 223 BATZUL (aldea), CHAJUL, QUICHE 1-81 Ej 224 BATZUL (aldea), CHAJUL, QUICHE 5-82 G 225 CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-82 Ej 226 CHUPOL (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 7-80 Ej 227 CHUPOL (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 12-81 Ej 228 PATZIBAL (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 6-83 CM,PAC 229 CHUABAJ (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-82 Ej,PAC 230 CHUJULIMUL (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-81 Ej 231 SEMEJA (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-82 Ej 232 CAMANCHAJ (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-80 Ej 233 CHICUA (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-80 Ej 234 CANTON CHOCOJOM (caserío), CHICHICASTENANGO (villa), CHICHICASTENANGO, QUICHE 0-83 PAC 235 PATZITE (pueblo), PATZITE, QUICHE 9-81 G 236 SAN ANTONIO ILOTENANGO (pueblo), SAN ANTONIO ILOTENANGO, QUICHE 0- 0 Ej 237 CHUICHOP (caserío), SAN ANTONIO ILOTENANGO (pueblo), SAN ANTONIO ILOTENANGO, QUI 12-81 Ej 238 XOLJUYUB (caserío), SAN PEDRO JOCOPILAS (pueblo), SAN PEDRO JOCOPILAS, QUICHE 0- 0 Ej 239 CHITUCUR (caserío), SAN PEDRO JOCOPILAS (pueblo), SAN PEDRO JOCOPILAS, QUICHE 0- 0 Ej 240 CUNEN (pueblo), CUNEN, QUICHE 1-81 Ej,CM,PAC 241 CHIMANZANA (aldea), CUNEN, QUICHE 0-81 Ej,CM 242 CHIMANZANA (aldea), CUNEN, QUICHE 1-82 Ej,CM 243 CHUTUJ (caserío), CHIMANZANA (aldea), CUNEN, QUICHE 1-82 Ej 244 SAN JUAN COTZAL (municipio), QUICHE 2-82 Ej,PAC 245 SAN JUAN COTZAL (pueblo), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 8-82 Ej 246 SAN JUAN COTZAL (pueblo), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 7-80 Ej 247 TIOMAC (caserío), SAN JUAN COTZAL (pueblo), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 5-83 G 248 CHAMUL (finca), SAN JUAN COTZAL (pueblo), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 7-80 Ej 249 CANCAN (caserío), ASICH (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej 250 BIBITZ (caserío), ASICH (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 2-81 Ej 251 CAJIXAY (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej,PAC 252 CHISIS (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej,PAC 253 CHICHEL (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 5-82 G 254 XEPUTUL (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 0-82 Ej 255 CHIPAL (aldea), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej,CM,PAC 256 SAN FRANCISCO (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 5-81 Ej,Pol 257 SAN FRANCISCO (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 4-83 Ej,PAC 258 SANTA AVELINA (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 10-81 Ej 259 SANTA AVELINA (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 0-79 G 260 CHINIMAQUIN (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej,CM,PAC 261 JAUVENTAU (caserío), SAN BARTOLO (pueblo), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 1-82 Ej,PAC 262 BUENOS AIRES (finca), SAN JUAN COTZAL, QUICHE 0- 0 Ej 263 JOYABAJ (villa), JOYABAJ, QUICHE 0-81 CM,PAC 264 CHORRAXAJ (caserío), JOYABAJ (villa), JOYABAJ, QUICHE 1-81 CM,PAC 265 CHORRAXAJ (caserío), JOYABAJ (villa), JOYABAJ, QUICHE 0-82 Ej 266 XEABAJ (caserío), JOYABAJ (villa), JOYABAJ, QUICHE 0-82 PAC 267 PATZULA (caserío), JOYABAJ (villa), JOYABAJ, QUICHE 1-82 Ej,PAC 268 PERICON (caserío), PACHALIB (aldea), JOYABAJ, QUICHE 11-81 PAC 269 PIEDRAS BLANCAS (finca), JOYABAJ, QUICHE 0- 0 Ej 270 PAXTUT (caserío), JOYABAJ, QUICHE 11-81 PAC 271 XECAX (caserío), NENTON (pueblo), NEBAJ, QUICHE 2-81 Ej 272 SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 8-82 Ej,PAC 273 SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-91 Ej 274 PALOB (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-81 Ej,PAC 275 PALOB (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 10-82 Ej 276 PARRAMOS (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 5-82 Ej 277 XEIPUM (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 12-81 Ej,PAC 278 BIJOLOM (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-84 Ej 279 BIJOLOM (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-82 Ej 280 VIVITZ (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej 281 JALAVITZ (caserío), SALQUIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej,PAC 282 TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-82 Ej 283 TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 5-82 Ej 284 CANAQUIL (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 3-82 Ej,PAC 285 XOLOCHE (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-83 Ej 286 BIPECBALAM (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej 287 XECOCO (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 5-83 PAC 288 CHABUC (MICROREGION DE XOLOCHE (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 5-82 Ej,PAC 289 CHABUC (MICROREGION DE XOLOCHE (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-80 Ej 290 CHABUC (MICROREGION DE XOLOCHE (caserío), TZALBAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 9-83 Ej 291 ACUL (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-82 Ej,PAC 292 ACUL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej 293 XEXOCOM (caserío), ACUL (aldea), NEBAJ, QUICHE 1-84 Ej 294 PULAY (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-79 Ej 295 COCOB (caserío), PULAY (aldea), NEBAJ, QUICHE 2-80 Ej 296 PEXLA (caserío), PULAY (aldea), NEBAJ, QUICHE 2-80 Ej,PAC 297 XONCA (aldea), NEBAJ, QUICHE 2-82 Ej,PAC 298 SUMAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-83 Ej 299 SUMAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 5-85 Ej,PAC 300 SUMAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 8-82 Ej,PAC 301 BICTOZ (caserío), SUMAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej,PAC 302 XEUCALBITZ (caserío), SUMAL (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-85 Ej,PAC 303 SANTA MARTA (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-81 Ej 304 CHUATUJ (aldea), NEBAJ, QUICHE 8-82 Ej 305 CHUATUJ (aldea), NEBAJ, QUICHE 10-81 Ej,PAC 306 CHUATUJ (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-84 Ej 307 CHORTIZ (caserío), CHUATUJ (aldea), NEBAJ, QUICHE 7-82 Ej,CM,PAC 308 BICALAMA (aldea), NEBAJ, QUICHE 2-83 Ej,PAC 309 BICALAMA (aldea), NEBAJ, QUICHE 7-84 Ej,PAC 310 BICALAMA (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej 311 BICALAMA (aldea), NEBAJ, QUICHE 10-81 Ej 312 IXTUPIL (aldea), NEBAJ, QUICHE 0-81 Ej,PAC 313 SACSIGUAN (aldea), NEBAJ, QUICHE 4-82 Ej,PAC 314 SACSIGUAN (aldea), NEBAJ, QUICHE 0- 0 Ej 315 SUMAL CHIQUITO (aldea), NEBAJ, QUICHE 0- 0 Ej 316 NEBAJ (pueblo), NEBAJ, QUICHE 2-80 Ej 317 NEBAJ (pueblo), NEBAJ, QUICHE 8-82 Ej,PAC 318 BISAN (caserío), NEBAJ (pueblo), NEBAJ, QUICHE 6-82 ?? 319 RAMAS CHIQUITAS (finca), NEBAJ, QUICHE 0-82 Ej,PAC 320 SAN ANDRES SAJCABAJA (municipio), QUICHE 0- 0 Ej,CM 321 CHILIL (cas.), CHINANTON (aldea), SAN ANDRES SAJCABAJA, QUICHE 0- 0 Ej,CM,PAC 322 USPANTAN (pueblo), QUICHE 0-80 Ej,CM,PAC 323 USPANTAN (pueblo), USPANTAN, QUICHE 0-82 Ej 324 CARACOL (caserío), USPANTAN (pueblo), USPANTAN, QUICHE 8-81 Ej,PAC 325 EL DESENGANO (caserío), USPANTAN (pueblo), USPANTAN, QUICHE 3-81 Ej,Pol,CM,PAC 326 MACALAJAU (caserío), USPANTAN (pueblo), USPANTAN, QUICHE 2-82 Ej,PAC 327 AGUA FRIA (caserío), USPANTAN (pueblo), USPANTAN, QUICHE 3-82 Ej,PAC 328 LAGUNA DANTA (caserío), EL PINAL (aldea), USPANTAN, QUICHE 9-81 Ej 329 LANCETILLO (aldea), USPANTAN, QUICHE 9-82 G 330 PANAMAN (caserío), LANCETILLO (aldea), USPANTAN, QUICHE 4-82 Ej,CM,PAC 331 LAS GUACAMAYAS (aldea), USPANTAN, QUICHE 4-80 Ej,PAC 332 LA TAÑA (aldea), USPANTAN, QUICHE 3-82 G 333 CRUZCHUT/CRUZCHIP (finca), USPANTAN, QUICHE 0- 0 Ej 334 SARAGUATE (finca), USPANTAN, QUICHE 5-81 Ej,PAC 335 SACAPULAS (municipio), QUICHE 3-82 Ej,PAC 336 SACAPULAS (municipio), QUICHE 5-82 Ej,CM,PAC 337 RIO BLANCO (aldea), SACAPULAS, QUICHE 4-80 Ej 338 RIO BLANCO (aldea), SACAPULAS, QUICHE 8-82 Ej,PAC 339 TZUNUNUL (aldea), SACAPULAS, QUICHE 9-81 Ej 340 TZUNUNUL (aldea), SACAPULAS, QUICHE 3-82 Ej 341 TZUNUNUL (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-82 ?? 342 GUANTAJAU (aldea), SACAPULAS, QUICHE 5-82 Ej 343 GUANTAJAU (aldea), SACAPULAS, QUICHE 12-81 Ej 344 GUANTAJAU (aldea), SACAPULAS, QUICHE 3-82 EM 345 PARRAXTUT (aldea), SACAPULAS, QUICHE 3-80 Ej,CM,PAC 346 PARRAXTUT (aldea), SACAPULAS, QUICHE 1-82 Ej 347 PARRAXTUT (aldea), SACAPULAS, QUICHE 1-81 Ej,PAC 348 PARRAXTUT (aldea), SACAPULAS, QUICHE 3-82 Ej,CM,PAC 349 SALINAS MAGDALENA (aldea), SACAPULAS, QUICHE 4-83 Ej,CM,PAC 350 SALINAS MAGDALENA (aldea), SACAPULAS, QUICHE 8-82 G 351 SALINAS MAGDALENA (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-81 Ej 352 TIERRA CALIENTE (aldea), SACAPULAS, QUICHE 3-82 Ej 353 TIERRA CALIENTE (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-82 Ej 354 TIERRA CALIENTE (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-82 Ej,CM,PAC 355 TIERRA CALIENTE (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-82 Ej 356 TIERRA COLORADA (aldea), SACAPULAS, QUICHE 2-82 Ej 357 CANTON SIANCHOJ (aldea), SAN BARTOLOME, QUICHE 12-81 Ej,CM,PAC 358 ROSARIO MONTE MARIA (aldea), CHICAMAN, QUICHE 10-82 G 359 LLANO GRANDE (aldea), CHICAMAN, QUICHE 0-82 Ej,PAC 360 IXCAN (municipio), QUICHE 2-81 Ej 361 SAN PABLO (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 3-82 Ej 362 EL QUETZAL (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 363 SAN ALFONSO (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 3-81 Ej 364 VICTORIA 20 DE ENERO (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 365 SAN LUCAS LA 12 (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 3-81 Ej 366 SANTO TOMAS IXCAN (aldea), MICROREGION 1, IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 367 LA TRINITARIA (aldea), MICROREGION 1 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 368 SAACTE 1 (aldea), MICROREGION 2 (finca), IXCAN, QUICHE 0-81 Ej,PAC 369 ZONA REINA (finca), MICROREGION 2 (finca), IXCAN, QUICHE 0-82 Ej 370 SANTA MARIA TZEJA (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 371 SANTA MARIA TZEJA (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 6-82 Ej 372 SANTA MARIA DOLORES (aldea), MICROREGION 3, IXCAN, QUICHE 0-81 Ej,PAC 373 SANTA MARIA DOLORES (aldea), MICROREGION 3, IXCAN, QUICHE 2-81 Ej,CM 374 KAIBIL BALAM (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 1-82 Ej 375 KAIBIL BALAM (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 4-82 Ej 376 SANTIAGO IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 0-82 Ej 377 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 5-82 Ej 378 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 9-82 Ej 379 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 0-83 Ej 380 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 0-83 Ej 381 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 6-82 Ej,PAC 382 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 5-82 Ej 383 SAN JUAN IXCAN (aldea), MICROREGION 3 (finca), IXCAN, QUICHE 4-82 Ej,CM 384 NUEVA ESPERANZA (aldea), MICROREGION 4 (finca), IXCAN, QUICHE 9-82 Ej 385 PIEDRAS BLANCAS (aldea), MICROREGION 4 (finca), IXCAN, QUICHE 1-82 Ej,PAC 386 CHACTELA (SAN JUAN CHACTELA) (aldea), MICROREGION 6 (finca), IXCAN, QUICHE 0-80 Ej 387 CANIJA (aldea), MICROREGION 6 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej,CM,PAC 388 SENOCOCH (aldea), MICROREGION 6 (finca), IXCAN, QUICHE 6-88 Ej,PAC 389 ASUNCION (aldea), MICROREGION 6 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 390 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 391 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 12-82 G 392 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 6-81 Ej 393 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 1-83 Ej 394 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 0-84 Ej 395 XALBAL (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 0-84 Ej 396 MAYALAN (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 6-82 Ej 397 MAYALAN (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 7-83 Ej 398 CENTRO 1 (CENTRO BELEN)(1ER. C (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 0-82 Ej 399 CUARTO PUEBLO-LA UNION-SELVA R (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 2-82 Ej 400 CUARTO PUEBLO-LA UNION-SELVA R (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 2-81 Ej 401 CUARTO PUEBLO-LA UNION-SELVA R (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 8-82 Ej 402 CUARTO PUEBLO-LA UNION-SELVA R (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 3-82 Ej 403 PUEBLO NUEVO/TERCER PUEBLO (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 12-82 Ej 404 PUEBLO NUEVO/TERCER PUEBLO (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 3-82 Ej 405 IXTAHUACAN CHIQUITO (aldea), MICROREGION 7 (finca), IXCAN, QUICHE 0-82 Ej 406 CPR IXCAN (finca), IXCAN, QUICHE 12-84 Ej 407 ZUNIL (finca), IXCAN, QUICHE 7-83 Ej 408 ZUNIL (finca), IXCAN, QUICHE 8-85 Ej 409 CHINATZEJA (aldea), IXCAN, QUICHE 2- 0 Ej 410 CHAILA (finca), IXCAN, QUICHE 0-82 Ej 411 TRES AGUADAS (COMUNIDAD) (finca), FLORES, PETEN 4-81 Ej,CM 412 JOSEFINOS (finca), LA LIBERTAD, PETEN 2-82 Ej,PAC 413 LAS 2 RR (PARCELAMIENTO) (aldea), LA LIBERTAD, PETEN 12-82 Ej,CM 414 LA PITA (caserío), SANTA ANA, PETEN 12-82 Ej,CM 415 EL MANGO (aldea), SANTA ANA, PETEN 0-81 Ej,PAC 416 PITO REAL (caserío), DOLORES (aldea), DOLORES, PETEN 8-81 Ej 417 EL QUETZALITO (COMUNIDAD) (aldea), DOLORES, PETEN 0-82 Ej 418 RANCHO SAN MARTIN (FINCA) (aldea), DOLORES, PETEN 2-82 Ej 419 SUBIN (finca), SAYAXCHE (pueblo), SAYAXCHE, PETEN 0- 0 Ej 420 PALESTINA (aldea), POPTUN, PETEN 0-82 Ej 421 LA HAMACA (CAMPAMENTO REFUG., CHIAPAS, MEXICO 0-85 Ej,PAC 422 EL CHUPADERO (CAMPAMENTO REFUG , CHIAPAS, MEXICO 0-84 Ej,PAC
2.3.2.5   El dolor de la tortura
La práctica de la tortura aparece asociada a las masacres y capturas. Además de buscar información, el objetivo de la tortura es la destrucción de la identidad de las víctimas, buscando su eliminación o su conversión en colaboradora de la represión de sus propios vecinos o compañeros. En Guatemala, la tortura ha supuesto además un ataque a la identidad colectiva, ya que ha tenido una dimensión social. Como forma de terror ejemplificante en las áreas rurales, muchas veces se realizó de manera pública, delante de familiares y vecinos. Uno de cada cinco testimonios recogidos por el Proyecto Remhi incluye descripciones sobre hechos de tortura. Del total de hechos de violencia registrados la tortura constituye un 13,5%. Muchas personas torturadas fueron asesinadas. En los testimonios recogidos un 30% de las víctimas de asesinato registradas apareció con señales de tortura. Durante décadas, y al margen de cualquier situación de enfrentamiento armado, esa aparición de cuerpos torturados acompañó el despertar de cada mañana, con la lectura de los diarios o los paseos por los caminos. Muchos de ellos fueron enterrados de forma anónima como XX. Según nuestros datos, las víctimas de la tortura fueron fundamentalmente hombres (90%). Sin embargo, esto no incluye la violación sexual que fue una forma específica de tortura contra las mujeres. En una de cada seis masacres analizadas los testimonios refieren violaciones sexuales. En las masacres fueron frecuentes las torturas. En orden de mayor a menor frecuencia aparecen en los relatos de los testigos las atrocidades, como mutilaciones, (18%), las palizas (17%) y violaciones (16%), las condiciones extremas de captura (12%), la preparación de sus tumbas (6%) y otras formas de tormento. Globalmente considerados, los casos de crueldad extrema constituyen la primera causa de muerte en las masacres (3 de cada 5 casos), comparada con las víctimas por arma de fuego, bombardeo o explosivos. En el 84,53% de los casos de tortura se señala como responsables a las fuerzas militares y paramilitares del Estado. El 7,8 % son atribuidas a la guerrilla. En el resto, los autores fueron desconocidos. Por parte de la guerrilla, si bien no utilizó la tortura como una estrategia de guerra, en los testimonios se recogen relatos de brutalidades en contra de personas acusadas de participar como Comisionados Militares y PAC, o de supuesta colaboración con el ejército durante los primeros años 80. Los casos recogidos (7,8% del total) incluyen crueldades como amenazas de muerte, golpizas y lesiones con arma blanca como parte de los asesinatos.
2.3.2.6  La historia de tantos
Yolanda Aguilar Urízar fue secuestrada y torturada en octubre de 1979. Su padre, dirigente de la Democracia Cristiana, y su hermano murieron en un accidente automovilístico provocado, el 3 de agosto de 1975. En realidad ese atentado iba dirigido contra su madre América Yolanda Urizar, quien entonces participaba en la asesoría Jurídica de la Central Nacional de Trabajadores (CNT) y que, años después, fue asesinada. En el primer cuarto donde estuve había una silla donde por primera vez supe que me iban a torturar y llego aquí y por supuesto me desnudan, verdad. Entonces llegaba uno e inmediatamente ponían el radio, verdad, porque era lógico para que no se oyeran los gritos. Una vez desnuda ponen el radio y llega un muchacho de unos 19 ó 20 años, de ojos claros, canche, que podría haber sido de cualquier colegio de niños bien, verdad, y me dice: mire, nosotros no queremos hacerle daño y yo quiero que hablemos y quiero que me cuente todo lo que usted sabe, porque fíjese que hay unos compañeros que realmente son malos y si usted no me cuenta yo voy a tener, él va a tener que ser malo con usted, entonces yo quiero que seamos amigos, yo quiero que usted me diga todo lo que sabe. (…) Ese es el momento de la violación y yo estoy muy clara de que a mí me violaron unos veinte hombres, porque hay una parte del recuerdo, digamos, donde estaba Valiente Téllez, estaba este señor Arredondo y lo único que recuerdo es que mientras uno tenía relaciones conmigo, verdad, algunos otros se masturbaban, otros me sobaban, verdad, ponían las manos en los pechos y yo perdí varias veces el conocimiento, allí me golpeaban, me daban golpes en la cara y otros me ponían cigarros en el pecho y cada vez que yo lograba tener algún sentido, yo veía a otro hombre encima mío, pues, recuerdo que cuando ya no tuve esa sensación de que estaba alguien conmigo, estaba en un charco de orines, de semen, pienso que tal vez de sangre también, verdad, fue realmente una cosa muy humillante, sumamente humillante (…). Me llevaron a una pila llena de porquería, allí se veía moho, blancos, además había un olor horrible y recuerdo que la metieron una o dos veces allí, la sensación de asfixia es una de las cosas más terrible, usted, cada vez que quiere respirar se llena de mierda, pues, entonces hacer lo posible por no respirar pero no puedes (…)en ese mismo cuarto, era que me pusieron lo que llamaban la capucha de gamezán,.(…) Entonces me llevaron a otra puerta y en esta puerta había una tablas en el techo. ¿Usted ha visto la crucificación? Pues aquí casi que un Jesucristo, había un hombre, era un medio hombre –la cosa más horrible que yo he visto en mi vida–, un hombre desfigurado totalmente, un hombre que ya tenía gusanos, no tenía dientes, no tenía pelo, con la cara desfigurada, colgando, es decir, de los brazos. En eso llegó uno de la Judicial, llevaba una hoz pequeñita, chiquita como para cortar café, roja hirviendo y agarró el pene y se lo cortó y el tipo dio un grito que nunca se me ha olvidado, dio un grito terrible, tan espantoso que durante muchos años recordé ese grito. El murió. Después había un casete de música española que daba un grito casi igual a eso y me imagino que me desmaye.
2.3.2.7  La salida del país
Para finalizar este capítulo digamos que se preparan todos mis papeles, verdad, para salir y yo salgo el 31 de enero de l980, el día de la quema de la Embajada de España, me voy a enterar allá de lo que sucedió en la Embajada de España y a partir de entonces estuve en México, en Cuba, en Nicaragua. En Cuba me terminé de recuperar, porque la medicina allá es fabulosa, el ambiente de paz, de seguridad, contribuía mucho. Regresé a Nicaragua. Mi mamá salió en el 82 de Guatemala, era de las personas que no quería salir.
Caso 5447, Guatemala, 1979.
2.3.2.8  Las amenazas
Las amenazas constituyeron un recurso frecuente en contra de las personas consideradas objetivos de la política contrainsurgente. En su mayor parte fueron dirigidas contra un individuo o contra su familia, y, si ameritaba según su objetivo de neutralización política, eran hechas de manera pública. Tuvieron un carácter generalizado; se empleaban acusaciones de participación en la guerrilla; en otros casos se dirigían más específicamente a paralizar a una persona o disgregar a un colectivo bajo la amenaza de sufrir un secuestro o un atentado. Otra de sus características fue el anonimato o su ocultamiento de sus autores al emitirse en nombre de alguno de los escuadrones de la muerte. En otros casos, las amenazas tuvieron como destinatario todo un grupo organizado o una comunidad. En la década de los 60, fue común la aparición de listas que a veces incluían fotografías. Llegaron a pegarse carteles que incluían las fotografías ampliadas de los dirigentes sociales y de miembros de la guerrilla, y se ofrecían recompensas por la información sobre el paradero de estos últimos. En los años 70 los listados aparecían como parte de comunicados públicos suscritos por escuadrones de la muerte, como el Ejercito Secreto Anticomunista (ESA), Nueva Organización Anticomunista (NOA) y la Mano Blanca, entre otros, que les conminaba a salir del país en lapsos de 24 horas a una semana.
2.3.2.9  Amenazas contra asesores del movimiento popular

Marta Gloria de la Vega y Enrique Torres, eran dos abogados que asesoraban diversos sindicatos, entre ellos los de las empresas Coca Cola, Acricasa, Minas S.A. (Ixtahuacán), Cordelería La Rápida, Exguapagra y la Central Nacional de Trabajadores. Desde 1976 fueron víctimas de amenazas en su contra, que incluía llamadas telefónicas y personas apostadas frente a su casa. El sindicato de la Coca Cola38 se había ido fortaleciendo y ...ya habíamos recibido amenazas del abogado de los dueños Héctor Mayora Dawe de que no querían sindicato y que si los trabajadores se organizaban iba a correr sangre. Antes del atentado también tuvimos ofertas de dinero fuerte, diciendo que antes de tener sindicato gastaba en publicidad 300 mil dólares y después gastaba 400 mil, por lo que nos ofrecia la diferencia de 100 mil dólares por dejar la asesoría sindical. En el 76 recibimos varias llamadas amenazándonos a la oficina y a la casa, pero en el 77 se incrementaron ... eran para decir que ya habían lotes en el cementerio tal, que ya estaban listos para nosotros. Un día sufrieron un atentado, después del cual aún permanecieron en Guatemala, hasta que se vieron obligados a abandonar el país en 1978.
... por el periférico a la altura del Canal 3, yo vi que una Van grande llegó, se puso a la par del carro nuestro y después dio el primer empujón, topó con el carro a mayor velocidad y nos empujó de esa manera 3 veces. ...chocamos de lado. A mí me rompió toda la cara del lado derecho, la barbilla, la cabeza y fractura en la pierna. A Enrique la palanca de velocidades le rompió el fémur en 6 pedazos, pasó 3 meses en el hospital. Hubo personas que nos ayudaron a salir del vehículo. Después se paró un carro que venía con 3 hombres vestidos de civil y uno de ellos dijo: ‘a ellos nos los vamos a llevar’. Yo empecé a gritar y dije que lo que querían era llevarnos para desaparecernos, afortunadamente la gente lo impidió. Posteriormente supimos que el vehículo que nos empujó estaba al servicio del Ministro de Gobernación Donaldo Alvarez Ruiz. Caso 0602, Guatemala, 1977. Las amenazas continuaron, pues los abogados permanecieron en el país trabajando con las centrales sindicales. Habían matado y agredido a varios de los sindicalistas, pero en 1978 ... el Gerente de Coca Cola, Alfonso Riege Banash, empezó a decir en el orden en que nos iban a matar. La situación fue agravándose y finalmente después de vivir dos meses como ratas, decidieron salir del país.
2.3.2.10  El procedimiento del secuestro
El curriculum del curso para los agentes de inteligencia, incluyó también técnicas para la realización de operativos clandestinos y secuestros. Los agentes de inteligencia se especializaban en la organización práctica de los secuestros, la división del "trabajo" entre los distintos miembros del grupo, y la coordinación para realizar acciones rápidas y en condiciones de clandestinidad.
En ese curso del Servicio de Inteligencia se reciben los cursos, las formas cómo va a entrar uno a una casa, hay que ir viendo con ciudado porque no se sabe uno si va a haber un arma dentro. Porque uno cuando va a secuestrar, entra directamente al secuestro y ¡blum! al carro y ¡fuiii! se desapareció y se fue. Caso 1741 (victimario), Izabal, 1980-83. La selección de las personas que iban a ser objeto de secuestro fue siempre tarea de los oficiales de inteligencia. El modo de organizar los secuestros se componía de una serie de procedimientos administrativos, separación de responsabilidades, y la compartimentación de la información en la que los especialistas cumplieron, en general, un papel de brazo ejecutor de todo un sistema bien planificado. La planificación de un secuestro. Caso 1741 (victimario), Izabal, 1980-83.
Fue el año 1,983, el mes no me recuerdo, a las dos de la tarde fue ese secuestro, puro pleno día. El nombre de él no me recuerdo, sólo dicen: ‘Mirá, aquel es’ y no le dicen el nombre a uno, sólo le señalan. Hasta la ahora que uno va a sacarlo, para matarlo, hasta ese momento conoce uno quien está bajo las rejas. Secuestrado quiere decir que a deshoras de la noche lo saca pues; capturado, casi la G2 no captura, sólo secuestra, para que nadie sepa quien fue. A deshoras de la noche se saca así, desnudo, sin camisón o calzoncillo. Revienta las puertas uno y a sacar el individuo, y lo empuja al carro y adiós, se va uno y tranquilo.

Muchos secuestros tuvieron como consecuencia la desaparición de la persona. Según los testimonios recogidos, seis de cada diez personas secuestradas no han aparecido todavía. Una minoría reapareció con vida (14%). Uno de cada tres secuestrados reapareció muerto, frecuentemente con señales de tortura. Muchas de las detenciones irregulares, no tenidas en cuenta en estos datos anteriores, pueden ser también consideradas como secuestros (un 10% de los casos recopilados), lo que muestra la amplitud con que se usaron los secuestros como una forma de amedrentar o eliminar a las víctimas.
2.3.2.11  El secuestro o detención temporal
El secuestro o detención temporales han sido métodos brutales utilizados por los organismos de inteligencia con fines propagandísticos y no culminan, a diferencia de la desaparición forzada, con la ejecución de la víctima. En los casos en que el secuestro estaba planteado para conseguir la colaboración de la víctima, la tortura y las amenazas se orientaron a buscar información y a quebrar la moral de la víctima. En consecuencia, el trato recibido por la víctima dependía de si aceptaba o no la posibilidad de colaborar. Una vez aceptada dicha oferta, inmediatamente recibía un trato humano: buena alimentación, vestido, cigarrillos. La siguiente etapa consistía en lograr su control psicológico a través de la manipulación de su afectividad. Se le obligaba a contactar a su familia, para lo cual sus captores vigilaban sus salidas temporales del centro de detención. Al mismo tiempo, se le empezaba a dar dinero a la familia en caso de que fuera necesario resolver problemas de sobrevivencia. Con ello se lograba un doble chantaje. De un lado, la amenaza de capturar y asesinar a los familiares. Del otro, la amenaza sobre los familiares de asesinar al detenido, a la vez que se creaba una dependencia económica hacia los organismos de inteligencia. El objetivo de este procedimiento era ampliar el ámbito de influencia del centro de detención y la tortura psicológica hasta el núcleo familiar y su efectividad llevó a los organismos de inteligencia a confiar extremadamente en él.
2.3.2.12   El rito de la confesión. Del secuestro al objetivo publicitario

Maritza Urrutia, una maestra guatemalteca de 33 años de edad, fue secuestrada el 22 de julio de 1992 por un comando del Estado Mayor Presidencial (EMP), después de lo cual permaneció detenida durante ocho días en instalaciones de la Policía Militar Ambulante en la ciudad de Guatemala. Había estado vinculada al Ejército Guerrillero de los Pobres (EGP), lo que constituyó el móvil de su secuestro. Desde el inicio, el comportamiento de sus captores y el trato que recibió estuvo destinado a quebrar su resistencia y a obtener información, pero se le preservó también para utilizarla con fines publicitarios para desprestigiar a la guerrilla y aumentar la legitimidad social del gobierno que tenía que enfrentar las denuncias de violaciones de los derechos humanos en la Comisión de la ONU en Ginebra.
2.3.2.13  La Tortura
Maritza fue sometida a distintas torturas: interrogatorios continuos en situación de extenuación y con videocámara; manipulación psicológica por parte de sus captores; administración de psicofármacos durante los interrogatorios; humillaciones y ataques a su intimidad; exposición a ruidos continuos, privación de sueño, luz permanente; amenazas a su vida y la de su hijo de cuatro años; durante toda su captura, excepto en las filmaciones, fue obligada a llevar una capucha de periódico sobre la cara; estuvo esposada todo el tiempo; fue presionada continuamente para que hiciera una declaración pública de pertenencia al EGP y solicitud de acogerse a la amnistía. ‘Tu hijo está bien. Una persona lo está cuidando. Está comiendo galletas, está bien’ - me dijo. Me sentí aterrorizada y preocupadísima sobre mi hijito, sentí que iba a enloquecer de preocupación. Me mostraron fotos horribles de personas muertas. Los cadáveres habían sido torturados y mutilados. Las fotos eran espantosas y me trastornaron mucho. Me dijeron que lo mismo me podía pasar si no cooperaba con ellos. Me llevaron a un teléfono público y me hicieron llamar a mis padres, para decirles que no debían preocuparse por mí. Después, el interrogatorio siguió hasta las 4 am. Yo me sentía extremadamente nerviosa, fatigada y temerosa. Trajeron un radio portátil al cuarto y lo pusieron a todo volumen. Dejaron la luz, yo estaba esposada a la cama, alternando la mano, siempre tenía que mantener la capucha de periódico sobre mi cabeza. El interrogatorio siguió durante horas. Como a las 5 pm el hombre blanco me dijo que iban a traer a otro hombre que no me trataría tan bondadosamente. Yo estaba fatigada y nerviosa, temblaba bastante y gritaba que por favor no trajeran al otro hombre. Comencé a rogarles que no me lastimaran. Les dije que cooperaría. Dijo que querían que yo fuera a Ginebra para hablar a favor del gobierno en la Comisión de Derechos Humanos de Naciones Unidas, agradeciendo a las muchas personas que se preocupaban por mí, como el General Carlos Arana Osorio, el General García Samayoa ministro de la Defensa y otros. Debía contar que salí a México en 1986, que mi esposo era miembro del EGP que yo había trabajado con la organización. Que dijera nombres de ciertas personas, que lamentaba haberle causado tanta preocupación a mi familia, pero que yo quería salir de la organización del EGP y que me había alejado un tiempo para "legalizar" mi situación. Que pidiera perdón a la organización y que les quería dejar para terminar esta pelea que tanto daño había hecho a mi país. Que yo terminara la declaración solicitando al Ejército, amnistía y protección para mí. Los captores trataron de que, a pesar de la tortura, mantuviera una buena apariencia física: llegaron a dejarle un día y medio de descanso dado el mal resultado de las primeras grabaciones, le compraron productos de maquillaje y aseo para las sesiones que se realizaron durante varios días. Me puse muchísimo maquillaje. Lo hice así para que si la gente que me conocía viera el video, se dieran cuenta que algo andaba mal y que no hacía la grabación por mi cuenta A partir de ahí su cautiverio se convirtió en continuas sesiones de grabación con cambios en los mensajes: 1) agregar una parte en la que agradecía también a la Oficina de Derechos Humanos del Arzobispado y a la Embajada norteamericana; 2) posteriormente, añadir una parte en la debía agradecer a Otto Peralta, presidente de la Asociación de Estudiantes Universitarios (AEU) de la Universidad San Carlos y quitar los agradecimientos a los militares; 3) eliminar la referencia a la amnistía y el agradecimiento al Ejército y hacer, de nuevo, mayor énfasis en la mención a Otto Peralta y a la Escuela de Historia de la Universidad, agregando una parte donde pedía a sus compañeros abandonar la lucha. ‘Cuando dices en el video que ya no quieres estar con la organización tienes que decirlo como que realmente te sientes así. Parece que te duele dejar la organización, como que lo que estás diciendo es mentira’- me decía. Me dijeron que debía sonreír cuando hablaba. El hombre blanco, 39 me llevó al teléfono. Me dijo que llamara a Teleprensa primero y dije: ‘Soy Maritza Urrutia. Quisiera que difundan en su programa esta noche el video que algunos amigos míos les dejaron’. Enseguida llamamos a Notisiete y dije lo mismo. El hombre blanco me dio instrucciones detalladas, éstas eran las condiciones de mi liberación: pedir amnistía; tener una rueda de prensa, diciendo al ministro de Defensa que yo quería colaborar con el Ejército, que quizá podría ir a Ginebra y hablar ante Naciones Unidas de parte del Ejército. Al día siguiente fue llevada a reunirse con el Procurador General, Acisclo Valladares, quien agilizó las gestiones para la concesión de la amnistía, incluso cambiando la fecha de su militancia para facilitar su aplicación (debía de ser antes de 1988). En ningún momento le preguntó dónde había estado esos ocho días o si se le había detenido contra su voluntad, ni el trato que había recibido. Ni Valladares ni el juez que le concedió la amnistía le preguntaron si alguien le exigía hacer esto, ni hicieron referencia a su estado físico deteriorado por ocho días de secuestro. A pesar de las amenazas y la vigilancia a la que seguía sometida, Maritza Urrutia decidió no seguir las instrucciones de sus captores. El 30 de septiembre de 1992 dio testimonio en Washington ante la Comisión Interamericana de Derechos Humanos de la OEA. Me siento afortunada de haber sobrevivido a esta prueba. Tengo suerte de estar viva. No puedo sino pensar en los muchos otros guatemaltecos que no han tenido esta suerte... Por los miles de desaparecidos, torturados y asesinados por el Ejército guatemalteco, por las convicciones políticas por las cuales me secuestraron, por todos los guatemaltecos que se movilizaron para exigir mi liberación, universitarios, sectores religiosos, desplazados, defensores de los derechos humanos, padres, hermanos, parientes y demás seres queridos, por las personalidades e instituciones internacionales que presionaron al gobierno para que me soltara; por un futuro para mi hijo y los demás niños de Guatemala; por mí misma, es que tomé la decisión de seguir denunciando los atropellos que por más de treinta años viene cometiendo el Ejército del país con toda impunidad. Caso ODHAG 001, Guatemala, 1992.
2.3.2.14  Desapariciones forzadas. El manto de la niebla
La desaparición forzada ha sido uno de los métodos bárbaros, de carácter selectivo, más usado por la inteligencia guatemalteca, y que se empleó de una manera masiva en algunos momentos del período del conflicto armado. Dentro de los testimonios recogidos, uno de cada cinco casos es de desaparición forzada. El apresamiento súbito de la víctima se realizó la mayor parte de las veces mediante una acción encubierta, y nunca más volvió a saberse nada de la persona. La desaparición forzada crea una extrema incertidumbre sobre el paradero de las vícimas y su estado físico y psicológico, y un sufrimiento prolongado a los familiares. A pesar de la impunidad total de sus acciones y los signos evidentes de provenir de los cuerpos militares o policiales, el Gobierno y el Ejército siempre declararon no tener el control ni la responsabilidad. La ausencia de investigaciones oficiales ha cerrado hasta ahora los caminos para la búsqueda de los desaparecidos. La acción encubierta y la incertidumbre inicial les permitió a los organismos de inteligencia retardar la reacción pública así como disfrazar la responsabilidad del Estado. Con ello, también, los captores tenían mayores posibilidades de quebrar la resistencia de los detenidos-desaparecidos. La desaparición también se utilizó con otros objetivos, tales como difundir el terror y paralizar el entorno social de la víctima. En la mayoría de las ocasiones en las que estuvieron implicados los cuerpos de inteligencia, se trató de que ocultaran cualquier prueba para evitar posibles investigaciones y proteger la impunidad de sus autores.
2.3.2.15  Borrar la vida: la desaparición forzada de una familia
Adriana Portillo-Bartow vivía en Jutiapa con su familia. Su hermano Carlos Alfredo Portillo Hernández, que estuvo organizado en la ORPA, murió durante un operativo del Ejército que bombardeó una casa de seguridad de la guerrilla en la zona 14 de la ciudad de Guatemala, en julio de 1981. Dos meses después fueron secuestrados y desaparecidos seis de sus familiares directos, entre ellos sus dos hijas: Rosaura, de diez años, y Glenda, de nueve años; su papá, Adrián Portillo, de 70 años; su madrastra, Rosa de Portillo; su hermanita Alma Argentina Portillo, de dieciocho meses; y una cuñada, Edilsa Guadalupe Alvarez, de 18 años; hechos ocurridos en la zonas 1 y 11 de la ciudad capital. Estos hechos, según su denuncia, fueron llevados a cabo por un comando policial. El viernes 11 de septiembre de 1981, a eso de las 9 de la mañana, un grupo de hombres vestidos de civil, fuertemente armados que se conducían en un vehículo sin placas, color blanco, de tipo 4X4 Jeep Cherokee con vidrios polarizados, se presentaron en las oficinas donde trabajaba mi papá. Después de interrogarlo se lo llevaron; desde ese día no volvimos a saber más de él. Mi hermano Antonio, quien fue testigo del secuestro de mi papá, fue a dar aviso a mi madrastra, pero al llegar a la casa fue testigo también de otro operativo militar, el cual incluía varios vehículos sin placas, jeeps militares y radiopatrullas de policía. En la casa, ubicada en la 2a. Avenida 1-57 de la zona 11 de la capital, se encontraban mi madrastra, mi cuñada, mi hermanita y mis dos hijas. Testigos presenciales vieron que las mujeres y las niñas eran introducidas en uno de los vehículos de la policía y que éstas iban llorando y pidiendo ayuda. Llegamos a la casa de mi papá e inmediatamente fuimos rodeados por elementos de la policía nacional, de la policía militar ambulante, el Ejército y la policía judicial. Todos fuertemente armados y nos apuntaban con sus armas mientras nos interrogaban. No teníamos la menor idea de lo que estaba pasando. Nos decían que pasáramos adelante si queríamos verlos. Nos negamos a entrar. Al darnos cuenta de lo que estaba sucediendo, empezamos a alejarnos a toda prisa de la casa y los hombres empezaron a perseguirnos, pero muy cerca había un taxista quien probablemente lo vio todo. El taxista encendió el carro, abrió las puertas para que entráramos y nos fuimos. Nunca lo denunciamos por temor a represalias. Teníamos mucho miedo de decir lo que había pasado. En diciembre de 1981 salimos de Guatemala. Caso 5021 y 5022. Guatemala. 11 de septiembre de 1981
2.3.2.16  Las ejecuciones. Cometer el efectivo
Las ejecuciones han constituido una práctica criminal frecuente para eliminar a las personas seleccionadas previamente por su participación política y que fue muy utilizada especialmente por parte de los servicios de inteligencia. Como parte de las operaciones encubiertas, no existía una orden escrita, la identificación de los integrantes del comando se realizaba a través de pseudónimo y los vehículos y armas utilizados no tenían registros que asociaran el origen de la operación. En general, las ejecuciones extrajudiciales fueron el resultado de las decisiones del mando del órgano de inteligencia correspondiente a la zona, aunque ciertos casos fueran consultados con anticipación a las esferas más altas de la inteligencia militar. En otros, en los que se podían prever problemas, estas acciones fueron coordinadas con otros cuerpos de seguridad, advirtiendo incluso a la Policía Nacional para que limpiaran la zona previamente y no interfirieran en la salida del comando. El sistema incluía el seguimiento de la persona durante unos días o semanas hasta tener controlados sus movimientos. En general, el modo de matar, el día o las formas de huída quedaban a la elección del especialista encargado del secuestro o asesinato, teniendo en cuenta que debía parecer una acción de delincuencia común o que se dificultara su identificación (por ejemplo, en la oscuridad), en un momento adecuado (sin testigos) y asegurándose que la persona no iba a quedar herida. Éste fue el sistema de numerosos asesinatos de líderes o intelectuales, como Myrna Mack.
Este tipo de misiones de asesinatos no es muy a menudo, depende de la situación, pero en aquella época si había mucho trabajo. Creo tal vez tenia unas treinta misiones de asesinato, esas sólo para mí. Aparte estaba el resto de las personas del grupo, así que la cuenta es veinte por treinta. Unas seiscientas al año sólo esa oficina (EMP). En el caso de Myrna me pasaron el ‘file’, lo analicé y lo estudié y comencé la vigilancia. Las misiones de este tipo no se tardan ni quince días desde que le ponemos el ojo hasta el momento de la ejecución. No rendimos un parte hasta que la misión está terminada. Una vez terminada esa misión, trituré el expediente, lo quemé y ya no volví a hablar del tema con nadie en la Oficina. Todos mis reportes eran verbales al jefe Juan Valencia Osorio. Allí también venía la forma de eliminarla para que la gente pensara que se trataba de delincuencia común. Después trataron de eliminarme físicamente e incluso vigilaron la casa gente armada y llegaron a preguntar por mí. Estoy seguro de que Juan Valencia Osorio mandó matarme. Entrevista con Noé de Jesús Beteta Alvarez. 7/4/94. Centro Preventivo de la Zona 18. Fundación Myrna Mack.
2.3.2.17  La infiltración
La información que lograron acumular los organismos de inteligencia sobre las fuerzas insurgentes y organizaciones sociales les permitió una estrategia muy activa de infiltración durante algunos momentos del conflicto armado. El procedimiento inicial, sin embargo, fue múltiple. Algunas organizaciones sociales en las que existían fuertes movimientos organizados o frentes encubiertos de la guerrilla, como los que fomentados en la Universidad y en ciertos sindicatos, fueron más vulnerables a la infiltración por su exposición social. La infiltración le permitió a la inteligencia desarrollar planes de neutralización selectiva en las direcciones de las fuerzas insurgentes, hasta determinar correlaciones de fuerzas internas, favorables a las estrategias del Ejército.
2.3.2.18  El engaño de la muerte El caso de los Estudiantes del 89
En el mes de agosto de 1989 varios dirigentes estudiantiles de la AEU fueron secuestrados y desaparecidos o asesinados en la ciudad de Guatemala. Los intentos de reorganizar el movimiento estudiantil, que estaba prácticamente desarticulado, se vieron así nuevamente golpeados por la acción contrainsurgente. Las sospechas iniciales de infiltración por parte de la inteligencia militar (EMP) se vieron posteriormente confirmadas por varios testimonios. Un grupo de dirigentes estudiantiles de distintas unidades académicas y agrupaciones estudiantiles fueron invitados, en septiembre de 1987, a unas conferencias estudiantiles de formación que se celebraron en diciembre de ese mismo año, con los auspicios de varias organizaciones, entre ellas la Representación Unitaria de la Oposición Guatemalteca (RUOG), el Servicio Universitario Mundial (México) y la Comisión de Derechos Humanos de Guatemala (CDRG).40 Se invitó a un grupo de estudiantes que se habían contactado para viajar a México, a un Encuentro de Estudiantes que se organizaba en Puebla. Contactaron a Willy Ligorría, que era presidente de la Asociación de Estudiantes de Derecho (AED), y que venía del Partido Socialista Democrático (PSD), así como a Silvia Azurdia Utrera. Al parecer, la decisión de esa conferencia estudiantil era unitaria de las distintas organizaciones de la URNG, aunque algunos de los dirigentes estudiantiles fueron disuadidos de participar directamente como miembros de algunas organizaciones de la URNG. Willy Ligorría, con otros tres elementos más (de agronomía), viajaron con otros dirigentes estudiantiles a ese evento. Ligorría fue posteriormente investigado por un estudiante quien informó sobre sus fuertes vínculos con una 'mara' de la zona 18, cuyos miembros andaban armados; siempre se sospechó que estas maras habían sido formadas por el ejército. Dentro de las sospechas sobre Ligorría fue que siempre anduvo acompañado por 3 ó 4 supuestos "estudiantes de Derecho" que nunca fueron registrados en la Facultad; la forma de ganarse la confianza de ciertos líderes a quienes invitaba a comer a restaurantes caros y al cine; el vestuario que usaba era caro; derrochaba dinero. A pesar de esto, Ligorría mantuvo siempre un discurso revolucionario, era miembro ORPA y mantuvo contacto con Danilo Rodríguez (delegado de las FAR para el trabajo de masas de la URNG). A raíz de esta investigación y por los agravantes de malversar fondos del Comité de Huelga de Dolores, su participación directa en un desfalco de dinero de la AEU, y finalmente, usurpación del puesto de Secretario General de la AEU (actuando y firmando como tal en diversas actividades y documentos internacionales) lo que se comprobó con un sello de hule que se encontraba en su poder al momento de la investigación, se toma una decisión: expulsarlo de la coordinadora Ejecutiva de la AEU. Al interior de la misma ya se sospechaba que era elemento de la G-2. Después de la salida de Ligorría empezaron las amenazas, los mosquitos y una bomba fue lanzada contra la casa de uno de los miembros de la directiva de la AEU. En 1989 hubo una constante escalada de amenazas, parte de ellas firmadas por escuadrones de la muerte como la Dolorosa, el Jaguar Justiciero o el Ejercito Secreto Anticomunista, toda la gente estaba muy asustada. Pero el período crítico fue en agosto de 1989, para ese tiempo Ligorría ya no era parte de la Coordinadora Ejecutiva de la AEU aunque continuó con sus relaciones personales con miembros de las organizaciones estudiantiles, pero ya no dentro de la AEU. Sin embargo mantenía un perfil muy alto, combativo, incluso temerario. Marco Tulio Montenegro, apodado El Monstruo, que era muy amigo de él, si seguía siendo parte de la AEU. El 21 de agosto fue detenido y desaparecido Iván Ernesto González miembro de la AEU. Al día siguiente, Carlos Contreras Conde, máximo dirigente del Movimiento Estudiantil Universitario (MEU), fue secuestrado en las cercanías de la Universidad. Ese mismo día Hugo Leonel Gramajo fue secuestrado frente a la sede del INAP, siendo introducido en un pick-up rojo con placas extranjeras. El día 23 de agosto, Víctor Hugo Rodríguez Jaramillo y Silvia Azurdia Utrera fundadores del MEU, fueron secuestrados y conducidos en medio de una fuerte violencia a dos carros que les cerraron el paso. En esa misma fecha la AEU había convocado a una rueda de prensa para denunciar los hechos.
Por la tarde nos declaramos en sesión permanente. Mario De León salió de la conferencia de prensa y a las 19:45 horas fue detenido en un puesto de registro de la Policía Nacional en la Avenida Petapa, llevándoselo con todo y su pick-up dentro de un furgón de carga (de acuerdo a testigos oculares, que no quisieron dar sus nombres) y nunca más se supo de su paradero. Aarón Ubaldo Ochoa fue desaparecido al día siguiente. Durante una reuniones en las que estaba discutiéndose la respuesta que iban a dar los estudiantes, Willy Ligorría llamó aparte a otro dirigente estudiantil para decirle que sabía en dónde estaban escondidos Hugo Gramajo y Aarón Ochoa y que si quería podía llevarle hasta ellos;9 días después nuevamente habló con este dirigente y le pidió una cita con la Comisión de Masas Unitaria (CMU/URNG). En el mes de septiembre otros miembros del movimiento estudiantil, Carlos Chutá Camey, Carlos Humberto Cabrera y Carlos Palencia fueron secuestrados y aparecieron muertos poco tiempo después. Posterior a/ asesinato de los estudiantes de la AEU, Willy fue orador en algunos mítines en la Universidad. Participaba en las concentraciones y algunos le aclamaban. El sábado 15 de septiembre a las 14:15 horas salió para Panamá junto con Marco Tulio Montenegro y Byron Milián Vicente. Marco Tulio volvió al país el 11 de noviembre de 1989 a integrarse en la AEU, pero ya todos sospechaban de él; poco después lo mataron acuchillado con un arma tipo bayoneta; según Willy había estado con él toda la noche en el Hotel Ritz Continental. Hubo rumores de que había sido una acción del EGP, pero fueron ellos mismos, la inteligencia militar. Una mañana, Willy llegó a la sede del EMP, y fue muy bien recibido en la puerta. Poco después apareció como Jefe de Investigaciones del Ministerio Público. IC 13, Guatemala, 1989.
2.3.2.19  La práctica y aprendizaje de la tortura
La naturaleza de la tortura es la búsqueda de la denigración de la persona, en su cuerpo, en su psique o en ambas dimensiones a la vez. Los interrogatorios, presiones y torturas a los detenidos fueron parte de los cursos y prácticas de entrenamiento de los miembros de los servicios de inteligencia. Esos procedimientos se encontraban estandarizados y contaban con manuales, normas internas etc.41 lo que supone la aplicación de criterios definidos y compartidos a nivel institucional, que no dependían en lo fundamental de los oficiales encargados o de sus características personales. Los procedimientos incluían técnicas para la confusión y la manipulación de los detenidos, las que estaban orientadas a buscar la inculpación propia, la obtención de información y las delaciones. Las prácticas que formaban parte del tratamiento habitual contra las personas secuestradas incluyeron descargas eléctricas, golpizas, maniobras de asfixia y otras. Las mutilaciones fueron utilizadas cuando ya se había decidido asesinar a la persona detenida. La mayor parte de las personas que sufrieron torturas fueron posteriormente asesinadas, y sus cuerpos hechos desaparecer en cementerios clandestinos.
Ese es el servicio de él, el de torturar con corrientes eléctricas, con golpes, leñazos y todo, patadas, o capucha de cal. La torturación es para que diga la verdad, si es cierto, si es positivo o negativo lo que dice... se estudia qué es lo que dice, del primer día hasta el último... si a los 8 ó 10 días de estar interrogando no cambia, aquel individuo, se libra. Pero si ya cuando siente que lo están presionando con torturas y todo cambia y dice ‘sí, es cierto, sí, les voy a decir la verdad, pero no me vayan a golpear más, ya no’, entonces sí... Caso 1741, Izabal, 1980-83. De esta manera, la imposibilidad de la gente para aguantar el sufrimiento se consideró una prueba de la certeza de las acusaciones en su contra. A pesar de que probablemente muchas de las víctimas denunciaron a otras o se hicieron cargo de las acusaciones, eso no hizo mas que confirmar su culpabilidad a los ojos de sus verdugos, así como la necesidad de su muerte. Algunos lograron sobrevivir. Otros pocos fueron puestos en libertad vigilada en función de haberse convertido en colaboradores de los aparatos de seguridad, acusando a otras personas, vecinos, amigos etc. de ser parte de la guerrilla. Finalmente, algunos, con carácter excepcional, fueron puestos en libertad debido a gestiones exteriores sobre los altos mandos militares, presiones políticas etc.
Al principio de la guerra interna, la ejecución extrajudicial de la víctima era la culminación de la tortura. Los cadáveres aparecían cruelmente mutilados y eran abandonados en las carreteras aledañas de las ciudades importantes, especialmente en la capital. Pero a partir de la década de 1980, los experimentos de los asesores argentinos reorientaron el objetivo de la tortura. La primera advertencia que un detenido recibía de sus captores era: el que colabora vive, el que no, muere. Y el principio se cumplía. Algunas detenciones se convirtieron en secuestros temporales, en los que la gente era poteriormente dejada en libertad con el objetivo de que mantuvieran su colaboración; otros fueron inducidos a la la traición por medio de la tortura y se convirtieron en fuentes de información incorporados parcialmente a las actividades militares; por último, en otros se dieron procesos de readecuación de la personalidad y se transformaron en agentes directos de la represión.
2.3.2.20  Inducir a la traición
Otro de los objetivos de la tortura es el de lograr la conversión de la persona torturada en colaboradora. Expuestas al sufrimiento extremo, las personas pueden dar nombres o informaciones, reales o no, como una forma de tratar de disminuirlo. La contradicción que se plantea a los detenidos entre proteger su identidad individual (y responder a las exigencias de sus captores) o su identidad social (no dar informaciones que comprometan a otras personas), en las condiciones de amenaza o sufrimiento extremo de la tortura, hacen que cualquier respuesta que dé tenga consecuencias profundamente negativas para ella. Otro factor que induce la traición es la utilización por parte de la inteligencia militar de problemas internos, luchas de poder o insatisfacciones personales. Ese conocimiento lo puede lograr la inteligencia por medio de la infiltración. En los años noventa, en el caso de una doble fuga que tuvo como resultado el conocimiento público de la existencia con vida de Efraín Bámaca (comandante Everardo de la ORPA), se pueden reconocer tres distintas reacciones ante la tortura y la traición inducida. Después de los meses de captura, dos de los detenidos pertenecientes a ORPA huyeron (eran tres los militantes que pudieron haberlo hecho, pero uno de ellos no aceptó participar en el plan). De los dos que salieron, uno actuó ya en libertad en contra de sus captores, denunciando la existencia de cárceles clandestinas en la Zona Militar de San Marcos, en donde permanecía Bámaca. El segundo prefirió guardar silencio. Las voces silenciadas. Prisioneros negados de la guerra El 8 de marzo de 1991, Santiago Cabrera, miembro del Frente Luis Ixmatá de la Organización del Pueblo en Armas (ORPA) fue capturado en San Marcos por miembros de la G2 y fue trasladado al Destacamento Militar de Santo Domingo (San Pablo). Su testimonio muestra el uso de la tortura para forzar la colaboración de los prisioneros y la existencia de prisioneros capturados que el Ejército utilizó como colaboradores y que siempre negó; entre ellos, el conocido caso de la captura y tortura de Efraín Bámaca (Everardo).
2.3.2.21  La tortura inicial
Comenzaron a golperarme con un bloque de construcción. Los que me golpearon fueron los mismos que me habían capturado: Teniente Coronel y Jefe de Inteligencia Héctor René Pérez Solares; el Especialista de la G2, Margarito Sarceño Medrano; un Capitán, comandante del Destacamento de San Pablo; el Jefe de Comisionados Militares de San Pablo, miembro de la G2, Emilio Escobar. Después enviaron a Karina a decirme: ‘Carlos decí la verdad. Por tu culpa me están golpeando más’. Y ella lloraba. La estaban obligando a que dijera eso.
2.3.2.22  Forzar la colaboración
Entraron tres personas de la G2, junto a ‘Augusto’, que había sido combatiente de la URNG, de mi propio frente Luis Ixmatá. Augusto fue capturado en diciembre del 89, junto con otro combatiente de seudónimo Alfredo, que está desaparecido desde 1990. Más tarde Augusto me contaría que estuvo engrilletado a una cama durante 5 meses y que fue torturado. Me mostró cicatrices de toques eléctricos en las piernas. También fue forzado por el Ejército a matar a sangre fría a dos personas civiles secuestradas. Más tarde, yo estaba presente cuando él solicitó su baja del Ejército. El Coronel Julio Alpírez le contestó que si quería su baja, se la daban; pero que sería una baja "permanente" (la muerte). En la Zona Militar 18 de San Marcos, me interrogaba un especialista de la G2, conocido como Gualip. Me engrilletaba a una cama, con los pies amarrados. Yo solía salir de vez en cuando: el Ejército me sacaba para ir a señalar buzones o identificar gente muerta o capturada. así pasé 5 meses.
2.3.2.23  Buscando la conversión
Después empezó una nueva etapa. Comenzaron a probarme, a ver si ya me habían roto psicológicamente con la presión y tortura anteriores. Ya sólo me engrilletaban en las noches y sólo de una mano. El nuevo jefe de la G2, Jesús Efraín Loarca Aguirre, me permitió salir para hacer ejercicio. Yo estaba pálido y él quería tomarme fotos para propaganda, mostrando que yo ya estaba voluntario en el Ejército y que me arrepentía de mi tiempo en la guerrilla... Decidí que la única manera de escapar de allí era aparentar como que yo fuera prisionero modelo, obediente y respetuoso. De ese modo, yo esperaba el momento oportuno para poder escapar. Poco a poco me mandaron a hacer tareas, me dí cuenta que el Ejército tenía una estrategia especial y nueva con nosotros, como prisioneros de guerra. Anteriormente capturaba a compañeros nuestros, los torturaba y siempre los mataba. En cambio ahora mantenían vivos a algunos con el objeto de rompernos psicológicamente y sacarnos información militar nuestra; y también para forzarnos a trabajar con ellos en la sección de inteligencia (G2).
2.3.2.24  La tortura de Efraín Bámaca
Everardo (Efraín Bámaca) había sido mi comandante y lo quería ver. Vi a Everardo en Santa Ana Berlín con mis propios ojos, acostado en una cama de metal, con las manos engrilletadas y los pies amarrados con un lazo,42 lo mantenían bajo interrogación día y noche. Querían quebrar la moral de Everardo. El 18 de julio llevaron a Everardo a un cuarto secreto de la enfermería militar. Antes de ser trasladado a la enfermería, había contado que antes de llegar a San Marcos, había estado en la Zona Militar 18-15 de Quetzaltenango, en el mes de junio. Allí lo estaban interrogando, lo escuché como dormido o drogado. Todo su cuerpo estaba severamente hinchado. Tenía un vendaje en los ojos también. Uno o dos días después vi de nuevo a Everardo. Vestía uniforme de soldado y no le pude ver el brazo ni la pierna. Pero su cuerpo ya no estaba hinchado. El estaba hablando con voz normal otra vez. Fue la última vez que ví al Comandante Everardo. Salí de la base algunos días, y cuando regresé, él no estaba.
2.3.2.25  La huida
Yo escapé a México el 22 de diciembre de 1992. Como los miembros de la G2 ya me tenían confianza después de tanto tiempo, me dieron 6 días de permiso para estar con mi familia. Yo aproveché para salir del país de una vez y denunciar toda esta situación de los prisioneros de guerra, incluyendo a Everardo. Certificado del Testimonio presentado por Santiago Cabrera ante la Secretaría de Estado de Estados Unidos, 30 noviembre de 1994.
2.3.2.26   La readecuación de la personalidad. Asumiendo la identidad del represor
El objetivo final de la tortura es la trasformación de la personalidad del capturado, sometiéndole a tomentos de índole psicológica para hacerle perder las referencias de tiempo y espacio. Los torturadores se dividen entre los duros y los suaves; en este caso, el prisionero muchas veces desarrolla hacia el último una relación de dependencia que le hace más vulnerable a la presión, exigencias y valores de sus torturadores. Ese proceso de "reeducación", en algunas ocasiones llamado "lavado de cerebro", puede conducir a una metamorfosis lenta y progresiva. El proceso incluye amabilidad; torturas, enseñanza y propaganda; adiestramiento en la nueva ideología.
Jorge Herrera, ex-militante de las FAR y del PGT en la Universidad de San Carlos, fue capturado, cinco años después de la desaparición de un hermano suyo junto con un grupo de sindicalistas en EMAUS, y decidió colaborar con la inteligencia militar. Ayudó a la conversión de otros insurgentes capturados, entre ellos un sindicalista de CAVISA, militante del PGT. Herrera se convirtió en asesor de inteligencia, y cuando la presencia de Pellecer se hizo insostenible en el EMP, tras el fracaso del golpe de Estado de Jorge Serrano en junio de 1993, Herrera fue llamado para sustituirlo como asesor de la inteligencia del EMP. De ahí en adelante pasó a jugar un papel clave como negociador de la inteligencia presidencial, en el período de Ramiro de León, ante los empresarios y los directivos de diarios. Fundación Myrna Mack.
2.3.2.27  De jesuita a victimario: el caso Pellecer Faena
El 8 de junio de 1981 fue secuestrado violentamente en la capital de Guatemala el sacerdote jesuita Luis Eduardo Pellecer Faena. Testigos aseguran que Pellecer fue herido en el momento de la captura. Cuando el coronel Francisco Ortega Menaldo, alto mando de La 2, conoció su captura pidió hacerse cargo del caso.
Ortega Menaldo deseaba aplicar sus conocimientos de tortura psicológica para reconvertir al cura. Lo tomó como un reto personal. Algunos oficiales lo veían con recelo, desconfiaban de esos métodos sofisticados. La fuga de Toj Medrano (líder del CUC), del Cuartel General -que le había costado el cargo al general Oscar Humberto Mejía Víctores- tras colaborar con el Ejército, había hecho que desconfiáramos de esos métodos, aunque se siguieron aplicando. Informante clave 1098, Guatemala, s.f. La tarde del 30 de septiembre del mismo año, el secretario de Relaciones Públicas de la Presidencia, Carlos Toledo Vielman, convocó a una conferencia de prensa en la que Pellecer Faena habló profusamente sobre su formación jesuita, su pertenencia a la élite intelectual de la Compañía de Jesús, el trabajo que desarrolló con los Delegados de la Palabra en El Salvador y Nicaragua, y denunció el uso de estos movimientos, así como de otras instituciones católicas (como Cáritas y el Colegio Belga), en favor de la causa insurgente. Confesó ser militante del EGP desde 1980 y participar junto con el ex-jesuita Enrique Corral en la Comisión Nacional de Propaganda de esa organización y en la Coordinadora de Pobladores. Afirmó que su desaparición fue un "autosecuestro".
Las inusitadas declaraciones de Pellecer tuvieron un fuerte impacto en la Iglesia. La tensión entre ésta y el Estado había crecido desde 1980. En apenas dos años, doce sacerdotes habían sido asesinados. La diócesis de Quiché había tenido que ser clausurada y al obispo Juan Gerardi se le impidió su ingreso al país. Un mes antes de la aparición de Pellecer Faena, el Ejército había denunciado la participación de sacerdotes en la guerrilla y el uso de los colegios católicos como "centros de adoctrinamiento marxista". Las reacciones públicas de la Compañía de Jesús y varios sectores sociales enfatizaron que Pellecer había sido objeto de crueles torturas hasta "derrumbarlo". El análisis del video de la conferencia de prensa les llevó a la conclusión que su aspecto físico presentaba cambios notables. Había subido inusualmente de peso y su dentadura le daba otra conformación a la cara. Las fuentes coinciden en que tres odontólogos habrían sido llamados por la Inteligencia Militar para realizar el trabajo de reconstrucción dental del detenido y que fueron asesinados. Los dos primeros por no haberse comprometido, y el tercero tras realizar el trabajo. El EGP informó a través de un comunicado de prensa que Pellecer Faena no era militante sino "colaborador" de esa organización. La Inteligencia Militar explotó al máximo el "caso Pellecer". Lo llevaron a varios países para dar charlas a mandos de inteligencia militar y durante los siguientes doce años fue un asesor influyente de los servicios de inteligencia, destacado también en el Estado Mayor Presidencial, donde siguió cerca de Ortega Menaldo, hasta el fracaso del golpe de Estado de Jorge Serrano en mayo-junio de 1993.
Pellecer era un tipo brillante. Nos apantallaba con su conocimiento y alta capacidad de razonamiento. Él se convirtió en nuestro maestro... a él le debemos mucho de nuestros éxitos contra la subversión, incluso a nivel personal en nuestra formación... en aquellos momentos su presencia fue decisiva para afinar nuestros planes e incorporar disciplinas que no habíamos considerado. Informante clave 1098, Guatemala, s.f.
2.3.2.28  Las cárceles clandestinas
Según los testimonios directos recogidos existieron casas secretas de la sección de inteligencia del Ejército, que funcionaron como centros clandestinos de detención, interrogatorio y tortura. Muy pocas personas de las que estuvieron en ellas se libraron de la muerte, después de haber sido torturadas brutalmente. Cuando se consideraba que los detenidos podían proporcionar más información, las detenciones implicaron la realización de un trabajo psicológico con el objetivo de forzar la colaboración de las víctimas. Según los testimonios recabados, la mayor parte de las detenciones duraron algunas semanas o meses. Se han obtenido testimonios refereridos a detenciones prologandas hasta por dos años, pero no se conocen casos de tiempo mayor.
? Los torturaban a la orilla del lago los llevaban los especialistas, se encargaban, los interrogaban, los golpeaban, los torturaban en los pies, manos, encapuchados, golpeados la cabeza, los pulmones. Se golpeaban los pulmones, se torturaban, les ponían también electricidad en las orejas también por medio de una corriente de batería, el carro encendido y se les pegaba los choques también eléctricos. Y torturados también quitados los dedos, pero eso ya era con final. Caso 1741, Izabal, 1980-81.
2.3.2.29  El control psicosexual de la tropa
Violación y desprecio a las mujeres La violación de las mujeres fue una práctica sistemática en los operativos militares y en las capturas de las personas consideradas sospechosas de apoyar a la guerrilla. Las violaciones masivas fueron muy frecuentes tanto en el área rural, en el marco de operativos militares y masacres, como en los casos de capturas individuales en la ciudad. Sin embargo, muchos victimarios consideraron las violaciones como una parte natural, de poca importancia, en el ejercicio de la violencia contra las mujeres y las comunidades. Esa normalización de la violación fue utilizada para mantener el control psicosexual de los soldados, dentro de la consideración de las mujeres como una parte del "botín de guerra". Sin embargo, cuando la población civil ya era considerada "amiga", la violencia contra ella se castigaba con severidad, debido a que iba en contra de los planes que pretendía ejecutar el Ejército, de asentamiento y colaboración con la población. De esta manera, la violencia contra la gente no fue indiscriminada, sino que dependía de una valoración de riesgo/beneficio en función del objetivo central que era el de obtener la colaboración de la población civil
2.3.2.30  Sexo después de la masacre
Entre el control psicosexual y la ceremonia de iniciación Caso 1871 (ex-G2), varios lugares, 1981-84. ... decirles a las muchachas, obligarlas a que hicieran show, allí mismo donde habían masacrado a estos cuates pusieron unos petates y un candil a la par del otro y le prendieron fuego y se iluminó, teníamos una grabadora allí y él les comunicó a las muchachas la idea y ellas empezaron a pasar a bailar una por una, se desnudaron; pero había una variante: de que cada soldado tenía que bailar y desnudarse con ellas también. Entonces el teniente agarró su sombrero, lo puso en medio, sacó un billete de a diez y dijo ‘muchá, pongan todos lo que quieran y yo le voy a decir a una muchacha de esas quien se anima a hacer el amor delante de todos’. Salió con una su toallita así envuelta, algo chiviada la pobre, salió y bueno, el muchacho que había pagado para estar con ella pues de pronto él estaba con toda la manifestación de su virilidad, pero de ver la situación como estaba, él actuó de una forma ridícula y entonces todos nos empezamos a reír, y de pronto se volvió impotente y no pudo hacer nada; la muchacha toda chiviada, recostada, parece que nunca lo había hecho así... Entonces los muchachos pues se emocionaron porque eso es algo que realmente lo impresiona a uno, le afecta bastante verdad, y de más está decirles de que esa noche fue un éxito para ellas, que a nosotros nos causaba risa que ellas entraba un soldado, un ratito estaba con ella y al ratito, ‘otro mi teniente’ y otro y otro, total es de que pasaron los setenta verdad, y algunos dos veces o tres. Pero total es de que ellos, todos desahogamos allí nuestra tensión y nuestra necesidad. Pero en una práctica que yo no estuve de acuerdo fue de que el señor este, orden... habían unos soldados que estaban allí enfermos, tenían gonorrea, sífilis, entonces él ordenó que esos pasaran pero de último, ya cuando hubiéramos pasado todos, verdad.
2.3.2.31  La preparación de las masacres
La mayoría de las masacres ocurridas fue producto de procesos que implicaron una preparación psicológica e instrumental. Muchas de las decisiones relacionadas con el arrasamiento de las aldeas fueron cuidadosamente planificadas y su preparación también exigía mantener un estado psicológico de tensión, alerta permanente y capacidad de reacción inmediata por parte de la tropa. La ejecución de las masacres implicó también una gran cantidad de "trabajo" que debía estar bien preparado: capturas y separación de la gente, interrogatorios y torturas, preparación de fosas, materiales inflamables para quemar los lugares, preparación de comidas etc. Las masacres no tuvieron, pues, un carácter reactivo ni fueron una eclosión de violencia desorganizada, sino, al contrario, eran el resultado de un proceso de ejecución planificada y organización del trabajo represivo.
Habían diferentes grupos hay uno de matadores a los que les decían Alpa son cuatro grupos, hay uno de seguridad, otro entraba a rastrear a las casas por si había algo por allí, otro grupo se encargaba de matar, el otro grupo era para prestar auxilio a alguien que estuviera herido; cada grupo tenía su misión. Caso 9524, Barillas, Sololá, Quiché, s.f. Además del entrenamiento en la obediencia y la preparación en las técnicas descritas, el Ejército utilizó otros estímulos como el afán de gozar del botín, el que guió gran parte del comportamiento de los soldados. De esta manera la tropa estaba entrenada y dispuesta para la destrucción indiscriminada, particularmente allí donde no encontró resistencia.
Esta conducta, institucionalmente aprobada por las fuerzas armadas, se basó en la consideración de la gente como objeto de desprecio: ‘son mierda y no merecen vivir porque apoyan a la subversión’. El desprecio extremo se muestra en el modo de matar y arrasar. Muchas veces el silencio de la gente fue la base de la argumentación del Ejército para considerarla guerrillera: ‘tenemos que acabar a todos, porque esta gente, si preguntamos, no lo dicen’. El desprecio fue entonces la inversión del sentimiento de derrota y la acción de la masacre lo sella como si fuera una gran victoria. Según los testimonios de muchas masacres la iniciativa partió de la jerarquía superior. Pero también según los testigos, los soldados masacran con insensibilidad: ‘risa les da a ellos’.
2.3.2.32  Ocultar la infamia. Los cementerios clandestinos
Para tratar de ocultar las muertes masivas perpetradas en las masacres, el Ejército hizo fosas y sepulturas comunes para enterrar los cuerpos de las personas asesinadas. Según los testimonios recogidos, una práctica sistemática fue la rociar los cadáveres con algún combustible y darles fuego para tratar de hacer más difícil el reconocimiento y eliminar la mayor parte de las pruebas posibles. En algunos casos, las personas no habían muerto todavía. La mutilación de los cadáveres y la quema de los restos trató de asegurar la eliminación de cualquier posibilidad de que hubiera sobrevivientes.
Un cementerio clandestino donde en cada hoyo se le metían treinta, cuarenta personas. No se podía nada más pues había que cortarles las rodillas para que cupieran en el fondo del hoyo (...) y le echábamos gasolina, y aquella llama subía la altura de dos, tres brazadas la gasolina de alta. Donde aquellos gemidos se oían adentro del fuego, lloraban y gritaban Caso 1741 (victimario), Izabal, 1980-83.. Muchos cementerios clandestinos se hallan cerca del lugar donde se realizaron las masacres y asesinatos. Según los testimonios recabados, otros muchos están situados en lugares que pertenecen a zonas militares, destacamentos y cuarteles que funcionaron como centros de detención clandestina.
2.3.2.33  Conclusiones. De la memoria de las atrocidades a la violencia del presente
¿Qué consecuencias pueden tener todos estos procesos de entrenamiento, prácticas y estructuras de violencia en Guatemala? ¿Cómo pueden comprometer el futuro en el tiempo de la reconstrucción en el post-conflicto?
2.3.2.34  Buscando la explicación
Frecuentemente, los intentos por buscar una explicación última al horror se encuentran con dos tendencias contradictorias: la resignación generalizada debido a la ‘maldad de los humanos’ o la consideración de que la participación en las atrocidades se debe algún tipo de problema psicológico. Sin embargo ninguna de las dos explicaciones responde a la realidad. En el primer caso, se olvida la importancia de los mecanismos que han hecho posible una violación sistemática de los derechos humanos, que se encuentran en estrategias y prácticas de guerra contra la población civil. Por otro lado, los estudios sobre la situación psicológica de muchos victimarios, incluso de los más crueles de la época del nazismo, no encontraron signos de una personalidad patológica43, éstos eran personas que podían ser consideradas como normales. Si bien algunos rasgos de personalidad, como las tendencias autoritarias, han sido descritos como mecanismos que facilitan esa participación, eso no significa que sean personas con "problemas psicopatológicos" que justifiquen su responsabilidad individual en esas acciones. Sin embargo, también se dieron diferencias individuales; algunos soldados desertaron, otros resistieron activamente contra el reclutamiento o la participación en las PAC; en otros casos, en los individuos funcionaron los mecanismos de obediencia para salvar su vida, mientras que en otros muchos la participación fue voluntaria, con un involucramiento personal en las acciones contra la población.
2.3.2.35  La violencia de la postguerra
La gran cantidad de gente deformada por la violencia a través del reclutamiento forzoso y las PAC supone el riesgo de que las consecuencias de la militarización tengan aún un impacto a muy largo plazo, dada su influencia en los sistemas de valores y los patrones de conducta, además de su aprendizaje práctico y el mantenimiento de redes de poder. En los grupos que tuvieron una mayor participación en la violencia contra la gente, la pérdida de valores incluye el desprecio del valor de la vida de los otros y la normalización de la violencia como forma de tener un mayor control sobre los demás o enfrentar situaciones de conflicto. En la sociedad se pueden dar también parte de esos efectos como efecto de la existencia de un contexto en el que prevalece la impunidad. Sin acciones específicas para contrarrestar esta situación, y ese contexto de impunidad y graves problemas económicos que afectan a muchos sectores de la población, las consecuencias de la guerra se manifiestan ya en nuevas formas de violencia social. Por último, la práctica del horror durante todos estos años ha supuesto también la consolidación de redes de actuación clandestinas, orientadas a satisfacer intereses personales o de grupos de poder. En el contexto de la postguerra, estas redes se han organizado como bandas delictivas que tienen como objetivo el enriquecimiento personal a través del narcotráfico, los secuestros, el robo de carros etc. Muchas de esas bandas, organizadas continúan aplicando los procedimientos analizados en este capítulo y no pueden verse como un hecho ajeno a las estructuras tradicionales de poder, como el Ejército. Su desmantelamiento es parte de la responsabilidad del Estado.
2.3.2.36  La lucha por el rescate de la memoria
Como ya se trató en el caso de las víctimas, la memoria de las atrocidades es también parte importante en la prevención de la violencia. Las versiones justificadoras de los hechos no sólo tratan de exculpar a sus autores, sino que también justifican en la práctica la ideología y los métodos en los que se basó la práctica del horror. En ausencia del reconocimiento público y la sanción social contra los culpables, los victimarios pueden salir fortalecidos en su posición. Esa permanencia de relaciones de poder, basadas en su imposición por la violencia, tiene consecuencias importantes en el futuro. Existen muchos ejemplos históricos respecto de distintas tendencias en la tarea social de reconstruir la memoria de una manera distorsionada, que van desde la justificación de las atrocidades hasta la responsabilización e inculpamiento de las víctimas. Es frecuente que las versiones oficiales apelen a la necesidad de "pasar la página de la historia para reconstruir la sociedad". Además, para los responsables de los hechos la negación del recuerdo, y su recuerdo convencionalizado, tienen la función de mantener una imagen coherente de sí mismos. Esa distorsión intencionada de la memoria constituye una forma de estafa social y una nueva humillación para las víctimas. Pero, además, tiene consecuencias a medio-largo plazo para la sociedad, tales como el establecimiento de ciertas formas de democracia vigilada por el poder militar en varios países de Latinoamérica que sufrieron dictaduras castrenses; la proliferación de los movimientos de extrema derecha o racistas en Europa; el liderazgo de personajes que anteriormente colaboraron con el fascismo o con la represión estalinista en expresiones de nuevos nacionalismos; o la transformación paulatina de los instigadores de la guerra en los "defensores de la paz". Todas estas situaciones evidencian el riesgo de que se repitan las atrocidades del pasado y del presente.44 La memoria tiene una clara función preventiva. Del desmantelamiento de los mecanismos que han hecho posible el horror depende en gran medida que no se repita la tragedia.

3  3 DER GESCHICHTLICHE HINTERGRUND

3.1  3.1 VORGESCHICHTE: Von der liberalen Revolution bis zum Ende der Reformpolitik in den 50er Jahren

3.1.1  3.1.1 Von Barrios zu Ponce Vaides
Bis zur liberalen Reform von 1871 befand sich die politische und wirtschaftliche Macht in Guatemala in den Händen von Familien, die von den Konquistadoren oder von spanischen Kolonialverwaltern abstammten. Nachdem seine Bewegung gesiegt hatte, verpflichtete sich General Miguel García Granados in einem Manifest vom 8. Mai 1871 zu einer Staatsreform, um die Auswüchse der individuellen Macht zu beschneiden und dem Landbesitz der mächtigen Kaffeepflanzer eine gesetzliche Basis zu verschaffen. Zwar trieb General Justo Rufino Barrios die liberalen Reformen voran, herrschte jedoch als Diktator. Diese Reformen verbanden die technologischen Fortschritte und die neuen militärischen Konzepte - wie die Aufstellung einer Berufsarmee - mit der Unterdrückung der Gemeinde- und Kirchenrechte am Bodenbesitz und der Einführung der Zwangsarbeit. Am meisten betroffen waren die Indígena-Gemeinden in den Kaffeeanbaugebieten, besonders in der Bocacosta
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von Quetzaltenango, San Marcos und in Alta Verapaz. Bis dahin beruhte die relative Unabhängigkeit der indigenen Völker auf dem gemeinsamen Eigentum an Boden. Da der Erbpachtzins unbekannt war, den die Konservativen im 19. Jahrhundert einführten (was dem Eigentumsrecht der Indígenas zwar schadete, es jedoch nicht abschaffte), wurden die Ländereien von den Pflanzern erworben, die ihnen die Gemeinden bis dahin verpachtet hatten. Neben dem Landbesitz griff der Liberalismus noch ein weiteres Thema auf: die Zwangsarbeiter. 1877 wurde die Verordnung über Tagelöhner und 1878 das Gesetz gegen Landstreicherei verabschiedet, das die Indígenas dazu zwang, 100 bis 150 Tage im Jahr auf den Kaffeeplantagen zu arbeiten. Dadurch wurden Arbeitskräfte sehr billig: Die Männer verdienten einen Real am Tag und die Frauen einen halben. Ungefähr 100 000 Indígenas kamen jedes Jahr von der Hochebene in die Bocacosta herab, um als Erntehelfer zu arbeiten. In dieser Zeit fanden zahlreiche Aufstände der Indígenas gegen politische Anführer, Steuereintreiber und Plantagenbesitzer statt. Unter diesen Revolten sind besonders der Guerillakrieg der Indígenas von Momostenango, der Aufstandsversuch der Quichés 1877 und die Rebellion von San Juan Iscoy im Jahre 1898 zu erwähnen, die von den Milizen der Ladinos erstickt wurden, die sich des Indígena-Landes bemächtigten. Bei seinem Amtsantritt 1893 schaffte Präsident José María Barrios die 1877 eingeführte Zwangsarbeit wieder ab, zwang aber die Indígenas, die sich vom Militärdienst nicht freikaufen konnten oder nicht mindestens drei Monate auf einer Kaffee-, Zucker-, Kakao- oder Bananenplantage arbeiteten, im Batallón de Zapadores
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an öffentlichen Bauarbeiten teilzunehmen.
3.1.1.1  Militarisierung auf dem Land
Die liberalen Regierungen nutzten die Erfahrungen der Kolonialzeit, um den Bauern die Armeeausbildung aufzuzwingen. Wie schon in der Kolonialzeit beunruhigte sie die Existenz von verstreuten Bevölkerungsgruppen, die weit entfernt von der Hauptstadt lebten. Außerdem war eine Zwang ausübende, effektive und dezentralisierte Macht erforderlich, um eine ausreichende Anzahl von Arbeitskräften zu gewährleisten. Aus diesem Grund war eine der Hauptaufgaben, die den Plantagenbesitzern übertragen wurde, die Repräsentation der politischen Autorität der Zentralregierung, wofür sie nicht nur mit ziviler und polizeilicher, sondern auch mit militärischer Macht ausgestattet wurden. Die Reservemilizen setzten sich aus Rekruten zwischen 15 und 50 Jahren zusammen. Auf den Kaffeeplantagen mußten die Besitzer oder ihre Vertreter jeden Sonntag Anwesenheitslisten herumgehen lassen. Die Arbeiter waren gezwungen, dem Besitzer unterstellte Truppen zu bilden, als sei dieser ihr militärischer Vorgesetzter. Zur Militarisierung der Plantagen gehörte auch die Bestrafung mit Zwangsarbeit für den Aufbau der Plantageninfrastruktur. Ein Monat Arbeit in der gefürchteten Compañía de Zapadores bedeutete Mißhandlungen und häufig auch den Tod der Betroffenen. Frauen und Kinder mußten sich bei Abwesenheit der für die Arbeit eingesetzten Männer um die Felder kümmern. Viele, die von der Verlängerung so vieler Strafen entmutigt waren, flohen. Der Aufstieg der neuen wirtschaftlichen Gruppen erfolgte nicht ohne Spannungen. 1898 sollte ein Aufstand die Wiederwahl von Reina Barrios verhindern, der von den Kaffeepflanzern im Westen unterstützt und von den politischen Führern von San Marcos und El Quiché angeführt wurde. Als Mittel der Repression wurden Juan Aparicio und Sinforoso Aguilar, die beiden bekanntesten Unternehmer aus Quetzaltenango, auf Befehl von Innenminister Manuel Estrada Cabrera nach dem Scheitern der Verschwörung öffentlich hingerichtet. Nach der Ermordung Reina Barrios’ übernahm Estrada Cabrera die Präsidentschaft (1898-1920) und verwandelte die Liberale Partei von einer Elite von Fachkräften und Beamten in eine Organisation, die auf die Unterstützung der liberalen Kreise der Mittelschicht rechnen konnte. Während der Amtszeit von Estrada Cabrera festigten die großen Kaffee-Exporteure ihre Position; dazu gehörten die Familien Herrera, Klee, Alejos, Falla und Cofiño, Industrielle wie die Familien Castillo, Novella und Herrera und Finanziers wie die Familien Aguirre, Saravia, Castillo und Matheu Sinibaldi. 1901 unterzeichnete die Regierung ein Abkommen mit der United Fruit Company (UFCO) über den Betrieb von Bananenplantagen. Die Konzession wurde 1904 auf den Bau der Eisenbahnstrecke Puerto Barrios-El Rancho-Guatemala Stadt ausgeweitet und schloß 1.500 Nutztiere sowie die Befreiung von der Exportsteuer für 35 Jahre mit ein. Bis 1920 deckten die Vereinigten Staaten 70% der guatemaltekischen Importe ab und kontrollierten 80% der Exporte. In dieser Zeit gingen die Aufstände der Indígenas weiter. 1905 kam es zum Aufstand von Totonicapán. Zur selben Zeit entstanden die Handwerker- und Arbeiterverbände. Um 1919 gab es 36 neue Arbeiter- und Handwerkerverbände. 1920 kam es zu einer Konspiration von Plantagenbesitzern und Kaufleuten, die seit 1871 von der Macht verdrängt waren. Manuel Cobos Batres und Bischof José Piñol y Batres waren die Anführer des Protestes. Ein Jahr zuvor waren die Arbeiterliga (Liga Obrera) unter Führung von Silverio Ortiz und die Unionistische Partei (Partido Unionista) gegründet worden. Letztere forderte eine parlamentarische Regierungsform, eine Währungsreform und die zentralamerikanische Integration. Aus der Protestbewegung von 1920 gingen Arbeitermilizen hervor, und es kam zu einem Aufstand, bei dem 1700 Menschen ihr Leben verloren. Estrada Cabrera wurde abgesetzt und durch den Zuckerplantagenbesitzer und Bankier Carlos Herrera Luna (1920-21) abgelöst. Herrera machte einige Zugeständnisse bei der Genossenschaftsbewegung und den individuellen Rechten, schränkte aber die Proteste durch die Demonstrationsverordnung ein. In dieser Zeit tat sich die Guatemaltekische Eisenbahnervereinigung (Unión Ferrocarrilera de Guatemala) durch Kampfbereitschaft besonders hervor. 1921 wurde Herrera von einem Triumvirat mit General José María Orellana (1921-26) an der Spitze gestürzt. Orellana verhandelte von neuem mit dem Elektrounternehmen Bond & Share und schuf den Quetzal als guatemaltekische Währung in Parität zum Dollar, was eine De-Fakto-Abwertung darstellte, die für die Kaffeeplantagenbesitzer von Vorteil war. 1924 unterzeichnete die UFCO einen Pachtvertrag für alle brachliegenden Böden im Motagua-Flußgebiet in einem Umkreis von 100 Kilometern. 1926 wurde die guatemaltekische Zentralbank gegründet, die als einzige den Quetzal ausgeben durfte. Die Regierung richtete eine Nationale Abteilung für Arbeit ein und verabschiedete einige Gesetze zum Arbeitsschutz, schlug aber 1922 wieder einen Aufstand der Quichés nieder. 1931 wurde Jorge Ubico Castañeda, der politische Führer in Verapaz, eng verbunden mit sehr einflußreichen Familien wie den Castañedas, Urruelas, Herreras, Dorións, Klees und Saravias, zum Präsidenten gewählt. Ebenso wie Estrada Cabrera führte Ubico über eine lange Zeit ein autokratisches Regime. Zu Beginn der dreißiger Jahre litt Guatemala unter den Auswirkungen der internationalen wirtschaftlichen Depression. Zwar konnte Ubico die Währung nicht weiter abwerten, sicherte sich aber die Unterstützung der Kaffeeplantagenbesitzer, indem er die Sozialordnung auf dem Land mittels eines öffentlichen Bauprogrammes aufrechterhielt, für das Zwangsarbeit geleistet werden mußte. 1934 strich die Regierung die Schulden aufgrund des Bevollmächtigungsgesetzes
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, womit sie die Unternehmer, die bei ihrem Kampf um Arbeitskräfte weniger wettbewerbsfähig waren, unterstützen und gegen den Druck durch die exzessive Verschuldung der Arbeiter sowie gegen die schwere Finanzkrise angehen wollte. Dies ermöglichte einer Minderheit von Indígenas, sich als Kaufleute zu betätigen und durch das ganze Land zu reisen. Diese Indígenas brachen mit dem kulturellen Muster der Zahorines
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und schlossen sich einer Bewegung zur religiösen Bekehrung an, die der katholischen und der protestantischen Kirche in den dreißiger und vierziger Jahren Zugang zur Hochebene verschaffte (Falla, 1980). Ubico ersetzte die Ladino-Bürgermeister durch von ihm ernannte Intendenten und hielt an den Hilfsbürgermeistern (alcaldes auxiliares) der Indígena-Gruppen fest. Er unterstellte die unlängst geschaffene Arbeitsabteilung, die unter die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums fiel, der Generaldirektion der Polizei und bediente sich der Armee, um seine Politik umzusetzen. Das Militär zwang die Bauern, Straßen zu bauen und die Telegrafendrähte im ganzen Staatsgebiet zu spannen. Außerdem verfolgte der Regierungschef seine Gegner brutal. 1934 deckte er eine gegen sich gerichtete Verschwörung auf und beseitigte einen Teil derjenigen, die sie unterstützten. Er machte das ley fuga
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berühmt. Im Juni 1944 jedoch mußte er im Verlaufe von Massenprotesten die Macht an ein Militärtriumvirat unter der Leitung von General Federico Ponce Vaides abgeben, dessen Regierungszeit 108 Tage dauerte.
3.1.1.2  Die Militärkommissare
Präsident Ubico schuf durch das Ministerialabkommen vom 9. Juli 1938 den Posten des Militärkommissars als Vertreter der Armee vor Ort. Die Kommissare füllten eine Lücke, die aufgrund der fehlenden Ziviladministration auf dem Land bestand. Ihre Arbeit war ehrenamtlich, wurde unbefristet ausgeübt und beinhaltete u.a. die Rekrutierungen für den Militärdienst, Gefangennahme von Straftätern, Vorladungen und Einberufungen. Sie konnten in den Gemeinden aushandeln, wer Militärdienst leisten mußte und wer nicht, was ihnen von Anfang an großen Einfluß gab. Diese Funktion verschärfte nach Ausbruch des bewaffneten Konflikts vor allem im Osten des Landes die Auseinandersetzungen dramatisch. Auf der anderen Seite verschärften sich die Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Die lokalen Streitigkeiten zwischen den Indígenas und Ladinos von Patzicía, Chimaltenango, angeheizt durch die Versprechungen Ponces, ersteren Land zu geben, weiteten sich schnell auf die landesweite politische Ebene aus und endeten in einem Massaker an den Cakchiqueles nach ihrem Aufstand gegen die Ladinos (die 16 bis 19 Tote zu verzeichnen hatten). Die Zahl der durch die Militärintervention vom 21. Oktober 1944 auf Indígena-Seite zu beklagenden Opfer belief sich auf mehr als 40, aber in den folgenden Tagen wurde eine Indiojagd entfesselt, an der sich paramilitärische Ladino-Gruppen aus Zaragoza beteiligten. Dabei starben 400 bis 600 Menschen. Am 20. Oktober 1944 stürzte schließlich die Regierung Ponce Vaides, die Symbol der Ubico-Politik war, aufgrund einer Verschwörung politischer und militärischer Führer sowie eines Volksaufstandes in der Hauptstadt. Damit endete ein weiteres Kapitel in der Geschichte Guatemalas.
3.1.2  3.1.2 Die Oktoberrevolution
Während der Zeit der Oktoberrevolution (1944-1954) vollzog sich der Zugang des Mittelstands (Militärs, Fachkräfte, Kaufleute, Handwerker) zur Staatsverwaltung und zu den politischen Institutionen. Die neue Regierungsform basierte auf einem partizipativen System, mit dem die Staatsreformen unterstützt wurden (Wahlrecht, Autonomie der Munizipien); die Staatsbürokratie weitete sich aus, und die Intellektuellen wurden an den Machtentscheidungen beteiligt. 30 Parteien waren registriert, unter anderem auch die Vereinigte Front der Arevalistischen Parteien (Frente Unido de Partidos Arevalistas), die die Verfassung von 1945 initiiert hatte. Präsident Juan José Arévalo (1945-51) trat für ein liberales Modell der staatlichen Intervention ein, das eine Interpretation des New Deal des US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt darstellte, und von Arévalo in Abgrenzung vom materialistischen Sozialismus der Marxisten als spiritueller Sozialismus bezeichnet wurde. Sein Wirtschaftsprogramm förderte die Kleinindustrie und ermöglichte den Landbesitz für Kleinbauern. Darüber hinaus wurden Baumwollanbau und Massentierhaltung gefördert, die nur auf großen Landflächen und mit einer neuen Art von Landarbeitern rentabel betrieben werden konnten. Außerdem wuchs der Handelssektor, angeheizt durch die hohen Preise für Exportprodukte und die steigende Kaufkraft im Land. Die Arbeitgeber- und Arbeiterorganisationen vermehrten sich in dieser Zeit. 1948 wurde der Nationale Bund der Arbeiter Guatemalas (Confederación Nacional de Trabajadores de Guatemala, CGTG) unter dem Vorsitz von Víctor Manuel Gutiérrez, dem es gelang, 90 000 Mitglieder anzuwerben, als legale Organisation anerkannt. Gleichzeitig expandierte der Nationale Bauernbund Guatemalas (Confederación Nacional Campesina de Guatemala, CNCG) unter Vorsitz von Leonardo Castillo Flores bis ins Landesinnere. 1949 waren bereits 92 Gewerkschaften als juristische Personen anerkannt. Die Regierung Arévalo sah sich jedoch schnell Verschwörungen von konservativen Gruppen ausgesetzt. Oberst Francisco Javier Arana und Jacobo Árbenz profilierten sich für die Nachfolge von Arévalo im Jahr 1951. Aber Arana plante eine Beschleunigung dieses Prozesses. Im Juli 1949 stellte er Arévalo mit der Unterstützung einiger Plantagenbesitzer ein Ultimatum, in dem er forderte, daß Arévalo seine Macht an die Armee abgeben und den Rest seiner Amtszeit als zivile Fassade eines Militärregimes dienen sollte. Der Präsident spielte auf Zeit und versuchte, mit Árbenz und einigen loyalen Offizieren Arana festzunehmen. Als er schließlich alleine verhaftet wurde, leistete Arana Widerstand und starb bei einem Schußwechsel. Als die Nachricht über seinen Tod die Hauptstadt erreichte, rebellierten die Aranisten, aber die Gewerkschaften und regierungstreuen Armee-Einheiten schlugen den Aufstand nieder. Gegen Ende der Regierungszeit stieg die politische Spannung. Oberst Jacobo Árbenz gewann die Wahlen von 1950 für die Volksbefreiungsfront (Frente Popular Libertador, FLP), die Partei, die die Mittelschicht vertrat. Árbenz begann, sich mit dem Landproblem zu beschäftigen. 1950 hatte ein Zensus auf dem Land ergeben, daß 99,1% der Güter Minifundien waren, die lediglich 14% des Bodens ausmachten, während 0,1% der Bevölkerung 41% der untersuchten Bodenfläche besaß. 40% der Grundstücke befanden sich im Besitz von 23 Familien, 54 Güter machten 19% des Landes aus und ungefähr 250 000 Bauern waren ohne Land. Ebenso wie Arévalo versuchte Árbenz, die Unternehmer in die Lösung dieses Problems einzubeziehen. 1951 berief er eine Kommission von drei Unternehmern ein, die die Situation der Landverteilung in Guatemala untersuchen sollte. 1952 stimmte der Kongreß dem Dekret 900 bzw. dem Agrarreformgesetz zu, das die Enteignung nicht bestellter Grundstücke und ihre Weitergabe an Bauern durch lokale Agrarkomitees vorsah. Die enteigneten Grundstückbesitzer bekamen als Entschädigung Staatsschuldscheine mit einer Laufzeit von 25 Jahren mit einem jährlichen Zinssatz von 3%. In den 18 Monaten der Gültigkeit der Agrarreform kamen 100 000 Bauernfamilien in ihren Genuß, der Wert der Enteignungen belief sich auf 8,5 Mio. US-Dollar, und 101 Güter waren betroffen. Während der Durchführung der Agrarreform kam es zu Übergriffen durch die Begünstigten. Überflüssigerweise wurden 30 Güter besetzt, die kurzfristig auf legalem Wege übereignet worden wären. In einigen Regionen im Osten des Landes wandte die CNCG das Pachtgesetz nur zum Vorteil ihrer Mitglieder an. Gleichzeitig aber wurde von den Gutsbesitzern eine Welle der Gewalt auf dem Land entfesselt. Der Allgemeine Bauernverband (Asociación General de Agricultores, AGA) führte die Opposition gegen die Agrarreform an, allen voran die Agrarunternehmer der Familie Aycinena Arrivillaga. Die organisierte antikommunistische Opposition wurde stärker. Am 19. März 1952 kam es zur Rebellion von Salamá, an der Juan Córdoba Cerna und das Antikommunistische Studentenkomitee (Comité de Estudiantes Universitarios Anticomunistas) teilnahmen. Außerdem organisierten die Landeigentümer Komitees zur Verteidigung des Bodens und Bürgerwehren, die Mordanschläge auf Wortführer der Landbewegung verübten, obwohl die Anwendung der Agrarreform den wohlhabenden Händlern von Retalhuleu, Escuintla und Coatepeque zugute gekommen war.
3.1.2.1  Das Dekret 900 in San Martín Jilotepeque
In San Martín Jilotepeque waren die Fincas La Merced, Canajal de Medina, Rosario Canajal und Los Magueyes betroffen, die letzten beiden waren typische fincas de mozos
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. Die Bauern, die das Recht erhalten hatten, den Boden zu bestellen, mußten dafür auch auf anderen Fincas der Besitzer an der Südküste arbeiten. Dieses System der fincas dormitorios
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entstand zu Beginn dieses Jahrhunderts. Rosario Canajal wurde 1911 von Carlos Herrerra Luna gekauft, um als finca de mozos zu dienen. In den Grundbucheintragungen gibt es keine Hinweise darauf, daß sie von dem Dekret 900 betroffen war, und die Archive, die Informationen über die Anwendung der Agrarreform enthielten, wurden zerstört; aus diesen Gründen können für die Rekonstruktion der Tatsachen nur mündliche Aussagen als Quellen herangezogen werden. Die fincas de mozos der Familie Herrerra erstreckten sich über ein Gebiet, das von San Juan Sacatepéquez bis Joyabaj, El Quiché und sogar noch in weiter entfernte Bezirke wie San Juan Cotzal reichte. Die Rücknahme der Agrarreform verwandelte San Martín für die nächsten 30 Jahre in einen sozialen Konfliktherd. Trotz der Infrastrukturinvestitionen nach dem Erdbeben von 1976 blieben die zentralen Probleme der Verfügung über das Land und der Anerkennung der Macht der Indígenas ungelöst; sie wurden erst nach Ausbruch des bewaffneten Kampfes (1980 und 1981) in dieser Region angesprochen. Die Einmischung der Regierung der Vereinigten Staaten wurde seit dem Dekret 900 massiv. Die UFCO legte Verfassungsbeschwerde gegen die Agrarreform ein, woraufhin die Regierung, die den Richtern mißtraute, den Gerichtshof auflöste und so ein schweres Institutionenproblem für die eigene Regierung schuf. 1953 wurde Dwight Eisenhower zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt; John Foster Dulles wurde zum Außenminister ernannt und Joseph McCarthy zog in den Senat ein. Zum anderen erlangte der Geheimdienst CIA nach einer erfolgreichen Aktion, die zum Sturz des iranischen Systems führte, viel größeren Einfluß. Die Schlüsselrolle für die US-amerikanische Guatemalapolitik spielte der Botschafter John Peurifoy, der im selben Jahr in das Land kam. In seiner ersten Unterredung mit Präsident Árbenz forderte er ihn auf, alle Kommunisten aus seiner Regierung zu entfernen. Die Unternehmer und die antikommunistischen Gruppen zögerten nicht, sich für den Kreuzzug gegen die Regierung zusammenzuschließen. Die Industrie- und Handelskammer nahm an einer internationalen Kampagne gegen die Regierung teil. Im Oktober begann die Operation Erfolg (operación éxito) des CIA. Am 24. Dezember wurde der Plan von Tegucigalpa unterzeichnet, der die Nationale Befreiungsbewegung (Movimiento de Liberación Nacional, MLN) einte. Im Mai 1954, als der Verschwörungsplan schon weit gediehen war, unterzeichneten die Vereinigten Staaten Militärhilfeabkommen mit Honduras und Nicaragua; von diesen Ländern aus wurde die Militärintervention gegen Guatemala vorbereitet.
3.1.3  3.1.3 Der Staatsstreich von 1954
Im Morgengrauen des 17. Juni 1954 drangen drei Kolonnen mit 300 bewaffneten Männern auf der Seite von Esquipulas von verschiedenen Punkten an der honduranischen Grenze aus auf guatemaltekisches Staatsgebiet vor. Ihr Ziel war es, Präsident Jacobo Árbenz zu stürzen. Daß die Liberacionistas ihr Ziel erreichten, lag daran, daß die Militärführung nicht kämpfen wollte; sie schloß sich der Verschwörung gegen Árbenz an, und in den Truppen breitete sich Demoralisierung aus. Die Rebellen nahmen am 24. Juni die Stadt Chiquimula ein und riefen von dort die Provisorische Regierung von Guatemala aus, an ihrer Spitze Oberleutnant Carlos Castillo Armas als Chefkommandant der Nationalen Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional), die der bewaffnete Arm einer breiteren Bewegung war. Drei Tage später hielt Árbenz im Radio seine Abdankungsrede, und am 3. Juli übernahm eine fünfköpfige Junta unter Vorsitz von Castillo Armas die Regierung. Mit der neuen Regierung kam auch José Bernabé Linares, der Chef der Geheimpolizei von Ubico zurück; außerdem wurde das Nationale Verteidigungskomitee gegen den Kommunismus (Comité Nacional de Defensa contra el Comunismo) gegründet und ein präventives Strafrecht gegen den Kommunismus verabschiedet. Das Komitee war berechtigt, jede beliebige Person festnehmen zu lassen. In den ersten Monaten nach dem Sturz von Árbenz wurden 12 000 Personen festgenommen, weitere ca. 2 000 Gewerkschaftsführer und Politiker gingen ins Exil (Carta de Guatemala, 1954). Das Komitee hatte die Aufgabe, ein Register mit allen Personen zu erstellen, die in irgendeiner Weise an kommunistischen Umtrieben beteiligt gewesen waren. Für denjenigen, der in diesem Register aufgeführt war, bedeutete dies eine große Gefahr. Die auf Befehl des Komitees Verhafteten hatten kein Recht, einem Richter persönlich vorgeführt zu werden (derecho de exhibición personal), und die Nennung im Register bedeutete für sie den Ausschluß aus staatlichen Ämtern oder Stellen. Das Register enthielt schließlich alle Oppositionellen und Kritiker der Regierung. Bis zum 21. Dezember 1954 hatte das Komitee eine Liste mit 72 000 Personen erstellt.
3.1.4  3.1.4 Die Rolle der Kirche
Durch diese Veränderungen im politischen Leben begann für die Kirche ein neuer Abschnitt. Die heftigen Angriffe der liberalen Regierungen hatten die traditionelle Macht der Kirche verringert. Die geringe Anzahl an religiösem Personal (1940 gab es 126 Priester für 3 Millionen Einwohner) zwang die Laien dazu, sich um die Aufrechterhaltung des Glaubens in ihren Gemeinden zu kümmern. Erzbischof Mariano Rossell y Arellano (1939-64) trachtete danach, daß die Kirche Macht und Ansehen in der Gesellschaft wiedererlangte und daß ihre Orientierungen sowohl Politik als auch gesellschaftliche Führungsgruppen beeinflußten. Für die Wiederherstellung der Bedingungen für die Christianisierung der gesamten Gesellschaft Guatemalas war die Einschaltung der obersten sozialen Schichten erforderlich. In den 50er Jahren war das antikommunistische Klima in der Kirche allgemein verbreitet. In der praktischen Theologie vieler Würdenträger erschien der Antikommunismus als neues Dogma. Rossell betrachtete den Kampf gegen den Kommunismus als Kreuzzug. Am 4. April 1954 veröffentlichte der Erzbischof einen Hirtenbrief, der die Bevölkerung dazu aufrief, sich zu erheben. In seinem Hirtenbrief über das Fortschreiten des Kommunismus in Guatemala sagte er: Wir gehorchen den Weisungen der Kirche, die uns befiehlt, die Kräfte des Kommunismus zu bekämpfen und zu vernichten, und deshalb müssen wir einmal mehr unsere warnende Stimme erheben... Diese Worte sollen den Katholiken die Richtung weisen für einen gerechten, nationalen und würdigen Kreuzzug gegen den Kommunismus. Ein Jahr vorher hatte Erzbischof Rossell die Nationale Wallfahrt des Christusbildnisses von Esquipulas organisiert, bei der eine Kopie des Bildes, das in der Volksreligiosität einen wichtigen Platz einnimmt, von Dorf zu Dorf gereicht wurde, um den Kreuzzug gegen den Kommunismus (gegen die Regierung Árbenz) anzuführen. Die Anwesenheit des Heiligen Jesus vermochte mehr gegen den Kommunismus als hundert Missionare, Tausende von Büchern und Hunderte von Stundengebeten es gekonnt hätten, wenn sie die antikommunistische Kampagne angeführt hätten (Bendaña, 1996). Im Gegenzug erkannte die Verfassung von 1956 die Kirche als juristische Person mit Recht auf Bodenbesitz an. Außerdem erlaubte sie den Religionsunterricht in offiziellen Schulen sowie die Gründung einer katholischen Universität. Darüber hinaus wurde die Einreise von Missionaren und religiösen Kongregationen ermöglicht, gegen die Rossell Bedenken hatte. Zwischen 1950 und 1959 stieg die Zahl der Priester von 132 auf 346, wobei die Mehrzahl Ausländer waren. Später und besonders nach dem Mord an Castillo Armas (1957) zog Rossell seine uneingeschränkte Unterstützung für die Liberacionistas
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zurück. In seiner Botschaft vom 15. Oktober 1954, die nicht mehr soviel Öffentlichkeit erhielt wie der vorherige Hirtenbrief, erklärte er: Der künftige Präsident muß aus seiner Regierung alle Ausbeuter des Proletariats entfernen, seien es diejenigen, die von einer übermäßigen Steigerung der Lebenshaltungskosten reden, seien es die direkten Plünderer der Landarbeiter, seien es diejenigen, die eine angemessene soziale Unterstützung ablehnen. Kommunistischer als die Sowjetführer sind die Ausbeuter, weil die ersten wenigstens mit dem Herzen Kommunisten sind, während die anderen Gelegenheitskommunisten sind... Es ist wichtiger, in soziale Gerechtigkeit zu investieren als in Straßen und öffentliche Bauten, ... das Wichtigste ist ein vom Kommunismus befreites Volk, weil es frei von Elend und Ungerechtigkeit ist.
3.2  3.2 DER BEWAFFNETE KONFLIKT IN DEN 60er JAHREN

3.2.1  3.2.1 Die Erhebung vom 13. November
1960 gab es innerhalb der Armee gegensätzliche Strömungen. Einige Offiziere waren in Korruptionsfälle verwickelt, zu denen Präsident Ydígoras sie verführt hatte; gleichzeitig registrierten viele Soldaten auf dem Land das Training der kubanischen Anti-Castro-Milizen auf der Finca Helvetia (Retalhuleu) von Präsident Roberto Alejos mit Widerwillen. Darüber hinaus sahen sie in den Straßenunruhen ein Indiz für den Verfall und die allgemeine Unpopularität der Regierung. Die verschiedenen Strömungen innerhalb des Militärs waren bereits einige Zeit vorher entstanden. Die Präventives zahlenstärkste, die sich die Compañía de Niños de Jesús nannten, vereinte Armeeoffiziere, die an einer Diskussion der politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes interessiert waren. Eine weitere Gruppe von Offizieren des Generalstabs wurde von Oberst Carlos Paz Tejada angeführt, der vom Dienst suspendiert worden war und politisch eher links stand. Die dritte Gruppe wurde von Offizieren gebildet, die als Kadetten an den Erfolgen des 2. August teilgenommen hatten. Die Erhebung vom 13. November wurde auf der Ebene versprengter Quartiere organisiert, was ihre anfängliche Koordinierung erschwerte. Die Verbindung der Aufständischen geschah durch die Unterzeichnung einer Petition zur Absetzung des Verteidigungsministers. Zu den Anführern der Rebellion gehörte Mayor Rafael Sesam Pereira, der 1954 an der Schlacht von Gualán gegen die Liberacionistas teilgenommen hatte, sowie Hauptmann Chur del Cid, der seit Oktober im Hauptquartier unter dem Verdacht festsaß, gegen Ydígoras zu konspirieren. Die Pläne änderten sich am 12. November, als Herrera Martínez und Hauptmann César Augusto Siva Girón, der Verteidiger der Plaza de Gualán von 1954 und dafür vom Kriegstribunal der Befreiung zu einer Haftstrafe verurteilt, als abwesend vermerkt wurden. Am selben Tag wurde der Beginn der Erhebung mit der Einnahme des Hauptquartiers beschlossen. Von den 55 Offizieren, die sich verpflichtet hatten, an diesem Morgen dabeizusein, kamen lediglich fünf, unter ihnen der Oberleutnant Augusto Loarca und die Mayore Sesam Pereira und Chicas Lemus (Cox, 1995). Vergeblich suchten die Rebellen nach Oberst Paz Tejada, denn er sollte die Leitung übernehmen. Inmitten der Verwirrung wurde der Befehl ausgegeben, daß die Aufständischen nach Zacapa verlegt werden sollten, wo sie Unterstützung von der Basis in Puerto Barrios erhalten würden. Gegen 5 Uhr nahm Oberst Eduardo Lerena Müller das Quartier von Puerto Barrios ohne Blutvergießen ein. Das sogenannte Manifest vom 13. November - auch wenn es nicht als solches vorbereitet worden war - sprach von dem Chaos sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene, und unterstrich, daß nur die Armee effektiv mit der Bevölkerung zusammenarbeiten kann, um die Reaktionäre und ihre Verbündeten, die Militärs an der Macht, die sich auf Kosten der Bevölkerung bereichern, fortzujagen. Sie riefen auf zur Einsetzung einer Regierung der sozialen Gerechtigkeit, in der der Reichtum denen gehört, die ihn erarbeiten, und nicht den Ausbeutern, denen, die das Volk aushungern, oder den imperialistischen Gringos
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. Unterleutnant Luis Trejo Esquivel bereitete die Unterwerfung des Quartiers von Zacapa vor, aber in Jutiapa und in El Quiché scheiterte die Koordination. Der Führer der Reserveeinheiten von Totonicapán hatte die Verschwörer infiltriert, um sie dann bei Ydígoras zu denunzieren. Das Quartier von Quetzaltenango, das der Schlüssel für das Gelingen der Operation war, blieb der Regierung treu. So waren die Basen von Puerto Barrios und Zacapa isoliert. Ydígoras gelang es, die Luftstreitkräfte zu neutralisieren, die an dem Komplott beteiligt zu sein schienen, indem er den Piloten (gefälschte) von Fídel Castro ausgestellte Schecks für die am Aufstand beteiligten Offiziere in Höhe von 1 Million US-Dollar zeigte. Die Luftwaffe schloß sich der Rebellion nicht an, weigerte sich aber, gegen die Aufständischen vorzugehen. Also bot die Botschaft der USA ihre an der Südküste stationierte Luftflotte an, die im Falle eines Falles Kuba angreifen sollte. Diese Flotte bestand aus 76 Flugzeugen verschiedener Typen, zum größten Teil B-26 und C-46 Bomber. Allein diese Flotte war bei weitem größer als alle Luftstreitkräfte ganz Zentralamerikas (Cox, 1995). Am Nachmittag des 17. November besetzten die Kräfte unter Führung von Oberst Enrique Peralta Azurdía die Basis von Puerto Barrios, ohne auf Widerstand zu stoßen, und setzten dem Aufstandsversuch ein Ende. In weniger als einer Woche wurde der Aufstand erstickt. Viele der Beteiligten, in der Mehrzahl Soldaten, ergaben sich den Regierungstruppen. Aber die Mehrheit versteckte sich, und zahlreiche andere verstreuten sich nach Honduras, El Salvador und Mexiko. Obwohl fast die Hälfte der Offiziere mit der Sache der Aufständischen sympathisierte, bewahrten sie dennoch in den entscheidenden Augenblicken ihre Loyalität gegenüber den Befehlen von oben. Im Gegensatz zu 1954 erfüllten die Offiziere diesmal ihre militärische Pflicht. Zudem fehlte eine Person, die so heterogene Tendenzen unter den Unzufriedenen hätte einen können. Von diesem Zeitpunkt an war die revolutionäre Überzeugung nicht mehr Sache der Armee, sie wurde künftig von einer Guerillagruppe getragen (Cox, 1995). Ungefähr 70 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten gingen ins Exil. Diejenigen von ihnen, die nach Honduras gingen (ca. 45), konspirierten weiter und knüpften Kontakte zur Revolutionären Partei (Partido Revolucionario, PR), der Demokratischen Nationalistischen Bewegung (Movimiento Democrático Nacionalista, MDN) und der christdemokratischen Partei (Democracia Cristiana, DC). Die Politiker ihrerseits verschworen sich und baten die ehemaligen Militärs, nicht zu handeln, denn sie erwarteten bald wieder einen Staatsstreich von einer anderen Fraktion der Armee. Aber über den Gesprächen mit den Parteien vergingen Monate, ohne daß etwas geschah. Zwischenzeitlich ereigneten sich andere Dinge. Am 29. April kam es zu einem Kampf zwischen einigen Trecistas
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und Sonderabteilungen der Polizei, dem de facto ersten bewaffneten Zusammenstoß dieser neuen Phase. Der Polizei- und Militärkreis wurde enger, und im Juni starb bei einer erneuten Schießerei mit den Sicherheitskräften Leutnant Alejandro de León Aragón, einer der Anführer der Gruppe. In diesen Tagen nahmen die Rebellen auch Kontakt mit der Guatemaltekischen Partei der Arbeit (Partido Guatemalteco del Trabajo, PGT) auf.
3.2.2  3.2.2 Der Beginn der Guerilla

3.2.2.1  Die Trecistas
Die Volksprotestbewegung von März und April 1962 ebbte ab und konnte ihr Ziel nicht erreichen, aber der Regierung gelang es auch nicht, die Oppositionsbewegung zu zerschlagen. Innerhalb der Armee hatte der konservativste Flügel die Vormachtstellung errungen und Einigkeit erzielt, er wurde zu einer tragenden Säule des Regimes. Diese Ereignisse hatten ebenfalls Auswirkungen auf die Untergrundgruppen, den PGT und die trecistas. Die trecistas, die unter anderem von Oberleutnant Augusto Loarca, Leutnant Marco Antonio Yon Sosa, den Unterleutnants Luis Augusto Turcios Lima und Luis Trejo Esquivel angeführt wurden, gingen im Augenblick der größten politischen Unsicherheit zur Aktion über. Am 24. Januar 1962 töteten sie Ranulfo González Ovalle (Siete Litros), den Abteilungsleiter der Policía Judicial, der ihrer Auffassung nach der Hauptverantwortliche für den Tod von Leutnant Alejandro de León Aragón war, im Zentrum der Hauptstadt. Zwei Wochen später, am 6. Februar, gründete diese in der Mehrzahl aus ehemaligen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten bestehende Gruppe die Aufständische Front Alejandro de León Aragón - 13. November (Frente Insurreccional Alejandro de León Aragón-13 de Noviembre) und ging unverzüglich in den Nordosten des Landes, um die Militärbasis von Zacapa einzunehmen. Die Rebellen teilten sich in drei Guerillaeinheiten auf, die von Yon Sosa, Trejo Esquivel und dem Ex-Leutnant Julio Bolaños San Juan befehligt wurden. Ursprünglich war geplant, daß die drei Einheiten verschiedene bewaffnete Aktionen durchführen und in der Nähe von Teculután, Zapaca, zusammentreffen sollten. Lediglich die Einheit von Yon Sosa kam am verabredeten Ort an, während sich die Einheiten von Trejo und Bolaños aufgrund der Verfolgung der Armee auflösten. Da es unmöglich war, die Militärbasis von Zapaca anzugreifen, wo die Rebellen gehofft hatten, frühere Mitkämpfer würden sich ihnen anschließen, und sie außerdem von der Armee verfolgt wurden, sahen sie sich gezwungen, wieder nach Guatemala Stadt zurückzukehren, um sich neu zu organisieren. In der Hauptstadt nahmen sie den Radiosender Radio Internacional ein und verlasen die Erklärung Wer wir sind, was wir wollen und warum wir kämpfen. Sie gründeten das Kommando Marco Antonio Gutiérrez, angeführt von Turcios, und führten während der Straßenproteste im März und April Sabotageakte aus.
3.2.2.2  Der Konfliktherd von Concuá
Am 14. März veröffentlichte die Regierung eine Pressemitteilung, in der sie bekanntgab, daß am Tag zuvor eine Gruppe von Aufständischen an einem Punkt zwischen Concuá und Granados in der Provinz Baja Verapaz mit einer Militärpatrouille zusammengestoßen war. Laut Pressemitteilung starben bei dieser Konfrontation dreizehn Guerilleros, außerdem wurde Rodrigo Asturias Amado
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, der Sohn des Schriftstellers Miguel Ángel Asturias, verhaftet. Der PGT und die Partei der revolutionären demokratischen Einheit (Partido de Unidad Revolucionaria Democrática, PURD) riefen unter der Leitung von Oberst Carlos Paz Tejada eine Guerillagruppe ins Leben, die sie Guerillafront (oder Kommando) 20. Oktober nannten. Diese Gruppe veröffentlichte ein Manifest mit dem Titel Der einzige Weg ist die Rebellion! Weg mit Ydígoras! und zog sich in die Berge von Baja Verapaz zurück. Die Gruppe aus 23 Männern geriet in einen Hinterhalt und wurde von der Armee vernichtet. Sie hatten gravierende Fehler gemacht: Sie kannten weder das Gelände, noch hatten sie eine hinreichende militärische Ausbildung, noch hielten sie Sicherheitsmaßnahmen ein, auch fehlte ihnen die Unterstützung der Bevölkerung (PGT, 1962).
3.2.2.3  Die ersten Aufständischen Streitkräfte (FAR)
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Im Mai 1962 gründete eine große Gruppe von Studenten und Oberschülern eine neue Organisation mit der Bezeichnung Revolutionäre Bewegung 12. April (Movimiento Revolucionario 12 de Abril, MR-12 de Abril). Der Name geht zurück auf das Datum, an dem drei Jurastudenten erschossen worden waren. Unterdessen bewies der PGT, daß im Land Bedingungen für die Entwicklung des bewaffneten Kampfes entstanden. Im Januar 1962 hatte der PGT drei seiner Mitglieder zur Militärausbildung nach Kuba geschickt. Außerdem befanden sich ungefähr 20 Männer der Patriotischen Jugend der Arbeit (Juventud Patriótica del Trabajo, JPT)
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auf Kuba, die kurz zuvor ein Universitätsstipendium von der kubanischen Regierung erhalten hatten. Nach kurzer Zeit jedoch nahmen sie an der Militärausbildung teil, um Guerillakämpfer zu werden. Zu ihnen gehörten: Edgar Ibarra, Alejandro Sancho, Ricardo Miranda y Judith, die im Januar zur Militärausbildung geschickt worden waren, sowie die Studenten Monterroso, Ricardo Ibarra, Julio César Macías, Rodolfo Payeras, Tristán Gómez, Carlos López, Luis Rivas, Mario Lemus, Plinio Castillo und José María Ortiz Vides, die sich für die militärische Schulung entschieden hatten. Mehrere Mitglieder dieser Gruppe gehörten später zur Guerilla, und einige wurden später Guerillaführer, wie Julio César Macías, José María Ortiz Vides und Mario Lemus. Im September fuhr eine Delegation der Revolutionären Bewegung 13. November (Movimiento Revolucionario 13 de Noviembre, MR-13) nach Havanna und stattete dem ehemaligen Präsidenten Árbenz einen Besuch ab, wobei ihm vorgeschlagen wurde, sich, sobald eine gewisse Stabilität eingetreten sei, an die Spitze der Guerilla zu stellen. Nach Aussagen von Yon Sosa gab ihnen der Entschluß, einen Guerillakrieg zu beginnen, Kraft bis zu ihrer Rückkehr nach Guatemala Anfang Dezember 1962. Danach begannen sie, ernsthaft an der Einrichtung dreier Guerillastützpunkte in San Marcos, Zacapa und in den Bergen von Izabal zu arbeiten (Yon Sosa, 1968). Bis Dezember gingen die Kontakte zwischen dem MR-13 und dem PGT nicht über gegenseitige Bedenken und Verdächtigungen hinaus, weshalb die Kubaner von beiden eine höhere Wertschätzung der jeweils anderen Partei verlangten. Ende Dezember ermöglichte der PGT ein Treffen zwischen Führern der MR-13, der Bewegung 20. Oktober (M-20 de Octubre), dem bewaffneten Arm der Kommunisten, und der Revolutionären Bewegung 12. April (MR-12 de Abril), die die Aufständischen Streitkräfte (Fuerzas Armadas Rebeldes, FAR) gründeten. Anwesend waren Marco Antonio Yon Sosa, Luis Trejo Esquivel und Luis Turcios Lima vom MR-13; Mario Silva Jonama, Carlos René Valle und Joaquín Noval vom M-20 de Octubre; der MR-12 de Abril wurde von den Studenten Horacio Flores, Roberto Lobo Dubón und wahrscheinlich Guillermo Paz Cárcamo vertreten. Yon Sosa wurde zum Chefkommandanten der FAR ernannt. Die drei Fronten (oder Konfliktherde, wie Yon Sosa sie nannte), die im Strategieplan für den Beginn des Guerillakrieges vereinbart worden waren, bekamen nun eine Struktur. Jede Front hatte einen Militärkommandanten, der von einem politischen Kommissar beraten wurde. Aber das Truppenlager in Izabal wurde von der Armee entdeckt, weshalb sich die Beteiligten gezwungen sahen, sich weiter in die Berge zurückzuziehen und militärische Operationen ab Anfang 1963 durchzuführen. Yon Sosa berichtet, daß deshalb der Guerillakampf in Guatemala überstürzt Anfang 1963 begonnen wurde. Die zweite Front unter Leitung von Luis Trejo Esquivel sollte in den Bergen von La Granadilla in Zacapa errichtet werden, und die dritte unter dem Kommando von Luis Augusto Turcios sollte sich in der Sierra de las Minas in Zacapa befinden. Am 29. Oktober 1963 gab sich die Einheit von Turcios zu Ehren des Studentenführers der Gruppe FUEGO, der einige Tage zuvor bei einem Kampf gestorben war, den Namen Guerrilla Edgar Ibarra (GEI) und begann vom Izabalsee aus den Aufstieg in die Sierra de las Minas, wobei sie durch das Gebirgsdickicht den Weg nach Zacapa suchte. Kurze Zeit zuvor hatte die Polizei in der Hauptstadt einige Häuser entdeckt, die der Unterstützung der zukünftigen Guerilla dienten, dort fand sie Landkarten, Pläne und Listen der Mitstreiter. Der modus operandi der ersten FAR-Truppen entsprach nicht den Regeln für Konfliktausbreitung und -auslösung, die von Guevara in seinen Fokismustheorien gefordert wurden. Die Kombination aus ehemaligen Militärangehörigen, Studenten sowie einigen Bauern und Arbeitern gab jeder Gruppe einen eigenen Charakter. Aber die kommenden politischen Ereignisse im Lande brachten schließlich der Guerilla unerwartete Unterstützung.
3.2.3  3.2.3 Der Staatsstreich von 1963
Im Januar 1963 legte der Verteidigungsminister Oberst Enrique Peralta Azurdia sein Veto gegen die Präsidentschaftskandidatur von Arévalo ein. Dennoch trat Arévalo am 28. März überraschend vor die guatemaltekische Presse. Am 31. März stürzte Peralta mit Unterstützung von weiteren 15 Obersten, die die wichtigsten Kommandoposten innehatten, Ydígoras und übernahm die Regierungskontrolle in einem unblutigen Staatsstreich. Die erste Erklärung der Putschisten begann mit der Aussage, daß die Republik sich am Rande eines Bürgerkrieges befindet. Dies ist das Ergebnis der permanenten Subversion der prokommunistischen Kreise, und die kommunistische Infiltration hat sich täglich in alarmierender Weise verstärkt... Zum ersten Mal übte die Armee als Institution die Regierungsgewalt aus. The Miami Herald (24/12/66) berichtete, daß der Beschluß, Ydígoras zu stürzen, Ende 1962 auf einem Treffen zwischen Präsident John F. Kennedy, seinen politischen Beratern und Richard Hellman, dem CIA-Direktor, sowie John O. Bell, dem US-Botschafter in Guatemala, gefaßt wurde. Oberst Peralta Azurdia dagegen betont in seinen Memoiren, daß der Militärputsch zwei Jahre lang sorgfältig vorbereitet worden und die Initiative von einer Gruppe von Offizieren unter seiner Leitung ausgegangen sei: Die US-Botschaft habe von der Aktion erst bei ihrer Durchführung Kenntnis erhalten. Wie dem auch sei, Washington jedenfalls hatte keine Einwände gegen Peralta Azurdia, und die Beziehungen zwischen den beiden Staaten litten nicht darunter. Die Dreiparteienopposition (PR-MLN-DC) unterstützte den Putsch in den Erklärungen ihrer Vorsitzenden Mario Méndez Montenegro, Mario Sandoval Alarcón und Salvador Hernández Villalobos. Auch mehrere Unternehmerorganisationen wie die Handelskammer, die Innung der Kaffeexporteure (ANACAFE) und der Verband der Zuckerrohrproduzenten, befürworteten den Putsch. Von 1963 bis 1966 regierten die Militärs mittels einer Regierungscharta (Carta Fundamental de Gobierno) und Gesetzesdekreten. Während dieser Zeit waren die Verfassungsgarantien außer Kraft gesetzt. Die Militärregierung hob die Verfassung von 1956 auf, löste den Kongreß auf, annullierte den Status der juristischen Person der Partei Ydígoras’ und ihres Verbündeten, des MDN, und erließ das Dekret Nr. 9 zur Verteidigung der Demokratischen Institutionen. Das Dekret Nr. 1 bestimmte, daß alle Delikte gegen die Staatssicherheit vor Militärtribunalen verhandelt werden sollten. Die Verbreitung von ‘kommunistischer Literatur’ wurde mit zwei Jahren Gefängnis bestraft, die Herstellung von Sprengkörpern mit fünf Jahren, die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei mit zehn und Terrorismus mit fünfzehn Jahren. Personen, die an einem terroristischen Anschlag beteiligt waren, bei dem Menschen verletzt wurden oder starben, wurden ausnahmslos hingerichtet. Das Dekret wurde sehr willkürlich angewendet und dazu benutzt, Menschen zu verfolgen, die die Arbeiter organisierten oder Gewerkschaften angehörten. Auf der anderen Seite leitete der neue Staatschef eine Politik der wirtschaftlichen Sanierung ein, um die Korruption des Ydígoras-Regimes zu bekämpfen. Die Regierung unterstützte in ihren offiziellen Ansprachen das von den internationalen Hilfswerken befürwortete Entwicklungsmodell und das auf der Vorstellung eines Gemeinsamen Zentralamerikanischen Marktes beruhende Industrialisierungsmodell. Darüber hinaus vertrat sie eine interventionistische und regulative Wirtschaftspolitik. Im April verabschiedete die neue Regierung die Arbeitscharta (Carta de Trabajo), deren Garantien jenen der Verfassung von 1956 vergleichbar waren. Peralta Azurdia setzte wieder Mindestlöhne und die Verpflichtung der Unternehmer zu Sonderzahlungen sowie eine Einkommenssteuer fest, die weniger als 1% der Bevölkerung betraf. Guatemala war das letzte Land in Lateinamerika, das diese Steuer zur Anwendung brachte, aber sowohl der Allgemeine Bauernverband (Asociación General de Agricultores, AGA) als auch das Koordinierungskomitee der Kammern für Landwirtschaft, Handel und Finanzen (Comité Coordinador de Asociaciones Agrícolas, Comerciales y Financieras, CACIF) widersetzten sich diesen Maßnahmen.
3.2.4  3.2.4 Die Regierung Méndez Montenegro
Julio César Méndez Montenegro, der Kandidat der Revolutionären Partei (PR), gewann die Wahlen vom 6. März 1966. Aber da er keine absolute Mehrheit erzielt hatte, mußte der Kongreß den Präsidenten in dem Verfahren wählen, das von diesem Zeitpunkt bis zur Abschaffung der Verfassung von 1965 Sekundärwahlen genannt wurde. Dies war ein Anzeichen von Schwäche der neuen Regierung. Dennoch hatten die Kandidatur Méndez Montenegros, eines hervorragenden Anwalts und Universitätsprofessors, und der Wahlslogan der PR, er bilde die dritte Revolutionsbewegung, einige Erwartungen in der Bevölkerung ausgelöst. Innerhalb der FAR, die einen einseitigen Waffenstillstand einhielten, während sie auf die Umsetzung umfassender und demokratischer Reformen warteten, entstand das Dilemma der Verhältnismäßigkeit des bewaffneten Kampfes. Tatsächlich wurde damals zum ersten Mal die Möglichkeit einer Verhandlungslösung zur Beendigung des Konfliktes diskutiert. Aber die von der Armee seit dem vierten Tag vor den Wahlen begonnenen Razzien gegen Anführer der Guerillaorganisationen machten deutlich, daß Peralta Azurdia und die Befehlshaber der Militärzonen entschlossen waren, eine militärische Lösung des bewaffneten Konflikts zu suchen, was in den folgenden Jahren für die Gesellschaft tragische Konsequenzen haben sollte.
3.2.4.1  Der Fall der 28
Die Gefangennahme, Folterung und spätere Ermordung von Anführern und Mitgliedern der PGT, der FAR und des MR-13 de Noviembre am 3., 4. und 5. März 1966 waren der Beginn einer Gewalteskalation, die die zweite Hälfte der sechziger Jahre kennzeichnete. Auch wenn dieses Verschwindenlassen als der Fall der 28 in die Geschichte einging (dies war die von der Guerilla angegebene Zahl), waren es in Wirklichkeit sogar 32 Personen, die illegal verhaftet und hingerichtet worden waren, einige tauchten niemals in den Denunzierungslisten auf. Jeder Versuch, die persönliche Vorführung der Gefangenen bei einem Richter zu erreichen, blieb erfolglos. Am 3. und 4. Mai entführte ein Kommando der FAR den Vize-präsidenten des Kongresses, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und den Staatssekretär der Öffentlichkeitsabteilung der Regierung. Sie setzten ein Ultimatum für die Vorführung der Verschwundenen (nicht ihre Freilassung) und gaben gleichzeitig die Orte an, wo sie vermutlich festgehalten wurden: im Gefängnis der Finanzpolizei (guardia de hacienda), im Gefängnis der Nationalpolizei, in einigen Militärquartieren und in einem Gefängnis der Policía Judicial. Bis zu dieser Razzia hatten lediglich die ländlichen Guerillabasen im Osten unter der Politik des systematischen Terrors gelitten. Von nun an jedoch war auch die Führung der Linken dieser Verfolgung ausgesetzt. Durch den eindeutigen Kontext war die Botschaft der Armee an die Parteien deutlich: Kampf gegen die Guerilla bedeutete Tod. Einige Wochen später hatten sich PGT und FAR entschlossen, Méndez Montenegro zu unterstützen. Nach den Wahlen blieben die Kontakte zwischen dem Präsidenten und den FAR zwar bestehen, brachten jedoch keine Ergebnisse. Das Dilemma für die PR bestand darin, entweder mit den FAR zu verhandeln oder den Druck der Armee und der Institutionell-Demokratischen Partei (Partido Institucional Democrático, PID) zu ertragen. Die Botschaft an die kürzlich gewählten Volksvertreter war, daß ihnen die Macht nicht übergeben werden würde, wenn sie Verhandlungen zustimmten. Mitte Juli behaupteten zwei ehemalige Agenten, daß die 28 schon lange ermordet worden seien, einige von ihnen auf Befehl von Oberst Rafael Arriaga Bosque (von Méndez Montenegro nominierter Verteidigungsminister). Die Gefangenen wurden gefoltert und später ermordet und in Plastiksäcken zum Flughafen der Hauptstadt gebracht, woraus man schloß, daß sie in den Pazifik geworfen wurden. Diese Tat rief große Abscheu in der Bevölkerung hervor.
Familienangehörige der 28 reichten Klage ein gegen Alberto Barrios und José María Moreira, die ehemaligen Leiter der Policía Judicial, sowie gegen Luis González Salaverría, den ehemaligen Direktor der Nationalpolizei, Oberst Luis Coronado Urrutia, den ehemaligen Direktor und stellvertretenden Chef der Wache im Finanzministerium und gegen Hauptmann Justo Rodríguez. Regierung, Kongreß, oberster Gerichtshof und Armee verpflichteten sich, das Massenverbrechen aufzudecken, aber es kam nie zu einer Bestrafung. Mit Datum vom 28. April verabschiedete die Verfassungsgebende Versammlung vor ihrer Auflösung eine sonderbare Amnestie für alle Mitglieder von Armee und Polizei..., die nach dem 3. Juli 1954 subversive Aktivitäten jeder Art unterdrückt oder diesen vorgebeugt haben, Aktivitäten, die dazu geeignet waren, das Regierungssystem, das Grundlage des institutionellen Lebens der Nation ist, anzugreifen, zu destabilisieren oder zu zerstören oder alle Aktivitäten, die den erwähnten nahekommen. Die Regierung gestand ein, sich der Repression bedient zu haben, um das 1954 geschaffene Staatsmodell zu verteidigen.
3.2.4.2  Der Pakt mit der Armee
Am 4. Mai 1966 schloß Méndez Montenegro einen Vertrag mit der Armee, der nicht nur das Dilemma der PR bei den Verhandlungen mit den FAR löste, sondern auch den Streitkräften freie Hand für die Umsetzung eines Militärplans gegen die Guerilla gab. Als der Kongreß den neuen Regierungschef wählte, war dieser Vertrag längst unterzeichnet. In dem Vertrag garantiert die Armee die Übergabe der politischen Macht an die Rechtsanwälte Julio César Méndez Montenegro und Clemente Marroquín Rojas... und garantiert ebenfalls besagten Personen die Beibehaltung ihrer Ämter während der gesamten von der Verfassung vorgesehenen Zeit. Die Garantien dieser Klausel sind an die Einhaltung der in diesem Dokument festgelegten Bedingungen gebunden. Die Bedingungen sahen folgendermaßen aus: 1. Strikte Einhaltung der Artikel 27, 49 (Abs. 2) und 64 der Verfassung, die besagen, daß jegliche kommunistische und gegen die herrschende Demokratie gerichtete Tätigkeit strafbar ist. 2. Garantie jeglichen Vermögens der Zivil- und Militärbeamten der Regierung Peralta Azurdia (die Amnestie hatte den Schutz von unrechtmäßig durch politische Racheakte oder Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen erworbenem Vermögen ausgeschlossen). 3. Garantie der völligen Autonomie der Armee (z.B. wurden der Verteidigungsminister oder der Generalstabschef der Armee auf Empfehlung der Militärführung ernannt). Mehrere Jahre später versicherte Méndez Montenegro, sein einziger Kompromiß sei es gewesen, daß die Ernennung der Armeeführung auf der Grundlage einer von den Militärs erstellten Liste vorgenommen wurde (Vinegrad, 1988). Clemente Marroquín schrieb jedoch einige Wochen nach Unterzeichnung der Vereinbarungen, als sie noch geheim waren, in La Hora: Wir weisen darauf hin, daß die Militärregierung die Macht nur unter Schwierigkeiten an die Zivilregierung übergeben wird; wahrscheinlich wird sie viele Bedingungen stellen, unter anderem die, daß auf die Armee weder in ihrer Organisation noch in ihrer Entwicklung Einfluß genommen wird. Das heißt, es wird ein Militärstaat innerhalb eines Zivilstaates entstehen (La Hora 15/4/66).
Die Unterzeichnung des Vertrages stellte eine Wende in den Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Macht dar. Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, daß sich die Militärs ihre Autonomie sicherten, bevor sie eine Zivilregiergung akzeptierten. Aber die Tatsache, daß der Präsident dieser Zivilregierung einen Geheimvertrag mit der Militärführung abschloß, begünstigte die Schaffung einer ungeheuren verborgenen Macht, die die Politik der nationalen Sicherheit von da ab entscheidend prägte. Es war der Ausgangspunkt für die Entstehung klandestiner Staatsstrukturen des politischen Terrors, die das Rechtssystem und die Konfliktlösungsfähigkeit des Staates aushöhlten.
3.2.4.3  Die Umstrukturierung der Armee
Während die angewandten Repressionsmethoden unter der Militärregierung die gleichen blieben, wurden durch die Einmischung der USA in diesem Zeitraum deutliche Veränderungen an der Struktur der Armee vorgenommen. Die Truppenstärke wurde verdoppelt, innerhalb der regulären Strukturen wurden Spezialeinheiten für die Aufstandsbekämpfung gebildet, die Ambulante Militärpolizei (Policía Militar Ambulante, PMA) speziell für die ländlichen Gebiete geschaffen und Nationalpolizei und Armee wurden Teil einer militärischen Kommandostruktur. Für die Koordination aller Kräfte der militärischen und polizeilichen Geheimdienste wurden ein modernes Kommunikationsnetz, das sich auf ganz Mittelamerika erstreckte, sowie das präsidiale Sicherheitsbüro (Regierungsstelle für das Telekommunikationswesen) geschaffen.
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Ab 1963 diente die militärische Unterstützung der USA in erster Linie der Verstärkung der Spezialeinheiten für die Aufstandsbekämpfung, die als permanente Hilfskräfte der regulären Armee konzipiert waren. Die Unterstützung lief über das militärische Unterstützungsprogramm (Military Assistance Programe, MAP), dessen Umfang nach dem Militäraufstand von 1960 zunahm. Im Rahmen des MAP wurden die Trainingspläne zur Bekämpfung von Guerillaoperationen, zu Kleingruppentaktiken und zur Kontrolle von Aufständen umgesetzt; die Waffen wurden erneuert und die Kommunikationsmöglichkeiten sowie der Transport der guatemaltekischen Armee wurden verbessert. Berater und mobile Truppen in den Schulen von Panama und den USA führten das Training durch. Die Anstrengungen konzentrierten sich auf vier Brigaden: Mariscal Zavala und Guardia de Honor in Guatemala Stadt, Brigade General Manuel Lisandro Barillas in Quetzaltenango, und die Brigade Capitán General Rafael Carrera in Zacapa, wo sich die Guerillahochburg befand. Am Ende dieser Phase waren die wichtigsten Veränderungen weniger in der Truppe oder ihrer Ausbildung als vielmehr auf organisatorischer Ebene erfolgt. Die reguläre Armee wurde durch 8 000 weitere Kräfte verstärkt, plus 1 000 PMA-Mitglieder und 9 000 Militärkommissare. Die Streitkräfte waren nun in der Lage, einen Geheimdienstapparat und Strukturen für die Kontrolle der ländlichen Gebiete, zwei Schlüsselelemente für die Aufstandsbekämpfung, zu organisieren. Die Armee war gegen die Kompetenzerweiterung und boykottierte die Pläne zur Stärkung der Staatspolizei und ihres Geheimdienstapparates solange, bis die US-amerikanische Unterstützung für die zivilen Sicherheitsorgane abnahm und diese unter militärische Kontrolle gestellt wurden. Der Geheimdienstapparat im Präsidialamt hielt seine Verbindungen zur US-Basis in Panama sowie zu vergleichbaren Organen in Mittelamerika aufrecht. Die Armee versuchte, ihn aus dem Präsidialamt herauszubekommen, um zu verhindern, daß die Regierenden ihn für ihre eigenen Interessen benutzen konnten, aber die Sonderabteilung La Regional
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behielt auch unter der Herrschaft von Militärregierungen in den siebziger Jahren ihre Funktion als strategischer Arm der Exekutive und führte zusammen mit den anderen militärischen Geheimdienstapparaten eine Kampagne des politischen Terrors.
3.2.4.4  Die Paramilitärs
Die Schaffung der paramilitärischen Kräfte sowie ihre Einsätze bestimmten die Aufstandsbekämpfungspolitik in den sechziger Jahren. Der entscheidende Faktor für die Niederlage der Guerilla war die Teilnahme der Militärkommissare an regulären Militäroperationen. Den Kommissaren, die Rafael Arriaga Bosque, der Verteidigungsminister der Zivilregierung, als die Augen und Ohren der Armee bezeichnet hatte, wurde neben der Ausbildung und den Waffen auch die Zuständigkeit für die Sicherheit vor Ort übertragen. Ziel war es, so die Guerillastrukturen zu zerstören. Darüber hinaus waren sie für die Informationsbeschaffung von Bedeutung (sie informierten über die Anwesenheit aufständischer Kräfte, politischer Anführer oder von Ausländern) und arbeiteten bei Militäroperationen mit der Armee zusammen. Anfangs waren es landesweit 300, später stieg ihre Zahl um das 30fache, wobei die Verteilungsdichte in den östlichen Konfliktgebieten höher war. Schließlich waren sie wie ein riesiges Netz zur Bevölkerungskontrolle in allen Städten, Dörfern, Weilern und auf allen Fincas vertreten. Die lokalen Machtbefugnisse der Kommissare wurden ausgeweitet. Mit dem Dekret Nr. 283 vom 27. Oktober 1964 bekamen sie das Recht, Waffen ohne Waffenschein zu tragen. Dieses Recht erhielten auch die Plantagenbesitzer und ihre Verwalter, wodurch diese den Status von Agenten erhielten und dafür Lohn bekamen. 1965 wurden landesweit 9 000 Kommissare (unter ihnen Plantagenbesitzer, Industrielle, Leibwächter und Universitätsangehörige) ernannt, wobei allein in Jutiapa 971 Kommissare eingesetzt wurden, d.h. einer für 50 Erwachsene in diesem Departement. Die Dienstausweise, die die Kommissare erhielten, gaben ihnen die uneingeschränkte Macht, Verdächtige festzunehmen und zu verhören, was diese für Übergriffe auf die Bevölkerung ausnutzten. Neben dem System der Militärkommissare erweiterte die Armee ihre operativen Möglichkeiten durch klandestine Gruppen, die sich Todesschwadrone nannten und sowohl in den Städten als auch auf dem Land agierten. Mario Sandoval Alarcón, Führer des MLN, bestätigt, daß diese Gruppen vom Hauptquartier der Armee unter Leitung von Oberst Rafael Arriaga Bosque unterstützt wurden. Es gab jedoch auch andere Führungskräfte, die darin verwickelt waren, wie Oberst Manuel Sosa Ávila und Oberst Carlos Arana Osorio, der Kommandant der Militärbasis von Zacapa. Die Schwadrone waren Militärs, die sich als Zivile ausgaben, aber es gab auch Organisationen, die, unterstützt vom MLN, parallel zur Armee operierten, bestätigt der einflußreiche Liberacionista. Zu ersteren gehörte die Mano Blanca (Weiße Hand), die vom Hauptquartier aus geleitet wurde, zu zweiteren die Neue Antikommunistische Organisation (Nueva Organización Anticomunista, NOA), die ihre Anweisungen vom MLN über ihren Führer Raúl Lorenzana erhielt, während weitere zivile Bereiche (konservative Plantagenbesitzer) Mittel für Finanzierung und Logistik der Gruppe organisierten. Außerdem stellte jede Polizeieinheit ihre eigene Todesschwadron auf. Die Aktionen der Todesschwadrone weiteten den politischen Spielraum der Armee gegenüber der Guerilla aus, da sie ihre Geheimdienstfähigkeiten in dem Maße, in dem sie den aufständischen Organisationen und ihrer Führung heimlich Schläge versetzte, ausbauen sowie größere Freiheit und Legitimität für die Ausweitung ihrer strategischen Positionen gewinnen konnte. Der Innenminister Héctor Mansilla Pinto betonte, daß die Gewalt dieser Jahre das Ergebnis interner Kämpfe unter Extremisten sei. Die Politik des Terrors ließ keinen Raum mehr für rechtliche Mittel. Die persönliche Vorführung bei einem Richter
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, die häufig eingesetzt wurde, um das Leben von Gefangenen oder Entführten zu retten, konnte nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Strafsystem bzw. das Recht des Staates auf Bestrafung wurde durch ein illegal funktionierendes Strafsystem aufgehoben, das auf der von der Staatsmacht garantierten Straffreiheit beruhte. In Guatemala hatte eine unaufhaltbare Eskalation des Terrors begonnen. Es ist schwierig, die Zahl der Opfer zu bestimmen. Die Studentische Zeitung sprach von 20 000 Toten seit 1973, andere Quellen schätzen, daß zwischen 1966 und 1968 8 000 Menschen ums Leben gekommen sind (Jonas, 1991). In einem 1968 der Kommission für Menschenrechte der UN vorgelegten Bericht listet das Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte die Namen und Todesumstände von 719 Personen und die Entführung weiterer 252 auf. Diese Gewalttaten wurden zwischen Juli 1966 und Oktober 1968 von den Todesschwadronen verübt.
3.2.4.5  Die Eskalation der Gewalt
In den ersten hundert Tagen der Regierung Méndez Montenegro, zwischen dem 1. Juli und Oktober 1966, war das politische Klima in einem Schwebezustand. Es schien, als ob die Zivilregierung sich für eine tolerantere Position öffnen würde. Währenddessen griffen die FAR weder Quartiere noch Militärtruppen an, sondern sie beschränkten sich auf bewaffnete Propagandaaktionen in Form von Besetzungen von Dorfgemein-schaften. Es schien still um die Guerilla geworden zu sein. Aber der Druck ließ nicht auf sich warten. Im Juli war eine Amnestie mit Gültigkeit ab 1960 für die Guerillakämpfer erlassen worden. Der Präsident rief die Aufständischen dazu auf, sich in das zivile Leben einzugliedern, andernfalls würden sie niedergemacht. Die PR unterstützte diese Linie. Die Guerilla ließ über ihre beiden Führer Bernardo Alvarado Monzón (PGT) und Luis Turcios Lima (FAR) einen einseitigen Waffenstillstand verkünden, der eingehalten würde, wenn die Zivilregierung die Liberacionistas aus Machtpositionen entfernen und die Kontrolle über Armee übernehmen würde. Oberst Arriaga Bosque ließ verlauten, die Armee bleibe wachsam und sei verfassungstreu. Nach außen hin bewegte sich nichts, am 2. Oktober aber starb Turcios Lima bei einem mysteriösen Verkehrsunfall, und am nächsten Tag startete die Armee die Offensive im Osten. Eine Guerillastruktur mit ungefähr 300 Kämpfern und rund 5 000 Unterstützungs-einheiten wurde zwischen Oktober 1966 und August 1967 zerschlagen (Figueroa, 1996). Im März 1967 wurden der Schriftsteller Otto René Castillo und Nora Paiz, erschöpft nach einem langen Weg, gefangen genommen, gefoltert und ermordet. In der Umgebung des Río Hondo in Zacapa wurden 100 Männer ermordet, wo sich auch heute noch ein geheimer Friedhof befindet.
3.2.4.6  Der Untergang der Guerilla
Turcios Tod war entscheidend für die FAR. Am 10. Oktober wurde die Entscheidung der Politischen Kommission des PGT verkündet, César Montes zum Kommandanten der FAR zu ernennen. Er mußte aus den Bergen in die Stadt kommen und beauftragte Camilo Sánchez mit der Leitung des FGEI (Frente Guerillero Edgar Ibarra, Guerillafront Edgar Ibarra). Sánchez und Pablo Monsanto beschlossen, San Agustín Acasaguastlán einzunehmen, worüber in der Presse viel berichtet wurde. Aber die Offensive der Armee hatte schon am 3. Oktober, einen Tag nach dem Tod von Turcios, begonnen. Nach der Einnahme des Dorfes verloren die Guerillagruppen den Kontakt untereinander, blieben in kleine Patrouillen aufgespalten und lösten sich auf. Die erste Gruppe, die bei der Offensive der Armee fiel, wurde von La Chancha
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befehligt. Einen symbolischen Stellenwert hatte die Rückeroberung der Browning 30, die die Guerilla bei der Operation von Sunzapote erobert hatte. Die Zahl der Militäroperationen in Zacapa, Chiquimula und Puerto Barrios nahm zu. Zwischen Oktober 1966 und Mai 1967 wurde der FGEI vernichtet. Im März wurde Mario Botzoc, ein charismatischer Studentenführer und Mitglied der FAR, ermordet; im April starb Arnaldo Vásquez Rivera, der Anführer des städtischen Widerstandes. Camilo Sánchez beauftragte Carlos López, 15 Guerilleros in die Sierra de Las Minas zu führen, aber diese schafften es nicht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Also lösten sie sich auf, aber bei dem Rückzug wurde die Mehrzahl gefangen genommen. Als er von der Entscheidung erfuhr, forderte Montes Sánchez auf, die Konsequenzen zu ziehen. Innerhalb der Guerilla kam es zu einer Spaltung. In Kuba hielt sich noch eine Gruppe von 100 Guerilleros auf (obwohl der Kern aus ungefähr 40 Kämpfer bestand), die eine Militärausbildung erhielten. Diese Gruppe versuchte erfolglos, Turcios zurückzuhalten. In Kuba wurde der Plan geschmiedet, aufs Festland zu gehen und Castros Vertrauensmann Ricardo Ramírez zu beteiligen. Der Plan bestand darin, drei Konfliktherde in Lateinamerika zu schaffen (Bolivien, Venezuela, Guatemala), um eine militärische Krise vergleichbar der in Vietnam zu provozieren. Aber sehr bald begann sich das Scheitern des Planes, die beiden Amerikas anzuzünden, abzuzeichnen. Im Oktober starb Ché Guevara im bolivianischen Urwald. Die Landung der venezolanischen Guerilla wurde entdeckt, und die permanente Überwachung der Karibik durch die US-Marine vereitelte die Mobilisierungspläne der guatemaltekischen Rebellen auf Kuba. Aber zu diesem Zeitpunkt wußten die Kubaner schon genau, daß die FAR zerschlagen waren. Die Armee verfolgte die Guerilla mit ihrer Offensive bis in die Hauptstadt, wo die Todesschwadrone wüteten. Der PGT reorganisierte sich und beschloß, auf eine Konfrontation zu verzichten. Im Januar 1968 jedoch wurde Rogelia Cruz entführt, deren Leiche mit Spuren von Vergewaltigung und Folter an der Südküste gefunden wurde. Ihr Genosse und Freund Leonardo Castillo Johnson, militärischer Führer des PGT, reagierte voller Wut und löste eine Reihe von Militäraktionen in der Hauptstadt aus, die binnen weniger Stunden den Tod einiger US-amerikanischer Berater, das Attentat auf den Liberacionista Manuel Villacorta Vielman, den Tod Alfons Alejos’ sowie einen Granatenangriff auf das Hauptquartier zur Folge hatten. Die Reihe von Aktionen endete mit dem Tod von Castillo Johnson in der Calle Martí, als dieser versuchte, einer wilden Verfolgung durch die Polizei zu entkommen. Ende des Monats wurde ein weiteres Mitglied des Zentralkomitees des PGT entführt: der Lehrer Rafael Tishler. Später fand man sechs weitere Leichen in einem Haus, das vermutlich von den Sicherheitsdiensten genutzt wurde. Camilo Sánchez, der nun auf die Hauptstadt beschränkt war, führte weiterhin konstant militärische Aktionen durch. Doch an einem Augusttag 1968 bei Tagesanbruch wurde er in der Zone 11 gefangen genommen. Ein Guerillakommando wollte ihn befreien und zu diesem Zweck US-Botschafter Gordon Mein entführen, aber der Diplomat kam bei dem Entführungsversuch ums Leben. Die FAR verfolgten weiter Camilos Plan, sich im Petén zu sammeln und im Januar 1969 gaben sie die Losung todo para el frente (alles für die Front) aus. Von Februar bis April versuchten 24 ausgewählte Guerilleros, ein Operationsgebiet aufzubauen, sie unterschätzten jedoch das Gelände und verirrten sich. In der Hauptstadt erhielt eine neue Generation von Guerilleros, die gerade ihren Schulabschluß gemacht hatten, die Strukturen der FAR aufrecht. 1970 stand die Guerilla erneut vor dem Wahldilemma. Der PGT rief dazu auf, eine ungültige Stimme abzugeben oder gar nicht zu wählen. Die FAR dagegen entschieden sich, bei der Wahl Carlos Arana Osorio, den Militärkommandanten, der den Zusammenbruch der Guerilla im Osten zu verantworten hatte, zu unterstützen, um die Widersprüche in der Gesellschaft zuzuspitzen und das Voranschreiten des bewaffneten Kampfes zu beschleunigen. Im Februar 1970 entführten Monsanto und Percy Jacobs den Außenminister Alberto Fuentes Mohr und erreichten damit die Freilassung ihres Genossen Vicente Girón Calvillo, der von den Sicherheitskräften festgenommen worden war. Zwei Wochen später entführten die FAR den Arbeitsberater der US-Botschaft Holly und verlangten die Freilassung von weiteren zwei Kämpfern. Zwei Wochen darauf wurde der deutsche Botschafter Karl von Spreti entführt, und die Guerilla versuchte, ihn gegen 15 weitere Gefangene auszutauschen. Diesmal jedoch verhärtete sich die Position der Regierung. Sie behauptete, die Gefangenen befänden sich nicht in ihrer Gewalt, während die Armee einen Sicherheitsplan für das diplomatische Korps entwickelte und so verhinderte, daß die Guerilla ihren nächsten Schritt in die Tat umsetzte: die Entführung des israelischen Botschafters. Im April handelten die FAR mit der deutschen Regierung ein Lösegeld für die Freilassung des Diplomaten aus, aber vor der Übergabe der vereinbarten 700 000 US-Dollar wurde von Spreti unerwartet tot aufgefunden. Es dauerte nicht lange, bis sich innerhalb der FAR große Widersprüche auftaten. Zwischen Juli und August vollzog sich ein bedeutender Bruch: Percy Jacobs (verantwortlich für die Entführung von Gordon Mein), Sustos und Arévalo Bocaletti brachen mit Pablo Monsanto, den sie für das Scheitern der Guerillastrukturen im Petén verantwortlich machten. Monsanto behauptete, daß die Kontrolle über das Geld Anlaß des Streites gewesen sei. Die Dissidenten gingen über El Salvador nach Mexiko, wo sie versuchten, sich niederzulassen, jedoch von den Sicherheitskräften aufgespürt wurden. Die drei Ex-Guerillakämpfer fand man erschossen in San Marcos. Landa Castañeda, eines der ehemaligen FAR-Mitglieder, das an der Ermordung von Spretis beteiligt war, wurde ebenfalls in El Salvador ermordet. Am 1. Juli 1970 wurde Arana Präsident; im Januar 1971 brach eine heftige Terrorwelle los. Arana rief per Dekret den Belagerungszustand aus, schloß die Zufahrtswege zur Stadt und ließ in jedem Haus Hausdurchsuchungen durchführen. In diesen Tagen wurde der Politiker Adolfo Mijangos López ermordet und Alfonso Bauer Paiz fiel einem Attentat zum Opfer. Der PGT, der seine JPT reorganisierte, erlitt schwere Rückschläge. Die Armee veranstaltete eine Hetzjagd auf den harten Kern der Kommunisten, der angeblich einen Militärplan ausgearbeitet hatte. 15 Mitglieder wurden gefangen genommen, bis die Sicherheitskräfte ihr Ziel erreicht hatten: die Festnahme von Marco Antonio Leoni, einem jungen Kämpfer, Verantwortlicher für Militäroperationen des PGT, in der 18. Straße der Zone 1. Die FAR gingen in der Stadt in die Defensive, auch wenn sie noch einige Strafaktionen durchführten, wie die Ermordung des Journalisten Isidoro Zarco von Prensa Libre. Die Kuba-Gruppe brach 1969 die Kontakte zu ihnen ab und beschloß, eine andere Organisation zu bilden. Des MR-13 war nach den in den letzten Jahren erlitten Verlusten vieler Kader fast zerschlagen. Unter diesen Umständen versuchte Yon Sosa, seine Strukturen wieder aufzubauen. Zusammen mit El Indio Hernández und Coche Vides führte er in der Stadt einige recht unbedeutende Militäraktionen aus. Später versuchte er, mit der Kubagruppe Kontakt aufzunehmen, die in Chiapas ankam, wurde aber zusammen mit Socorro Sical von der mexikanischen Armee verhaftet. Obwohl Yon Sosa sich mit seinem militärischen Rang zu erkennen gab sowie seine Waffe und sein Geld dem späteren General Casillas aushändigte, ließ man ihn nicht am Leben. Mit dem Tod von Yon Sosa endete die Existenz des MR-13. Bis 1973 wurden seine letzten Anführer Luis Molina Loza (1971) und Thelma Gracioso (1973) ermordet. Trotz des Klimas politischer Verfolgung wurde die Volksbewegung mitten im Belagerungszustand wieder aktiviert. Dies ermutigte den PGT, eine taktische Korrektur zu vollziehen, eine Wende, die anderen gesellschaftlichen Gruppen größere Aufmerksamkeit zukommen und Militärpläne in den Hintergrund treten lassen sollte. Aber am 28. September 1972 verhaftete die Polizei in einem Versammlungshaus sechs Mitglieder der Parteiführung: Bernardo Alvarado Monzón, Carlos Alvarado Jerez, Mario Silva Jonama, Carlos René Valle y Valle, Carlos Hernández und Hugo Barrios Klee. Mit ihnen wurde die für die Wohnungsbeschaffung zuständige Fantina Hernández verhaftet. Von diesem Schlag erholte sich der PGT nicht mehr. Im Dezember 1974 wurde sein neuer Sekretär Huberto Alvarado ermordet. So endete die Bürgerkriegsphase der sechziger Jahre.
3.2.5  3.2.5 Die katholische Kirche
In den sechziger Jahren war die katholische Kirche sehr mit ihrem eigenen Wachstum beschäftigt. Aber gleichzeitig gab es Anzeichen für eine Wende, die große Auswirkungen in diesem Jahrzehnt haben würde. 1959 hatte Papst Johannes XXIII ein ökumenisches Konzil angekündigt, das zwischen 1962 und 1965 in vier Sitzungen abgehalten und von Papst Paul VI abgeschlossen wurde. Das zweite Vatikanische Konzil war eher pastoral, d.h. es legte die Betonung mehr auf Inhalte und Methoden der Verkündigung in der modernen Welt. Die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift als Quelle theologischer Reflexion stellte eine Neuigkeit dar, ebenso wie die Definition der Kirche als Volk Gottes. Die Kirche versöhnte sich mit der europäischen Welt der Moderne. Als sich die lateinamerikanische Kirche in Medellín (1968) mit den Ergebnissen des Konzils befaßte, bezog sie systematisch sozialwissenschaftliche Kenntnisse mit ein, um eine rationale Erklärung der strukturellen Gründe für die Armut zu finden, und stellte die Begleitung der Armen, die Erneuerung des Gemeinschaftssinns der Kirchen vor Ort, die Einführung einer einheitlichen Pastoral und den Kampfeswillen für Gerechtigkeit und Frieden in den Vordergrund. So waren in Guatemala die theoretischen Fragestellungen der Befreiungskirche vielen Seelsorgern unbekannt, die vor dem Konzil in antikommunistischen Kirchen- und Theologenkreisen ausgebildet worden waren und später aufgrund ihrer Überbeanspruchung bei der seelsorgerischen Arbeit große Schwierigkeiten hatten, systematisch neue theologische Studien zu betreiben. Die Wirklichkeit, Erfahrung und Glaubenspraxis der Armen sollen künftig die Quelle der Spiritualität und des Engagements für die Seelsorger sein..., obwohl die Dokumente von Medellín für diese Seelsorger die eigentliche Referenz darstellen und Inspirationsquelle für ihr Handeln sind. (REMHI, Presencia y Acción de la Iglesia en el Conflicto Armado, Version 1.1, 1997. ) Den gemeinsamen Verlautbarungen der Bischöfe ist zu entnehmen, daß sie sich in diesen Jahren besonders mit zwei Themen beschäftigten, und zwar mit der Landverteilung und der politischen Gewalt, die sich während der Regierungszeit von Méndez Montenegro verschärft hatte. Die erste Erklärung der 1964 eingerichteten Guatemaltekischen Bischofskonferenz (Conferencia Episcopal de Guatemala, CEG) zum Thema Gewalt, die am 9. Mai 1967 abgegeben wurde, enthielt noch keine Andeutungen über Verantwortlichkeiten. Die Zuwanderung von ausländischem Klerus, die im Jahrzehnt zuvor begonnen hatte, sowie die Dezentralisierung der Kirche durch die Schaffung mehrerer Diözesen hielten an. Die Zahl der Priester stieg von 346 im Jahr 1959 auf 608 im Jahr 1970. Die Patres des Maryknoll-Ordens gingen nach Huehuetenango, die Missionare vom Heiligen Herzen konzentrierten sich in El Quiché, die Missionare vom Orden des unbefleckten Herzens Mariens waren in Escuintla, die Dominikaner ließen sich in Las Verapaces nieder, die Franziskaner, Karmeliterinnen, Kapuziner, Jesuiten und das Spanische Institut für Auslandsmissionen (Instituto Español de Misiones Extranjeras, IEME) deckten andere Gebiete und Tätigkeiten im Land ab. Darüber hinaus entwickelten mehrere weibliche Ordensgemeinschaften in vielen Pfarreien eine Reihe missionarischer Tätigkeiten. Bereits im Juni 1961 wurde die Konferenz Guatemaltekischer Ordensleute CONFREGUA gegründet, die in den folgenden drei Jahrzehnten einen spürbaren Einfluß auf die Entwicklung der Kirche hatte. Innerhalb des Klerus bildeten sich drei Strömungen heraus: diejenige, für die die Sakramente im Vordergrund standen, eine zweite, die den Laienbewegungen verbunden war und als dritte die entwicklungsorientierte. Erstere legte bei der seelsorgerischen Arbeit großen Wert auf die Erteilung der Sakramente, zweitere stützte sich auf die Tätigkeiten des Laienapostolats, insbesondere die Ausbildung (Cursillos de Cristianidad) und die Bewegung christlicher Familien. Die entwicklungsorientierte Strömung suchte über die Genossenschaftsbewegung, Bauernligen, Entwicklungskomitees, den Bau von Schulen und Aufbau einer Basisinfrastruktur Lösungen für die dringlichsten Bedürfnisse der Menschen. Manchmal leisteten sie über die Caritas und Catholic Relief Services eine zeitlich befristete Unterstützung. In vielen Dörfern kümmerten sich die Mitglieder der Katholischen Aktion (Acción Católica Rural) um die entwicklungsorientierte Pastoralarbeit. Es waren Bauern, die häufig ein leicht höheres wirtschaftliches und soziales Niveau als die Bevölkerungsmehrheit erreicht hatten und durch Einsatz von chemischem Dünger die grüne Revolution praktizierten, oder Händler, die sich nun verstärkt auf die Bauern mit höherer Kaufkraft konzentrierten. Die Democracia Cristiana (DC), eine 1956 von Rossell
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nahestehenden Katholiken gegründete Partei, trug das entwicklungspolitische Banner und beeinflußte und politisierte Kooperativen, Bauernligen und die Acción Católica. Im Gegensatz dazu stimmten die traditionellen Bruderschaften (cofradías) für den MLN und den PID. Aber schon damals engagierten sich die Melville-Patres, Priester des Maryknollordens, die 1957 ins Land gekommen waren, für die Ausbildung von Jugendlichen und beschlossen, den bewaffneten Kampf zu unterstützen. Ab 1965 organisierten die Jesuiten und die Maryknollpriester soziale Ausbildungskurse in ländlichen Gegenden, an denen fortgeschrittene Schüler gemeinsam mit Priestern und Ordensangehörigen teilnahmen. Als Folge dieser Kurse entstand ‘el Cráter’
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. Es war die Zeit der von der US-amerikanischen Regierung angeregten Allianz für den Fortschritt, aber auch die Zeit der großen Projekte für die Ausweitung der landwirtschaftlichen Fläche im Norden von Huehuetenango und El Quiché (Ixcán und die Zona Reina), sowie der Höhepunkt der Genossenschaftsbewegung und der Einführung neuer Ackerbaukulturen in El Quiché, Huehuetenango, San Marcos, Sololá und Petén. Die Erschließung von Ixcán Grande wurde vom Staatlichen Institut für landwirtschaftliche Transformation (Instituto Nacional de Transformación Agraria, INTA) an die Maryknollpriester übergeben und erhielt durch die Arbeit von Pater Guillermo Woods großen Antrieb. Neben den landwirtschaftlichen Projekten beteiligten sich die Ordensleute an anderen Fördermaßnahmen im Bereich Gesundheit und Bildung. Es entstanden Rundfunkschulen, um die Alphabetisierung über Radiosender der Kirche zu fördern: Radio Chortí in Jocotán, Radio Mam in Cabricán, Radio Nahualá, Radio Atitlán in Santiago Atitlán, Radio Colomba, Radio Quiché und später Radio Tezulutlán in Cobán. Im Gesundheitsbereich richteten viele Pfarreien Ambulanzen ein, während Gruppen von Ordensleuten mit Fördervereinen für die Gesundheit auf dem Land zusammenarbeiteten. Ein Beleg für die Anstrengungen seitens des Ordens und der Priester ist die Gründung des Verbandes für gemeindeorientierte Gesundheitsdienste (Asociación de Servicios Comunitarios de Salud, ASECSA) in dieser Zeit. Am Ende dieses Jahrzehnts setzte sich die katholische Kirche landesweit für die gesellschaftliche und soziale Entwicklung der Bauern und der Minderheiten ein.
3.3  3.3 Die Militärregierungen der 70er Jahre
3.3.1  3.3.1 Die Pläne der Militärs
Mit einem mittelfristig angelegten Entwicklungsmodell übernahmen die Streitkräfte unter Führung von General Carlos Arana Osorio (1970-1974) die Regierung. Aufgrund der inneren Schwäche der politischen Bündnisse, die gegensätzliche wirtschaftliche Interessen vertraten, mußten die Militärs dabei auf Wahlbetrug zurückgreifen, um ihr Investitionsprogramm aufrechtzuerhalten. Damit begann ein neuer ökonomischer Wachstumszyklus, der ebenso wie Anfang der sechziger Jahre den Unternehmern breitere Möglichkeiten eröffnete. Um gleichzeitig die sozialen Spannungen abzufedern, ließen die Militärs insbesondere in den Jahren 1974-78 eine gewisse Dynamik in der Volksbewegung zu. Da jedoch eine Durchsetzung echter Reformen in dem vorgegebenen Rahmen unmöglich war, steuerte die Volksbewegung rasch auf eine neue Aufstandsbewegung zu, die das System grundsätzlich in Frage stellte und nach dem Sieg der Sandinistischen Revolution (1979) auf eine Systemveränderung mit aufständischen Mitteln drängte. Der industrielle Sektor genoß nach wie vor protektionistische Vorteile des Zentralamerikanischen Gemeinsamen Marktes (Mercado Común Centroamericano, MCCA), wenngleich er faktisch bereits die Rolle eines Minderheitsgesellschafters der transnationalen Konzerne spielte. Gegenüber der Gewerkschaftsbewegung zeigten sich die Industrieunternehmer zunehmend unnachgiebig. Neue Chancen für Exportprodukte auf dem Weltmarkt, die in den sechziger Jahren eingeleiteten Produktivitätszuwächse durch die Einführung und rasche Verbreitung von Düngemitteln und die im Zuge der Besiedlungsprogramme erfolgte Verschiebung der landwirtschaftlichen Nutzungsgrenzen ließen den Wert von Ländereien in die Höhe schnellen, die bis dahin als bedeutungslos angesehen und von indianischen Dorfgemeinschaften bewirtschaftet wurden. Große Agrarunternehmer oder auch Militärs, die zu Unternehmern geworden waren, begannen, sich systematisch Gemeindeland anzueignen. Ihnen folgten zahllose kleine und mittlere Unternehmer (vor allem Ladinos aus dem Osten und aus der Mittelschicht der städtischen Zentren im Landesinneren), die versuchten, Land mit steigendem Wert in ihren Besitz zu bringen.
3.3.2  3.3.2 Die Arana-Regierung
General Arana bildete mit der Nationalen Befreiungsbewegung (Movimiento de Liberación Nacional, MLN) und der Institutionell-Demokratischen Partei (Partido Institucional Democrático, PID) eine Koalitionsregierung, obwohl es zwischen beiden Parteien ausgeprägte Differenzen über die Leitlinien der Wirtschaftspolitik gab. Einigkeit bestand jedoch im Hinblick darauf, daß eine starke Regierung unter militärischer Führung notwendig war, um die Guerillaaktivitäten zu stoppen. Dieses Bündnis zweier Strömungen innerhalb des unternehmerischen Lagers war allerdings nur von kurzer Dauer. Zwar konnte die MLN-PID-Koalition bei den Kommunalwahlen von 1972 noch 74% der Bürgermeisterämter für sich gewinnen, doch distanzierte sich Arana 1973 von der MLN und ließ die führenden Vertreter der sog. Weißen Hand (Mano Blanca) liquidieren, die als Todesschwadron der MLN galt (Handy, 1984). Dennoch wurde das Bündnis bei den Wahlen von 1974 erneuert.
3.3.2.1  Politischer Terror
Die politische Gewalt zielte darauf ab, die Infrastruktur der Guerilla in der Hauptstadt zu zerschlagen. Dort hatten insbesondere die Aufständischen Streitkräfte (Fuerzas Armadas Rebeldes, FAR) 1970 und 1971 äußerst spektakuläre Aktionen durchgeführt. Aber auch in den städtischen Zentren im Landesinneren wurde der Terror spürbar. Zahlreiche Menschen fielen der selektiven Repression zum Opfer: Am 14. Januar 1971 wurde der christdemokratische Abgeordnete Adolfo Mijangos López ermordet, am 20. Februar der Bauernführer Tereso de Jesús Oliva. Im gleichen Monat kam Julio Camey Herrera, Professor der San-Carlos-Universität, ums Leben, und der Rechtsanwalt Alfonso Bauer Paiz wurde von Maschinengewehrkugeln durchsiebt. Mijangos, Camey und Bauer gehörten einem Untersuchungsausschuß an, der sich mit dem Vertrag zwischen dem guatemaltekischen Staat und dem Unternehmen EXMIBAL beschäftigte. Im September wurde die Politische Kommission der Guatemaltekischen Partei der Arbeit (Partido Guatemalteco del Trabajo, PGT) verhaftet. Als im Oktober der Studentenführer Manuel Cordero Quezada ermordet wurde, organisierte die Front gegen die Gewalt (Frente contra la Violencia) eine breit angelegte Anklagekampagne. Viele dieser Verbrechen wurden den Todesschwadronen MANO, Ojo por Ojo (Auge um Auge) und NOA zur Last gelegt. Im Mai 1973 kam es zu Landbesetzungen durch die indianischen Gemeinden von Sansirisay (El Progreso), die von Efraín Ríos Montt blutig niedergeschlagen wurden.
3.3.2.2  Allianzen der Macht
Um innerhalb der Unternehmerschaft eine wirtschaftliche Machtclique aufzubauen, verbündete sich General Arana durch Vermittlung von Exilkubanern mit neu entstandenen Gruppen im Süden der Vereinigten Staaten, die von Präsident Nixon protegiert wurden. Ebenso näherte er sich in seinen Interessen dem Somoza-Clan in Nicaragua an. Mehrere Familien, die ihre traditionelle Finanzmacht verloren hatten, schlossen sich den Plänen Aranas an. Schließlich erhielten zahlreiche Oberbefehlshaber und Offiziere der Armee Land im Petén, das über das FYDEP
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(Fomento y Desarrollo del Petén, Förderung und Entwicklung des Petén) erschlossen wurde. Die Entstehung dieses Bündnisses führte zu Konflikten mit anderen Unternehmergruppen, so z.B. mit den Cliquen unter Führung der Familien Castillo und Novella. Die Zwistigkeiten spiegelten sich auch in der MLN-PID-Allianz wider: Die MLN war eher den traditionellen Interessen der Unternehmerfamilien verbunden, während die PID dem Militärprojekt näherstand. Die alteingesessenen Großgrundbesitzer widersetzten sich der wirtschaftlichen Dominanz der Generäle, und auch innerhalb der militärischen Führungsspitze entstanden Differenzen, die sich in den Parteien niederschlugen. Die Familien Skinner Klee und García Granados schlossen sich über die Banco Santander zu Nickelabbau-, Erdöl- und Finanzgeschäften mit den Militärs zusammen. 1971 gründete der Unternehmer Manuel Ayau die Francisco-Marroquín-Universität, um dort neue Eliten heranzuziehen und den interventionistischen Einfluß des von der US-amerikanischen Entwicklungsagentur AID finanzierten Zentralamerikanischen Instituts für Betriebswirtschaftslehre (INCAE) einzudämmen. 1973 wurde von Teilen der Bauernschaft, die mit der Macht des Allgemeinen Bauernverbandes (Asociación General de Agricultores, AGA) unzufrieden waren, die Landwirtschaftskammer (Cámara del Agro) gegründet, um so die vielen Vereinigungen zu bündeln, die überall im Land im Entstehen waren. So hatten sich neue Gruppen wie die Geflügelzüchter und die Kardamombauern zu eigenen Verbänden zusammengeschlossen. Am Ende dieser Phase kam es zu Konflikten zwischen verschiedenen Unternehmergruppen (Fleisch- und Milch-, Baumwoll- und Textil-, Weizen- und Broterzeuger, Zuckerproduzenten und Viehzüchter), die versuchten, ihre Konflikte um Marktanteile durch staatliche Intervention beizulegen. Die verschiedenen ökonomischen Interessen führten schließlich zur Spaltung des politischen Blocks, den Arana hatte aufbauen können, und schwächten somit die Basis für seinen Nachfolger, General Kjell Laugerud García.
3.3.3  3.3.3 Die Laugerud-Regierung
Bei den Wahlen vom 5. März 1974 wählte der Kongreß im zweiten Wahlgang den ehemaligen Verteidigungsminister der Arana-Regierung, General Kjell Laugerud, zum neuen Staatspräsidenten. Die Opposition unter Führung der Christdemokratie (Democracia Cristiana, DC) hatte in einem breiten Bündnis unter Beteiligung von Sozialdemokraten und Kommunisten die Kandidatur von General Ríos Montt unterstützt und sprach von Wahlbetrug. Die MLN-PID-Koalition konnte ihr labiles Bündnis aufrechterhalten, nachdem sich Arana mit der Kandidatur von Laugerud durchgesetzt hatte und die MLN mit ihrem Spitzenvertreter Mario Sandoval das Amt des Vizepräsidenten besetzen konnte. Ein Jahr später ging die Koalition jedoch in die Brüche, als sie sich über die Kontrolle des Kongresses nicht einigen konnte. Als Guatemala im Februar 1976 von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, brach der Konflikt zwischen MLN und PID erneut auf. Diesmal ging es um die Kontrolle des Komitees für den Nationalen Wiederaufbau (Comité de Reconstrucción Nacional, CRN). In der Zeit nach dem Erdbeben kam es zu einem starken wirtschaftlichen Wachstumsprozeß, der vom Staat gesteuert wurde und insbesondere den Politikern und Unternehmern der PID sowie der Arana-Clique zugute kam. Die MLN hingegen blieb davon ausgeschlossen. Die mittelfristigen Investitionspläne machten es jedoch notwendig, die bestehenden politischen Gruppen über die Wahlperioden hinaus an der Macht zu halten. Zur damaligen Zeit entsannt mit Blick auf die Wahlen von 1978 ein neues Bündnis zwischen der PID, der Revolutionären Partei (Partido Revolucionario, PR) und Arana-Anhängern, das den Verteidigungsminister der Laugerud-Regierung und Verantwortlichen für den Nördlichen Quersaum
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(Franja Transversal del Norte, FTN), General Romeo Lucas, sowie den internationalen Anwalt und Angehörigen der Revolutionären Partei, Francisco Villagrán Kramer, als Kandidaten aufstellte.
3.3.3.1  Volkskämpfe
Die Landprobleme bildeten den Hintergrund für die Entstehung des Komitees für Bauerneinheit (Comité de Unidad Campesina, CUC)
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, das am 19. November 1978 sein erstes Kommuniqué in der Tageszeitung El Gráfico veröffentlichte. Bereits am 1. Mai 1977 hatte erstmals eine klandestin organisierte Gruppe von Indígenas aus dem Hochland und von der Südküste an der Mai-Demonstration teilgenommen, ebenso auch am Gedenkmarsch vom 20. Oktober, der im Vorfeld des großen Unterstützungsmarsches für die Bergarbeiter von Ixtahuacán im November stattfand (Arias, 1985). Auch die städtische Gewerkschafts- und Volksbewegung erfuhr in der Zeit von 1976 bis 1978 einen starken Aufschwung. In der Regierungszeit von Laugerud wurden 119 Streiks und Arbeitsniederlegungen gezählt, an denen sich über 100 000 Werktätige beteiligten. Mehr als eine Million Arbeitstage gingen dadurch verloren. Ebenso gab es landesweite Massenmobilisierungen und auch spontane Kämpfe, bei denen es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kam. Das Nationale Komitee für Gewerkschaftseinheit (Comité Nacional de Unidad Sindical, CNUS) hatte bereits 1976 seine Arbeit aufgenommen und trat für eine Aktionseinheit mit den Bewohnern der Armenviertel und den Studenten ein. Im März 1977 kam es zum Bruch zwischen der Nationalen Arbeiterzentrale (Central Nacional de Trabajadores, CNT) und der Lateinamerikanischen Arbeiterzentrale (Central Latinoamericana de Trabajadores, CLAT). Dies hatte massive Auswirkungen auf die Radikalisierung der CNT. Im April wurde die Organisierte Gewerkschaftsfront Amatitlán (Frente Organizado de Sindicatos de Amatitlán, FOSA) und im Dezember das Notkomitee der Staatsbediensteten (Comité de Emergencia de Trabajadores del Estado, CETE) gegründet. 1978 erreichten die Gewerkschaftskämpfe ihren Höhepunkt. In mehreren Unternehmen konnten die Beschäftigten Lohnerhöhungen durchsetzen. Gleichzeitig vertraten auch Teile der Staatsbediensteten verstärkt ihre Forderungen. Durch ihre Kämpfe konnte innerhalb der Bewegung eine zunehmende Konvergenz und Einheit erreicht werden, in der auch Teile der Kirche, Studenten und Bewohner von Armenvierteln einbezogen waren. An den Protestdemonstrationen gegen das Massaker von Panzós am 29. Mai
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nahmen über 100 000 Menschen teil.
3.3.4  3.3.4 Sonstige Entwicklungen dieser Zeit
3.3.4.1  Intoleranz von Unternehmergruppen
Obwohl sich mit Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von über 7% 1977 und 1978 ein neuer Wirtschaftsboom abzeichnete, bemühten sich die Unternehmer nicht um die Schaffung von Konzertierungsmechanismen, um die vor diesem Hintergrund entstandenen Erwartungen der Arbeiterschaft aufzufangen. Die Baumwollpflanzer und neuen Unternehmer, die mit den Regierungsgeschäften in Verbindung standen, waren die erfolgreichste Gruppe, wenngleich auch der industrielle Sektor weiterhin von den protektionistischen Vorteilen des Zentralamerikanischen Gemeinsamen Marktes profitierte. Diese neuen Unternehmergruppen zeigten sich gegenüber den Forderungen der Arbeiterschaft ausgesprochen unnachgiebig, so daß am Ende dieser Phase ein Teil der Unternehmer letztlich Bündnisse mit der Armee schloß, um die Gewerkschaftsführungen und -organisationen gewaltsam zu zerschlagen.
3.3.4.2  Erneuter Landraub
Der Anstieg der Bodenpreise mündete in einen neuen Zyklus von Landenteignungen (wenngleich weniger ausgeprägt, so doch vergleichbar mit den Enteignungen im Zuge der Liberalen Reform
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). Mitte des Jahrzehnts kam es dadurch zu einer Welle extremer Gewalt gegen die ländlichen Dorfgemeinschaften, die in ihrem Ausmaß die früheren Übergriffe gegen die Begünstigten der Agrarreform weit übertraf. Hinter den Gewaltakten von 1980-82 steckte vielfach die Enteignung von kleinbäuerlichem Landbesitz.
3.3.4.3  Verfall des Wahlsystems
Aufgrund der inneren Schwäche der politischen Bündnisse, in denen gegensätzliche wirtschaftliche Interessen vertreten waren, mußten die Militärs auf Wahlbetrug zurückgreifen, um ihr Investitionsprogramm aufrechtzuerhalten. Mit der Wahl von General Carlos Arana wiederholte sich somit seit 1970 erneut dasselbe Schema der Regierungsnachfolge, bei dem der Verteidigungsminister zum Präsidentschaftskandidaten mit garantiertem Sieg gekürt wurde, und dies alles unter formaler Beibehaltung der in der Verfassung von 1965 festgeschriebenen Wahlgesetze.
3.3.4.4  Durchbruch der Indígena-Bewegung
Das Erdbeben war für die indianischen Gemeinden und Regionalzentren eine echte Feuerprobe: Von einem Tag auf den anderen sahen sie sich faktisch gezwungen, sämtliche politischen und gesellschaftlichen Aufgabenbereiche zu übernehmen und die aus der Katastrophe entstandene extreme Notsituation zu bewältigen. Dabei mußten sie in Gemeinden, die zum Teil wochenlang von der Hauptstadt ihres Departements und auch von Guatemala Stadt abgeschnitten waren, mit einem Minimum an Mitteln auskommen. Im Gegensatz zu den alten politischen Repräsentanten, die von externen politischen Machtgruppen eingesetzt worden waren, wurden die neuen Führungspersönlichkeiten nun von ihren Gemeinden für ganz spezifische Aufgaben ausgesucht. Die Zentralregierung war von den Ausmaßen der Katastrophe überfordert. Deshalb nahm sie es auch hin, daß die Gemeinden selbst die Initiative ergriffen und sich praktisch in lokalen Machtstrukturen organisierten, die direkt mit den internationalen Organisationen über die Hilfe aus dem Ausland verhandelten.
3.3.4.5  Entstehung einer neuen Guerillabewegung
Bereits 1976 war der Guerillakampf in mehreren Gebieten des Landes erneut aufgeflammt. Die Organisation des bewaffneten Volkes (Organización del Pueblo en Armas, ORPA) war zu dieser Zeit im Begriff, im Hochland von San Marcos ihre Vorbereitungsphase für den Krieg abzuschließen. Die Aufständischen Streitkräfte (FAR) entwickelten aus internen Diskussionen ihre Politik der Guerillafronten. Eine dritte Gruppe, die Guerillaarmee der Armen (Ejército Guerillero de los Pobres, EGP) verbreitete einen neuen Typ von Guerillaaktionen, während die offizielle Armee ihre erste Aufstandsbekämpfungsoperation gegen den EGP im Norden von Quiché durchführte. Zu Beginn der Regierungszeit von Lucas García kamen insbesondere den Aktivitäten der EGP großes Gewicht zu.
3.3.4.6  Entwicklung der Aufstandsbekämpfung
In den 70er Jahren entwickelte die Armee eine angepaßte, gezielte Aufstandsbekämpfungsstrategie, in die auch die Erfahrungen aus über zehn Jahren Kampf gegen die Guerilla einflossen. Der Bereich der Staatsbürgerlichen Aktion (Acción Cívica) wurde dem Generalstab unterstellt. Für die militärische Spionage und Spionageabwehr wurde ein mittelfristig angelegtes Konzept entwickelt. Deren Strukturen wurden jedoch ebenso wie zu Zeiten der liberalen Diktaturen dem Präsidialamt unterstellt. Grundlage für die Geheimdienstarbeit war der Gedanke, daß die Aufstandsbekämpfung in der guatemaltekischen Geschichte zyklisch verlaufen sollte. Entsprechend zielte sie darauf ab, den aufständischen Organisationen in der Phase ihrer Entstehung bzw. ihres Neuaufbaus Schläge zu versetzen, ohne die Dinge zu überstürzen. Vor allem ging es zunächst darum, Informationen zu sammeln. Darüber hinaus wurden in dieser Zeit einige taktische Neuerungen eingeführt, die in den Guerillabekämpfungskampagnen von 1980/81 intensiv angewandt werden sollten. Die Armee setzte israelische Galil-Gewehre als beste Waffe für den Guerillakampf in den Bergen ein und beschaffte sich Bell-Hubschrauber, militärisch umgerüstete Pilatus-Flugzeuge und israelische Arava-Versorgungsflugzeuge. Dies alles geschah mit Unterstützung von internationalen Beratern, die nun nicht mehr direkt aus den USA kamen, sondern aus Israel, Taiwan und Argentinien.
3.3.5  3.3.5 Die Regierungszeit von Lucas García
General Romeo Lucas García kam durch nachweislich betrügerische Wahlen an die Macht, bei denen lediglich 15% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. Die Regierung Lucas stand für die Verschärfung der Widersprüche, die sich im Lauf der 70er Jahren seit General Carlos Arana abgezeichnet hatten. Die Amtszeit von General Lucas war von den damaligen dynamischen Entwicklungen extremer Gewalt und sich zuspitzender politischer Widersprüche geprägt: 1979 wurden 1371 politische Morde und Entführungen registriert; 1980 waren es bereits 2264 und 1981 sogar 3426 Fälle (Figueroa, 1991). Es war wie der Ausbruch einer Folge von politischen Perversionen, die in den vorangegangenen Phasen gereift waren. In der Erinnerung des guatemaltekischen Volkes sind diese Jahre unter dem Stichwort „die Lucas-Zeit“ noch immer als eine der schwärzesten Epochen seiner Geschichte präsent. In tragischer Abfolge geriet das Land immer tiefer in eine Spirale der Gewalt, die für das darauffolgende Jahrzehnt kennzeichnend werden sollte.
3.3.5.1  Verbrechen am hellichten Tag
Im Juli 1978 übernahm Präsident Lucas die Regierung. Zwischen Juli und Oktober wurde der politische Spielraum, der sich unter der vorangegangenen Regierung eröffnet hatte, rasch wieder beschnitten. Als Folgeerscheinung der Aktionstage der Bevölkerung vom Oktober 1978 gegen die Tariferhöhungen im städtischen Nahverkehr gab es die ersten Attentate, und es kursierten Listen mit Namen von Personen, die zum Tode verurteilt waren. Damit begann eine neue Welle der Repression. In den letzten sechs Monaten des Jahres 1978 wurden 500 Personen tot aufgefunden. 200 davon wiesen Folterspuren auf (Amnesty, 1980). Die dritte Terrorwelle (sie begann 1978) dauerte in ihrer ersten Phase bis etwa 1980 und zielte darauf ab, die Volksbewegung zu zerstören. Entsprechend war sie vor allem auf die Zerschlagung von Gewerkschaften, Organisationen von Bewohnern der Armutsviertel sowie Schüler- und Studentenvereinigungen ausgerichtet. Der Terrorismus war eine kategorische Antwort auf die offenen, legalen Kämpfe, die in den Aktionstagen vom Oktober 1978 ihren Höhepunkt erreicht hatten. Damit wurden die in den 70er Jahren erzielten Erfolge der Volksbewegung zunichte gemacht (Figueroa, 1991). Der Entschluß, erneut auf den Staatsterror zurückzugreifen, wurde vermutlich während der Aktionstage gegen die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr vom Oktober 1978 bekräftigt. Gleichzeitig aber gab es auch Verbrechen, die mit der Gewalt in den letzten Monaten der vorangegangenen Regierung in Zusammenhang standen. Dazu gehörte beispielsweise der Mord an Pater Hermógenes López, dem Pfarrer von San José Pinula, wenige Stunden nach der Amtsübernahme durch Lucas García am 30. Juni. Dieser Mord gilt als Anfang der Gewalteskalation gegen die katholische Kirche. Ein weiteres Beispiel war der Mord an dem CNT-Führer José Alberto Alvarado am 29. Juni als Auftakt für die bevorstehende Kampagne gegen die führenden Vertreter der Gewerkschaftsbewegung. Auf dem Land stand die Repression in engem Zusammenhang mit Landvertreibungen und Aufstandsbekämpfungsoperationen der Armee. Die Proteste gegen die Preiserhöhungen im Nahverkehr wurden unterdrückt. Es gab 1 500 Festnahmen, 300 Verletzte und 40 Tote. Besonders bezeichnendes Beispiel für die Gewalt im Jahr 1978 war der Tod von Oliverio Castañeda de León, Generalsekretär des Verbandes der Hochschulstudenten (Asociación de Estudiantes Universitarios, AEU). Er wurde am 20. Oktober am hellichten Tag mitten im Zentrum der Hauptstadt umgebracht. Ein weiteres Beispiel war der Mord an den Anwälten Santiago López Aguilar und Jesús Marroquín sowie an dem Gewerkschaftsvertreter bei Coca Cola, Pedro Quevedo. Im Lauf des Jahres 1979 nahm die Welle der politischen Gewalt weiter zu. Die zwei herausragendsten Vertreter der sozialdemokratischen Opposition fielen ihr zum Opfer: Am 25. Januar wurde der führende Vertreter der Sozialistisch-Demokratischen Partei (Partido Socialista Democrático, PSD) Alberto Fuentes Mohr ermordet, am 22. März folgte Manuel Colom Argueta von der Vereinigten Front der Revolution (Frente Unitaria de la Revolución, FUR). Beide wurden im Zentrum der guatemaltekischen Hauptstadt am hellichten Tag getötet. Ihre Ermordung war begleitet von einem beträchtlichen Aufmarsch an Einsatzkräften, an dem auch ein Hubschrauber beteiligt war. Die Repression ging das ganze Jahr 1980 weiter und wurde derart massiv, daß die sich immer stärker radikalisierenden städtischen Gewerkschaftsorganisationen letztlich zerschlagen wurden. Bezeichnenderweise am 1. Mai wurden 32 Menschen im Centenario-Park entführt. Auf den Gedenkveranstaltungen zum Tag der Arbeit rief das Nationale Komitee für Gewerkschaftseinheit (Comité Nacional de Unidad Sindical, CNUS) dazu auf, „das Lucas-Regime zu stürzen und eine revolutionäre, demokratische Volksregierung einzusetzen“. Kurz danach, am 21. Juni, wurden 27 führende Vertreter der CNT verschleppt. Am 24. August entführte die Militärpolizei erneut 17 Gewerkschaftsführer und -berater der CNT aus den Unternehmen Incasa, Cidasa und Kern’s in Emaús, Palín, Escuintla, und ließ sie danach verschwinden. Mit diesen Aktionen wurden die Führungsstrukturen eines wichtigen Teils der Gewerkschaftsbewegung, die sich erst wenige Jahre zuvor aus der christdemokratischen Bevormundung gelöst hatte, zerschlagen. Im Lauf des Jahres 1980 wurden insgesamt 110 führende Gewerkschaftsvertreter ermordet. Am 31. Januar 1980 verbrannte die Polizei 39 Menschen in der spanischen Botschaft bei lebendigem Leibe. Im zweiten Halbjahr 1980 setzte in den ländlichen Gebieten die Welle selektiver Morde an führenden Gemeindevertretern ein. Im Juli begann die Armee mit ihrer Offensive im Ixil-Gebiet und machte das Dorf Cocop (Nebaj) völlig dem Erdboden gleich. Am 20. August erschoß sie 60 Männer auf dem Dorfplatz von San Juan Cotzal, nachdem die Guerilla den Militärposten angegriffen hatte. Die repressive Gewalt hielt bis Ende 1980 weiter an. Damals wurden die Journalistin Irma Flaquer und die Lyrikerin Alaíde Foppa in der Hauptstadt verschleppt. 1981 ging die Repression weiter und richtete sich auch gegen andere Gruppen wie z.B. die Studenten, insbesondere gegen die führenden Vertreter der Guatemaltekischen Republikanischen Front (Frente Republicano Guatemalteco, FERG) und der FRENTE
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; ebenso aber auch gegen die katholische Kirche, die schließlich sogar die Diözese Quiché zeitweise schließen mußte.
3.3.5.2  Die Offensiven zur Aufstandsbekämpfung
Mit den Massakern im Ixil-Gebiet begann die Armee 1981 eine breit angelegte Offensive zur Aufstandsbekämpfung, die vom Generalstab (Estado Mayor General, EMG) geplant und durchgeführt wurde, vorbei an den Interessen und Intrigen, durch die das Verteidigungsministerium und ein Großteil der militärischen Führung lahmgelegt waren. Bei einer chronologischen Betrachtung der blutigen Ereignisse in der Zeit von Januar 1981 bis März 1982 und ihrer Einordnung in die Geographie des Landes läßt sich die Logik des Blutbades rekonstruieren: In den ersten drei Monaten des Jahres 1981 gab es eine Offensive der Armee in den nordöstlichen Gebieten von Chimaltenango und im Süden von Quiché. Zum ersten Mal war dabei eine erschreckende Bilanz von Toten zu beklagen. Die Armeeoffensive galt als Antwort auf vorangegangene bewaffnete Propagandaaktionen der Guerilla. Die militärischen Feldzüge richteten sich gegen bestimmte Gemeinden, die wegen ihrer Nähe zur Guerilla gezielt ausgesucht worden waren, und wurden vermutlich unter der Regie der örtlichen Militärbehörden durchgeführt. Im Gegensatz dazu wurden die Aktionen ab Juni des Jahres direkt vom Generalstab geplant und umgesetzt. Der erste Feldzug gegen die Bevölkerung von Chimaltenango war jedoch nur der Auftakt für die richtige Offensive, die am 1. Oktober 1981 anlief. Ähnlich sah es in Alta und Baja Verapaz aus. Dort wurden vereinzelte Gewaltakte registriert. Sie geschahen jedoch nicht in längerer Folge, so daß sie vermutlich eher auf die routinemäßige Repression durch die Kommandanturen der entsprechenden Militärbezirke zurückgingen. Die Massaker wurden weiter fortgesetzt und nahmen immer dramatischere Formen an, doch erst im Juni begann der Generalstab unter Führung des Bruders von Staatspräsident Lucas, General Benedicto Lucas, die Offensive gegen die Guerilla voranzutreiben, die in ihrer strategischen Kohärenz mittelfristig angelegt war. Die Offensive begann mit einem Feldzug zur Zerschlagung der Guerillanachhut in den Städten, der von Operationseinheiten der Geheimdienste unter Leitung des Generalstabes des Präsidenten (Estado Mayor Presidencial, EMP) durchgeführt wurde. Zuerst gingen diese Einheiten gezielt gegen bestimmte Aktivisten und Strukturen vor, um so ihre Informationen zu vervollständigen. Danach, genauer am 8. Juli 1981, begannen sie eine Kampagne, in der sie ihre militärischen Ziele mit Informationsbeschaffung und psychologischen Aktionen kombinierten. Die Operationseinheiten waren äußerst fein untergliedert und standen bei ihren Aktionen unter höchstem Oberbefehl (Generalstabschef). Sie lancierten eine intensive Kampagne für Propaganda und psychologische Kriegsführung, stellten Fallen und stützten sich dabei auf Informationen aus Privatunternehmen und staatlichen Stellen. Als Ausgangspunkt benutzten sie die Daten aus der 1980 durchgeführten Volks- und Wohnungszählung. Nachdem sie die Städte durchkämmt hatten, gingen sie dazu über, die klandestinen Wohnungen der Guerilla auszuheben, insbesondere die der ORPA und des EGP. Die Offensive gegen die ORPA begann mit einem Angriff auf eine Wohnanlage in Vista Hermosa am 9. Juli 1981. Am 10. Juli zerschlug die Armee eine weitere Rückzugsbasis in der Siedlung El Carmen, südlich von Guatemala Stadt, und am 18. Juli zerstörte sie das Haus, in dem der EGP ihrer ersten militärischen Kolonne in der Stadt den Eid abgenommen hatte (Payeras, 1987). Am 19. Juli ließ die Armee eine klandestine Wohnung der ORPA in der Zone 14 hochgehen. Bei dieser Aktion starb Comandante Antonio, Führungsmitglied der Organisation. Am 13. August wurde eine weitere geheime Wohnung des EGP in der Zone 11 entdeckt, ebenso auch in Santa María Cauqué, wo der Armee umfangreiches Kriegsmaterial in die Hände fiel und sie einen entführten Unternehmer fand. Bei dieser sechswöchigen Kampagne liquidierten die Militärs etwa 50 Guerilleros. In San Marcos, Quiché, Petén und Alta Verapaz wurde weiterhin militärischer Druck ausgeübt, um eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Guerillaorganisationen bzw. verschiedenen Fronten einer Organisation zu verhindern. Am 1. Oktober 1981 begann die Armee mit ihrer Großoffensive gegen die Front Augusto César Sandino (Frente Augusto César Sandino, FACS), die im Juli mit massiver Unterstützung der Bevölkerung mehrere spektakuläre Aktionen im Zentralhochland durchgeführt hatte. Wenige Monate zuvor hatten sich viele Aktivisten aus der Hauptstadt in diese Gegend geflüchtet. Die eigentliche Operation begann im November und dauerte trotz ihrer militärischen Komplexität nur drei Wochen (ohne Vorbereitungszeit). Unter den Auswirkungen dieser ersten strategischen Großoffensive hatte jedoch vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden, denn in den Operationsgebieten steckte die Guerilla noch in den Anfängen und verfügte nur über wenige reguläre militärische Einheiten. Die strategische Bedeutung der Operation lag aus der Sicht der Armee weniger darin, die Führungsstrukturen der militärischen Guerillaeinheiten zu zerschlagen. Vielmehr ging es ihr darum, den natürlichen Korridor endgültig abzuschneiden, den das zentrale Hochland als Durchzugsgebiet zwischen den unzugänglicheren Bergregionen und der Hauptstadt des Landes bildete. Abgesehen von den zivilen Opfern der Offensive richtete die Armee weiterhin ihr Hauptaugenmerk darauf, die Unterstützungsbasis der Guerilla in denjenigen Gebieten zu zerschlagen, die zu direkten Schauplätzen militärischer Auseinandersetzungen geworden waren oder aber von denen man wußte, daß es der Guerilla dort gelungen war, ein starkes Unterstützungsnetz aufzubauen. In diesem Sinne gingen auch in anderen Landesteilen die gezielten Morde an Einzelpersonen ebenso wie die Kollektivverbrechen weiter. Der Generalstab der Armee übernahm immer mehr die zentrale Leitung des Feldzuges, überließ jedoch die Verantwortung für die Operationen den jeweiligen Kommandanten der Militärbezirke, die der Repressionswelle und ihrer Dynamik vor Ort jeweils ihren eigenen Stempel aufdrückten. In den ersten Monaten des Jahres 1982 richtete die Armee ihre Offensive gegen das nordwestliche Hochland sowie die Departements Alta und Baja Verapaz. Sie konzentrierte ihre Truppen nacheinander auf verschiedene Ziele, ohne jedoch den Druck auf die bereits kontrollierten Gebiete zu verringern. Dabei stützte sie sich auf die Zivilpatrouillen. Im Januar 1982 startete die Armee in San Marcos eine Kampagne gegen die ORPA. Dabei kam es zu dem Massaker in Sacuchum, einem Weiler in San Pedro Sacatepéquez: Am 1. Januar wurde das Dorf von 1 000 Soldaten umstellt, 47 Menschen wurden ermordet. In den gleichen Tagen geschah auch das Massaker von El Tablero nach einem fünfstündigen Gefecht zwischen der Guerilla und 1 500 Soldaten, die aus Santa Ana Berlín und San Marcos gekommen waren.
3.3.6  3.3.6 Eine Zeit des Wandels und der Ungewißheit
Die hier geschilderte tragische Folge von Verbrechen entwickelte sich in einem extrem komplexen Kontext. Dabei trafen neue Phänomene, die in der Gesellschaft im Entstehen waren (so z.B. die führende Rolle der Indígena- und Bauernbewegung oder die allgemeine Hoffnung auf revolutionäre Veränderungen), mit dem Zerfall der „Schaufensterdemokratie“, der Korruption und übersteigerten Ambitionen in Teilen des bürokratischen Apparats und der Unternehmerschaft zusammen. International bestanden für die Regierung Lucas außerordentlich ungünstige Bedingungen. Abgesehen davon muß ein weiterer Aspekt in Betracht gezogen werden, dem in den zeitgenössischen Analysen keine Bedeutung beigemessen wurde, nämlich die Einschätzung, die sowohl in der Sowjetunion als auch in Kuba von der Schwäche der US-Regierung herrschte. Im breiteren geostrategischen Kontext führte diese Einschätzung beide Staaten dazu, die revolutionären Bewegungen zu beraten und zu unterstützen, um ihnen mit ihrer Strategie zur Machtübernahme schneller zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Analyse erwies sich letztlich als zu optimistisch, insbesondere nach dem Wahlsieg des Republikaners Ronald Reagan bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen vom November 1980. Die Machteliten in Guatemala nahmen die Situation sofort zur Kenntnis. Ein vielsagender Beweis hierfür war der Besuch von Robert Alejos und Manuel Ayau
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bei dem neugewählten US-Präsidenten im Dezember 1980, um die Leitlinien für die Guatemala-Politik der neuen US-Regierung zu diskutieren. Die guatemaltekischen Unternehmer hatten sich mit zwei Millionen US-$ am Wahlkampf Reagans beteiligt (Marroquín/Escoto, 1993). Dennoch trug dies nicht unmittelbar zu einer Klärung der internationalen Zusammenhänge bei. Auf der einen Seite stand der Triumphalismus derjenigen, die die sich abzeichnenden Veränderungen nicht wahrnahmen, und auf der anderen Seite die Verunsicherung derer, die verwirrende Signale wahrzunehmen glaubten. Seit dem Beschluß der Regierung Jimmy Carter von 1977, die Militärhilfe für Guatemala aufgrund von Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen einzustellen, waren die Beziehungen der guatemaltekischen Militärs zu den Vereinigten Staaten widersprüchlich. Ein weiterer Punkt war der Druck der britischen Regierung wegen der Souveränitätsansprüche Guatemalas über Belize. In jedem Fall übernahm die Lucas-Regierung die Kosten auf internationaler Ebene. Dies zeigte sich bei dem Massaker in der spanischen Botschaft. Die wichtigsten internationalen Ereignisse während des Jahres 1981 verschärften die Spannungen weiter: Im August 1981 veröffentlichte Washington den ersten Reiseratgeber. Wenige Monate später - mitten in der Guerillaoffensive und der militärischen Gegenoffensive unter Leitung von Benedicto Lucas - erkannte Großbritannien die Unabhängigkeit Belizes an und verschärfte damit die Isolation der guatemaltekischen Regierung. Im selben Jahr übernahmen die Vereinigten Staaten mit ihrem Versuch, die politische Krise in Zentralamerika in den Griff zu bekommen, erneut die außenpolitische Initiative. Seit Dezember 1980 lagen der guatemaltekischen Armee Informationen vor, nach denen sich die Guerillaorganisationen mit Beratung der kubanischen und der sandinistischen Regierung in ihren taktischen Positionen angenähert und das sogenannte „Dreiparteienbündnis“ (Tripartita) ins Leben gerufen hatten. Dieser Zusammenschluß bildete den Auftakt zur Gründung der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca, URNG) im Februar 1982. Die Unbekümmertheit, mit der das guatemaltekische Regime die internationalen Umwälzungen zur Kenntnis nahm, wurde 1982 durch ein französisch-mexikanisches Kommuniqué erschüttert. Darin wurde auf eine Verhandlungslösung im salvadoreanischen Konflikt gedrängt und die FMLN-FDR (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí/Demokratisch-Revolutionäre Front) anerkannt. Erst da begriffen die guatemaltekischen Militärs, daß die internationale und regionale Situation zu einer beträchtlichen Belastung für den Umgang mit dem internen Konflikt werden konnte und sie deshalb in solchen Punkten Zugeständnisse machen mußten, die sie von dem internationalen diplomatischen Druck entlasten konnten. Bezeichnenderweise weigerte sich die Armee, sich direkt für die regionalen militärischen Pläne der Reagan-Regierung einspannen zu lassen. Zum damaligen Zeitpunkt hatten sich die Militärs bereits ihre eigene Strategie zurechtgelegt.
3.3.7  3.3.7 Die Aufstandsbekämpfungsstrategie
Wenngleich sich die Aufstandsbekämpfung darauf konzentrierte, die demokratischen Gruppierungen und Volksorganisationen in den Städten zu zerschlagen und gleichzeitig die schwelende Rebellion der Bauern einzudämmen, vermischten sich diese Zielsetzungen auch mit den Eigeninteressen der militärischen Machtclique, die den Staatsapparat kontrollierte, und denen ihrer Bündnispartner in der Wirtschaft. Eines der offenkundigsten Beispiele hierfür lieferten Oberst Héctor Montalbán und seine Familie: Über den Generalstab des Präsidenten überwachten und genehmigten sie die Darlehensvergabe für die Projekte der öffentlichen Verwaltung (Schlüsselinformant 132, Guatemala, 80er Jahre). Während sich der Guerillakampf mit Entführungen, Erpressungen und Mordanschlägen insbesondere gegen die Unternehmer richtete, weitete sich das Bündnis der Unternehmer mit der Armee zu einer direkten Mitwirkung an militärischen Operationen aus. In den Monaten vor Mai 1980 stellte eine Unternehmergruppe gemeinsam mit dem Generalstab den sogenannten „Tausend-Tage-Plan“ (Plan de los Mil Días) auf, eine gigantische antikommunistische Kampagne mit dem Ziel, ein Klima der Rechtfertigung für die bevorstehende Eskalation der brutalen Repression zu schaffen. Neben der völligen Zerschlagung der legalen politischen Opposition, der Gewerkschaftsbewegung und sonstiger Strukturen der Volksbewegung sind als wichtigstes Erfolgsergebnis dieser Zusammenarbeit die harten Schläge gegen die Front Luis Turcio Lima des EGP hervorzuheben. Der EGP hatte sich an der Südküste des Landes festgesetzt, einem Gebiet von großem Interesse für die Agrarexporteure. Mit der Liquidierung von etwa 80 EGP-Führern hatte die Armee die Front an der Südküste Mitte 1980 völlig aufgerieben, ohne daß die übrige Zivilbevölkerung davon betroffen war. In der ersten Phase der selektiven Repression stützten sich die Militärs auf Militärkommissare, Informanten und lokale Behördenvertreter, von denen viele ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgten und sich das Land der indianischen Bevölkerung aneigneten. Als die gezielte Unterdrückung auf dem Land begann, kollaborierten zahlreiche landwirtschaftliche Unternehmer als Militärkommissare oder auch mit ihren eigenen Sicherheitskräften mit der Armee und beteiligten sich insbesondere in den Konfliktgebieten an der Ermordung führender Bauernvertreter. Diese Politik der selektiven Repression, in der sich Interessen und Prioritäten der herrschenden Machtcliquen miteinander vermischten, führte aber auch zu inneren Widersprüchen in der Armee, insbesondere als die Aktionen der Guerillagruppen zunahmen. Als der EGP 1980 Generalstabschef Cancinos ermordete, waren die meisten hohen Offiziere und Oberbefehlshaber der Meinung, daß es sich um eine Abrechnung innerhalb der Armee handelte (Gramajo, 1995), denn Cancinos wurde der Mord an Colom Argueta und Fuentes Mohr zur Last gelegt. Auch nach dem Mord an Julio Segura, dem Sekretär für Wirtschaftliche Planung und Präsidentschaftsfavoriten eines Teils der Armee, verstärkten sich die Putschgerüchte. Speziell vor diesem Hintergrund wurden die strategischen Befehlsstrukturen der Armee umgestaltet: Die Sicherheits- und Geheimdienstapparate wurden vom Generalstab neu organisiert. Dazu gehörten sowohl die Einheiten des militärischen Nachrichtendienstes D-2 als auch die der Regionalpolizei für Telekommunikation, die dem Generalstab des Präsidenten unterstellt war. Schlüsselfiguren in diesem Prozeß waren Oberst Francisco Menaldo Ortega sowie der Chef der Regionalpolizei für Telekommunikation unter der Lucas-Regierung, Oberst Manuel Antonio Callejas y Callejas. Diese Offiziersgruppe, zu der auch José Luis Fernández Ligorría gehörte, war nach Zeugenaussagen des REMHI-Projekts in Gewaltakte verwickelt, die mit gewöhnlichen Verbrechen und der Verwaltungskorruption in der Zeit der Lucas-Regierung in Zusammenhang standen. Gleichzeitig war sie 1981 direkt für die Operationen zur Aufstandsbekämpfung in der Hauptstadt zuständig. Die Strategie der Militärs für Guatemala Stadt umfaßte verschiedene Aspekte. Zunächst richtete sie sich gegen die Führungsstrukturen der Volksbewegung. Dabei stützte sich die Armee auf den Polizeichef, General Germán Chupina Barahona, und seine Untergebenen Manuel de Jesús Valiente Téllez und Pedro García Arredondo. 1981 führte sie eine gezielte Repressionskampagne mit klarer strategischer Ausrichtung auf die Aufstandsbekämpfung durch: Zerschlagung der revolutionären Führungsstrukturen in der Stadt und - nebenbei - Zerstörung der logistischen Infrastruktur, die sich mit der Perspektive einer großen Guerillaoffensive rasch verbreiterte. Danach schlug die Armee je nach strategischer Priorität an verschiedenen Guerillafronten zu. Dieses Konzept bot ihr die Möglichkeit, ihre Kräftezersplitterung zu überwinden, zu der sie durch die Guerillataktik gezwungen werden sollte, und ihre Schlagkraft auf stufenweise organisierte Offensiven gegen verschiedene Guerillafronten zu konzentrieren. Zwar sorgte die Armee dafür, ihren militärischen Druck auf die Fronten der ORPA und der FAR aufrechtzuerhalten, doch ging sie mit ihren Offensiven vor allem gegen die wichtigsten Rückzugspunkte des EGP vor. Die strategischen Anpassungsmaßnahmen gingen nicht ohne Spannungen innerhalb des militärischen Oberbefehls vonstatten. Einige mittlere Offiziere beklagten sich in Privatgesprächen über Betrügereien der Führungsspitze bei den Waffenkäufen. Nach Informationen unzufriedener Offiziere hatte die Guerilla in den ersten vier Monaten des Jahres 1981 insgesamt 23 Offiziere und 250 Soldaten ausgeschaltet. Im September trat überdies der stellvertretende Ministerpräsident Francisco Villagrán Kramer von seinem Amt zurück und verstärkte dadurch noch den Eindruck, daß das von der Regierung mit Blick auf die Wahlen von 1982 weiterhin verfolgte Modell nicht funktionsfähig war. Ein Teil der Armeeoffiziere erlebte damals Momente, die für die Kontinuität der bestehenden Ordnung entscheidend waren. Dies geht auch aus dem folgenden Zitat einer der Hauptfiguren dieser Zeit hervor: Im ... Juli 1981 hatten sich die Terroristen vorgenommen, einen Teil unseres vaterländischen Bodens zum „befreiten Territorium“ zu erklären, um ihren Mitgliedern so den Status einer kriegführenden Partei zu verleihen. Damit hätten sie Zugang zu internationalen Foren und auch Anerkennung durch die wichtigsten Länder des totalitären Blocks erhalten. ... Ihre ersten Aktionen zielten darauf ab, durch Morde, Entführungen und Verschwindenlassen von Hilfsbürgermeistern, Bürgermeistern und Militärkommissaren die lokalen Machtstrukturen zu zerschlagen. 25 Bürgermeisterämter zündeten sie an. Durch Brandanschläge auf Landgüter, Überfälle, Morde und die Zerstörung von Feldern wollten sie die Volkswirtschaft schädigen, und sie wollten das Straßennetz zerstören. (Oberst Terraza Pinot, 1987). Vor diesem Hintergrund entwickelte der Generalstab in den letzten Monaten der Lucas-Regierung eine Aufstandsbekämpfungsstrategie, die erst nach dem Putsch vom 23. März 1982 voll und ganz zum Tragen kommen sollte.
3.3.7.1  Verbrannte Erde
Die strategische Armeeoffensive gegen die indianischen Gebiete im Hochland, die in das Konzept des Generalstabs des Präsidenten einbezogen waren, begann in der Einflußzone der Front Augusto César Sandino (FACS). Die FACS hatte zum zweiten Jahrestag des sandinistischen Sieges in Nicaragua Aktionen durchgeführt, die die ganze Tragweite der dortigen Entwicklung deutlich machten: Am 19. Juli 1981 gab die FACS an ihre soziale Basis die Devise aus, die Panamericana mit umgestürzten Baumstämmen zu blockieren und auf einer Strecke von etwa 100 Kilometern auch andere Hindernisse anzubringen. Die Aktionen nahmen solche Ausmaße an, daß kein Zweifel an einer massiven Beteiligung der Bevölkerung mehr bestehen konnte. Von Beginn der Offensive an richtete die Armee ihre Angriffe gegen die Zivilbevölkerung. Zwischen Tecpán und Los Encuentros sperrten die Soldaten fast einen ganzen Tag lang die Straße ab und brannten systematisch die umliegenden Häuser nieder. In der Zwischenzeit versuchten die Truppen des EGP (eine permanente Militäreinheit und die FIL - Fuerzas Irregulares Locales), in dem Gebiet sporadische Angriffsaktionen durchzuführen. Geographisch umfaßte die Kampagne ein Gebiet von 4 000 Quadratkilometern. 36 Bezirke und drei Bezirkshauptstädte in den Departements Chimaltenango, Sololá, El Quiché und Sacatepéquez. Fünf Brigaden mit 2 000 Soldaten der drei Waffengattungen nahmen daran teil. Sie standen unter dem einheitlichen Oberbefehl des Generalstabschefs, der ein Kommando für Gemeinsame Operationen eingerichtet hatte, um die Befehlsgewalt über Waffen, Truppen und Dienstleistungen zu zentralisieren. Er bezog auch Truppen aus den Militärbezirken Guatemala Stadt, Cobán, Salamá und Huehuetenango sowie die Vorposten von Santa Cruz del Quiché und Santiago Atitlán ein. Darüber hinaus diversifizierte und dezentralisierte er die Nachhut und verringerte so deren Abhängigkeit von der Hauptstadt. Das Zentralkommando der Brigade wurde in die Militärschule La Alameda nach Chimaltenango verlegt und war somit der Kontrolle durch das Verteidigungsministerium weitgehend entzogen. Die Operationen zeichneten sich durch einen hohen Mobilitätsgrad und eine große Aktionsvielfalt aus. Die Taktik bestand darin, die Initiative zu behalten, äußerst aggressiv auf Angriffe zu reagieren und den Kontakt mit dem Feind zu suchen, anstatt das Gebiet zu kontrollieren. Die Aktionen wurden überraschend durchgeführt und die Pläne geheimgehalten. Die Armee versuchte, die Guerillatruppen einzukreisen und sie dann vernichtend zu schlagen. Dabei machte sie sich auch natürliche Hindernisse wie z.B. den Motagua-Fluß zunutze. Mit taktischen Umzingelungen und Manövern verfolgte die Armee ihr Ziel, die Guerillaeinheiten anzulocken, sie an einen Ort zu binden, sie einzukreisen und ihnen dann den Todesstoß zu versetzen. Die Armee fand in dem Gebiet deutliche Hinweise auf eine massive Beteiligung der Bevölkerung. So stellte sie beispielsweise fest, daß die Menschen in höchstens zwei Wochen zahllose Fallen gebaut hatten: Gruben von drei Metern Tiefe oder mehr, in die dicht nebeneinander spitze Pfähle eingerammt waren. Auf Anweisung des EGP hatte die Bevölkerung in aller Eile diese Fallgruben zur Selbstverteidigung gebaut. Sie waren jedoch wenig wirkungsvoll, da sich die Armee ohne feindliche Verfolgung in aller Ruhe bewegen und die frisch ausgehobene Erde leicht erkennen konnte. Kurz nach Beginn der Strafaktionen in dem Gebiet (noch hatte es bis dahin keine Massaker gegeben) versuchte die Armee anscheinend ohne große Überzeugungskraft, die Bevölkerung dazu zu bewegen, in die Militärposten zu kommen und sich dort einen Ausweis geben zu lassen. Unter anderem stützte sie sich dabei auf Emeterio Toj Medrano, eine in der Gegend allseits bekannte Führungspersönlichkeit und Gründer des CUC, den die Militärs in der Hand hatten. Von einem Hubschrauber aus rief Toj Medrano die Bevölkerung in der Sprache der Quiché auf, sich im Militärposten von Chupol einzufinden, um sich dort Ausweise geben zu lassen. Dabei betonte er immer wieder, daß die Menschen von der Armee nichts zu befürchten hätten. Einige kamen, doch die meisten folgten dem Aufruf nicht. Die militärische Offensive im Süden von Quiché nahm rasch an Intensität zu. Immer weiter drang die Armee in das Gebiet vor und konzentrierte dabei ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die nicht über die Mittel verfügte, um sich verteidigen zu können. Zahlreiche Erfahrungen belegen, daß die Armee keinerlei Interesse daran hatte, die wenigen existenten militärischen Kräfte zu verfolgen oder zu zerschlagen, die sich ihr ohnehin kaum entgegenstellten. Statt dessen zerstörte sie Häuser und Felder und vertrieb Zehntausende von Menschen. Sie wurden dazu verurteilt, in den Bergen herumzuirren, um zu überleben. Bald danach gab es die ersten Massaker. Auf den ersten Blick schien die Repression völlig wahllos zu sein, und bis zu einem gewissen Grad war dies auch tatsächlich der Fall (Opfer waren völlig unterschiedslos Kinder, alte Menschen, Frauen, Männer). Bei einer eingehenderen Betrachtung stellte sich jedoch heraus, daß bestimmte Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden, während in anderen die Strafaktionen punktuell und gezielt waren. In wieder anderen hielten die Militärs Vorträge, warnten und drohten, aber sie begingen weder Massaker noch Zerstörungen. An diesem Punkt zeigte sich deutlich, daß die Streitkräfte über recht genaue Geheimdienstinformationen verfügten, denn ihr Vorgehen richtete sich nach den Beziehungen zwischen Bevölkerung und Aufständischen. Durch die Repression der Armee veränderte sich das Kräfteverhältnis in dem Gebiet radikal. Dies war zum einen auf die Zwangsvertreibungen zurückzuführen, zum anderen aber auch auf die Tatsache, daß Teile der Bevölkerung mit der Armee sympathisierten. Es waren Menschen, die sich duckten, solange die Guerilla das Gebiet kontrollierte, und die sich danach besonders aktiv an der Repression beteiligten, als sie mit offizieller Unterstützung rechnen konnten. Hinzu kamen noch andere, die rasch die Fronten wechselten, und solche, die keine andere Wahl hatten. Sie wurden zur Basis der späteren Zivilpatrouillen (PAC), zumindest in dem hier angesprochenen Gebiet. Die Erklärungen von Benedicto Lucas, daß die Staatsbeamten die ländlichen Gebiete total vernachlässigt hätten, waren nur das Vorspiel für einen Putsch, der allerdings nicht von ihm angeführt wurde. Dennoch machten seine Vorstellungen deutlich, wie sich einige Offiziere allmählich der Lage im Land bewußt wurden: Armut und Vernachlässigung, Ineffizienz der Regierung, Politisierung und Korruption der Armee. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren und die internationale Isolation brachten so manchen Offizier auf den Gedanken, daß die Guerilla vielleicht siegen könnte, obwohl die von der Armee gestartete Offensive aus militärischer Sicht ein Spaziergang war, für die Bevölkerung der sogenannten „Konfliktgebiete“ allerdings ein grauenhafter Holocaust. Mit der militärischen Offensive der Armee entstand das Phänomen der internen Vertriebenen: In den Wäldern versteckten sich wahre Massen von Menschen, die nicht wußten, wohin sie gehen noch wo sie ihr Land bestellen sollten. Sie irrten umher und versuchten auf tausendfache Art und Weise zu überleben. Durch dieses menschliche Drama wurde die Rückeroberung des Territoriums durch die Armee gestützt. Der Guerilla kam demgegenüber die riesige Aufgabe zu, in irgendeiner Form den Menschen gerecht zu werden, die Schutz brauchten und überleben mußten.
3.3.8  3.3.8 Die Strategie der Aufständischen
Seit 1981 wurde die Guerilla von der Perspektive einer bevorstehenden Machtübernahme angetrieben, insbesondere ihre aktivste Organisation, die EGP. Nach 1976 hatte der EGP die rasche Eskalation ihrer militärischen Aktionen verfolgt, während zunächst die ORPA und später auch die FAR ihre jeweiligen Guerillafronten im Nordosten und Nordwesten des Landes aufbauten. Von 1978 an übernahm die Guerilla das Konzept des „revolutionären Volkskrieges“, und es gelang ihr, sich eine starke soziale Basis zu schaffen. Als die erste reguläre Truppe des EGP in den südlichen Teil von Quiché vorstieß, wurde sie bereits von einem Großteil der Bevölkerung erwartet. Die Guerilla brauchte nicht noch einmal von vorn anzufangen, um die Menschen für sich zu gewinnen und sie zu organisieren, sondern im Gegenteil: Ihre Kader und Kämpfer waren überrascht, wie positiv sie von der breiten Bevölkerung aufgenommen wurden und wie schnell die Menschen sich entsprechend dem von der Guerilla vorgeschlagenen Modell organisierten. Hierbei machte sich die Vorarbeit in der Gemeindeorganisation der 70er Jahre bemerkbar, bei der Teile der katholischen Kirche eine wichtige Rolle gespielt hatten. Im zweiten Halbjahr 1978 eskalierte die Gewalt der Guerilla merklich. 1979 wurde der Guerillakampf auf das gesamte Land ausgeweitet. Es entstanden neue Gruppen, die Aktionen gegen die landwirtschaftlichen Unternehmer durchführten. Die EGP ging von der Einschätzung aus, daß sie nunmehr ausreichend verankert war, und beschloß, zum „generalisierten Guerillakrieg“ überzugehen, d.h. zum Angriff auf die (militärischen und wirtschaftlichen) Kräfte des Feindes. Es wurde dazu aufgerufen, die Volksbewegung dem bewaffneten Kampf entsprechend zu organisieren, das Bündnis mit den demokratischen Kräften zu suchen, die Einheit der revolutionären Kräfte herzustellen und auf internationale Anerkennung hinzuwirken. Nach Aussage von Rolando Morán
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ging es darum, die lokalen Machtstrukturen anzugreifen und die feindlichen Kader zu exekutieren, nicht jedoch um regelrechte militärische Operationen. Mitte des Jahres entstand die EGP-Front Comandante Ernesto Ché Guevara in Huehuetenango. Am 9. Juni tötete die EGP General Cancinos. Im August entführten die FAR den stellvertretenden Außenminister Alfonso Alonso Lima. Nach Veröffentlichung eines Manifests durch die Regierung ließen sie ihn frei. Die ORPA trat am 18. September nach der Besetzung des Landguts Mujulia in Quetzaltenango an die Öffentlichkeit. Am 7. Oktober entführte eine Einheit der Front Otto René Castillo des EGP Jorge Raúl García Granados. Im selben Monat entführten die FAR Elizabeth Lippmann
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. Das Ixil-Gebiet im Norden von Quiché wurde zu dem Schauplatz, auf dem der irreguläre Krieg am offensten geführt wurde. 1980 weitete sich der Krieg auf das gesamte Land aus, und es schien, als ob die Armee unfähig sei, die Lage zu kontrollieren. In der Hauptstadt nahmen die Guerillaaktivitäten zu, insbesondere die Anschläge auf die Armeespitze. Auf dem Land verstärkten die Guerillaorganisationen ihre bewaffneten Propagandaaktionen mit der Besetzung von Dörfern und Landstraßen, und die Zusammenstöße mit der Armee häuften sich. Im Ixil-Gebiet gelang es dem EGP, eine reguläre Guerillakolonne („19. Januar“) aufzubauen und die Besetzung und Zerstörung ständiger Einrichtungen der Armee vorzubereiten. Dadurch wurden die Streitkräfte zu einer raschen Antwort provoziert. Die Armee stufte das Ixil-Gebiet als Zone ein, die vom EGP potentiell zum „befreiten Gebiet“ erklärt werden konnte. Auch in anderen Landesteilen versuchte der EGP, Guerillafronten zu eröffnen. Dabei machte sie sich die spontane Erhebung der indianischen bäuerlichen Bevölkerung zunutze. Im Grunde aber waren die Aufständischen mit einer Flut von Entwicklungen konfrontiert, mit der sie an der Formulierung einer echten militärischen Strategie gehindert wurden. Im ersten Halbjahr 1980 „begann eine Guerillapatrouille mit ihrer Aufbauarbeit am Pixcayá, dem Grenzfluß zwischen den Departements Guatemala und Chimaltenango. Zuerst setzten sie sich in der Gegend von Cruz Blanca fest. In wenigen Wochen drang die Guerillapatrouille bis in die dicht bewohnten Dörfer im Süden von San Martín Jilotepeque und Comalapa vor und baute dort im geheimen ihr Unterstützungsnetz auf“, erzählt einer der Protagonisten der damaligen Ereignisse, Comandante Benedicto (Mario Payeras). Auch in Huehuetenango, an der Südküste und in der Region der Bocacosta wurden Guerillafronten vorbereitet.
3.3.8.1  Der „Volkskrieg“
Ein Teil der indianischen Bevölkerung begann, sich aktiv an den großen militärischen Operationen zu beteiligen. Als die Guerilla die Orte Chichicastenango und Sololá besetzte, kappte die Bevölkerung die Telefonleitungen und blockierte sämtliche Straßen in beiden Richtungen über Dutzende von Kilometern mit Reißnägeln, Barrikaden, umgesägten Bäumen und sonstigen Gegenständen, um so zu verhindern, daß die Armee auf dem Landweg bis in die besetzten Gebiete vordringen konnte. Nach Beendigung der Besetzung wurden die Hauptbeteiligten in Los Encuentros von einer Menschenmenge wie Helden empfangen. Die Leute verteilten Maispasteten, spielten auf ihren Marimbas, schrien „Hasta la victoria siempre!“ (Auf immer bis zum Sieg!) und organisierten ein Volksfest, durch das der Verkehr über mehrere Stunden lahmgelegt wurde (Arias, 1985). 1981 war das Jahr des größten Triumphalismus für die Guerilla. In Zonen des Hochlandes, in denen Guerillaorganisationen oder CUC noch nicht präsent waren, organisierte sich die Bevölkerung spontan. Zu den negativen Konsequenzen gehörte, daß einige regionale CUC-Vertreter, die sich aus verschiedenen Gründen abgegrenzt oder zurückgezogen hatten, diese Spontaneität für sich vereinnahmten und die revolutionäre Begeisterung für ihre eigenen Zwecke mißbrauchten. Von einem Tag auf den anderen übernahmen führende Regionalvertreter der Bauernorganisation plötzlich die „Leitung von Guerillafronten“, ohne darauf vorbereitet zu sein und ohne über die entsprechenden Verbindungen zu den aufständischen Organisationen zu verfügen. Dies hatte zur Folge, daß die Armee gegen die betreffenden Gebiete mit brutaler Repression vorgehen konnte, unter der besonders die Zivilbevölkerung zu leiden hatte. Die Führer, die sich zu lokalen Kaziquen aufgeschwungen hatten, wurden zu unloyalen und kriminellen Handlungen ermutigt (Vergewaltigungen, Überfälle, Mißbrauch von Geldern, die über die Solidaritätsbewegung in ihre Hände gelangten; Arias, 1985). Einer der vielleicht verhängnisvollsten Aspekte dieser Guerillaoffensive war die „Kampagne zur Zerschlagung der lokalen Machtstrukturen“, die mit der Ermordung zahlreicher Menschen in den ländlichen Gemeinden einherging. Ein Teil von ihnen hatte tatsächlich mit der Armee oder mit paramilitärischen Banden kollaboriert, denn die MLN hatte in vielen Bezirken die Wahlen von 1978 gewonnen. Allein im September übernahm der EGP die Verantwortung für den Tod von 97 Kollaborateuren der Armee in verschiedenen Teilen des Landes. Ende 1981 verfügte die Guerilla über eine Basis von schätzungsweise 276 000 Unterstützern und operierte in 16 von insgesamt 22 Departements. Als die Armee jedoch ihre Gegenoffensive startete, gab es zwischen den verschiedenen Guerillaorganisationen, die das taktische Konzept des EGP nicht mittrugen, keinerlei Koordination. Die Armee konzentrierte ihre Truppen nacheinander auf die verschiedenen Guerillafronten, und zumindest die beiden militärisch stärksten Organisationen - EGP und ORPA - waren nicht in der Lage, darauf eine schlüssige Antwort zu finden.
3.3.8.2  „Arm gegen Reich“
Der Aufbau der Zivilpatrouillen zeigte die Grenzen der aufständischen Arbeit auf. Als sich die Erhebung der ländlichen und indianischen Bevölkerung in atemberaubendem Tempo entwickelte, entstand ein falsches Bild von Homogenität, denn selbst in den Augenblicken größter Euphorie gab es örtlich wichtige Kerngruppen in der Bevölkerung, die von der Hegemonie der Aufständischen verdeckt wurden und nur auf eine Gelegenheit warteten, um die Fronten zu wechseln. Der EGP versuchte, seine Botschaft didaktisch zu vereinfachen: Er festigte und vermittelte die Vorstellung, daß der Kampf zwischen Reich und Arm verlief. Für die indianische Bevölkerung auf dem Land war jedoch das Bild des Reichen nicht vom Großunternehmer aus der Hauptstadt geprägt, unter dem sich die Menschen oftmals nichts vorstellen konnten. Darüber hinaus waren die indianischen ländlichen Gebiete sozioökonomisch und soziokulturell keineswegs homogen. In der indianischen Bevölkerung gab es eine Vielzahl von Konflikten, die sich aus soziogeographischer Sicht an Widersprüchen zwischen den Dörfern und Weilern und den städtischen Zentren festmachten. Abgesehen von diesen Konflikten ging man an mehreren Fronten des EGP dazu über, die Militärkommissare „hinzurichten“, die zur damaligen Zeit jedoch noch nicht für eine repressive Tradition standen; sie waren Bauern wie alle anderen und verfügten selbstverständlich über weitverzweigte Familienbande. Ein weiterer Punkt war, daß FACS und EGP in ihren Einflußgebieten mehrfach Bezirkshauptstädte besetzten. Dabei gab die Guerilla einerseits die Devise aus, die Bezirksgebäude in Brand zu setzen, was jedoch bei einem bedeutenden Teil der Bevölkerung auf Ablehnung stieß. Andererseits geriet bei mehreren Besetzungen von Bezirkshauptstädten die Situation außer Kontrolle: Mit Äxten und Macheten bewaffnet, schloß sich die Bevölkerung spontan den Guerillaeinheiten an und begann, Geschäfte zu plündern. In einem Fall, der sich in der Bezirkshauptstadt von Joyabaj ereignete, sprengten die Aufständischen sogar die Wasserleitung, aus der die Bevölkerung mit Wasser versorgt wurde. In einigen, weniger häufigen Fällen nutzten die bewaffnete Bevölkerung bzw. bestimmte militärische Anführer der Aufständischen die Situation, um persönliche Rechnungen zu begleichen. Manchmal ging es dabei auch nicht um rein persönliche Angelegenheiten, sondern um Repressalien gegen andere Dörfer, bei denen Menschen getötet oder auch zwangsrekrutiert wurden. Als die Situation außer Kontrolle geriet und immer mehr Menschen bewaffnet waren, versuchte die Bevölkerung, sich Waffen zu besorgen, wo immer welche zu bekommen waren. Auch dies kam der Armee zugute. Insgesamt wurden dadurch die militärischen Kräfte der Guerilla noch mehr zersplittert. Sie geriet so in eine Situation, in der an schwere Schläge gegen die Armee gar nicht zu denken war.
3.3.9  3.3.9 Die Opfer
Die Volksbewegung war der Dynamik der militärischen Konfrontation vollkommen schutzlos ausgeliefert. In Fortsetzung der Tendenz der vorangegangenen Jahre verfolgten verschiedene Basisorganisationen nach der Regierungsübernahme durch Lucas eine Politik der verstärkten Opposition. 1981, in einer Zeit also, in der die Gewerkschaftsstrukturen durch die Repression bereits zerschlagen waren, wurde die Volksfront 31. Januar (Frente Popular 31 de Enero, FP-31) gegründet. Im FP-31 schlossen sich diejenigen Gruppierungen der Volksbewegung zusammen, die den Guerillakampf am entschiedensten unterstützten. Bezeichnenderweise fand am 1. Mai keine Arbeiterdemonstration mehr statt. Zu diesem Zeitpunkt war die Volksbewegung durch die Repression praktisch schon führungslos, und für viele Aktivisten gab es keine andere Alternative mehr, als ins Exil zu gehen oder sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. Durch die Repressionskampagne und die verschärfte Offensive der Guerilla, die von der Armee scheinbar nicht unter Kontrolle zu bringen war, wurde der rasche Radikalisierungsprozeß der Volksbewegungen und indianischen Gemeinden noch weiter vorangetrieben. Am 14. Februar 1981 versammelten sich nach einem Aufruf des CUC die führenden indianischen Vertreterinnen und Vertreter in den Ruinen von Iximché und verabschiedeten dort das Dokument „Die indianischen Völker Guatemalas vor der Welt“ (Los Pueblos Indígenas de Guatemala ante el Mundo), das auch als „Erklärung von Iximché“ (Declaración de Iximché) bezeichnet wurde. Darin wurden die indianischen Gemeinden zur Rebellion aufgefordert, eine Rebellion, die über den Anschluß an die Guerilla kanalisiert wurde. Dies zeigte sich an den Ereignissen in Baja Verapaz: Bei der Überflutung des Chixoy-Stausees war es dort im März zu den ersten Zusammenstößen zwischen den Bewohnern von Río Negro und der Armee gekommen. Daraufhin nahmen mehrere CUC-Aktivisten in Rabinal Kontakt zum EGP auf und forderten die Bildung einer bewaffneten Gruppe in dem Bezirk. Kurz danach begann eine brutale Repressionswelle gegen die aktivsten Teile der Bevölkerung von Rabinal, während die Guerillaeinheit mit ihren Aktivitäten gerade erst in den Anfängen steckte. Der Triumphalismus der damaligen Zeit führte dazu, daß sich die CUC-Aktivisten mehrheitlich den Guerillaeinheiten anschlossen und ihre eigenen Organisationsstrukturen auflösten.
3.3.10  3.3.10 Die katholische Kirche
In den 70er Jahren entwickelte die katholische Kirche insbesondere in den ländlichen Gebieten eine intensive Arbeit zur Bildung und Konsolidierung christlicher Gemeinden. In mehreren Diözesen und Pfarreien konstituierten sich verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Bezeichnungen als Basis für die Bewußtseinsbildung (Bibelkreise, Familien Gottes, Gruppen der Katholischen Aktion, Katechesegruppen und Gruppen zur Feier von Wortgottesdiensten).
3.3.10.1  Die Ausbildungszentren
In dieser Zeit wurden zahlreiche Ausbildungszentren für christliche Führungskräfte gegründet (Katecheten, Leiter von Wortgottesdiensten, Koordinatoren). So entstanden unter anderem die Einrichtungen Centro de Capacitación Campesina (Quetzaltenango), Casa de Emaús (Escuintla), Campo de Dios und Centro Apostólico (Izabal), Centro de Desarrollo Integral (Huehuetenango), Centro de Formación San Pedro Sacatepéquez (San Marcos) und Centro San Benito (Cobán). Priester und Ordensschwestern leisteten in diesen Zentren eine engagierte Arbeit. Sie wurden dabei von den Bischöfen unterstützt, die in solchen kirchlichen Strukturen einen Weg zur Evangelisierung und Bildung der christlichen Gemeinden sahen. Eine Erfahrung von landesweiter Bedeutung stellte das Schulungszentrum für Sozialpromotoren (Centro de Adiestramiento de Promotores Sociales, CAPS) unter der Schirmherrschaft der Rafael-Landívar-Universität dar. Im Rahmen dieses Programms wurden Hunderte von mehrwöchigen Workshops organisiert, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen lebten und arbeiteten. Zielsetzung war dabei, auf dem Land Führungskräfte auszubilden, die soziale Organisation zu fördern und das Gemeindeleben anzuregen. In jenen Jahren galt die Sorge der Kirche auch der indianischen Bevölkerung. 1971 fand auf Initiative von Bischof Juan Gerardi in der Diözese La Verapaz ein indianisches Pastoraltreffen statt. Verschiedene Orte im Westen des Landes folgten diesem Beispiel. In Zusammenarbeit mit ausländischen Geistlichen übersetzten indianische Priester die Bibel in verschiedene Maya-Sprachen und verbreiteten sie. In Chimaltenango entstand das Kaqchiquel-Missionsprogramm (Programa Misionero Kaqchiquel, PROMIKA) im Rahmen einer Kooperation zwischen der Diözese San Francisco (USA) und der Diözese Sololá. Insbesondere Jugendliche wurden zum Lesen und Schreiben in Kaqchiquel angeregt. Aus dieser Arbeit sollten später führende indianische Vertreter und Intellektuelle hervorgehen.
3.3.10.2  Politische Polarisierung
Mitte der 70er Jahre geriet die Annäherung zwischen der Christdemokratie (Democracia Cristiana , DC) und der Katholischen Aktion (Acción Católica, AC) in eine Krise, ebenso auch ihre übereinstimmende Option für Reformprojekte. Den Hintergrund hierfür bildeten der Ölschock, die Verteuerung der chemischen Düngemittel und die enttäuschten Hoffnungen, als dem christdemokratischen Präsidenschaftskandidaten General Ríos Montt 1974 der Sieg aus den Händen gerissen wurde. Die wenig kämpferische Haltung der Christdemokraten enttäuschte viele Mitglieder der Katholischen Aktion, die sich daraufhin zu radikalisieren begannen und nach neuen Möglichkeiten der politischen Partizipation suchten. Im Ixil-Gebiet und im Norden der Diözese El Quiché forderten die militärischen Aktionen der Armee zwischen 1975 und 1976 bereits ihre ersten Opfer in den Reihen der Katholischen Aktion. Von November 1976 bis Dezember 1977 wurden 143 führende Vertreter und Katecheten der AC im Ixil-Gebiet und im Ixcán verschleppt und ermordet. Ein Teil der katholischen Kirche, der von der Befreiungstheologie inspiriert war, wurde ohne Zweifel zu einer der stärksten Kräfte, die der revolutionären Bewegung Ende der 70er Jahre Auftrieb gaben. Das indianische Guatemala dieser Zeit schien den entsprechenden Raum und günstige Voraussetzungen zu bieten, um den guevaristischen Messianismus und die Volksreligiosität in einer Form zusammenzubringen, die es im vorangegangenen Jahrzehnt nicht gegeben hatte (Le Bot, 1996). In der Entwicklung der sozialen Bewegung hin zum bewaffneten Kampf verliefen die Beziehungen zwischen den Verantwortlichen der Pfarreien und ihren Gläubigen nicht nur nach einem einzigen Schema oder in einer Richtung. Mit Sicherheit aber waren sie vielfach Anknüpfungspunkt: Zwischen den Guerillagruppen, die von Berufsrevolutionären angeführt wurden, und den indianischen Gemeinschaften gehörte die Religion zu den wichtigsten Verbindungselementen und ermöglichte der Guerilla ab 1976 einen qualitativen Sprung. Andere Beobachter weisen jedoch darauf hin, daß abgesehen von ökonomischen Forderungen die Achtung der Menschenwürde das eigentliche Thema im Diskurs der fortschrittlichen Kirche war, das bei der bäuerlichen indianischen Bevölkerung auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Dies war lediglich Ausdruck einer starken Strömung, die sich im Inneren der katholischen Kirche entwickelt hatte und in deren Mittelpunkt das soziale Gewissen stand. Eine besondere Rolle spielte dabei das Zentrum für Sozialforschung und Sozialaktion (Centro de Investigación y Acción Social, CIAS), das Anfang der 70er Jahre in der Zone 5 der guatemaltekischen Hauptstadt von den Jesuiten gegründet wurde. In diesem Zentrum floß die Arbeit zusammen, die die Jesuiten in der Hauptstadt und im Süden von Quiché und Chimaltenango leisteten und an der Priester vom Herzen Mariä im Norden von Quiché sowie belgische und schweizerische Priester von der Südküste mitwirkten. Diese Bewegung entwickelte sich weiter bis zur Gründung des CUC an der Südküste und im Hochland. Die Reflexionsprozesse, die sich in den 70er Jahren in den ländlichen Gebieten vollzogen, fanden zum Großteil in religiösen Zusammenhängen statt. Die Kirche verfügte über das ausgedehnteste Kommunikationsnetz, um auch die entlegensten Gebiete zu erreichen, und die Religion spielte im Leben der indianischen Bevölkerung eine überaus wichtige Rolle. Wenig später beschlossen Hunderte von Christen anläßlich des Massakers in der spanischen Botschaft, sich den Guerillaorganisationen anzuschließen. Eine Gruppe von Priestern, die an dem vorangegangenen Prozeß mitgewirkt hatte, tat es ihnen nach. Die brutale Repression gegen die katholische Kirche wirkte in diesem Radikalisierungsprozeß als Katalysator. 1980 erreichte die Kampagne selektiver Repression gegen die Kirche einen blutigen Höhepunkt: Am 1. Mai wurde der Pfarrer von Tiquisate, Conrado de la Cruz, ermordet, am 12. Mai Pater Walter Voodeckers, Pfarrer von Santa Lucía Cotzumalguapa. Im November verweigerte die Regierung dem Präsidenten der Guatemaltekischen Bischofskonferenz (Conferencia Episcopal de Guatemala, CEG) und Bischof von Quiché, Juan Gerardi, die Einreise. Im Juli hatten die Kirchenbehörden beschlossen, seine Diözese zu schließen. Auch 1981 hatte die katholische Kirche weiterhin unter der Repression zu leiden: Am 14. Mai wurde der Pfarrer von Tecpán (Chimaltenango), P. Carlos Gálvez Galindo, ermordet. Am 8. Juni wurde der Jesuit Eduardo Pellecer Faena, ein Unterstützer der EGP, verhaftet. Am 1. Juli wurde der Franziskanerpriester Tulio Maruzo in Quiriguá (Izabal) von Maschinengewehrkugeln durchsiebt. Am 25. Juli tauchten die Leichen der Laienmissionare Raúl Joseph Leger (Kanadier) und Ángel Martínez Rodrigo (Spanier) auf. Am 27. Juli wurde der US-amerikanische Priester Francisco Stanley Rother im Pfarrhaus von Santiago Atitlán (Sololá) ermordet. Ebenfalls im Juli wurde der evangelische Pastor Félix Moxón Chutá getötet. Am 2. August wurde der spanische Jesuit Carlos Pérez Alonso in der guatemaltekischen Hauptstadt verschleppt. Die Repressionswelle ging auch in den ersten Monaten des Jahres 1982 unvermindert weiter: Am 2. Januar wurde der Pfarrer von San Antonio Suchitepéquez, Pater Horacio Benedetti, durch Schüsse verletzt. Am 4. Januar wurden die beiden Priester Pablo Schildermans und Roberto Paredes Calderón in Nueva Concepción (Escuintla) entführt; drei Tage später wurden sie freigelassen. Am 5. Januar wurde der Ordensgeistliche Venancio Aguilar Villanueva ermordet. Am 6. Januar verschwand Victoria de la Roca, eine Bethlehem-Schwester, in Esquipulas (Chiquimula), am 19. Januar der belgische Ordensgeistliche Sergio Berten. Am 20. Januar wurde der guatemaltekische Dominikaner Carlos Ramiro Morales López, ein führender Vertreter der Guerillagruppe Revolutionäre Volksbewegung Ixim (Movimiento Revolucionario Popular, MRP-Ixim) in der Hauptstadt ermordet. Am 13. Februar wurde der Salesianer James Alfred Miller in Huehuetenango ermordet. Es schien, als ob dies nur das Vorspiel einer Kampagne sei, die in der darauffolgenden Phase fast den Charakter eines Religionskrieges annahm, wenngleich keine tödlichen Angriffe auf Ordensleute mehr stattfanden.
3.3.11  3.3.11 Das Ende der Lucas-Zeit
Das Parteienbündnis von PID-PR und Arana-Anhängern, das General Lucas an die Macht gebracht hatte, zerfiel rasch. Gerade der Sieg von Lucas hatte die Brüchigkeit des politischen Wahlsystems deutlich werden lassen. Die sogenannte „demokratische Öffnung“, durch die eine Eintragung neuer Parteien möglich wurde, war ein Versuch, Legitimität zurückzugewinnen und der politischen Vormachtstellung der vier traditionellen Parteien ein Ende zu setzen, doch auch dies konnte der Schwäche des Wahlsystems nicht entgegenwirken. 1981 begann in einem deutlich angespannten Klima der erneute Wettlauf um die Präsidentschaftsnachfolge, bei dem die Institutionalität ernsthaft in Frage gestellt wurde. Im September hatte der Verteidungsminister der Lucas-Regierung, General Aníbal Guevara, mit Unterstützung der Revolutionären Partei, des PID und der Front der Nationalen Einheit (Frente de Unidad Nacional, FUN) seinen Wahlkampf begonnen. Für das Amt des Vizepräsidenten hatte er sich den ehemaligen Bürgermeister von Guatemala Stadt, Ramiro Ponce Monroy (der enge Beziehungen zu General Arana hatte), an seine Seite geholt. Wieder einmal ging es um die Formel der Kontinuität, um so die Geschäfte der Militärspitze und ihrer Unternehmenspartner aufrechtzuerhalten. In Unternehmer- und Militärkreisen war diese Gruppe jedoch damals bereits isoliert. Mit Unterstützung von General Arana und den beiden Juristen Ernesto Berger und Danilo Parrinello stellte sich Gustavo Anzueto Vielman als Präsidentschaftskandidat für die Wahre Nationalistische Zentrale (Central Auténtica Nacionalista, CAN) zur Wahl. Auch der ehemalige Finanzminister Oberst Hugo Tulio Búcaro gab seine Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt und behauptete, dabei mit der Unterstützung von Lucas rechnen zu können. Der Generalstab hatte zu diesem Zeitpunkt an den staatlichen Sicherheitsapparaten vorbei sein eigenes Aufstandsbekämpfungsprogramm entwickelt, das von dem zwei Jahre zuvor gebildeten Bündnis zwischen Unternehmern und Regierung Abstand nahm. Als bekannt wurde, daß General Aníbal Guevara durch erneuten Wahlbetrug Präsident werden sollte, beschloß die Armee, in dieser offenkundigen institutionellen Krise den formalen Rahmen zu durchbrechen und am 23. März 1982 einen Staatsstreich durchzuführen, der in erster Linie die Möglichkeit bieten sollte, die Aufstandsbekämpfungsoffensive erfolgreich zu beenden und darüber hinaus den institutionellen Rahmen entsprechend dieser Strategie neu zu gestalten.
3.4  3.4 Die Regierung Ríos Montt
3.4.1  3.4.1 HISTORISCHE WENDE
Am 7. März 1982 erklärte sich General Aníbal Guevara zum Sieger der Präsidentschaftswahlen. Am 23. März putschten jedoch 950 Angehörige der Armee. Sie ernannten ein Triumvirat unter Leitung von General Efraín Ríos Montt, dem außerdem General Horacio Maldonado Schaad (Kommandant der Ehrengarde, der der MLN nahestand) und Oberst Francisco Luis Gordillo (1981 Chef der Brigaden von Izabal und Quetzaltenango) angehörten. Die DC und die MLN unterstützten öffentlich das neue Regime. Entscheidender Hintergrund für den Staatsstreich war die tiefe Krise im Bündnis zwischen Militärs und Unternehmern, die das politische Leben der 70er Jahre beherrscht hatte. Die Militärregierung setzte unverzüglich die Verfassung außer Kraft und erließ das sogenannte „Grundstatut der Regierung“ (Gesetzesdekret 24-82). Darüber hinaus wurden 50 zivile Beamte unter dem Vorwurf der Korruption entlassen. Am 5. April legte der Sondergeneralstab der Armee dem Ministerrat den Nationalen Sicherheits- und Entwicklungsplan vor (Plan Nacional de Seguridad y Desarrollo, SD). Am 9. Juni löste General Ríos Montt das Triumvirat auf und rief sich selbst zum Präsidenten der Republik aus. Er umgab sich mit einem Beraterstab aus sechs von insgesamt 13 jungen Offizieren, die den Putsch unterstützt hatten. Kurz darauf erließ er das Gesetz über Politische Organisationen, das den traditionellen Parteien den Status von „parteibildenden Komitees“ verlieh. Infolge dieser Maßnahme wurden zwischen 1982 und 1985 insgesamt 32 neue politische Parteien gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte es auf dem Land bereits eine ganze Reihe von Massakern an der Bevölkerung gegeben, die verdächtigt wurde, mit der Guerilla zu kollaborieren. Schritt für Schritt schuf sich das neue Regime seinen rechtlichen Rahmen. Am 15. April erließ die Militärregierung das Dekret 9-82. Darin wurde die Verbreitung von Nachrichten über die politische Gewalt verboten. Am 1. Juni folgte ein Amnestiedekret für politische Delikte. Am 16. Juni setzte der Präsident per Regierungsbeschluß (31-82) 324 Bürgermeister ein, die von den Militärbezirken vorgeschlagen worden waren. Am 1. Juli wurde der Belagerungszustand verhängt (Dekret 44-82) und die Einbeziehung ortsan-sässiger ehemaliger Soldaten in die Militärbezirke und -posten genehmigt. Am 15. September formierte sich der Staatsrat als beratendes Organ, an dem sich Politiker, Technokraten und einige von der Regierung ernannte Personen aus dem öffentlichen Leben beteiligten.
3.4.2  3.4.2 DIE NEUE AUFSTANDSBEKÄMPFUNG
Die jungen Offiziere, die den Putsch von Ríos Montt unterstützt hatten, verdrängten nun die Oberbefehlshaber der Armee aus dem Umfeld von General Lucas García, die Angehörigen des Generalstabs des Präsidenten und verschiedene Mitarbeiter aus der Clique des militärischen Geheimdienstes, die unter dem Namen „Die Bruderschaft“ (La Cofradía) bekannt war. Im März 1983 wurde der Generalstab durch das Dekret 28-83 umstrukturiert und als Generalstab der Nationalen Verteidigung (Estado Mayor de la Defensa Nacional, DN) neu gebildet. Dazu gehörten die Generalinspektion, die Abteilung des stellvertretenden Generalstabs sowie die Abteilungen Personal (D-1), Geheimdienst (D-2), Operationen (D-3), Logistik (D-4) und Zivile Angelegenheiten (D-5). Durch diese Maßnahmen wurden auch die Beförderungsjahrgänge verdrängt, die gerade die Abschlußphase ihrer militärischen Laufbahn erreicht hatten. Die Nachwuchsoffiziere begannen, sich um ihre Zukunft zu sorgen - ein Faktor, der ebenfalls zum raschen Verschleiß der Regierung Ríos Montt beitrug. Dennoch war der militärische Stab in der Lage, eine integrierte antisubversive Strategie umzusetzen, in der militärische, politische, psychosoziale und anthropologische Elemente miteinander kombiniert wurden. Im Lauf des Jahres 1982 führte die Armee ihren militärischen Feldzug „Sieg 82“ (Plan de Campaña Victoria 82) gegen die Guerillafronten im Nordwesten und Norden des Landes durch. Zwei Drittel ihrer Truppen waren daran beteiligt. Die Offensive richtete sich insbesondere gegen die (überwiegend indianisch-bäuerliche) Zivilbevölkerung, so daß die soziale Unterstützungsbasis der Rebellen zerschlagen wurde. Die Kampagne forderte Zehntausende von Opfern und zog Vertreibungen von ungeheuren Ausmaßen nach sich.
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Die strategischen Kräfte der Aufständischen wurden von der Offensive nicht ernstlich getroffen, wohl aber verloren sie ihre Unterstützungsbasis und mußten sich so an die Ausgangspunkte ihrer Verankerung zurückziehen. Im Anschluß führte die Armee weitere Offensiven gegen die übrigen Guerillafronten durch. Sie waren zwar weniger erfolgreich, führten aber im Zusammenspiel mit den ersten Offensiven dazu, daß die Armee in einem überwiegenden Teil des Staatsgebietes Kontrolle und staatliche Autorität wiederherstellte (Aguilera, 1986). Die Bemühungen der Militärs waren umfassend, sozial und geographisch durchdacht und „darauf ausgerichtet, die Wesensmerkmale qualitativ zu verändern, die die Berge zum geeignetsten Raum für die Kräfteakkumulation machen“. Entsprechend versuchte sie, die zentrale Achse zu durchbrechen, auf die sich die Strategie der Aufständischen stützte (Payeras, 1986). Die Offensiven zeichneten sich durch besondere Brutalität aus und zielten darauf ab, den Feind und seine Unterstützungsbasis zu zerschlagen. In Anhang H des Planes zur Kampagne Victoria 82 der Armee heißt es: Die Subversion existiert, weil eine kleine Personengruppe sie unterstützt hat und eine große Zahl von Menschen sie toleriert, sei es nun aus Angst, oder weil es Gründe gibt, die sie hervorbringen. Der Krieg muß auf allen Feldern ausgefochten werden ... Die Köpfe der Menschen sind das vorrangige Ziel. Die vorgeschlagene Militärstrategie versuchte zu verhindern, daß die Subversiven Zugang zu der Bevölkerung erhalten, die ihre politisch-soziale Unterstützungsbasis darstellt. Die Mitglieder der Irregulären Lokalen Kräfte (FIL) müssen zurückgewonnen und diejenigen neutralisiert bzw. eliminiert werden, die sich nicht in das normale Leben integrieren wollen; die Lokalen Untergrundkomitees (Comités Clandestinos Locales, CCL) und die Permanenten Militäreinheiten (Unidades Militares Permanentes, UMP) müssen zerschlagen werden. Die Taktik wird folgendermaßen beschrieben: Sie täuschen: Die Subversion muß mit ihren eigenen Methoden und Techniken bekämpft werden (zu jeder Zeit muß sich ein Desinformationsplan in Umsetzung befinden). Sie finden: Das größte Problem war immer, die Militäreinheiten der Guerilla aufzuspüren. Mit den ihr eigenen Kampfmethoden halten sie sich versteckt (nutzen Sie den lokalen Geheimdienst und decken Sie den Bereich der Patrouillen ab). Sie angreifen: Wenn es gelungen ist, eine Guerillaeinheit aufzuspüren, halten Sie um jeden Preis Kontakt und machen Sie umgehend Meldung, damit die übergeordnete Einheit die Operation unterstützen und der lokalisierte Feind vernichtet werden kann. Sie vernichten: Zerstörung der Guerillakräfte lautet der Auftrag. Die Kontrolle über das Terrain ist ein Mittel, um diesen Auftrag zu erfüllen, niemals jedoch der Zweck oder das Endziel. (Guatemaltekische Armee, Generalstab, 1982). In den Plänen für die Feldzüge kommt eine Strategie zum Ausdruck, die zum einen Operationen zur Aufstandsbekämpfung, gleichzeitig aber auch Maßnahmen mit Wirkung auf die Bevölkerung vorsah: ( landesweite Militärpräsenz durch den Aufbau neuer Bezirkskasernen in allen Departements und Zusammenlegung der Militärgerichts- und Verwaltungsbezirke im Rahmen eines Regionalisierungskonzepts, um der Bevölkerung Sicherheit und Vertrauen zu geben; ( Schutz der Produktionsgrundlagen, um in der Erntezeit Sabotageakte auf den Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen zu verhindern; ( Kontrolle der Saisonarbeiter, die aus dem Hochland an die Südküste kommen; ( gemeinsame Steuerung der militärischen und psychologischen Operationen. Als späteres Leitthema führte die Armee die Notwendigkeit an, dem Fisch das Wasser zu entziehen, um das Überleben des Staates zu sichern. Dieser Diskurs widersprach jedoch gerade den taktischen Anweisungen, nach denen die Bevölkerung ausgedehnter Gebiete zu den militärischen Zielen gehörte. Dies kommt auch in der folgenden Textpassage zum Ausdruck: Die terroristischen Organisationen haben ihre Kriegsstrategie auf den Grundsatz gestützt, daß ‘der Fisch zum Wasser ist, wie die Bevölkerung zur Guerilla’ (sic)
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. Die terroristischen Kriminellen tragen ihre Fahnen vor sich her und bieten den Armen das Land der Reichen an, den Indígenas das der Ladinos. Hinzu kommt der Glaube einiger Priester, die von der Befreiungstheologie beeinflußt sind. Dies führte dazu, daß sich ganze Dörfer in Waffen erhoben haben. Viele gingen in die Berge, wurden hinters Licht geführt, in der Hoffnung auf Veränderungen und mit der Vorstellung, bessere Lebensperspektiven zu erreichen, wenn sie den revolutionären Krieg gewinnen. Die Zeit verging, und die Verstrickung der Bevölkerung mit der Subversion nahm derartige Ausmaße an, daß sie nicht mehr an ihre Heimatorte zurückkehren konnten. (Guatemaltekische Armee, 1990).
3.4.3  3.4.3 DIE MILITÄRISCHEN OFFENSIVEN 1982/83

3.4.3.1  Ixil-Gebiet
Die Offensive der Armee gegen das Ixil-Gebiet war vielleicht diejenige, die für sie den größten strategischen Wert hatte. In dieser Zone hatte der EGP 1980 seine erste reguläre Militärkolonne gebildet („19. Januar“). Dort bestanden bessere Bedingungen für den EGP, ein befreites Gebiet auszurufen und internationale Anerkennung als kriegsführende Partei in einem internen Krieg zu fordern. Kaum hatte die Armee die strategische Bedeutung der Region erfaßt, verstärkte sie die Militärbezirke Huehuetenango und El Quiché und hielt ihre Militäreinheiten ständig in der Offensive. Der massive Rückhalt der Guerilla in der Bevölkerung von Ixil ließ jedoch befürchten, daß es dort jederzeit zu einem unberechenbaren Aufstand kommen konnte. Deshalb nutzte die Armee 1981 den Beginn der Trockenzeit, um weit von den Bezirkshauptstädten entfernt liegende Dörfer niederzubrennen. Im April 1981 baute sie in Uspantán die ersten Zivilpatrouillen auf, die dann entlang der Grenze von Quiché zum Ixil-Gebiet (der Río Negro bildet die natürliche Trennlinie) und zur ladinischen Zone von Huehuetenango (Chiantla und Barrillas) ausgeweitet wurden. Dahinter stand die klare Absicht der Armee, sich die bestehenden ethnischen Widersprüche für die Aufstandsbekämpfung zunutze zu machen. 1981 hatte die Armee eine Brigade im Militärposten von Nebaj und jeweils eine Kompanie in Chajul, Cotzal und Nebaj stationiert, ebenso zwei kleinere Trupps in den Landgütern von La Perla, einen in La Taña, einen in San Francisco und einen in La Panchita, den entlegensten Orten der Region. Unmittelbar danach begann die Armee mit ihren Aktionen gegen Dörfer, die stärkste Sympathien für die Guerilla zeigten. In den an die Rückzugsgebiete der Guerilla angrenzenden Gemeinden verfolgte sie eine Politik der verbrannten Erde. Entsprechend kam es im September zu Massakern in Xeucalbitz und Sumal (Nebaj). Die Soldaten töteten 35 Personen und brannten alles nieder. Dabei wurde in Sumal Chiquito der erste zweisprachige Lehrer, Gerónimo Pérez, öffentlich enthauptet. Die Überlebenden flüchteten sich zu Fuß nach Sumal Grande. Noch im selben Monat ermordete die Armee zehn Indígenas in Tzalbal und 20 weitere in Palop und machte das Dorf Río Azul dem Erdboden gleich. Am 24. Oktober 1981 kamen 60 Kaibiles
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nach Palop und Kekchip und brannten die Häuser nieder. Die Menschen flüchteten in die Berge. Gerade zu dieser Zeit steckte die Guerillaführung in einer tiefen Krise: Fraktionen der Nationalen Führung (Dirección Nacional, DN) die an den Guerillafronten in den Bergen ohne Unterschied zusammenarbeiteten, funktionierten in den Städten oder im Ausland wie autonome Kerngruppen der DN ohne zentralisierte Strukturen, ohne Koordination und oftmals auch ohne Informationsaustausch untereinander. Im Februar 1982 berief eine Kerngruppe der Nationalen Führung, die vom Chefkommandanten sowie den Führungsmitgliedern der Fronten Che Guevara und Ho Chi Minh gebildet wurde, ein Treffen der DN in den Bergen ein. Von Juni bis September 1982 rief Kommandant Benedicto (Mario Payeras) zu einer erweiterten Sitzung der Nationalen Leitung des EGP auf. Die Gruppe der DN, die sich in den Bergen aufhielt, wußte nichts von dieser Sitzung. Zu den Beschlüssen, die auf dem Treffen unter Leitung von Benedicto gefaßt wurden, gehörte auch die Entscheidung, Camilo und Milton die Aufgabe zu übertragen, die Beschlüsse nach innen weiterzugeben und umfangreiches militärisches Ausrüstungsmaterial an die Nordfronten zu verlegen. (EGP, 1984). Entsprechend bestand die Antwort auf die Armeeoffensive im wesentlichen in Störaktionen und einigen Hinterhalten, also eher in bremsenden bzw. defensiven Aktionen, ohne daß die ehrgeizigen Angriffe des Vorjahres noch einmal wiederholt werden konnten.
3.4.3.2  Txacal Tzé (Chacalté): Guerilla-Massaker
Ablauf Am Morgen des 13. Juni 1982 wurden in Secoch die abschließenden Anweisungen erteilt. Gegen Mittag brach die Truppe auf. Mit allen Sicherheitsvorkehrungen rückte sie über Trampelpfade in ein Gebiet vor, das von Txacal Tzé zwei Stunden zu Fuß entfernt lag. Die Leute wurden in Einheiten und Trupps aufgeteilt. Um fünf Uhr morgens waren bereits alle Zugänge zum Dorf umstellt. Zu diesem Zeitpunkt wußten bereits alle, was sie zu tun hatten. Der Befehl lautete: Alle im Alter von über 10 Jahren müssen sterben. Man glaubte, daß in dem Dorf zu viele Waffen konzentriert waren und sogar die Kinder Waffen hatten. Die Leute wurden von den ersten Schüssen überrascht. Die Guerilla sagte zu ihnen: ‘Wenn du uns verrätst, wo die Waffen sind, lassen wir dich leben’. Anfangs reagierten die Leute noch aggressiv mit Stöcken, Macheten und Steinen. Als sie aber die Schüsse hörten, bekamen sie Angst. Als keine Schüsse mehr zu hören waren, kam eine Frau aus ihrem Haus, und die Guerilleros sagten zu ihr: ‘Benimm dich anständig, dann tun wir dir nichts.’ Die Frau hatte ein Messer in der Hand und ging damit auf einen Guerillero los. Daraufhin wurde sie von den Guerilleros gefoltert. Sie traten auf sie ein, verbrannten sie mit Zigaretten und vergewaltigten sie. Am Ende brachten sie sie um. Das waren Patricio und Iván, die sie vergewaltigt haben. Ein alter Mann von etwa 80 Jahren kam und sagte: ‘Tötet mich nicht.’ Die Guerilleros sagten zu ihm ‘Einverstanden’, aber als der Alte näherkam, warf er eine Handgranate auf sie. Die Guerilleros traten auf ihn ein, schlugen ihn mit ihren Gewehrkolben und zerstückelten ihn schließlich. Einem Mann, von dem sie sagten, er sei der oberste ‘Reaktionär’ und habe Waffen im Haus, steckten sie das Haus an. Er war noch drinnen. Die Parole hieß: ‘Schießt nicht, Jungs, sondern schlagt nur mit der Machete zu!’ Sie brannten sämtliche Häuser nieder. Im Dorfzentrum stand noch eine Schule, die zu einer Festung umgebaut worden war. Im Zuge des fortschreitenden Angriffs bezogen die mehr oder weniger gut bewaffneten Dorfbewohner Position in der Schule. Dort versammelten sich die ‘Reaktionäre’. Die Guerilla versuchte vorzurücken, wurde aber angegriffen. Dort erlitt die Guerilla die meisten Verluste. Die Befehlshaber beschlossen, sich neu zu organisieren, und zogen sich zurück. Dann entschieden sie, das Dach der Schule mit großen Steinen kaputtzumachen. Es war sehr widerstandsfähig. Als das Dach eingerissen war, warfen sie Granaten und Bomben ins Innere des Gebäudes. Schüsse waren nicht mehr zu hören. Eine junge Frau sagte zu einem Guerillero: ‘Bring mich nicht um, dann werde ich deine Frau’. Der Guerillero schlug sie auf den Kopf und tötete sie. Am euphorischsten und betrunkensten waren die von den Irregulären (FIL). Sie sagten: ‘Mit der Guerilla ist nicht zu spaßen. Man muß die Revolution respektieren!’ Die Guerilla nahm 20 Handgranaten und 3 Minen mit. Kriegswaffen fanden sie nicht, wohl aber Gewehre vom Kaliber 12 und 22, nicht mehr als 25 oder 30 Waffen. Im Depot haben sie wohl noch ein M-1-Gewehr gefunden. Der Angriff dauerte etwa vier Stunden und war gegen neun Uhr morgens zu Ende. Ein Guerillero, der daran teilnahm und seinen Namen nicht sagen will, hat zugegeben, daß er 125 Tote gezählt hat. Von dem Dorf blieb nichts mehr übrig. Die FIL brannten die Häuser nieder, und die Kleidungsstücke, die noch in einem guten Zustand waren, nahmen sie mit. Auch das Vieh und den Mais nahmen sie mit und teilten sie unter sich auf. Nach dem Massaker An der Guerillafront gab es keine Nationale Leitung des EGP. Der EGP steckte in einer ihrer tiefsten Krisen. ‘Milton’ und ‘Carlos’ hatten sich im Januar 1982 von der Front zurückgezogen. Carlos kam im März zurück, um dort die Runde zu machen, und starb im Juli, noch vor dem Massaker. Die Führung hielt sich mehrheitlich in Mexiko oder auf Sitzungen auf. Niemand wurde von ihr bestraft. An der Front herrschte sowohl in der Bevölkerung als auch in den militärischen Einheiten in den ersten Tagen noch eine gewisse Euphorie. Die Leute hatten das Gefühl, daß sie das bekommen hatten, was ihnen zustand. Im August wurde eine einwöchige Versammlung abgehalten. Es wurde darüber diskutiert, ob das Massaker und seine Folgen notwendig gewesen wären. Rafael Sigüenza meinte, das sei ein nicht zu rechtfertigendes Gemetzel gewesen. Dennoch wurde auf diesem Treffen beschlossen, nichts über die Geschehnisse zu erzählen und keine Verantwortung für die Aktion zu übernehmen. Alle kamen stumm zurück. Einige, nicht viele, wagten zu sagen ‘Da sind sie zu weit gegangen’ und die Rechtfertigungen des Massakers in Frage zu stellen. Danach gerieten einige Guerilleros in Widerspruch zu den Ereignissen und standen ihnen mit der kritischen Meinung gegenüber, daß diese Aktion wahrscheinlich nicht das Beste gewesen sei.(Schlüsselinformanten 110, 091, 220 und 096, Txacal Tzé, 1982).
3.4.3.3  Huehuetenango
Im Rahmen ihrer Strategie der Machtübernahme versuchte die Guerilla 1981, das Departement völlig zu isolieren. Dort war die Nationale Leitung des EGP stationiert. Darüber hinaus verfügte die Region über natürliche Korridore zum Ixcán und ins Ixil-Gebiet. 1981 wurde Huehuetenango deshalb zum Hauptoperationsgebiet der Front „Ché Guevara“, die vor allem in den Bezirken San Miguel Acatán und San Rafael La Independencia verankert war. Der EGP begann eine Kampagne zur „Zerschlagung der lokalen Macht des Feindes“ und tötete zahlreiche Kollaborateure, um danach zum Angriff auf die Militäreinheiten überzugehen. In dieser Zeit gewann der EGP auch an kollektiver Unterstützung in den grenznahen Gemeinden. Im übrigen Departement verfügten jedoch rechtsextreme Gruppen wie die MLN über eine beträchtliche Anhängerschaft. Die Offensive des EGP ging unter der Regierung Ríos Montt weiter. In Huehuetenango führte die Guerilla die meisten Offensivaktionen durch und versuchte danach, den Vormarsch der Armee zu stoppen. Am 2. Juni 1982 erklärte der EGP, 27 von 31 Bezirken in Huehuetenango von Strom-, Telefon-, Telegraphen- und Radioverbindungen abgeschnitten und in 16 Bezirken außerdem die Landverbindungen zur Hauptstadt des Departements unterbrochen zu haben. Mitte Juni kündigte die Armee jedoch den Beginn einer Aufstandsbekämpfungsoperation mit 3 000 Soldaten und 14 Hubschraubern im Norden von Huehuetenango an. Die Gegenoffensive begann im Juli, konnte jedoch die Guerillaaktionen nicht stoppen, obwohl sie zahlreiche Menschenleben kostete. Am 13. Juli, mitten in der Offensive, starb der Jesuit Fernando Hoyos (Comandante Carlos) am Río San Juan. Er hatte der Nationalen Leitung des EGP angehört. Danach verlegte die Guerilla ihr Hauptquartier in den Urwald von Ixcán und konzentrierte ihre militärischen Operationen auf das Gebiet zwischen den Flüssen Ixcán und Xalbal (insbesondere auf die Bergregion des Cerro Cuache).
3.4.3.4  Ixcán
Nach dem Putsch vom 23. März wurden die Militärbezirke Cobán und Huehuetenango als Ausgangsbasis der Armee für die Region Ixcán zusammengelegt. Playa Grande wurde zum Knotenpunkt. „Man kann zu dem Schluß gelangen, daß dort, wo der EGP elf Jahre zuvor eingedrungen war, die Offensive darauf ausgerichtet war, schließlich seinen Rückzug herbeizuführen“. (Falla, 1987, unveröffentlicht). Die Armee baute Playa Grande zur Festung aus und koordinierte von dort aus ihre Operationen, auch die Truppenverstärkungen, die aus der Hauptstadt, aus Petén, Huehuetenango, Cobán und den östlichen Landesteilen kamen. In Playa Grande wurden auch die sog. Destazadores ausgebildet, militärische Geheimdienstexperten, die sich durch besondere Grausamkeit bei den Massakern auszeichneten. Playa Grande war zunächst Militärstützpunkt und später Kaserne. Dort befand sich auch die Kontrollstelle für die Bevölkerung, die ins Ixcán-Gebiet wollte oder von dort kam. In zahlreichen Zeugenaussagen, die im Rahmen des REMHI-Projekts gesammelt wurden, wird auf die strenge Überwachung des Reiseproviants und der Transporte Bezug genommen. Zu diesem Zeitpunkt gestand sich die Guerilla noch nicht ein, daß die Schläge, die sie hatte hinnehmen müssen, von erheblicher Tragweite waren. Von Februar bis März hielt sie noch immer an ihrer Behauptung fest, der generalisierte Guerillakrieg sei unaufhaltsam auf dem Vormarsch (EGP: Informador Guerrillero, 1982). In einer Bilanz der URNG für 1982 heißt es: „Die Endoffensive und die Operation ‘Sieg 82’ sind völlig gescheitert.“ Zwar wird eingeräumt, daß die Armee „fast ausschließlich die Zivilbevölkerung getroffen hat“, doch besteht die Einschätzung, die Konjunktur sei „besonders günstig, um unseren Kampf zum Sieg zu führen, der sicher ist und in unseren Möglichkeiten liegt ...“. (Dokumente des EGP, Nr. 20).
3.4.3.5  Die Offensiven im Zentralkorridor
Im zentralen Hochland (bzw. im bewohnten Hochland) fand faktisch zum ersten Mal eine Offensive der Armee statt, die nach dem neuen Modell des Aufstandsbekämpfungskrieges vom Generalstab der Armee konzipiert worden war. Die meisten Elemente dieser Strategie wurden später in einer Serie von Operationen unter der Regierung Ríos Montt umgesetzt. Schauplätze der militärischen Operationen waren zu diesem Zeitpunkt das Departement Chimaltenango, ein Teil von Sacatepéquez, der östliche Teil von Baja Verapaz, der Süden von Quiché und der Nordosten von Sololá. Überdies gelangen der Front Augusto César Sandino der EGP, die in diesem Gebiet deutliche Präsenz zeigte, einige militärische Operationen im Departement Totonicapán. Selbst bei einer gesonderten Betrachtung des Gebiets von Baja Verapaz ist in der vorliegenden Analyse zu berücksichtigen, daß diese gesamte Region eine strategische Einheit darstellte, einen Verbindungsgürtel zwischen den abgelegenen Fronten im Norden, in denen die Guerilla die Einrichtung ihrer „befreiten Gebiete“ plante, und der Hauptstadt des Landes. Im Februar 1981 führte die Armee ihren ersten Feldzug gegen das Zentralgebiet von Chimaltenango durch
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. Dabei starben 1 500 Menschen aus der lokalen Bevölkerung. Darauf folgte eine Kampagne von selektiven Morden bzw. Massakern in Gemeinden, die Unterstützung oder Sympathie für die Aufständischen zeigten. Zum damaligen Zeitpunkt war die Guerilla nach den Offensiven der Armee in der Hauptstadt bereits vom Waffennachschub abgeschnitten, so daß sie keine Möglichkeit mehr hatte, die dortige Bevölkerung militärisch auszurüsten. Im September/Oktober schlossen sich der EGP und die ORPA zusammen, um die Kontrolle über das Hochland von Quiché, Sololá und Chimaltenango und somit den Zugang von der Hauptstadt in die indianischen Gebiete zu gewinnen. Dieser Plan wurde jedoch durch die Besetzung des strategisch wichtigsten Ortes Chupol unter der Leitung von Generalstabschef Bendicto Lucas endgültig zerschlagen. Benedicto Lucas kündigte an, er wolle 3 000 von der Guerilla entführte Familien befreien.
3.4.3.6  Sololá
Für den EGP gehörten Sololá und Totonicapán zur Unterstützungsregion für den Süden von Quiché entlang der Panamericana. Ausgehend von den Aktivitäten der katholischen Kirche, der Katecheten und der Mitglieder des CUC gliederte sich 1980 ein Teil der Bevölkerung in die Arbeit und die gemeinschaftlichen Organisationsstrukturen ein, insbesondere in Argueta und Santiago Atitlán. Der Forderung nach Land kam damals die stärkste Bedeutung zu. In Sololá kamen außer dem EGP auch noch andere Gruppen zusammen: Seit 1979 hatte die ORPA in Paraxot und Chuimango (Region der Bocacosta von Sololá) und am Fuß des Atitlán-Vulkans Camps aufgebaut. Ebenso operierte dort die Revolutionäre Volksbewegung Ixim (Movimiento Revolucionario Popular MRP-Ixim), die auch in Totonicapán und Quetzaltenango eine gezielte Rekrutierungsarbeit betrieb. „Mit der Ixim ging es voran, aber als der EGP kam, wurde es enger. Nach der letzten Information, die wir von einer Person aus Chaquijyá bekommen haben, hat der EGP dort sämtliche Ixim-Kämpfer umgebracht“ (Schlüsselinformant, Sololá, 80er Jahre). Spektakulärste Aktion der Guerilla war die Besetzung der Hauptstadt von Sololá am Fest des Hl. Simon (28. Oktober 1981) unter der Leitung von „Diego“ (Julio Iboy). „Die Einnahme von Sololá geschah mit zwei Zielsetzungen: Erbeutung von Waffen aus der Kommandantur der Reserve - die wurde geplündert - und Ausdehnung des Einflusses des EGP in der Region“ (Schlüsselinformant 199, Sololá, 80er Jahre). Die Guerilla kappte die Stromversorgung und begann ihren Angriff um fünf Uhr nachmittags. Im Lauf des Tages waren bereits Angehörige der Irregulären Lokalen Kräfte (FIL) in den Ort gekommen und hatten sich unter die Menschenmenge gemischt, die dort am Gottesdienst teilnahm. Beim Angriff auf die Polizeistation starben vier Polizisten, die übrigen ergaben sich. Der EGP sammelte sämtliche Waffen ein und befreite zwei Gefangene. Der Gouverneur starb gemeinsam mit einem Mitglied der Bezirksverwaltung bei einer Schießerei auf offener Straße. Als die Armee in Chupol und im Umland bereits ihre Stellungen bezogen hatte, richtete sie mehrere Militärposten in der Region ein: 1982 in Pixabaj, Guineales; 1983 in El Encanto-Pujujil, Panajachel und Santa Clara de La Laguna. Die Gewalt ging weiter: Am 19. März tötete die Armee drei Angehörige einer Familie in Chaquijyá und brachte die Leichen in den Militärposten von Los Encuentros. Am 11. Juni ermordete sie elf Menschen in dem Weiler Buena Esperanza. Im März 1982 richtete die Guerilla sieben Familienväter in Los Encuentros hin, die sie als Kollaborateure der Armee beschuldigt hatte. Im September des gleichen Jahres tötete der EGP 16 Bewohner von Pujujil I, Chuacruz.
3.4.3.7  Interethnische Beziehungen und Machtverhältnisse in der Guerilla
Mitten im bewaffneten Konflikt trat die Komplexität der interethnischen Beziehungen deutlich zu Tage: Vielleicht wollten die Kaqchiqueles nicht, daß ihre Strukturen von Quichés befehligt wurden. Die aber zeigten auf individueller Ebene die größere Bereitschaft, sich voll und ganz in den Kampf zu integrieren. Die Kaqchiqueles sind stärker gemeinschaftlich orientiert und halten an ihren Traditionen fest. Außerdem hängen sie mehr an ihrer Scholle und ihrer Familie. Nicht alle Eltern akzeptierten, daß sich ihre Kinder voll und ganz in den Kampf integrierten, weil sie bei der Feldarbeit mithelfen mußten.(Schlüsselinformant 199, Sololá, 80er Jahre) Als weiterer Faktor spielten die Beziehungen zwischen Indígenas und Ladinos eine Rolle: Die Ladinos in Sololá sind in der Minderheit. Sie leben überwiegend in der Hauptstadt des Departements und arbeiten als Angestellte im öffentlichen Dienst. Bei der Besetzung von Sololá waren die meisten Leute, die dazukamen, Indígenas. In manchen Kommentaren der Ladinos hieß es: ‘Alle Indios sind Guerilleros.’(Schlüsselinformant 209, Sololá, 80er Jahre) Auch die Führungsspitze der Guerilla war nicht frei von derartigen Schwierigkeiten: Die Besetzung von Sololá wäre fast abgeblasen worden, weil mitten in den Vorbereitungen eine Diskussion darüber aufkam, wer sie leiten sollte. Wir Indígenas waren dagegen, daß die Hauptstädter daherkamen und uns sagten, wie wir das machen sollten. Es war uns egal, ob sie von der Nationalen Leitung abgeordnet waren. Das Ganze war unsere Sache, und unsere Führer, die das Gelände kannten, sollten uns befehligen. Am Ende gab es eine Einigung, aber das waren Momente großer Anspannung. Im Ixil-Gebiet ist etwas Ähnliches passiert. Dort schlug ein Ixil-Kommandant sogar einen indianischen Aufstand innerhalb der Guerilla vor, weil die Ladinos, die in der Leitung waren, so unsensibel waren, und vor allem, weil sie uns in eine Niederlage mit einem hohen Verlust an Menschenleben führten, besonders unter den Indígenas. Dieser Kommandant wurde von seinem Vorhaben abgebracht. Wir waren zu dem Schluß gelangt, daß es nicht der richtige Zeitpunkt war, denn sonst hätten wir ... zwischen zwei Fronten geraten können, nämlich zwischen die Armee und die Ladino-Guerilla. (Schlüsselinformant 217, ehemaliger Kämpfer, 80er Jahre).
3.4.3.8  Quiché
1982 war fast das gesamte Departement von den Aktivitäten der Guerilla betroffen. Als Antwort darauf beging die Armee zahlreiche Massaker in den ländlichen Gemeinden, insbesondere im Zentrum von Quiché. Dabei stützte sie sich häufig auf Angehörige von Zivilpatrouillen aus den Nachbardörfern. Kennzeichnend für diesen Feldzug der Armee waren die kontinuierlichen Massaker in Dörfern, die in Bezirken wie z.B. San Pedro Jocopilas lagen, sowie die abschreckenden, selektiven Morde in den Bezirkshauptstädten von Quiché und Chichicastenango. Die folgende kurze Zusammenfassung bezieht sich lediglich auf die Zeit von Januar bis März 1982: Am 5. Januar geschah das Massaker von San Bartolo Jacaltenango. Unter Beteiligung von Angehörigen der Zivilpatrouillen von San Pedro Jocopilas wurden dort 300 Menschen ermordet (an der Tat beteiligt waren u.a. Chús Barrios, Mincho Girón und Ernesto Girón, die beschuldigt wurden, den Leuten von San Bartolo Land weggenommen zu haben). Am 22. Januar verbrannten 40 Soldaten in dem Weiler Chiticun (San Pedro Jocopilas) 19 Personen bei lebendigem Leib, darunter Frauen und Kinder. Am 23. Januar vergewaltigten und ermordeten Armeesoldaten drei junge Frauen in dem Weiler San Pablo (San Pedro Jocopilas). Am 6. März tötete die Armee nach Informationen der Prensa Libre vom 11. März in Zacualpa 200 Menschen. Am 29. März wurden vier Bauern in Santa Cruz del Quiché ermordet.
3.4.3.9  Alta und Baja Verapaz
In den beiden Departements Alta und Baja Verapaz operierten zum einen die 1981 gegründete EGP-Guerillafront Marco Antonio Yon Sosa (MAYS) und zum anderen die Front Augusto César Sandino, insbesondere im Südwesten. Beide Departements, vor allem aber der Südwesten, wurde vom EGP als strategische logistische Enklave betrachtet, da dieses Gebiet zwischen den Fronten Augusto César Sandino (Chimaltenango), Ho Chi Minh (Quiché-Alta Verapaz) und der FAR-Front Panzós Heróico lag (Osten von Alta Verapaz und Izabal). Hinter der Entstehung der MAYS und deren umfangreichen Aktivitäten, die sie 1981 und 1982 über mehrere Monate hinweg entwickelte, kann der Versuch gesehen werden, die Kräfte der Armee zu zersplittern, denn das Heer hatte bereits seine erste Offensive gegen die Front Augusto César Sandino gestartet. Gleichzeitig hieß aber auch die Parole: „Generalisierung des Guerillakrieges“. Zuvor hatte es zwar bereits einige Attentate gegeben, doch kann der Beginn der Guerillaaktivitäten im Norden auf den 12. September 1981 datiert werden. An diesem Tag zerstörte der EGP in Cobán (Alta Verapaz) bei einem Bombenattentat die Kommandantur der Militärreserven. In Salamá (Baja Verapaz) zerstörte sie das Gebäude der Departementsregierung. Außerdem unterbrach sie die Straßenverbindungen zwischen Mixco Viejo und Granados sowie zwischen Granados und El Chol, Salamá und Rabinal. Ende 1981, nach der Entstehung der MAYS, wurden die Massaker der Armee offener. Dazu wurden systematisch Angehörige von Zivilpatrouillen herangezogen. Nach der Offensive von Ende 1981 im Süden von Quiché und im Norden von Chimaltenango entlang der Panamericana zog die Armee im Januar 1982 in die Berge von Chuacús und danach in die Berge von Cuchumatanes. Sie entsandte Einheiten der Präsidentengarde in diese Gebiete. Gleichzeitig begann der „Rundum-Beschuß“ von Dörfern in Alta Verapaz, während die Front Marco Antonio Yon Sosa ihre Aktionen noch bis August intensivierte, dann aber ihre Operationen abrupt einstellte. Die Armee konzentrierte ihre Kräfte darauf, in den Gemeinden Rabinal, Río Negro und San Cristóbal Verapaz jegliche Unterstützung für die Guerilla auszuschalten. Dieses Gebiet war geographisch für die Guerilla von größter strategischer Bedeutung. Zwischen September 1981 und August 1983 wurden in Rabinal 4 000 bis 5 000 Menschen von insgesamt 22 733 Einwohnern dieses Bezirks ermordet (Equipo de Antropología Forense de Guatemala, 1995). General Ríos Montt hatte den Befehl gegeben, an den wichtigsten Überlandstraßen Guatemalas einen Randstreifen von 50 Metern Breite von sämtlichen Bäumen zu säubern, um so Guerillaangriffe auf die Militärkonvois zu vereiteln. 1983 zogen Angehörige der Patrouillen von San Cristóbal, Tactic und Chamá aus, um Zivilisten zu „jagen“, die sich in den Bergen versteckt hielten. Bei dieser Menschenjagd taten sich die Patrulleros von Salaqwin besonders hervor. Sie gehörten zur Bezirkskaserne von Playa Grande. Die Armee legte drei Konzentrationspunkte der Bevölkerung fest: Salaqwin, Las Conchas und das Landgut El Rosario.
3.4.3.10  San Marcos
In dieser Phase kam es zu massiven Verbrechen gegen die Bevölkerung in den Einflußgebieten der ORPA. Dabei spielte sowohl der für die ORPA charakteristische geheime Arbeitsstil abseits von den „Massenorganisationen“ als auch die Tatsache eine Rolle, daß für die Armee die Neutralisierung der ORPA zu den vorrangigen strategischen Zielen gehörte. Die Beziehungen zwischen der Bauernschaft und den Großgrundbesitzern waren in diesem Gebiet von jeher äußerst gespannt. Deshalb suchten die Landbesitzer regelmäßig Unterstützung und Rückendeckung bei der Armee. Aus Zeugenaussagen von Personen aus den Gemeinden ist bekannt, daß es bei einigen Befehlshabern der Militärs während des Konflikts gängige Praxis war, monatliche Geldzuwendungen für die besondere Bewachung bestimmter Landgüter zu bekommen. Auf verschiedenen Haziendas wurden Militärposten eingerichtet. Wie aus dem Anhang des REMHI-Berichtes
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hervorgeht, hat es in San Marcos mehrfach Massaker und Bombardements gegeben, so in Sacuchum Dolores (San Pedro Sacatepéquez), Xolhuitz (Tajamulco), Bulaj (Tacamulco), Monte Cristo (Tajamulco) und El Tablero (San Pedro Sacatepéquez). Diese Operationen hatten unter anderem massive Auswirkungen auf das Sozialgefüge in den Gemeinden.
3.4.3.11  Petén
Als sich die Kämpfe von 1981 an intensivierten, hatte die Armee bereits mit massiven Repressionsmaßnahmen gegen Parzellenbauern, Kooperativen, Weiler und Dörfer begonnen, in denen sie auf die Präsenz der FAR gestoßen war. Der Druck auf die Bevölkerung, die möglicherweise die Guerilla unterstützte, wuchs kontinuierlich und entwickelte sich von vereinzelten Morden (so tauchte am 14. März 1979 die Leiche des Bauernführers Samuel Sucul aus San Luis Petén auf) hin zu massiven Aktionen. 1980 gab es das erste Massaker in dem Dorf El Limón (Santa Ana). Diese Praxis wurde schrittweise ausgeweitet. Im Mai, Juni und Juli 1981 konzentrierte sich die Armee auf den Petén und zwang durch Massaker die Bevölkerung zur Flucht nach Mexiko. Anfang 1982 bauten die Streitkräfte insbesondere in den Bezirkshauptstädten Zivilpatrouillen auf. In den letzten Monaten der Regierung Lucas hielt der Druck weiter an. Die Regierungsübernahme durch Ríos Montt und die Generalisierung der Politik der verbrannten Erde zeigten auch im Petén verheerende Auswirkungen, so z.B. die Massaker in den Dörfern Palestina, Josefinos und Macanché im März und April 1982.
3.4.3.12  Guatemala Stadt und Küstenregion
Die Repression wurde viel selektiver und richtete sich im wesentlichen gegen die FAR und den PGT. Die Strukturen beider Organisationen waren in der Hauptstadt noch nicht zerschlagen worden. Eine der einschneidendsten von zahlreichen Aktionen war damals das Verschwindenlassen von 15 Aktivisten der Studentenorganisation der FERG für angehende Sekundarschullehrer (FERG-educación media), von drei Gewerkschaftsführern der San-Carlos-Universität (USAC) und von Yolanda Urízar
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. Die Küste war ein strategisch umstrittenes Gebiet, in dem sämtliche Guerillaorganisationen vertreten waren und die Armee einen wesentlichen Teil ihrer Feuerkraft konzentrierte. Schon vor dem Landarbeiterstreik auf den großen Gütern im Februar 1980 gab es Militärposten in Palín (1) und Masagua (3). 1982 wurde auch in Sipacate, La Gomera, Democracia und Tiquisate jeweils ein Militärposten eingerichtet. In den genannten Orten gab es außerdem Zivilpatrouillen. Am härtesten war die Unterdrückung jedoch im Militärbezirk von Santa Lucía Cotzumalguapa. Nach dem Streik von 1980
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begann die große Repressionswelle zunächst auf den großen Landgütern. Die Armee ermordete Kleinpächter oder ließ sie verschwinden, und auch die Gewerkschaften wurden angegriffen: So wurde z.B. die gesamte Führung der Arbeitergewerkschaften von Madre Tierra und Santa Ana zerschlagen (Schlüsselinformant 017, Escuintla, 80er Jahre). Die Großgrundbesitzer hatten Sicherheitskräfte angeheuert, die sich im wesentlichen aus der Ambulanten Militärpolizei (Policía Militar Ambulante, PMA) rekrutierten.
3.4.3.13  Quetzaltenango
Unter der Regierung Ríos Montt trieb die Armee die Umstrukturierung der Verwaltungsstrukturen in den Bezirken voran: Die Bürgermeister waren handverlesen, wobei darauf geachtet wurde, daß sie in den Gemeinden eine Führungsrolle innehatten. Nach der Vereinnahmung der Gemeindeverwaltungen begannen die Streitkräfte mit dem Aufbau der Zivilpatrouillen. Die Operationen, bei denen Wälder und Schluchten nach Guerilleros abgesucht wurden, standen unter der Leitung von sechsköpfigen Patrouillen. Um der wahrscheinlichen Sympathie der Bevölkerung für die Guerilleros entgegenzuwirken, verbreitete die Armee Angst und Schrecken. In Coatepeque schleiften die Soldaten angebliche Guerilleros als Gefangene nackt über den zentralen Platz. Sie wiesen Folterspuren auf. Gleichzeitig warnten sie die Bevölkerung vor den Konsequenzen einer Zusammenarbeit mit den Aufständischen. Auch in Santa Lucía La Reforma wurden Gefangene der Armee vor den Augen der Bewohner gefoltert. Die Leichen tauchten später am Straßenrand auf. Darüber hinaus operierten die Streitkräfte in Gemeinden und auf Überlandstraßen, auf denen sie Kleinlaster anhielten und die Passagiere durchsuchten. Dabei verfügte sie über Namenslisten von Personen, denen nachgesagt wurde, daß sie mit den Rebellen kollaborierten. Gelegentlich kamen die Soldaten in Begleitung von Männern, die Kapuzen übergezogen hatten und Personen als angebliche Guerilleros bezeichneten.
3.4.4  3.4.4 DIE KIRCHE IM VISIER
Mit Beginn der Militärregierung unter Ríos Montt schwächte sich die Repression gegen die Priester ab, doch richteten sich die Unterdrückungsmaßnahmen nun mit besonderer Härte gegen die Aktivisten der Katholischen Aktion und die Katecheten: Im Dezember zwang die Armee die Angehörigen der Zivilpatrouille in dem Dorf Tabil (Santa Cruz del Quiché), fünf Aktivisten der Katholischen Aktion zu töten. Am 4. Dezember drangen Soldaten auf der Suche nach vier Aktivisten der Katholischen Aktion in den Weiler Santabal (San Pedro Jocopilas) ein. Als sie die Gesuchten nicht fanden, ermordeten sie sechs Frauen. Die Angriffe gegen die katholische Kirche nahmen mit der Machtübernahme durch Ríos Montt, Mitglied des Ältestenrates der „Kirche des Wortes“ (Iglesia del Verbo), neue Formen an. Beim Papstbesuch vom März 1983 wurde das Kirchenober-haupt vom Präsidenten mit der Durchführung von sechs Erschießungen und beleidigenden Gesten begrüßt. Im April kam es erneut zu Sabotageakten gegen die Feiern der Karwoche, bis dann die guatemaltekische Bischofskonferenz am 7. Juni den Hirtenbrief „Gefestigt im Glauben“ (Confirmados en la Fe) veröffentlichte und darin das Regime verurteilte. Die Machtübernahme durch Ríos Montt und der Boom der neopfingstlerischen Sekten spielten bei der Aufstandsbekämpfungsoffensive eine besondere Rolle. So begann die Iglesia del Verbo nach dem Putsch von Ríos Montt, im Ixil-Gebiet zu wirken. Sie ist der guatemaltekische Ableger der fundamentalistischen Sekte Gospel Outreach mit Sitz in Eureka, Kalifornien. Zur Kanalisierung der Hilfsgelder aus den USA gründete die Sekte unter der Adresse 16 Calle 1-45, Zona 10, die Stiftung zur Unterstützung der Indigenen Bevölkerung (Fundación de Ayuda al Pueblo Indígena, FUNDAPI), die seit Januar 1983 Propagandamaterial herausgab. Zu den Mitgliedern des Ältestenrates der Iglesia del Verbo, die an diesem Programm mitwirkten, gehörten unter anderem Harris Whitbeck („Missionar des Wortes“ und Militärspezialist für Aufstandsbekämpfung), Alfredo Kalschmidt (Beauftragter für Alta Verapaz im Büro Chisec), Jesse Camey (verantwortlich für das Hilfsprogramm in Konfliktgebieten - Programa de Ayuda a Áreas en Conflicto, PAAC), Rolando Lavidalle Guzmán (Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Verbindungsmann zwischen dem Sozialministerium und dem PAAC), Ray Ellit jr., (Beauftragter des PAAC in Nebaj) und George Hughes (Verantwortlicher für den Bau von Landepisten im Ixil-Gebiet).
3.4.4.1  Suche in der Asche
In einem Bericht über den Besuch des Bischofs von La Verapaz, Gerardo Flores, in den Pfarreien der Diözese vom 10.-17. Mai 1982 finden sich folgende Schilderungen: In einigen Pfarreien (Rabinal, Chisec, Raxruha, San Cristóbal) gibt es Dörfer, die keine Bewohner mehr haben. In anderen leben zahlreiche Witwen und Waisen. Dort gibt es weder erwachsene noch junge Männer mehr. In einigen Orten wurden auch die Kirchen und Kapellen zerstört (Cobán, San Cristóbal). Wieder andere Gemeinden stehen unter einer unerträglichen Anspannung, weil sie öffentlich beschuldigt worden sind, „samt und sonders Guerilleros“ zu sein. Die Pastoralarbeit liegt darnieder. Viele Pfarreien (Salamá, Rabinal, Calvario Cobán, San Cristóbal) haben viele Katecheten und Leiter von Wortgottesdiensten verloren. Sie wurden ermordet, mußten sich verstecken oder haben ihre Arbeit aufgegeben. In mehreren Dörfern mußten die Katholiken ihre Bibeln, Gesangbücher und Bilder vergraben. Andere Pfarreien bzw. ein Teil ihrer Gemeinden (Panzós, Senahú, La Tinta, Telemán, Tamahú, Purulhá, Cubulco, Chamelco, San Marcos Cobán) haben die Gewalt nicht in einem solchen Ausmaß erlebt, leben jedoch in einem Klima aus Angst, Anspannung und Mißtrauen. Grund dafür sind Entführungen, Drohungen, Anschuldigungen, Gerüchte, Verbote und Einschränkungen der religiösen Aktivitäten und auch die erzwungene Präsenz der Zivilpatrouillen, die zum Rückzug der Katecheten und zu Mutlosigkeit in den Gemeinden geführt hat. Es gibt jedoch auch Pfarreien, in denen man fast keine Gewalttaten erlebt hat und deshalb alles ruhig ist (San Jerónimo, Catedral Cobán, Boloncó, Chahal, Las Casas, Tucurú). Diese Gemeinden entwickeln ihre Aktivitäten unter völlig normalen Bedingungen. Dazu gehören auch die Besuche in den umliegenden Dörfern, Kurse, Versammlungen und Feierlichkeiten. Ähnlich sieht es in den Pfarreien aus, in denen nach Aussage der dortigen Menschen wieder Ruhe eingekehrt ist (Raxruhá, Campur) oder in denen es lediglich in den letzten Wochen zu einigen Gewalttaten gekommen ist (Tactic, Carchá). Die Angriffe konzentrieren sich nun nicht mehr auf Priester oder Ordensfrauen, sondern auf die Katecheten, die noch viel wehrloser sind: „Alle Katecheten stehen auf der Seite der Guerilla. Die revolutionären Organisationen versuchen, ihre Versammlungen und Feiern zu vereinnahmen und sie politisch zu manipulieren. In La Tinta und Telemán hat die Zahl der Katecheten unkontrolliert zugenommen. Manchmal vertrauen wir ihnen, ohne zu wissen, wer sie sind.“ Es wird darauf hingewiesen, daß Spiritismus und Zauberkulte zunehmen und die Gemeinden zu den Feiern gehen, wenn eine Musikkapelle spielt.
3.4.4.2  Protestantismus
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In Polochic ist sein Einfluß sehr stark. So sind in Tamahú zwei Katecheten mit all ihren Leuten übergetreten. In Chahal werden viele Hausbesuche gemacht. Fünf Katecheten sind zu evangelikalen Sekten übergetreten. In Boloncó treten viele Menschen über, weil der Druck der Protestanten so groß ist. In Cobán laden ein paar protestantische Damen viele „wichtige“ katholische Damen zu charismatischen Versammlungen ein. Noch schwieriger werden die Dinge, wenn sich politische Auseinandersetzungen mit religiösen Spannungen vermischen. So haben beispielsweise an der Kreuzung von Playa Grande die Katholiken viele Probleme, während die Protestanten ohne weiteres durchgelassen werden. Oftmals flüchten die Protestanten vor der Repression (Rabinal), oder aber sie sind diejenigen, die als erste Schwierigkeiten machen, indem sie andere fälschlicherweise beschuldigen oder öffentlichen Posten nachjagen (Militärkommissare), um sich so gegenüber der katholischen Mehrheit durchzusetzen (Cobán). Ein Extremfall ist Salaqwim (Cobán). Dort mißbrauchte der Militärkommissar seine Macht zur Anwerbung von Gläubigen: Er gab nur denjenigen eine Militärbescheinigung, die zur Nazarenerkirche übertraten. Er ist verantwortlich für den Tod eines Katecheten und die Entführung einer zehnköpfigen Gruppe. Außerdem ist da noch die Zwangseinführung einer neuen Personenkennkarte, in der die Religion des Inhabers vermerkt ist.
3.5  3.5 DIE REGIERUNG MEJÍA VÍCTORES
Am 8. August 1983 wurde Staatschef Ríos Montt von Verteidigungsminister General Oscar Humberto Mejía Víctores durch einen Staatsstreich abgesetzt. Die Verschwörung stieß kaum auf Gegenwehr. Lediglich die Präsidentengarde leistete Widerstand. Es gab fünf Tote und 30 Verletzte. Eine Gruppe junger Offiziere ließ überdies ein Rundfunkkommuniqué verbreiten, in dem Mejía Víctores beschuldigt wurde, für die Repression der 17 vorherigen Monate verantwortlich zu sein. Der Putsch wurde von General Mario López Fuentes in seiner Funktion als Generalstabschef der Verteidigung angeführt und von sämtlichen Kommandeuren der bedeutenden Militärbezirke und Garnisonen des Landes unterstützt. Diese Gruppe sollte später über den sogenannten „Kommandeursrat“ (Consejo de comandantes) das politische Leben bestimmen. Das neue Militärregime setzte umgehend eine neue Regierung ein, die überwiegend von Zivilisten gebildet wurde. Fernando Andrade Díaz-Durán, ein einflußreicher konservativer Politiker und Finanzunternehmer, der den Generälen Rodolfo Lobos Zamora und Héctor Nuila Hub nahestand, wurde zur Schlüsselfigur des politischen Übergangs. Faktisch bedeutete der Putsch keinen Bruch in dem 1982 begonnenen Prozeß, sondern eher einen weniger radikalen Weg. Auseinandersetzungen mit den Unternehmern und Parteien konnte er allerdings ebensowenig verhindern wie die Gefahr politischer Instabilität. In den ländlichen Gebieten war die Infrastruktur nach der ersten Phase des Aufstandsbekämpfungskrieges teilweise zerstört, die Produktion war zusammengebrochen, und Hunderttausende von Opfern brauchten dringend Notprogramme, die der Staat nicht garantieren konnte. Das Konzept der Modelldörfer und Entwicklungspole war nicht in der Lage, die Minimalbedürfnisse zum Überleben der darin eingebundenen Menschen zu decken, und die über diese Projekte kanalisierte internationale Hilfe war unzureichend (so z.B. die Mittel des Welternährungsprogramms oder die Spenden der AID für die ländliche Entwicklung). Mit dem Staatsstreich von 1983 versuchte die Armee in erster Linie, ihre innerinstitutionelle Stabilität nach den Erschütterungen des Putsches vom 23. März 1982 wiederherzustellen, hinter dem die Gruppe der „jungen Offiziere“ stand. Kaum hatte sich die Regierung von Mejía Víctores an der Macht etabliert, kam der Institutionalisierungsprozeß des Regimes wieder in Gang.
3.6  3.6 Die Regierung Vinicio Cerezo

3.6.1  3.6.1 DER ÜBERGANG (1986-1987)
Mit 67% der Stimmen gewann die Christdemokratie (DC) 1985 die Wahlen. Während des Wahlkampfes war ihr Kandidat Vinicio Cerezo mit Fragen zur militärischen Lage geschickt umgegangen: Zwar bezog er sich häufig auf die „Gewalt der Vergangenheit“, hütete sich aber sehr vor konkreten Hinweisen auf die Armee. Dennoch versprach er auf Druck der Gruppe für gegenseitige Hilfe (GAM), eine Kommission zur Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen einzurichten. Gleichzeitig erklärte er, daß er in sämtlichen Dörfern des Landes ein Referendum über die Zukunft der Zivilpatrouillen (PAC) abhalten wolle. Die Interinstitutionellen Koordinationsstellen (Coordinadoras Interinstitucionales)
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sollten unter zivile Aufsicht gestellt und der militärische Nachrichtendienst (D-2) sowie der Generalstab des Präsidenten (EMP) durch die Ernennung von Personen seines Vertrauens kontrolliert werden. Darüber hinaus kündigte er die Auflösung der von der Regierung Ríos Montt eingerichteten Abteilung für technische Ermittlungen (Departamento de Investigaciones Técnicas, DIT)
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der Nationalpolizei an, der Menschenrechtsverletzungen angelastet wurden. Sämtliche Parteien verzichteten während des Wahlkampfes darauf, strukturelle Reformen im Sinn einer Agrar- oder Steuerreform anzugehen. Mit Ausnahme der Christdemokraten kritisierten sie einstimmig die steuerpolitischen Maßnahmen der Militärregierung und traten für ein neoliberales Wirtschaftsprogramm ein. Vor den Wahlen zeigten sich die modernsten Strömungen in der Unternehmerschaft zuversichtlich im Hinblick auf einen möglichen Wahlsieg der DC. Getreu dem Motto „Man soll das Huhn nicht schlachten, das goldene Eier legt“, vertraten sie die Überzeugung, die Parteispitze der Christdemokraten stimme mit ihnen darin überein, daß den Unternehmern in der künftigen Wirtschaftsentwicklung großes Gewicht zukommen müsse. Selbstverständlich handelte es sich hierbei lediglich um eine Fraktion der Unternehmer, die jedoch bei der Vereinheitlichung und Festlegung der Unternehmerziele eine entscheidende Rolle spielte. Die übrigen Unternehmer zeigten eher Einigkeit über die konkret umzusetzenden Maßnahmen als über die politische Fähigkeit der DC, das von ihnen erhoffte Wirtschaftswachstum zu erzielen. Einige Teile der Unternehmerschaft betrachteten die Wahlen von 1985 als eine Art Gradmesser, der ihnen möglicherweise Aufschluß über ihre mittel- und langfristigen Stabilitätsperspektiven geben und die Aussichten für die Akzeptanz ihrer ökonomischen Forderungen in einem neuen gesellschaftlichen Konsens ausloten konnte. Die Unterstützung (für die Demokratie) drückte sich einerseits traditionsgemäß in Form von finanziellen Zuwendungen (an die politischen Parteien) aus. Andererseits übernahmen einige Interessenverbände gezielt die Aufgabe der „staatsbürgerlichen Erziehung“ sowohl in bezug auf die neue Verfassung als auch auf den Wahlprozeß, in dem Bemühen, ihr eigenes Image aufzupolieren und ihre Führungskapazität gegenüber der gesamten Gesellschaft wiederherzustellen. Einig war sich die gesamte Unternehmerschaft in ihrer tiefen Verachtung für alle politischen Parteien und die große Mehrheit ihrer führenden Vertreter.
3.6.1.1  Die Konzertierung
Bereits in den letzten Monaten des Jahres 1985 hatten sich die Beziehungen zwischen der DC und der Armee im Rahmen des vom Militärregime eingeleiteten Nationalen Dialogs vertieft. Nach dem Wahlsieg von Vinicio Cerezo intensivierten sie sich. Gleichzeitig übten die Sicherheitskräfte aber auch Druck aus und versuchten mit Drohungen, die von dem neuen Präsidenten angestrebten Veränderungen in ihrer Reichweite zu begrenzen. So wurde am 12. Dezember - am gleichen Tag, an dem Cerezo die Auflösung der Abteilung für technische Ermittlungen ankündigte - die Lehrerin Beatriz Barrios Marroquín brutal gefoltert und ermordet. Sie war bereits vorher verschleppt worden zu einem Zeitpunkt, als sie über die kanadische Botschaft gerade in Verhandlungen über ihre Ausreise stand. Dieses Verbrechen zog zwar diplomatische Proteste nach sich, wurde jedoch als Druckmittel gegen die Ankündigungen Cerezos eingesetzt, der Straflosigkeit der Sicherheitskräfte ein Ende setzen zu wollen. Vor seiner Amtseinführung als Staatspräsident traf sich Cerezo am 3. Januar 1986 mit dem Kommandeursrat, um die von ihm auserkorenen Funktionäre vorzustellen (Gramajo, 1995). Als Verteidigungsminister wählte er General Jaime Hernández Méndez, der bei dem Putsch gegen Ríos Montt eine Schlüsselrolle gespielt hatte und nur noch ein Jahr aktiven Dienstes in der Armee vor sich hatte. Chef des Generalstabs der Verteidigung (Estado Mayor de la Defensa, EMD) sollte der den sog. „desarrollistischen“ Strömungen
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nahestehende General Alejandro Gramajo werden. Cerezo hatte Gramajo in seiner Zeit als Militärattaché in Washington kennengelernt. Gramajo wiederum suchte sich als stellvertretenden Generalstabschef Oberst Manuel Antonio Callejas aus, den führenden Kopf der „Bruderschaft“ (La Cofradía)
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, der jedoch in seiner gesamten militärischen Laufbahn Gramajo loyal verbunden blieb. Zum Chef des Generalstabs des Präsidenten (Estado Mayor Presidencial, EMP) ernannte Cerezo Oberst Roberto Mata Gálvez, einen weiteren desarrollistischen Militäroffizier, der bei der Aufstandsbekämpfung eine wichtige Rolle gespielt hatte. Zum stellvertretenden Chef des EMP designierte er jedoch Oberst José Edgar Rolando Solís, Mitglied des militärischen Geheimdienstes und ebenso auch der „Bruderschaft“. Die Leitung des D-2 übernahm General Edgar Augusto Godoy Gaitán, der in der Zeit von General Lucas verschiedene Verwaltungs- und Generalstabsposten innegehabt hatte. Gramajo hatte sich als Offizier keine größeren Verdienste erworben, um den Posten des Generalstabschefs zu bekleiden, und die Tatsache, daß Jaime Hernández als Schlüsselfigur des Putsches von 1983 zum Minister ernannt wurde, obwohl er bereits in einem Jahr in den Ruhestand gehen sollte, bedeutete eine Anerkennung der 1983 etablierten Machtclique. Die Militärs, die sich durch ihre desarrollistischen Aktivitäten im Komitee für den Nationalen Wiederaufbau (Comité de Reconstrucción Nacional, CRN) einen Namen gemacht hatten, wurden befördert und erhielten Ämter im Generalstab der Verteidigung bzw. in der Regierung. Ihre neue Rolle ermöglichte es den Generalstabschefs des Präsidenten und Vizepräsidenten, innerhalb kürzester Zeit sämtliche öffentlichen Aktivitäten und Amtsgeschäfte des Präsidenten sowie des Vizepräsidenten zu kontrollieren. Gleichzeitig gelang es dem Militärregime, seine Zukunft rechtlich abzusichern: Am 10. Januar 1986 wurden von insgesamt 40 Gesetzesdekreten, die in diesen Tagen erlassen wurden, 16 zu diesem Punkt veröffentlicht. Zu den bekanntesten gehörten das Dekret 8-86, das eine Amnestie für alle politischen und damit verbundenen kriminellen Delikte in der Zeit von 1982 bis 1986 verfügte, sowie das Dekret 25-86, mit dem das Armeeverfassungsgesetz erneut modifiziert wurde. Im Rahmen dieses Pakets wurden noch weitere Gesetzesdekrete erlassen, die zwar in der Öffentlichkeit weniger Beachtung fanden, jedoch von großer Tragweite waren, so z.B. das Dekret 43-86 zur Einrichtung des Nationalen Sicherheitsrats (Consejo de Seguridad Nacional) und weitere Bestimmungen, die beispielsweise den Funktionären des Militärregimes lebenslange und vererbliche Pensionen zusprachen oder die rechtliche Vermögenslage des Armeekommissariats
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modifizierten. Darüber hinaus wurden die Zivilpatrouillen rechtlich anerkannt und in Zivilverteidigungskomitees (Comités de Defensa Civil) umbenannt. Das Ministerium für städtische und ländliche Entwicklung wurde neu geschaffen und der Vertrag zur Exportüberwachung mit dem französischen Unternehmen SGS abgesegnet. Drei Tage nach dem Amtsantritt des Präsidenten traf der Kommandeursrat mit seinem neuen Oberbefehshaber ein weiteres Mal zu einer Sitzung zusammen, auf der der Generalstabschef die neuen Leitlinien erläutern sollte (Gramajo, 1995). Bei dieser Gelegenheit unterstrich General Gramajo die Professionalität und apolitische Haltung der Streitkräfte und legte den Plan für den Feldzug „Konsolidierung 86“ vor. Er warnte vor Korruption und sprach von einer „zentralisierten Sicherheitsdoktrin“.
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Zu den Zielsetzungen des Feldzuges „Konsolidierung 86“ gehörte die Neudefinition einer integralen Sicherheitsdoktrin unter dem Stichwort „Nationale Stabilität“. „In Guatemala ist die Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“. Mit diesem Satz faßte der Präsident höchstpersönlich das neue Konzept zusammen. Im Hinblick auf die Mittel wies Gramajo darauf hin, daß zivile und sogar internationale Organisationen in die Betreuung der von dem bewaffneten Konflikt betroffenen Zivilbevölkerung einzubinden seien. Dies sollte insbesondere über das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR), die Einrichtung einer Sonderkommission für die Betreuung von Flüchtlingen (Comisión Especial de Atención a Refugiados, CEAR) und das Entwicklungsministerium sowie durch die Übergabe der Interinstitutionellen Koordinationsstellen an die neuen Zivilgouverneure geschehen. Gleichzeitig wurde angekündigt, daß die Zivilpatrouillen, die in „Freiwilligenkomitees“ umbenannt wurden, 1986 nicht verstärkt werden sollten. Trotz alledem schien sich der neue Regierungschef in den ersten Monaten seiner Amtszeit nicht vorrangig mit dem militärischen Thema zu beschäftigen. Er konzentrierte sich vielmehr darauf, mit den Unternehmern ein Programm zur ökonomischen und sozialen Neuordnung auszuhandeln, das den Anliegen der desarrollistischen Kreise in der Armee Rechnung tragen sollte.
3.6.1.2  Die ersten Vereinbarungen
Im Juni gab der Präsident auf einer Pressekonferenz bekannt, daß er im Begriff sei, ein an die neue demokratische Situation angepaßtes Konzept der nationalen Sicherheit zu erarbeiten. Die Presseabteilung der US-amerikanischen Botschaft veröffentlichte in diesen Tagen eine Rede des stellvertretenden Außenministers Elliot Abrams vor dem Interamerikanischen Verteidigungsausschuß (Colegio Interamericano de Defensa), in der er sagte: „Heute lernen wir eine neue Lektion: Neben der Verbindung zwischen Sicherheit und Entwicklung gibt es noch eine zweite Verbindung, nämlich die zwischen Sicherheit und Demokratie“. Wenige Wochen später räumte der neu ernannte Chef der Nationalpolizei, Oberst Julio Caballeros, ein, daß zwischen Polizei und Armee eine Koordination bestehe, denn dies sei „die erste Schlachtlinie im Kampf gegen die Subversion“. Ein Aspekt der Zusammenarbeit zwischen Staatspräsident und Armee nahm in der Öffentlichkeit besonders breiten Raum ein, nämlich die Reaktion auf den Druck, mit dem eine Aufklärung der Gewalttaten sowie die Verurteilung und Bestrafung der Verantwortlichen gefordert wurden. Die Streitkräfte erhielten auch bei der Kriegsplanung Unterstützung von Präsident Cerezo. 1986 wurde den unterstützenden Versorgungseinheiten Priorität eingeräumt, das Militärkrankenhaus wurde neu ausgerüstet, und Transporteinheiten wurden aufgestockt. Die Hilfe für die Umrüstungsmaßnahmen kam größtenteils aus den Vereinigten Staaten. 1986 beschränkten die Streitkräfte ihre Operationen auf “die Erprobung der eigenen Stärke“, wie Gramajo es nannte: kurze Streifzüge in die von der Guerilla kontrollierten Zonen, bei denen mit großen Truppenkontingenten in eng begrenzten Gebieten operiert wurde, um Verluste zu vermeiden. Diese Feldzüge von April-Mai und Oktober-Dezember konnten jedoch nicht verhindern, daß die Guerillaaktivitäten im ersten Halbjahr ein ähnliches Niveau wie 1985 erreichten. Allem Anschein nach waren der Offensivkraft der Armee durch die ökonomischen Schwierigkeiten Grenzen gesetzt. Wie in den letzten Monaten des Jahres aus der Presse zu entnehmen war, wurden jedoch im Zuge dieser Militäroperationen zahlreiche Zivilisten verhaftet, insbesondere im Ixil-Gebiet. Am deutlichsten zeigte sich die Zusammenarbeit der Zivilregierung mit den Militärs bei der Betreuung der Kriegsvertriebenen. Bereits im April kehrten die ersten Flüchtlinge zurück, die bei der katholischen Kirche in Izabal und La Verapaz Schutz suchten. In beiden Regionen wurden mehrere Rückkehrer von der Armee verschleppt und ermordet. Auf die darauffolgenden Proteste der Kirche ging der Präsident jedoch nicht ein (Mack, 1989). Das zweite Thema der Konzertierung zur Unterstützung der Armeestrategie war die Weigerung von Staatspräsident Cerezo, Gespräche mit der Guerilla aufzunehmen. Zunächst hatte die URNG in Erklärungen ihres Kommandanten „Pablo Monsanto“ eine „Wartepause“ angeboten, um der Regierung bei der Umsetzung ihrer Wahlversprechen keine Steine in den Weg zu legen. Im Mai 1986 präsentierte die URNG einen globalen Vorschlag zur Säuberung und Umstrukturierung der Sicherheitskräfte. Der Präsident antwortete darauf in seiner Rede zum Tag der Streitkräfte mit dem Hinweis, daß es keinen weitergehenden Dialog geben könne als den, die Amnestie in Anspruch zu nehmen. Im Oktober veröffentlichte die URNG einen offenen Brief, in dem sie einen Dialog auf höchster Ebene vorschlug. Nach Aussage von Gramajo wandte sich die Guerilla im November an die guatemaltekische Botschaft in Spanien mit dem Vorschlag, Gespräche aufzunehmen. Dies wurde vom Staatschef auch akzeptiert. Zum Jahresende zeigte sich die Guerilla jedoch bereits „enttäuscht“ von den Angeboten Cerezos und nahm ihre Operationen mit gleicher Intensität wieder auf. Was die Vorabsprachen mit den Unternehmern anbetrifft, so richtete sich die Bildung der christdemokratischen Regierung zwar nach parteipolitischen Erwägungen, doch wurden einige Schlüsselposten mit Personen besetzt, die deutliche Annäherungsmöglichkeiten an die Unternehmerschaft bieten konnten. Dazu gehörte beispielsweise der Präsident der Bank von Guatemala, Federico Linares, der der Familie Castillo nahestand. Zunächst handelte die Regierung mit der Unternehmerschaft einen Plan zur wirtschaftlichen Stabilisierung aus. Darin boten die Unternehmer bei entsprechenden Gegenleistungen ihre Unterstützung für bestimmte populistische Maßnahmen an, so z.B. eine Sondersteuer auf Exporte. Am 1. Mai trat das Programm zur ökonomischen und sozialen Neuordnung (Programa de Reordenamiento Económico y Social, PRES) in Kraft. Darin war die Bereitstellung von 100 Mio. Quetzales für die Schaffung von 400.000 neuen Arbeitsplätzen vorgesehen. Des weiteren sollten die Bankreserven aufgestockt werden, um das Volumen kurzfristiger Kredite zu reduzieren. Der Zinssatz wurde an die Inflationsrate gekoppelt. Für Exporte wurde eine abnehmende Steuerpauschale von 30% eingeführt. Der Devisenmarkt sollte unter Kontrolle gehalten werden. Es wurden jedoch drei verschiedene Wechselkurse festgelegt, so daß die Agrarexporteure zum Ausgleich für die Sondersteuern Devisen zu einem Kurs von 2,5:1 bekommen konnten. Im großen und ganzen zeigten sich die Unternehmer zufrieden mit dieser Globalvereinbarung, die für sie leichter zu akzeptieren war als ihre Absprachen mit der Militärregierung. Sie behielten sich jedoch das Recht vor, die „Verstaatlichungstendenzen“ der DC zu kritisieren und im Hinblick auf den Abbau des staatlichen Sektors weiterhin Druck auszuüben (bezahlte Anzeige in Prensa Libre, 21.3.1986). Die wirtschaftliche Bilanz der ersten zwei Jahre christdemokratischer Regierung fiel zwar durchaus akzeptabel aus, doch einzige Nutznießer waren dabei die Unternehmer, denn die populistischen bzw. desarrollistischen Inhalte des Wirtschaftsprogramms wurden trotz der Aufstockung des Staatshaushaltes nicht umgesetzt. Aufgrund des Drucks, den die Bank von Guatemala in der Geldpolitik ausübte, tätigte die Regierung 1986 lediglich 30% der geplanten Sozialabgaben.
3.6.1.3  Die ersten Spannungen
Die Regierung reagierte rasch auf diese Entwicklung und vollzog 1987 einen politischen Kurswechsel. Die Antwort der Unternehmer folgte auf dem Fuß. Am 19. März veröffentlichte der Präsident sein „Memorandum an alle Guatemalteken“, in dem er den Plan zur nationalen Neuorganisation (Plan de Reorganización Nacional, PRN) erläuterte. Darin waren umfassende Strukturreformen vorgesehen, um so die „soziale Schuld“ des Staates gegenüber seiner Bevölkerung zu begleichen. Noch im selben Monat kündigte die Regierung eine Kampagne zur Übergabe von Staatsland an. Der Großgrundbesitzerverband UNAGRO (Unión Nacional del Agro) forderte daraufhin die Ablösung von Landwirtschaftsminister Rodolfo Estrada. Als Antwort darauf begann die Regierung, Möglichkeiten für eine Steuerreform auszuloten: Sie überprüfte die Steuerbemessungsgrundlage, führte eine differenzierte Mehrwertsteuer ein und hob die Abgaben für bestimmte Importprodukte an. Der Präsident nahm erneut Verhandlungen mit der Privatwirtschaft auf. Dabei ging es um zwei Punkte: die Steuerreform und die Rolle des Staates in der Wirtschaft. Gleichzeitig forderte er den Unternehmerdachverband CACIF (Comité Coordinador de Asociaciones Agrícolas, Comerciales, Industriales y Financieras) zur Zahlung von 100 Mio. Quetzales auf, um das Staatsdefizit zu verringern. Darüber hinaus wurde eine Regierungsumbildung vorgenommen: Rodolfo Paiz übernahm das Wirtschaftsressort und bereitete am Rande der Verhandlungen seine Steuerreformen vor. Aufgrund der daraus resultierenden politischen Spannungen trat der Präsident der Bank von Guatemala, Federico Linares, zurück. Im März wurde durch Regierungsbeschluß die Präsidialabteilung für Verwaltungskontrolle (Departamento de Control Administrativo de la Presidencia, DECAP) unter der Leitung von Oberst Hugo Morán Carranza geschaffen, der sich im Finanzministerium mit der Überwachung von Steuerhinterziehungen einiger Unternehmer befaßt hatte. Vor diesem Hintergrund kam es erstmals zu einer harten öffentlichen Auseinandersetzung zwischen den Spitzenvertretern der Unternehmer und der Regierung: dem Unternehmerstreik vom September 1987. Damit wurde ein Schlußpunkt unter die Etappe der Konzertierung gesetzt, und der neue Stoßtrupp der Unternehmerschaft trat aufs öffentliche Parkett.
3.6.1.4  Unruhe in den Kasernen
Nach Schilderungen Gramajos konzentrierten sich die ersten Proteste der Militärs auf den „Revanchismus“ ziviler Funktionäre, die neu an die Regierung gekommen waren und eine antimilitaristische Gesinnung vertraten. Im Mai 1986 warnten Beobachter vor der Gefahr, daß sich in der Armee eine neue „Kamarilla“ von hohen Offizieren herausbilden könnte, die dem Präsidenten allzu nahestünden, so daß die unter Mejía Víctores erreichte institutionelle Stabilität zusammenbrechen könnte. Die desarrollistische Politik stieß in Militärkreisen auf Kritik, da sie aufgrund der Unfähigkeit der Verwaltung, des Drucks aus dem unternehmerischen Lager und der Widersprüche zwischen dem Entwicklungsministerium (unter Leitung von René de León Schlotter) und anderen Regierungsbehörden wie z.B. dem Vizepräsidialamt (unter Roberto Carpio Nicolle) ins Stocken geraten war. Nach wie vor räumten die Streitkräfte ihrer Abteilung für zivile Angelegenheiten höchste Priorität ein, bis der Generalstab 1986 seine Doktrin öffentlich verkündete. Die Abteilung für zivile Angelegenheiten verbreitete Ende des Jahres ein Dokument mit dem Titel „Analysen zu den Ursachen für die Unwirksamkeit der Globalstrategie der Regierung“. Der Kampf gegen die Korruption, den der Präsident in den ersten Monaten seiner Amtszeit verheißen hatte, weckte auch in den Reihen der Armee Argwohn und Mißtrauen, denn seine Anspielungen auf die „Korruption in der Vergangenheit“ konnten sich durchaus auch auf die Streitkräfte beziehen. Die auf dem Treffen der zentralamerikanischen Präsidenten in Esquipulas
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angekündigte Außenpolitik der „aktiven Neutralität“ verunsicherte die Militärs ebenso, da der guatemaltekische Verteidigungsminister zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Zentralamerikanischen Verteidigungsrates (Consejo de Defensa Centroamericano, CONDECA) war. Die Sicherheitspolitik der neuen Regierung rief bei den Streitkräften Unmut hervor. Die Auflösung der Abteilung für technische Ermittlungen (DIT) schien für die geheimdienstlichen Strukturen kein größeres Problem darzustellen, denn deren wichtigste Kader wurden in die neu geschaffene Brigade für Sonderermittlungen und Betäubungsmittel (Brigada de Investigaciones Especiales y Narcóticos, BIEN) integriert. Auch bei den bürgerlichen Garantien waren keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Richter nahmen lediglich die Daten aus dem Archiv der ehemaligen DIT mit polizeilicher Bestätigung zur Kenntnis. Die Prioritäten der Sicherheitspolitik schienen sich in diesem ersten Jahr jedenfalls darauf zu konzentrieren, Methoden und Strukturen zu erneuern und die bestehenden Datenbanken zu aktualisieren. Neben einigen Gewalttaten im Landesinneren, an denen sich zeigte, daß sich die Bezirkskommandanten nicht an die „zentralisierte Doktrin“ hielten, gehörte der psychologische Feldzug gegen die Gruppe für gegenseitige Unterstützung (GAM) zu den wichtigsten Ereignissen dieser Zeit.
3.6.1.5  Die Stärke der neuen Unternehmerrechten
Mit dem Amtsantritt der neuen Regierung übernahmen auch neue Gruppen die Kontrolle über die Entscheidungsorgane der Unternehmerschaft, und dies gerade zu einem Zeitpunkt, als die wirtschaftliche und politische Konjunktur auf regionaler und internationaler Ebene eine Entwicklung und größere Stärke der guatemaltekischen Unternehmer zu begünstigen schien. Die Wirtschaftssektoren, die von den geldpolitischen Maßnahmen der Regierung profitierten, erholten sich rasch. So nahm im Lauf des Jahres 1987 der Anbau von nicht traditionellen Exportprodukten und von Zucker und Baumwolle zu. Dies ging auf die Preise auf dem Inlandsmarkt zurück, die in Verhandlungen mit dem Wirtschaftsminister durchgesetzt worden waren; im Fall des Kaffeeanbaus auf die Legalisierung des Exports. Gleichzeitig kam es durch die Freigabe der Höchstpreise zu einer Ausweitung der Industrie- und Getreideproduktion. Nach Angaben des CACIF wuchs der Bausektor um 20%, und die Einnahmen aus dem Tourismus stiegen im Vergleich zu 1986 auf das Dreifache. Der CACIF kündigte eine Rückkehr von Fluchtkapital in Höhe von 200 Mio US-$ nach Guatemala an. Die nicht traditionellen Exporte nahmen um 53% zu. Im Finanzsektor setzte sich der Konzentrationsprozeß mit wachsender Intensität fort: Bereits 1983 kontrollierten die drei größten Banken 23% der Finanztransaktionen. Bis 1987 stieg ihr Anteil auf 39% (Marroquín/Escoto, 1993). All diese Faktoren trugen dazu bei, daß die organisierte Unternehmerschaft zunehmend auf Konfrontationskurs mit der Regierung ging. Schon im März 1986 hatten sich der Nationale Baumwollverband (Consejo Nacional del Algodón) und der UNAGRO den Vorschlägen zur Diversifizierung der Baumwollanbaugebiete widersetzt, in denen ein Großteil der Ländereien brachlag. Als 1987 Juan Luis Bosch und Víctor Suárez die Leitung der Industriekammer übernahmen und Edgar Heinemann an die Spitze der Handelskammer trat, setzte sich in der Unternehmerschaft eine härtere Linie durch. Am 11. September rief der CACIF den ersten landesweiten Unternehmerstreik aus, der einen halben Tag dauerte. Der MLN-Abgeordnete Juan Carlos Simons brachte die neuen Steuern mit dem in Madrid geführten Dialog mit der Guerilla in Verbindung. „Die Armee ist gespalten“, meinte er. Verteidigungsminister General Gramajo wiederum sprach sich gegen die „destabilisierende Rechte“ aus, die bestrebt sei, die Armee ihre „schmutzige Arbeit“ erledigen zu lassen. Für die Unternehmer ging die Steuerschlacht letztlich negativ aus, da die Steuern beschlossen wurden. Innerhalb des unternehmerischen Lagers kamen jedoch unkontrollierte Kräfte zum Tragen, die nicht lange warten würden, um die schwierigen Kompromisse des institutionellen Übergangs zum Kippen zu bringen.
3.6.1.6  Schlacht ohne Sieger
Mit der neuen Zivilregierung hörte die selektive Repression gegen die Volksbewegung nicht auf: Am 15. Mai wurde Pastor Nicolás Chuy Cumes ermordet, und am 2. Juni gab die GAM bekannt, daß in den ersten sechs Monaten des Jahres 120 Personen verschwunden seien. Auch 1987 besserte sich die Situation nicht. Die Morde gingen weiter, und nach wie vor ließ man Gewerkschafter, Akademiker und Studenten verschwinden. So wurden beispielsweise im April vier Ärzte in der Hauptstadt getötet. In den meisten Fällen schien die Repression den Interessen der Aufstandsbekämpfung zu gehorchen, wenngleich sie am 20. März 1987 von Präsident Cerezo mit der gewöhnlichen Kriminalität begründet wurde. Er behauptete, daß „bisher noch kein einziger Gewerkschaftsführer oder Politiker angegriffen worden ist“. In den ländlichen Gebieten, in denen die URNG ihren militärischen Druck verstärkte, war die Repression ausgeprägter, insbesondere in den Regionen Suchitepéquez, San Marcos und Quetzaltenango. Als Antwort auf die Bewegungen (der Kleinbauern und Landarbeiter, d. Ü.), die Land forderten, und die ständige Präsenz der ORPA kam es zu einer ganzen Serie von Morden. In Izabal hatte es gewerkschaftliche Kämpfe gegeben, und im Osten sowie an der Südküste weitete sich die Guerillapräsenz aus. Auch in diesen Gebieten wurde die Repression spürbar, insbesondere in Chiquimula. 1986 konzentrierte die Armee ihre Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen auf das Ixil-Gebiet. Im September startete sie ihre Offensive „Jahresende“, um die Bevölkerung, die in den Guerillagebieten noch überleben konnte, in die Hand zu bekommen. Nach diesem Feldzug erklärte General Gramajo am 14. November, daß jede Woche 90 Familien im Ixil-Gebiet Schutz bei der Armee suchten. Der Bau der Modelldörfer wurde beschleunigt vorangetrieben. Die Armee behauptete, 2.000 von insgesamt schätzungsweise 7.000 Vertriebenen 1987 zurückgewonnen zu haben. Seitdem General Gramajo das Verteidigungsministerium übernommen hatte, begann sich eine neue Armeestrategie abzuzeichnen, die jedoch nach dem Putschversuch vom Mai 1989 in den Hintergrund geriet und zunehmend an Bedeutung verlor, als Gramajo im Mai 1990 seinen Posten abgab. 1991 wurde sie mit der Amtsübernahme der neuen Regierung von einer neuen Strategie abgelöst. Die von Gramajo vorgegebene Linie hatte jedoch Elementen und militärischen Kadern zum Durchbruch verholfen, die im Mai 1993 erneut zum Tragen kamen. Sie waren diejenigen, die von 1994 an die Verhandlungsprozesse über die Zukunft der Streitkräfte bis zu deren Abschluß bestimmten. Wenn der Prozeß, in dem sich die Zivilregierung an die Bedingungen der Militärs anpaßte, kennzeichnend für das Jahr 1986 wurde, so waren 1987 die neue Militärclique und ihr Diskurs das beherrschende Element, bis es im Mai 1988 mit einem Putschversuch zur ersten Konfrontation kam. Die Bildung einer neuen Gruppe an der Armeespitze und deren Beziehungen zum anderen Machtfaktor, den Unternehmern, waren in dieser Phase die zwei grundlegenden Bestimmungsfaktoren. Noch genoß die Zivilregierung einen beträchtlichen Vertrauensvorschuß im Rahmen dessen, was später als „überwachte Demokratie“ bezeichnet wurde. Die Repressionsmaßnahmen wurden im wesentlichen den militärischen Zielen untergeordnet, wenngleich bereits die ersten Anzeichen für eine autonome Repressionsstragie sichtbar wurden.
3.6.1.7  Die Macht des „Syndikats“
Zwar einten Corpsgeist und Gruppenprivilegien die gesamte Armee gegen den Druck und die Bedrohung von außen, doch andererseits begünstigte die Dynamik der Ausgrenzung und Konkurrenz in der militärischen Laufbahn die Entstehung von Loyalitätsgruppen im Inneren der Streitkräfte. Durch die verstärkte Ausweitung der Befehlsstrukturen in der Armee zu Beginn der achtziger Jahre, als der Aufstandsbekämpfungskrieg seine härteste Phase durchlief, wurde diese Entwicklung zusätzlich begünstigt. Mit dem neuen Armeeverfassungsgesetz sollten nun zahlreiche Obersten mit gerade einmal 50 Jahren in den Ruhestand gehen, ohne die Gelegenheit zum Aufstieg in die militärischen Spitzenränge gehabt zu haben. Hinzu kam, daß General Gramajo von diesem Moment an die Beförderung einer Gruppe hoher Offiziere betrieb, die seinem Programm getreu ergeben waren. Die anderen Offiziere fühlten sich beiseite geschoben und fingen an, für das „historische Recht“ der Gruppe von 28 Obersten zu agitieren, die den Kommandeursrat bildeten und den Putsch vom August 1983 unterstützt hatten. Gramajo wollte das „Syndikat“ zu einer auf seine Person fixierten Gruppe im Dunstkreis seiner Führung machen. Die Bemühungen, eine These der nationalen Stabilität zu entwickeln und so die Militärdoktrin zu erneuern, gingen in diese Richtung. Alles scheint auf einen Faktor hinzudeuten, der Gramajo half, seinen Einfluß zu festigen, nämlich die in den hohen Offiziersrängen entstandene Verunsicherung über die Koexistenz mit einer Zivilregierung. Dennoch stieß Gramajo bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit auf rivalisierende Führungsstrukturen und Meinungsströmungen, die sich an die althergebrachten Schemata klammerten. Als ersten Schachzug setzte Gramajo die Ernennung von General Manuel Antonio Callejas, dem Offizier mit der stärksten Führungsmacht innerhalb der „Bruderschaft“, zum Generalstabschef der Verteidigung durch. Gleichzeitig mußte er aber auch andere Militärs befördern, die seiner Führungslinie unverhohlen feindselig gegenüberstanden, so z.B. die Generäle Pablo Nuilo, José Luis Díaz Muñoz (Militärbasis Mariscal Zavala) und Julio César Ruano (Chef der Ambulanten Militärpolizei, PMA) oder den Geheimdienstchef von 1985, Oberst Byron Disrael Lima (er wurde zum Kommandeur des Militärbezirks Poptún, Petén, designiert). Die genannten Militärs wurden in dieser Zeit in der Armee befördert und wieder degradiert. General Gramajo berief einen eigenen Arbeitsstab im Verteidigungsministerium ein und besetzte auch andere staatliche Behörden mit ihm nahestehenden Offizieren. Diese Gruppe (Offiziere unterschiedlicher Rangstufen) entwickelte die neue Militärstrategie für die Bereiche innere Sicherheit, internationale Beziehungen und institutionelle Politik innerhalb der Streitkräfte. Gramajo höchstpersönlich hat angedeutet, daß diese Clique auf einigen Gebieten, die mit der Politik des Verteidigungsministeriums in direkter Beziehung standen, über eine beträchtliche Macht verfügte, so bei den Gesprächen mit der URNG, den internationalen Verhandlungen über Menschenrechtsfragen oder den Grenzen der „zentralisierten Doktrin“ der inneren Sicherheit.
3.6.1.8  Die Doktrin der Nationalen Stabilität
Die von Staatspräsident Vinicio Cerezo im Juni 1986 angekündigte neue Politik der nationalen Sicherheit nahm 1987 und 1988 unter der Regie von General Gramajo allmählich Gestalt an. Die Rolle der Streitkräfte als „Garant für das Überleben des Staates“ wurde klar definiert. „Wir müssen die moralische Reserve der Nation sein“, meinte Gramajo. Das zentrale Dilemma dieses Ansatzes bestand für ihn in dem Versuch, eine Antwort auf folgende Frage zu geben: „Ist die Armee antikommunistisch oder prodemokratisch?“ Die Zivilregierung wurde als Instrument für die Kontinuität der globalen Aufstandsbekämpfungspolitik der Armee gesehen. Es gelte, „die Sicherheit als Grundlage der nationalen Stabilität zu bewahren“. Parallel dazu bemühte sich Gramajo, sein neues militärisches Denken auch anderen Teilen der Gesellschaft nahezubringen. Der wichtigste Schritt war jedoch das sogenannte „Unternehmerforum 27 Jahre Freiheitskampf“. 1988 veröffentlichte der Generalstab der Nationalen Verteidigung ein Dokument mit dem Titel „Die These der Nationalen Stabilität“. Darin wurde das Konzept der „inneren Sicherheit“ beschrieben als „Maßnahmenpaket, das vom Staat im Rahmen der nationalen Sicherheit auf Landesebene umgesetzt wird, um so die Widersprüche bzw. Zwänge jeglichen Ursprungs, jeglicher Form und Natur zu beseitigen oder zu neutralisieren, die sich der Erreichung und Aufrechterhaltung der nationalen Ziele entgegenstellen oder entgegenstellen könnten.“ Das neue Konzept der Nationalen Stabilität und die Form, in der es sowohl innerhalb als auch außerhalb der Armee präsentiert wurde, rief bald danach eine oppositionelle Strömung in den Streitkräften auf den Plan, die 1988 in einem Putschversuch endete.
3.6.1.9  Die Offensive „Jahresende“
Der Plan für den Feldzug „Stärke 87“ sah eine Komponente „nach außen“ vor, die von September an konkreter wurde: Die Armee zog Sondereinheiten und Truppen aus mehreren Militärbezirken zur sogenannten „Offensive Jahresende“ gegen die Guerillafronten des EGP und der ORPA zusammen. Im März wurde unter den Arbeitslosen der Südküste eine massive Rekrutierungskampagne unter dem Motto „Freundschaft 87“ durchgeführt. Auffällig war der Einsatz mehrerer Chinook-Hubschrauber im April, die das Südkommando der US-Streitkräfte der guatemaltekischen Armee zur Verfügung gestellt hatte, um Truppen zur Verstärkung in den Militärbezirk Playa Grande zu verlegen. Einen Monat später unternahm das Heer mehrere Vorstöße gegen die Guerillafronten im Ixil-Gebiet, die von massiven Rekrutierungsmaßnahmen für die Zivilpatrouillen begleitet waren. Für die Offensive „Jahresende“ im Norden des Landes wurden etwa 3.500 Soldaten mobilisiert. Dabei wurden die Bataillone aller beteiligten Militärbezirke zusammengelegt und außerdem Sondertruppen eingesetzt. Durch die Zentralisierung des Oberbefehls in der Kommandantur der Sondereinsatztruppe Kaibil Balam unter Oberst Jaime Rabanales konnten die militärischen Maßnahmen für präzise Ziele gebündelt werden, so daß die Armee in der Lage war, vorgeschobene Patrouillenposten in Gebieten einzurichten, die zuvor von den Guerillafronten kontrolliert wurden. Die Auswirkungen der Offensive „Jahresende“ bekamen die Vertriebenen jedoch eher zu spüren als die militärischen Einheiten der Guerilla, die kaum Verluste erlitten. Die Pläne der Militärs gerieten allerdings in Schwierigkeiten, als der Kongreß der Vereinigten Staaten die beantragte Unterstützung von 10 Mio. US-$ ablehnte. Im Januar 1988 kündigte Gramajo den Feldzug „Einheit 88“ an, der darauf abzielte, „den militärischen Vorteil in einen politischen Vorteil umzumünzen und zu verhindern, daß die Guerilla Kontakt zur Bevölkerung herstellt“. Die Sondereinsatztruppen wurden aufgelöst. Die Hauptgewicht der Offensive lag nun bei den Sondereinheiten der Fallschirmjäger, der Ehrengarde und den Kaibiles. Ihr Auftrag bestand darin, die 1987 eroberten vorgeschobenen Posten zu halten, während die Truppen der Militärbezirke die Kontrolle der Bevölkerung übernahmen. Im Februar 1988 startete die ORPA eine Offensive im Gebiet von Patzún. Bis dahin waren dort keine nennenswerten Guerillaaktivitäten verzeichnet worden. Gleichzeitig intensivierten die FAR ihrer Besetzungsaktionen von Dörfern und Straßen in Petén. Der EGP konzentrierte seine Bemühungen darauf, seine Guerillafronten weiter in den Süden der Linien vorzuschieben, bis zu denen die Offensive „Jahresende“ gekommen war, und sein Logistiknetz unabhängig von den Vertriebenen wieder aufzubauen.
3.6.1.10  Aktive Neutralität
1987 erläuterte Cerezo seinen Gesinnungsgenossen den Kern der aktiven Neutralität: „Die Gefahr für uns liegt nicht in Nicaragua, sondern in den Bergen. Man muß mit dem regionalen Konflikt so umgehen, daß er uns in unserer internen Situation Nutzen bringt.“ Bis zu diesem Zeitpunkt war die Außenpolitik der Zivilregierung lediglich eine Fortsetzung der außenpolitischen Linie der Militärregierungen. Als die mittelamerikanischen Staatspräsidenten jedoch wenige Monate später den Friedensplan des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias annahmen, begann die guatemaltekische Regierung, die Kontrolle über die Lage zu verlieren. Gramajo nahm in Washington Verbindungen zur Kanzlei des liberalen Anwalts Paul Ritchler auf, der auch als Berater für die sandinistische Regierung tätig war. Die guatemaltekische Regierung hatte das Außenministerium Alfonso Cabrera anvertraut, dem „starken Mann“ der DC. Cabrera umgab sich mit Personen wie Ariel Rivera und Antonio Arenales Forno, die das Vertrauen der Armee genossen, und entsandte andere wie José Luis Chea und Francisco Villagrán jr. nach Genf bzw. Washington. Zwar wurde eine Kommission zur Überwachung der Einhaltung der Friedensvereinbarungen gebildet, doch vertraute Cerezo darauf, daß seine Vermittlungsbemühungen in bezug auf die Sandinisten jeglichen Druck von seiten der Guerillagruppen neutralisieren würden. Abgesehen davon beschränkte sich die Regierung auf eine formale Einhaltung ihrer Verpflichtungen: Im November verkündete sie ein neues Amnestiedekret (das während der Offensive „Jahresende“ als Propagandainstrument eingesetzt wurde), richtete die Nationale Versöhnungskommission (Comisión Nacional de Reconociliación, CNR) ein und traf sich im Oktober in Madrid mit der URNG. Die URNG wiederum weitete ihre politisch-diplomatischen Aktivitäten beträchtlich aus. 1988 beharrte sie weiterhin auf ihren Vorschlägen für einen Waffenstillstand, die Einrichtung entmilitarisierter Zonen und die Aufnahme politischer Gespräche mit der Regierung. Gleichzeitig konzentrierte sie ihre politischen Initiativen auf Institutionen, die wie die katholische Kirche, die Nationale Versöhnungskommission oder auch der costaricanische Präsident Oscar Arias ihre Vermittlungsbereitschaft signalisiert hatten. Vor dem Hintergrund dieser Initiativen entwickelte die Armee ein Defensivkonzept, mit dem sie sich auf die Rechtmäßigkeit der Verfassung von 1985 berief und die Strategie vertrat, „den Subversiven unter keinen Umständen den Status einer kriegführenden Partei in einem inneren Konflikt zuzuerkennen“. Diese Position legte der Oberbefehl der Streitkräfte im Februar 1988 auf einer Sitzung der Nationalen Versöhnungskommission dar. Die Armee konnte jedenfalls durchsetzen, daß der interne Konflikt in Guatemala 1987 und 1988 im mittelamerikanischen Friedensprozeß nicht auf der Tagesordnung stand.
3.6.1.11  Die „Botschaft“ und andere Techniken
Die Repressionsmaßnahmen der Armee hatten in dieser Phase zwei Stoßrichtungen: Zum einen ging es um die Entwicklung des Krieges, zum anderen um die Einschüchterung der Volksorganisationen oder der Aktivisten der Guerillagruppen, die ins Land zurückkehrten. Ausdruck davon war die sogenannte „Technik der Botschaft“ (Jonas, 1994)
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. Bei einer Verlaufsbetrachtung der Menschenrechtsverletzungen in der Zeit von Januar 1987 bis Mai 1988 fällt zunächst die lange Liste von Entführungen und Foltermorden an der ländlichen Bevölkerung von San Marcos, Retalhuleu, Suchitepéquez, Sololá und Chimaltenango durch uniformierte Truppen auf. Da es sich um Gebiete handelte, in denen die Guerillafronten der ORPA auf dem Vormarsch waren, liegt die Vermutung nahe, daß es sich dabei um Verbrechen gegen mutmaßliche Unterstützer der Guerilla handelte. Die Tatsache, daß niemand festgenommen und den Gerichten überstellt wurde, gibt Anlaß zu der Annahme, daß die Militärbehörden in den Konfliktgebieten die Politik verfolgten, Menschen zu verschleppen und verschwinden zu lassen, die der Zusammenarbeit mit der Guerilla verdächtigt wurden. Deutlich spürbar wurde dies in Gemeinden wie z.B. Santiago Atitlán. Ein weiteres Kennzeichen der staatlich kontrollierten Repressionspolitik bestand darin, daß in der Hauptstadt weiterhin Einheiten der Nationalpolizei eingesetzt wurden, um die Organisationen der Volksbewegung einzuschüchtern. Dabei versuchte man, so vorzugehen, daß die Repressionsakte auf gewöhnliche Kriminalität und sonstige Formen der Gewalt zurückgeführt werden konnten. Diese Art der Repression richtete sich vornehmlich gegen mittlere Kader und namenlose Aktivisten, die international keinen großen Widerhall fanden. Als der Staatspräsident im März 1987 nach der Zunahme von Menschenrechtsverletzungen gefragt wurde, schrieb er diese der gewöhnlichen Kriminalität zu. Mit Unterstützung der deutschen, venezolanischen, US-amerikanischen und spanischen Regierung wurde die Nationalpolizei aufgerüstet. Gleichzeitig wurden ihre Einheiten unter der Kontrolle von Geheimdienstoffizieren des D-2 für die „schmutzige Arbeit“ der Gegenspionage mißbraucht (WOLA, 1989). Es gibt jedoch genügend Hinweise darauf, daß dies zu Widersprüchen in der Sicherheitspolitik führte. Die von Innenminister Juan José Rodil Peralta verkündete Entwicklung und Modernisierung der Polizeikräfte wurde von Gruppen innerhalb der Armee zur Destabilisierung genutzt. Im Dezember 1987 vertrat der Kolumnist Danilo Roca die Meinung, daß die Regierung im Begriff sei, eine sicherheitsdienstliche Supereinheit des Präsidenten unter der Leitung von Rodil Peralta aufzubauen, die zu einer Herausforderung für die Armee werden könnte. Wenngleich dieser Behauptung möglicherweise nur die Absicht zugrundelag, die Militärs zu verunsichern, spiegelte der Zwischenfall um den sog. „Weißen Lieferwagen“ (Pánel Blanca)
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vom März 1987 interne Auseinandersetzungen um die Kontrolle der staatlichen Sicherheitskräfte wider. Der Regierung gelang es, sich als verfolgtes „Opfer“ von Extremisten beider Lager darzustellen, die nach wie vor auf das Mittel der Gewalt zurückgriffen. Entsprechend konnte sie die Versammlung der UN-Menschenrechtskommission im März 1987 zu dem Beschluß bewegen, den Beobachter für Guatemala zurückzuziehen und ihn durch einen Berater zu ersetzen. Der Bericht des US-Außenministeriums über die Menschenrechtslage in Guatemala 1987 räumte Fortschritte bei der Kontrolle der staatlichen Gewalt ein. Neben der formalen Einhaltung der Vereinbarungen von Esquipulas II ernannte die guatemaltekische Regierung zu diesem Zweck einen Menschenrechtsbeauftragten und versuchte, die GAM zu neutralisieren, indem sie eine interne Dissidentengruppe der GAM anerkannte und ein Gesetz zur Unterstützung von Witwen und Waisen verabschiedete. Dadurch sollte der Gruppe ihre Anhängerschaft entzogen werden. In der Flüchtlingsfrage zeigte sich die defensive Haltung der Regierung besonders deutlich: Zwar hatte der Präsident im Januar 1987 auf einem Treffen mit Vertretern des UNHCR die freie Rückkehr der Flüchtlinge akzeptiert, doch setzte der Militärkommandeur von Huehuetenango eigenmächtig die Unterzeichnung eines Amnestiebeschlusses für die Rückkehrer durch
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. Die katholische Kirche sah sich daraufhin zu der Einschätzung veranlaßt, daß die Bedingungen für eine Rückkehr noch nicht gegeben seien. In einem von Oberst Molina Bedoya verfaßten Dokument, in dem er von einer Rückkehr abriet oder aber eine Internierung der Rückkehrer in Sonderlagern nahelegte, bekräftigte die Armee erneut ihre harte Haltung. Auf dem Forum „27 Jahre Freiheitskampf“ räumte Gramajo höchstpersönlich ein, daß dieses Thema im Generalstab erörtert worden sei. Der Generalstab habe geraten, die Rückkehr nicht zu genehmigen, solange es nicht gelänge, eine „gewisse psychologische Konditionierungsarbeit“ zu leisten. Sowohl in der Flüchtlingsfrage als auch bei den Inlandsvertriebenen vertrat die offizielle Seite jedenfalls den Standpunkt, daß es sich dabei um Unterstützungsbasen der Guerilla handele, die die Armee im Begriff sei zurückzugewinnen. Zur gleichen Zeit gelang es dem Präsidenten, erste Mittelzuwendungen zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerung zu erhalten, und die Sonderkommission für die Betreuung von Flüchtlingen (CEAR) wurde ins Leben gerufen. Dennoch konnte er die militärischen Oberbefehlshaber nicht dazu bewegen, die Vertriebenen nicht mehr wie Kriegsgefangene zu behandeln (Mack, 1989).
3.6.2  3.6.2 Die Verschwörung 1988/89
Die Regierung begann das Jahr 1988 mit dem Versuch, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Der Präsident bezeichnete 1988 als das „Jahr der konkreten Umsetzungen“ und nahm erneut das Reformprogramm des Plans zur nationalen Neuordnung in Angriff. Er entwickelte fieberhafte Aktivitäten und hielt alle 10 Tage Kabinettssitzungen ab. Im Vorfeld der Gemeindewahlen wurde im Februar das Entwicklungsrätegesetz (Ley de Consejos de Desarrollo) verabschiedet. Im Zuge ihrer populistischen Kampagne unterzeichnete die Regierung im Februar einen Pakt mit der Einheit für Gewerkschafts- und Volksaktionen (Unidad de Acción Sindical y Popular, UASP) und brach die Gespräche mit dem CACIF ab. Das Abkommen beinhaltete eine Anhebung der Energiepreise für kommerzielle und industrielle Zwecke um 40%, Lohnerhöhungen von 50 Quetzales in der Privatwirtschaft und eine Neuregelung der Mindestlöhne. Im Vertrauen auf ihren Sieg vom Vorjahr in der Frage der Steuerreform ging die Regierung auf isolierte, aber einflußreiche Unternehmergruppen zu. Dabei wurde sie vom neuen Botschafter der Vereinigten Staaten, James Michel, indirekt unterstützt. Die Bischofskonferenz begrüßte diesen Kurswechsel der Regierung und veröffentlichte am 29. Februar 1988 ihren Hirtenbrief „Der Schrei nach Land“. Gleichzeitig legte die Armee ihre Strategie der Nationalen Stabilität fest, nach der die Zivilregierung als Instrument für die Kontinuität ihrer globalen Aufstandsbekämpfungspolitik verstanden wurde.
3.6.2.1  Die Staatsstreiche
Diese Serie von Maßnahmen erregte die Gemüter der radikalsten Strömungen in der Unternehmerschaft. Als die DC bei den Gemeindewahlen einen überwältigenden Sieg über die Koalition aller rechten Gruppen erringen konnte, kanalisierte sich die Unzufriedenheit eines Teils der Unternehmer durch eine Gruppe von Militärs, die bereits gegen die Regierung konspirierten. Am 11. Mai kam es zu einem Putschversuch, mit dem der Destabilisierungsprozeß der christdemokratischen Regierung einsetzte. In diesen Putschversuch waren allem Anschein nach die Unternehmer Edgar Heinemann (Handelskammer), Edgar Alvarado Pinetta (UNAGRO), Gustavo Anzueto Vielmann und Juan Luis Bosch verwickelt. Andere Unternehmergruppen hatten den Transport der Putschisten aus Jutiapa und Retalhuleu organisiert. Der Putschversuch von 1988 zeigte sofortige Wirkung: Die Regierung räumte den Ausgaben für die Aufstandsbekämpfungspolitik Vorrang ein und versuchte, kriegswichtige Entwicklungsmaßnahmen voranzutreiben. Der Präsident ordnete Mittelzuwendungen an das Verteidigungsministerium in Höhe von 30 Mio. US-$ aus einem „vertraulichen Fonds“ für den eiligen Kauf von Bell-Helikoptern und M-16-Gewehren an. Dies führte in der Bank von Guatemala zu Liquiditätsproblemen. Ebenso begann die Regierung, das Ministerium für Kommunikation und Öffentliche Arbeiten bevorzugt mit Haushaltszuwendungen zu versorgen. Dieses Ministerium war indirektes Durchführungsorgan der militärischen Projekte, insbesondere in den Gebieten, in denen die Offensive „Jahresende“ stattgefunden hatte. Im Ergebnis verschlang die Armee 1988 insgesamt 22,3 Mio. Quetzales aus dem vertraulichen Fonds des Präsidialamtes sowie weitere Zuwendungen aus anderen Ministerien. Damit stiegen ihrer Unterhaltungskosten auf 31 Mio. Quetzales, ihre Investitionsausgaben auf 11 Mio. Quetzales. Die US-Regierung gewährte eine Notsonderzahlung in Höhe von 75 Mio. US-$ zur Stabilisierung der Finanzlage, da bereits Informationen über eine erneute Kapitalflucht durchsickerten, die jedoch nach Aussagen aus Unternehmerkreisen auf den Zinsanstieg auf den internationalen Märkten zurückzuführen war. 1989 begann die Regierung ihren Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen von 1990 und entwickelte sich zu einer Maschinerie des Mißbrauchs von Regierungsgeldern. Um den Präsidentschaftskandidaten Alfonso Cabrera formierte sich eine Clique von Anhängern. Am 9. Mai kam es jedoch zu einem neuen Putschversuch. In ihrem Kommuniqué griffen die Putschisten die korrupte DC-Regierung an, die versuche, sich an der Macht zu halten und sich den Justizbehörden zu widersetzen. Gleichzeitig forderten sie den Rücktritt des Verteidigungs- und des Innenministers. Nach diesem neuerlichen Putschversuch glitten der Regierung sämtliche Kontrollmöglichkeiten aus der Hand, die nun von den Militärs übernommen wurden. Im August deckte der Generalstab des Präsidenten ein angebliches Mordkomplott gegen den Präsidenten auf (den „Plan Manila“) und weitete unter diesem Vorwand die Überwachung des Präsidenten aus. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Welle von Repression und Kriminalität bereits die gesamte Gesellschaft erfaßt, und die Regierung verlor wegen der Korruptionsvorwürfe zunehmend an Glaubwürdigkeit. Es kann davon ausgegangen werden, daß sie in dieser Zeit auch schon nicht mehr auf ihre zuverlässigsten Verbündeten innerhalb der Armee zählen konnte. Darüber hinaus war der Regierung auch die Wirtschaftslage außer Kontrolle geraten. Im März unterzeichnete sie ein Abkommen mit der Weltbank über 120 Mio. US-$, die in einen Sozialen Investitionsfonds fließen sollten. Dieser Fonds wurde jedoch wenige Monate später auf Eis gelegt, als die Weltbank ihre Zahlungen einstellte, weil Guatemala gegenüber seinen Gläubigern zahlungsunfähig war. Vor dem Hintergrund dieses Liquiditätsengpasses beschloß die Regierung am 20. August, die Währung erneut abzuwerten und die Zinsen freizugeben, und obwohl die US-AID eine Schenkung von 75 Mio. Quetzales beisteuerte, fror die Regierung die in der Verfassung festgelegte Zahlung von 8% an die Gemeinden im Westen des Landes ein, da das Finanzministerium diese Ausgaben blockierte. Das Staatsdefizit belief sich auf 945 Mio. Quetzales, und die Regierung versuchte, die Devisenzuteilungen zu kontrollieren. Vom Liquiditätsengpaß geriet sie schließlich in die Zahlungsunfähigkeit. Dies ging sowohl auf den Kaffeepreisverfall als auch den Steuerstreik der Unternehmer zurück. 1989 betrug das Exportsteueraufkommen nur noch 58,4 Mio. US-$ gegenüber 102,8 Mio. im Jahre 1988.
3.6.2.2  Der schmutzige Krieg
Das Projekt der Nationalen Stabilität, das von General Gramajo auf den Weg gebracht worden war, wurde von äußeren und inneren Zwängen beeinflußt, bis es sich schließlich zu einer verfeinerten Version der Doktrin der Nationalen Sicherheit entwickelte. Mit der Verabschiedung von Gramajo begann für die Streitkräfte eine Phase der Verunsicherung und Führungslosigkeit, in der sie durch Druck von außen auf ihre Institution in die Defensive gerieten. Diese Verteidigungshaltung setzte sich in einer Verstärkung der institutionellen Gewalt und der sozialen Kontrolle um. Eine Analyse der Kriegsentwicklung in den Jahren 1987-1990 macht deutlich, daß die Guerillaeinheiten ihre Offensivkraft erneut steigern und auf neue Gebiete des Landes ausweiten konnten. 1990 näherten sie sich bereits der Hauptstadt und hatten erheblichen Einfluß auf die Produktion von Agrarexporterzeugnissen. Angesichts dieser Entwicklung der Guerillaaktivitäten wurde die These vom „politischen Krieg“ bald zum Alibi, um so eine Politik der offenen Repression gegen diejenigen Bevölkerungsgruppen zu verschleiern, die verdächtigt wurden, die Guerillatruppen direkt oder indirekt zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der politischen und militärischen Entwicklung der Guerilla schien die Armee in dieser Phase faktisch den geheimdienstlichen Präventivoperationen mehr Bedeutung beizumessen als militärischen Angriffsfeldzügen. Seit 1988 übte die Armee ständigen Druck auf die vertriebene Bevölkerung aus. Nach Aussagen der Guatemaltekischen Kirche im Exil (Iglesia Guatemalteca en el Exilio, IGE, 1990) setzte sie dabei luftunterstützte Eliteeinheiten und besonders massiv auch Zivilpatrouillen ein. Die Multisektorale Kommission für das Ixil-Gebiet war das einzige desarrollistische Projekt im Rahmen der Aufstandsbekämpfung, das von der christdemokratischen Regierung soweit durchgeführt werden konnte, daß 1990 die meisten Gemeinden am Rande der Rückzugsgebiete der Vertriebenen wiederaufgebaut waren. Dennoch ging die Zahl der Personen, die sich den Militärs auslieferten, drastisch von 4.000 (1988) auf 683 (1989) zurück (Mack, 1989). 1990 räumte Gramajo öffentlich ein, daß es im Ixil-Gebiet „umherirrende bäuerliche Gemeinden“ gebe, und Vertreter der Gemeinden im Widerstand reisten nach Europa, um ihre internationale Anerkennung zu erreichen. Eine Analyse der Menschenrechtsverletzungen gibt gleichzeitig Hinweise darauf, wie die Zivilregierung seit dem ersten Putschversuch von 1988, insbesondere aber seit dem „institutionellen Zwangsakt“ vom 10. August
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des Jahres eine Haltung offener Komplizenschaft mit dem repressiven Vorgehen der Armee einnahm. Der „politische Krieg“ wurde zum „psychologischen Krieg“ und unmittelbar danach zu einem „schmutzigen Krieg“, der der Regierung 1989 außer Kontrolle zu geraten und sich zu einem Destabilisierungsfaktor zu entwickeln schien. In Gebieten wie beispielsweise San Marcos-Quetzaltenango-Retalhuleu und Suchitepéquez-Sololá war bereits seit 1986 eine ständige Kampagne von Entführungen und Morden an der bäuerlichen Bevölkerung als Teil der militärischen Feldzüge zur Aufstandsbekänpfung unter der Federführung und „dezentralisierten Umsetzung“ des Kommandeurs des betreffenden Militärbezirks feststellbar. Diese Maßnahmen wurden fortgesetzt und in dem Maße auf Escuintla, Sacatepéquez, Chimaltenango und Santa Rosa ausgeweitet, wie sich die Guerillafronten weiter vorschoben. Zu weiteren Menschenrechtsverletzungen kam es im Süden von Quiché, im Norden von Chimaltenango und im Osten von Sololá. In diesen Gebieten war unter der Führung der Gruppe für gegenseitige Unterstützung (GAM), des Rates der ethnischen Gemeinden „Wir sind alle gleich“ (Consejo de Comunidades Étnicas Runujel Junam, CERJ) und der Nationalen Witwenkoordination Guatemalas (Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala, CONAVIGUA) eine sehr starke Bewegung gegen die Zivilpatrouillen entstanden. Auch hier gab es Beweise für die Beteiligung der Armee durch Indoktrinierung von Mitgliedern der Zivilpatrouillen und Militärkommissaren oder auch deren direkte Mitwirkung an Entführungen. In den Städten richtete sich die Repression mit Entführungen und Morden gegen weniger bekannte Führungspersönlichkeiten, die sich jedoch insbesondere bei den Bürgerprotesten im Juni 1989 und 1990 exponiert hatten. Die Opfer waren Vertreter des Studentenverbandes, der Lehrerschaft sowie einige Gewerkschafter aus Betrieben, in denen es Konflikte gab. In vielen Fällen war die Nationalpolizei in die Entführungen verwickelt. Präsident Cerezo nutzte diese Übergriffe wie auch die Morde an dem christdemokratischen Politiker Danilo Barillas und dem Unternehmer Ramiro Castillo Love, um sich weiterhin als „Opfer“ der destabilisierenden Gewalt extremistischer Kräfte beider Seiten zu präsentieren. Das gleiche Argument benutzte er im Januar 1990, als die beiden führenden Sozialdemokraten Héctor Oquelí Colindres (Salvadoreaner) und Hilda Flores (Guatemaltekin) ermordet wurden. Diese Äußerungen erwiesen sich jedoch schließlich als Instrument, um die Regierung von ihrer Verantwortung für eine Politik der Gewalt reinzuwaschen, die gezielt von der Armeespitze aus entwickelt worden war.
3.6.2.3  Diplomatie und Terrorismus
Wie die Armee die Zivilregierung für ihre Aufstandsbekämpfungspolitik einspannte, zeigte sich unter anderem in der Außenpolitik: Im März 1989 legte die Regierung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf ihren Menschenrechtsbericht vor und erreichte eine Verlängerung des Mandats für den beratenden Experten. Am 11. April berichtete die Tageszeitung Diario de Centroamérica von Ordensverleihungen an Oberst Francisco Ortega Menaldo, Major Edgar Ricardo Bustamante Figueroa und Hauptmann Mauricio López Bonilla für die Erstellung des Menschenrechtsberichtes der Regierung. Zu diesem Zeitpunkt war Ortega Menaldo Leiter des Geheimdienstes im Generalstab der Verteidigung. Auch der Feldzug „Vormarsch 90“ verfolgte das Ziel, den „Desinformationskampagnen“ im In- und Ausland entgegenzuwirken. Gerade auf dem Gebiet der Staatssicherheit gelang es der Armee, sowohl die Nationalpolizei als auch die Mittel und Wege des Archivo
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zu kontrollieren und zu nutzen, um so ihre Straflosigkeit sicherzustellen. Die Kontrolle über die Nationalpolizei, die die Streitkräfte zuvor über deren Chef, Oberst Julio Caballeros (einen Geheimdienstoffizier, der ebenfalls für das Archivo arbeitete), hatten ausüben können, wurde nach diesen Veränderungen merklich stärker und mit der Einführung des Zivilschutzsystems (Sistema de Protección Civil, SIPROCI) im August endgültig gefestigt. Dadurch wurden sämtliche Kräfte der inneren Sicherheit unter die Kontrolle des Generalstabs des Präsidenten gestellt. Die „Militarisierung“ der Nationalpolizei und ihre Überwachung durch den Generalstab des Präsidenten mit Hilfe der Strukturen des SIPROCI führte zu massiven internen Spannungen, die sich schließlich in der Beteiligung des ehemaligen Polizeichefs Ángel Aníbal Guevara Reyes und mehrerer Agenten des DIC
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an dem Putschversuch von 1989 niederschlugen. Zu den Forderungen der Putschisten gehörte u.a. der Rücktritt des Innenministers. In dieser Zeit trat der „Rächende Jaguar“ (Jaguar Justiciero) auf den Plan, und es kam zu einer Kampagne von Einschüchterungsversuchen und Übergriffen gegen Volksorganisationen und demokratische Persönlichkeiten. Mit der Entführung und Folterung der Ordensfrau Dianna Ortiz im Dezember trat die instrumentale Beziehung zwischen Polizei und Staatssicherheitsdiensten offen zutage. Die gleichen Erkenntnisse ergaben sich aus der Untersuchung des Mordes an dem salvadoreanischen Staatsbürger Héctor Oquelí durch die Wahrheitskommission für El Salvador
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. Kurz danach stellte die Harvard-Universität ihr Programm technischer Hilfe für die Nationalpolizei ein in der Überzeugung, daß in dieser Institution „kein politischer Wille vorhanden“ sei, um die Gewalt zu bekämpfen. Trotz der Hinweise auf den DSP
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(Archivo) des Generalstabs des Präsidenten ist es nicht gelungen zu erhellen, über welche Mechanismen diese Abteilungen unter Leitung des früheren Chefs des D-2, General Edgar Godoy, mit der Geheimdienstabteilung unter Oberst Francisco Ortega Menaldo und dem von Oberst Cabrera geleiteten Arbeitsteam des Ministergeneralstabs koordiniert wurden. Cabrera löste später Ortega als Chef der Geheimdienstabteilung ab.
3.6.2.4  Der Zusammenbruch der Stabilität
Die größten Niederlagen erlitt das militärische Konzept der Nationalen Stabilität auf der Ebene der internen Bündnisse. Gramajo selbst mußte rasch feststellen, wie sein Diskurs vom umfassenden Krieg, bei dem sämtliche Teile der Gesellschaft in die Umsetzung der Aufstandsbekämpfungspolitik eingebunden werden sollten, von den Unternehmern nicht befolgt wurde (Jonas, 1994). 1989 bemühten sich die Streitkräfte intensiv darum, die Unterstützung der Unternehmer zu gewinnen. Sie machten dabei deutlich, daß sie die Agrarexportwirtschaft gegen die Guerillaangriffe verteidigten. Ende des Jahres stellte Gramajo jedoch fest, daß diese Politik keine unmittelbaren Ergebnisse brachte. Er erklärte, sowohl die Armee als auch die Guerilla hätten Fortschritte erzielt, und dies bedeute eine Bedrohung für die gesamte Agrarexportproduktion an der Südküste. 1990 trat jedoch die sog. „Pyramidengruppe“ als Spitzenvertretung der Unternehmer an die Öffentlichkeit. Sie versuchte in erster Linie, einen Präsidentschaftskandidaten zu finden, der ihr direkt die Kontrolle über die Exekutive übertragen würde, und verlor jegliches Interesse daran, den Vorschlägen der Armee als Machtclique Gehör zu schenken. Im ersten Halbjahr signalisierte Gramajo immer stärker seine Distanzierung von der Regierung und konzentrierte sich darauf, sein Projekt der Nationalen Stabilität durch politische Bündnisse mit eher mittelfristiger Perspektive zu konsolidieren. Gramajo selbst erklärt, daß er 1989 seine These der Nationalen Stabilität überprüft habe, auf Distanz zur Regierung gegangen sei, Unterstützung bei den gesellschaftlichen Kräften gesucht und sich darauf konzentriert habe, den institutionellen Rahmen zu stärken. Gleichzeitig bemühte er sich, seine Amtsführung als Minister zu entpolitisieren, und nahm Abstand von konjunkturellen Fragen (Gramajo, 1995). Dieser Kurswechsel fiel in eine Phase verstärkter Aktivitäten des ESTNA-Zentrums
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, das im September 1988 gegründet worden war. Wenngleich es dem ESTNA nicht gelang, sich zu einer Denkfabrik zu entwickeln, konnte es dennoch 1989 und 1990 den Einflußbereich der Armee in gewissen Akademikerkreisen ausweiten und diejenigen neu organisieren, die bereits vorher die desarrollistische Politik der Armee unterstützt hatten (so z.B. verschiedene Genossenschafts- und sogar Indígena-Gruppen). Die desarrollistische Komponente des Militärprojekts blieb zwar bis 1988 mit gewissem Erwartungshorizont bestehen, doch wurde die Entwicklungspolitik der Regierung 1989 von einem wirtschaftlichen Strukturanpassungsplan abgelöst. Dieser „500-Tage-Plan“ wurde schließlich zu einem wahlpolitischen Instrument, das jedoch aufgrund der staatlichen Finanzkrise nicht umsetzbar war.
3.6.2.5  Die Armee verliert ihre Führung
Am 10. August hielt der Kommandeursrat seine „Drohungssitzung“ ab, während das Regierungskabinett ebenfalls tagte, Hubschrauber über dem Stadtzentrum kreisten und Truppen im Generalhauptquartier in Alarmbereitschaft blieben. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich das Kräfteverhältnis endgültig: Der Kommandeursrat wurde erneut zum Standesorgan der Armee gegenüber dem Minister und der Regierung. Der institutionelle Rahmen des demokratischen Prozesses wurde beibehalten. Im Gegenzug wurde dessen Kontrolle durch die Streitkräfte verstärkt. Von diesem Augenblick an kam es zu einer erheblichen Verhärtung in der Menschenrechtspolitik und den internationalen Beziehungen. In Guatemala begann der Vorwahlkampf, für den drei Faktoren bestimmend waren: die Kandidatur von Alfonso Cabrera aus dem politischen Establishment, der versuchte, einige hohe Offiziere wie z.B. General Roberto Mata oder Oberst Carlos Santizo Franco zu beteiligen; die Kandidatur von General Ríos Montt mit ihrer großen Wirkung auf Militärkreise, die davon überzeugt waren, daß das politische System zu korrupt und wenig vertrauenswürdig war; und schließlich die Position der Unternehmer, die bereit waren, über die „Pyramidengruppe“ eine eigene Kandidatur zu finanzieren. Gleichzeitig begann sich die Aufstandsbekämpfung sichtbar negativ zu entwickeln. Dies war sowohl auf regional- und weltpolitische Veränderungen als auch auf militärische und politische Fortschritte der URNG zurückzuführen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zwang dazu, desarrollistische Projekte beiseite zu lassen. Ein Ausbruch sozialer Konflikte stand entsprechend zu erwarten. Der Präsident konnte die Lage dank der Loyalität des Generalstabschefs des EMP und des Verteidigungsministers noch relativ gut unter Kontrolle behalten. Gramajo festigte weiterhin seine Stellung im Kommandeursrat, indem er die Spitzenpositionen mit Leuten seines Vertrauens besetzte. Als Vertreter der Offiziere, die 1983 die militärische Institutionalität wiederhergestellt hatten, und als Ideologe der Nationalen Stabilität war seine Führungsrolle jedoch geschwächt, denn er war einer Regierung verpflichtet, die das Vertrauen der Streitkräfte verloren hatte und mit ihren Annäherungsversuchen an die Unternehmer gescheitert war. Vor diesem Hintergrund kam es am 9. Mai 1989 zu einem zweiten Putschversuch, in den Oberbefehlshaber der Armee und eine größere Gruppe von Offizieren verwickelt waren. Dem Anschein bestand das Ziel der Putschisten nicht darin, die institutionelle Legalität anzutasten, sondern Veränderungen an der Militärspitze herbeizuführen. Dennoch war absehbar, daß sich der Kommandeursrat zu diesem Zeitpunkt bereits genügend gefestigt fühlte und keine aufsehenerregenden Umbildungen an der Spitze benötigte. Von da an wurde die interne Situation der Armee von der Frage der Nachfolge Gramajos beherrscht, der im Juni 1990 in den Ruhestand gehen sollte. Die Verabschiedung des Generalstabchefs der Verteidigung war ebenfalls vorgesehen, aber für einen früheren Zeitpunkt (Dezember 19889). Dieser sollte vom zukünftigen Verteidigungsminister abgelöst werden. General Juan Leonel Bolaños Chávez war schließlich der Auserwählte, ein Schreibtischoffizier ohne Kampfverdienste, der Computersysteme in die verwaltungstechnischen und geheimdienstlichen Abläufe der Armee einführte und sich ansonsten damit beschäftigte, Änderungen im Armeeverfassungsgesetz, im Militärgesetzbuch und im Wehrpflichtgesetz zu analysieren und vorzuschlagen. Er wurde zwar respektiert, konnte jedoch in den hohen Offiziersrängen keine Führungsfunktion übernehmen. Auf der anderen Seite übten General Juan José Marroquín an der Spitze des Generalstabs der Verteidigung, sein Stellvertreter General Mata Gálvez und hinter ihnen die unter Gramajo beförderten fünfzehn Generäle (sie hatten fast alle den Aufruf des Kommandeursrates unterzeichnet, durch den Ríos Montt abgesetzt worden war) Druck in der Frage aus, wie die Kontrolle über die Streitkräfte künftig gestaltet werden sollte. Eine Führungsfigur, auf die sie sich hätten einigen können, war jedoch nicht in Sicht. Die Lage war heikel, wenn man berücksichtigt, daß das Stabilitätsprojekt größten inneren und äußeren Gefahren ausgesetzt war und nun innerhalb der Streitkräfte zersetzende Kräfte wie der Drogenhandel an Stärke gewannen.
3.6.2.6  Die Opfer
Von der politischen Destabilisierung als Folge der Putschversuche war die breite Bevölkerung faktisch am direktesten betroffen. 1989 erreichte die eskalierende politische Gewalt gegen die Volksbewegung ein ähnliches Niveau wie 1980. Im Oktober und November sprach der Präsident von einer Destablisierungskampagne. Zum damaligen Zeitpunkt richteten sich die Vorwürfe nach Aussagen des ehemaligen Innenministers, Juan José Rodil (Prensa Libre, 17.9.1989), jedoch gegen den Generalstab des Präsidenten als Organisationszentrum der Repression. Die Gewalt war Zeichen dafür, daß die Stabilitätspolitik ins Stocken geraten war. Überdies verfolgte sie das Ziel, jeglichen Versuch der Guerilla, eine städtische Front aufzubauen, zu stoppen. Diese Möglichkeit war in der Akutphase des Lehrerstreiks Mitte 1989 nähergerückt. Eine Analyse der Menschenrechtsverletzungen gibt Hinweise darauf, wie die Zivilregierung seit dem ersten Putschversuch im Mai 1988, insbesondere aber seit dem „institutionellen Zwangsakt“ vom 10. August des Jahres, eine Haltung offener Komplizenschaft mit dem repressiven Vorgehen der Armee einnahm. Dies zeigt sich an der Ermordung der Anthropologin Myrna Mack am 11. September 1990 sowie an einer Reihe außergerichtlicher Hinrichtungen in derselben Zeit.
3.7  3.7 Die Regierung Serrano Elías
Das neue Jahrzehnt begann unter dem Zeichen des Niedergangs der christdemokratischen Regierung, während ein Kandidat, von dem man es am wenigsten erwartet hätte, die Präsidentschaftswahlen gewann: Jorge Serrano Elías übernahm mit 24,8% der Wählerstimmen, nur zehn Sitzen im Kongreß und 3% der Gemeinderäte die Präsidentschaft. Der Amtsantritt einer besonders schwachen Regierung bot den Unternehmern Gelegenheit, „ihre Spielregeln durchzusetzen“. Zum damaligen Zeitpunkt kam es jedoch innerhalb des unternehmerischen Lagers zu einem stillen Kampf: einige Unternehmer versuchten, die neuen Kapitalbildungsmechanismen (insbesondere finanzieller Art) für sich zu vereinnahmen; andere traten für die althergebrachten bürokratischen Strukturen ein, die ihnen in den siebziger Jahren große Vermögensgewinne verschafft hatten, und wieder andere suchten in der Privatisierung des Staatssektors eine Quelle für Hilfsgelder in der Nachkriegszeit oder sogar im Drogenhandel einen neuen Hebel, um sich rasch zu bereichern. In diesem verworrenen Panorama waren die Unternehmer unfähig, zu verhandeln und politische Spielräume abzugeben. Mit ihrem Ausschließlichkeitsanspruch versuchten sie, die Machtpositionen zu besetzen. Dies wiederum führte zu einer erneuten Destabilisierung des demokratischen Systems durch Verschwörungen und Steuerboykott.
3.7.0.1  Der Kandidat der Unternehmer
Im Februar hatte der Bürgermeister der guatemaltekischen Hauptstadt, Álvaro Arzú, mit Unterstützung von Fraterno Vila, einem einflußreichen Zuckerbaron, seine Präsidentschaftskandidatur eingereicht. Auch der Spitzenvertreter der Nationalen Zentrumsunion (Unión de Centro Nacional, UCN), Jorge Carpio, versuchte, sich die Unterstützung der Unternehmer zu sichern. Die „Hardliner“ im CACIF, die den Verband seit 1987 kontrollierten, hatten jedoch bereits ihre eigene standespolitische Wahlstrategie festgelegt. So entstand die „Pyramidengruppe“, die bis dahin im Hintergrund agiert und eine Einheitskandidatur favorisiert hatte, auf die sich die gesamte wirtschaftliche Unterstützung des unternehmerischen Lagers konzentrieren sollte (dies anstelle der historischen Verhandlungen, bei denen der Wille der ein oder anderen Partei gekauft wurde). Die „Pyramidengruppe“ entschied sich für die Kandidatur von Jorge Carpio, der sich bald Politiker wie der ehemalige Innenminister Juan José Rodil Peralta oder der Gewerkschaftsführer des Bundes für Gewerkschaftseinheit Guatemalas (Confederación de Unidad Sindical de Guatemala, CUSG), Alfaro Mijangos, anschlossen. Im September „erfüllt sich der Traum von zwei Unternehmergenerationen“, wie ein Presseorgan titelte: Jorge Carpio und Manuel Ayau taten sich mit der Kandidatur für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten zusammen. Die Wahlergebnisse verhalfen jedoch Jorge Serrano zum Sieg und machten die Strategie der „Pyramidengruppe“ zunichte.
3.7.0.2  Die Friedenskämpfe
Unter der Regierung Serrano Elías akzeptierte die Armee formal Verhandlungen über eine politische Lösung des internen Konflikts, unter der sie die Kapitulation der Guerilla verstand. Angesichts der Tatsache, daß ein bewaffneter Sieg unmöglich war, akzeptierte die Guerilla die Verhandlungsvorschläge als Mechanismus, um ihre militärischen Erfolge in politische Errungenschaften umzumünzen. Vor diesem Hintergrund verstärkten beide Seiten den militärischen Druck. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Möglichkeiten des Friedens durch eine Entwicklung des Krieges in greifbare Nähe zu rücken. Durch den internationalen Druck zur Beendigung des Konflikts und die Strömungen für eine Entmilitarisierung gerieten die Streitkräfte in die Defensive. Ihre Reaktion bestand darin, die Mechanismen zur sozialen Kontrolle zu verstärken und zuzulassen, daß sich an der Armeespitze eine kriegstreiberische Linie durchsetzte, die schließlich im Mai 1993 zu einem Putschversuch führte. Das erste Treffen zwischen Vertretern der politischen Parteien und der URNG, das im Osloer Abkommen
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vereinbart worden war, fand Ende Mai 1990 im spanischen El Escorial statt und rief in den Reihen der Armee tiefe Beunruhigung hervor. Auf diesem Treffen akzeptierte die Guerilla das Abkommen von Esquipulas
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und die guatemaltekische Verfassung als Verhandlungsrahmen, und die Parteien verpflichteten sich, Verfassungsreformen vorzuschlagen. Vinicio Cerezo reagierte umgehend und erklärte, daß die begonnenen Gespräche lediglich ein erster Schritt seien, um die Entwaffnung und Demobilisierung der URNG zu erreichen, während der Generalstab der Verteidigung eine Repressionskampagne gegen diejenigen sozialen Bewegungen startete, die in seinen Augen als Unterstützer der Subversion bzw. als Gefahr für die soziale Kontrolle galten. Im zweiten Halbjahr 1990 traf sich die Guerilla mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, um auf internationaler Ebene ihre Dialogbereitschaft unter Beweis zu stellen. Die URNG nutzte diese Treffen zwar durchaus, um ihre politischen Beziehungen und Bündnisse zu stärken; verbindliche Vereinbarungen konnte sie jedoch zweifelsohne nur mit der Regierung aushandeln, die im Januar 1991 ihr Amt antreten sollte. Die Streitkräfte übernahmen mit dem „Umfassenden Friedensplan“ (Plan Total de Paz) die Initiative. Der Plan wurde am 3. April 1991 von Präsident Serrano Elías vorgestellt. Darin wurde der Guerilla ein Waffenstillstand und ihre mittelfristige Kapitulation vorgeschlagen, um danach die Bedingungen für ihre politische Wiedereingliederung auszuhandeln. Ähnlich wie die Vorschläge, die die Guerilla zur Entmilitarisierung des Landes unterbreitet hatte, stellte auch dieser Vorstoß faktisch eine Herausforderung des Gegners dar. Dennoch wurde mit dem „Umfassenden Friedensplan“ von Präsident Serrano erstmals ein Vorschlag gemacht, der die Guerilla als Verhandlungspartner anerkannte. In die offizielle Verhandlungskommission wurde sogar eine bedeutende Vertretung der Militärspitze aufgenommen. Die meisten Beobachter erkannten in diesem Vorschlag ein hohes Maß an Eigeninitiative von Präsident Serrano Elías. In Diplomatenkreisen bestand die Einschätzung, daß der Vorschlag inhaltlich nicht sehr tragfähig war und keine Verhandlungsstrategie enthielt. Nach Meinung von Beobachtern verfolgte Serrano die Absicht, die Armee „weichzuklopfen“, um in einem Zeitrahmen von zwei Jahren einen ernsthaften Verhandlungsprozeß in Angriff nehmen zu können. Die URNG begegnete den Vorschlägen mit der Einschätzung, daß der neue Präsident politisch schwach war, in der Armee aufgrund des internationalen Drucks Verunsicherung herrschte und ihre militärischen Feldzüge von 1990 in dem Sinne Erfolg gezeigt hatten, daß der Kriegsschauplatz erneut in Gebiete von landesweit lebenswichtiger Bedeutung vorgedrungen war. Zeit zu gewinnen war ein Schlüsselfaktor für die Guerilla, um so den Gegner zu schwächen und gleichzeitig die Veränderungen auf internationaler Ebene zu verarbeiten. Die unmittelbaren Ergebnisse des Verhandlungsprozesses fielen für die Guerilla günstig aus: Das Abkommen über das Verfahren der Friedenssuche mit politischen Mitteln
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eröffnete neue Möglichkeiten, um die politische Arbeit im In- und Ausland zu verstärken. Ebenso wurden mit dem vereinbarten Verfahren Bedingungen für eine Entwicklung der Volksbewegung geschaffen, in der die URNG starken Einfluß hatte. Im Juli veränderte sich das Panorama jedoch schlagartig: Nach ersten Ablösungen in der Armeeführung liefen militärische Operationen gegen mehrere Guerillafronten an, und die Menschenrechtslage verschärfte sich erneut. Nachdem der Staatspräsident weitere Veränderungen an der Militärspitze vorgenommen hatte, verstärkte die Armee im Dezember 1991 ihren militaristischen Diskurs und begann mit neuen Offensiven gegen die Guerillafronten, insbesondere gegen die Zentrale Einheitsfront (Frente Unitario Central) und die Nachhut der ORPA in San Marcos und Retalhuleu. Als direkte Folge spitzten sich die politische Gewalt und wahllosen Übergriffe zu. Die neue Armeeführung versuchte, den Verhandlungen eine Wendung zu geben und sie gegen die Guerilla zu richten. In den ersten drei Monaten des Jahres 1992 war der Einfluß des Generalstabschefs des Präsidenten, General Francisco Ortega Menaldo, auf den zivilen Staatschef bereits deutlich geworden, während der Verteidigungsminister und der Generalstabschef der Verteidigung ihre Machtpositionen festigten. Der Dialog geriet in eine Sackgasse. Ähnlich wie im zweiten Halbjahr 1990 erklärte die URNG erneut, daß sie keine Vereinbarungen mit einer Regierung unterzeichnen könne, die nicht in der Lage sei, diese auch einzuhalten. Die Streitkräfte setzten indessen ihre Angriffe fort, um die Guerillafronten aufzureiben. Die Armeeoffensive „Sieg 93“ richtete sich insbesondere gegen die Nachhut des EGP und verfolgte das Ziel, die permanente militärischen Guerillaeinheiten zu destabilisieren. Dabei versuchten die Streitkräfte, die Führungsspitze der Aufständischen zu treffen bzw. sich strategische Informationen zu beschaffen, wie sie dies 1992 mit der Nachhut der ORPA getan hatten. Der militärische Feldzug stieß jedoch an seine Grenzen, als die Flüchtlinge zurückkehrten und die Gemeinden im Widerstand (CPR) aus ihren Rückzugsgebieten kamen. Es war gelungen, die Weltöffentlichkeit auf beide Entwicklungen aufmerksam zu machen. Parallel zu der Armeeoffensive unterbreitete Serrano den Vereinten Nationen am 14. Januar einen neuen Vorschlag. Darin bot er eine endgültige Frist von 90 Tagen an und akzeptierte die Überwachung der Vereinbarungen durch die UNO. Sogar den Status der URNG als kriegführende Partei erkannte er völlig an und schlug deren Rückzug in zuvor festgelegte Gebiete vor. Serrano entwickelte seinen Plan vor dem Hintergrund einer komplexen internationalen Konjunktur: Zwar war es der Regierung gelungen, stärkere internationale Unterstützung zu gewinnen, doch setzten insbesondere die Bildung der „Gruppe der befreundeten Staaten des Friedensprozesses“, der Druck in Menschenrechtsfragen, andere Faktoren wie die Verleihung des Friedensnobelpreises an Rigoberta Menchú im Dezember 1992, die Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Helen Mack sowie die beginnende Rückkehr der Flüchtlinge strikte Bedingungen.
3.7.0.3  Kriegsführung
Die Veränderungen an der Armeespitze bedeuteten keine grundlegende Neuorientierung in der Militärpolitik. Allem Anschein nach war die von der Armee verfolgte Praxis durch Beschlüsse des Kommandeursrates vorgegeben, während die Offiziersränge mit treuen Anhängern der These der Nationalen Stabilität besetzt waren (auch das Team für internationale und psychologische Kriegsführung des Generalstabs des Verteidigungsministers blieb nahezu unverändert). Nach der Amtsübernahme der neuen Regierung wurde der grundlegende Kurs im ersten Halbjahr 1991 beibehalten. Die Spuren des Massakers von Santiago Atitlán (Dezember 1990)
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waren noch frisch, und die internationale Gemeinschaft war über den konservativen Charakter des neuen Staatschefs beunruhigt. Entgegen seinen Versprechungen, er werde einen offenen Kampf gegen die Straflosigkeit führen, wurden die Schlüsselpositionen der Nationalpolizei weiterhin von den Militärs kontrolliert, und es kam zu schweren Übergriffen, um die Menschen einzuschüchtern, so z.B. gegen die führende Politikerin Dinorah Pérez und den Ordensgeistlichen Moisés Cisneros. Die Guerilla startete eine gemeinsame militärische Offensive an ihren traditionellen Fronten. Besondere Bedeutung hatten dabei die häufigen Attacken im Norden von Alta Verapaz und im Süden vom Petén, die Angriffe auf die Ölpipeline zwischen Chisec und Fray Bartolomé de las Casas, eine bewaffnete Propagandakampagne in Huehuetenango sowie der Angriff auf Villacanales, nur 36 km von der Hauptstadt entfernt. Von Juni an übernahm die Armee mit einem militärischen Feldzug gegen das Ixil-Gebiet und die Region von Ixcán erneut die Initiative. Im Petén startete sie unter Leitung von General Roberto Perussina die Operation „Lacandona 91“ gegen den „Drogenterrorismus“, die durch Oberst Homero García Carrillo vom Presseamt der Armee (Departamento de Información y Divulgación del Ejército, DIDE) unterstützt wurde. Mit ihren militärischen Vorstößen gegen die traditionellen Fronten der URNG erzielte die Armee jedoch keine spektakulären Ergebnisse. Durch den massiven Einsatz schwerer Feuerwaffen und den Versuch, die Bevölkerung in den Konfliktgebieten zu kontrollieren, nahmen die Menschenrechtsverletzungen zu und rückten ins Blickfeld der internationalen Beobachter. Die Guerilla zog schließlich ausgewählte Truppen aus all ihren Organisationen in der Zentralen Einheitsfront zusammen, die an der strategisch wichtigen Bocacosta operierte. In den Städten spitzte sich im zweiten Halbjahr 1991 der Einschüchterungsfeldzug weiter zu. Im August machten die Verbrechen Schlagzeilen in der internationalen Presse (NOTIMEX und IPS). Mit der Ernennung von Oberstleutnant Luis Fernández Ligorría zum stellvertretenden Chef der Nationalpolizei mit operativen Kontrollfunktionen wurde der Mechanismus militärischer Kontrolle über die Nationalpolizei erkennbar. Die militärisch offensive Linie der Armee nahm an Schärfe zu, als im Januar 1992 General José Domingo García Samayoa ins Verteidigungsministerium und General Roberto Perussina an die Spitze des Generalstabs der Verteidigung kamen. Zu den vermutlich schwersten Kämpfen der letzten zehn Kriegsjahre kam es 1992 an der Bocacosta und an der Südküste. Dort startete die Armee eine heftige Offensive gegen die Nachhut der ORPA, die gerade zu diesem Zeitpunkt ihre militärischen Aktivitäten auf Escuintla und Palín konzentrierte. Diese Taktik wurde in der Amtszeit von Präsident Serrano Elías massiv vorangetrieben. Es gelang dadurch, die militärischen Einheiten der ORPA zu schwächen, nicht jedoch, sie zu zerschlagen. Der Feldzug „Sieg 93“ im Norden vom Quiché und im Süden vom Petén stand unter der Leitung der Obersten Víctor Manuel Argueta und Francisco Marín Golib. Ziel war dabei nicht, die territoriale Kontrolle oder militärische Positionen in den Gebieten auszubauen, in denen sich die Aufständischen bewegten, sondern zu verhindern, daß sich die Truppen des EGP zu Guerillaangriffen größeren Ausmaßes formieren konnten. Im zweiten Halbjahr 1992 zeigte die Guerilla eine vergleichsweise geringe Aktivität. Der Verlauf der Verhandlungen und der zunehmende Einfluß von Teilen der Zivilgesellschaft bei der Rückkehr der Flüchtlinge sowie die Kampagnen für den Frieden und gegen die Straflosigkeit führten in den Guerillaorganisationen zu Widersprüchen. Die URNG einigte sich in ihren Positionen und erklärte, der militärische Druck sei das einzige Mittel, um Verhandlungsergebnisse zu garantieren. Sie werde erst dann die Waffen niederlegen, wenn die Einhaltung sämtlicher Verpflichtungen überprüft worden sei. 1992 verlor sie jedoch einen Großteil ihrer Offensivkraft, die sie 1990 und 1991 entwickelt hatte. Auch bei der Rekrutierung begannen sich ernste Schwierigkeiten abzuzeichnen. In dieser Phase kam dem Versuch der Armee, die Justiz in die Hand zu bekommen und zu kontrollieren, große Bedeutung zu. Es kam zu Diskussionen und einer Bürgerbewegung gegen die Straflosigkeit, so daß die Militärs in die Defensive gerieten.
3.7.0.4  Unsichere Rahmenbedingungen
Von 1990 an wurden die internationalen Rahmenbedingungen zumindest wieder unsicher. Der Zerfall der sozialistischen Länder in Europa, die Wahlniederlage der Sandinisten, die gescheiterte Offensive der salvadoreanischen Guerilla und die neuen Blockademaßnahmen gegen das kubanische Regime gaben den extremistischsten Positionen zum historischen Sieg der Rechten Auftrieb. Es war jedoch abzusehen, daß in den internationalen Beziehungen neue Rahmenbedingungen im Entstehen waren. Die Ergebnisse des Gipfeltreffens von Malta im September und damit der Beginn einer neuen Phase in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion wiesen in diese Richtung. Es scheint alles darauf hinzudeuten, daß abgesehen von dem internationalen Druck zur Entschärfung des bewaffneten Konflikts in Guatemala sowohl die Armee als auch die Regierung und ein Großteil der Unternehmer die Lage der Guerilla falsch einschätzten. Sie waren der Meinung, ihre Dialogvorschläge entsprächen der internationalen Isolation und politischen Schwächung der Guerilla. Gleichzeitig nahm die Menschenrechtsfrage eine unerwartete Wendung: Als im Juli mehrere Menschenrechtsorganisationen den früheren US-Präsidenten Carter aufforderten, aufgrund der anhaltenden politischen Gewalt für eine völlige Einstellung jeglicher Hilfe der Vereinigten Staaten für Guatemala einzutreten, wuchs in der Unternehmerschaft die Erkenntnis, daß die Verhärtung der Armee und ihr Versuch, die politischen Möglichkeiten der Guerilla durch eine Zerschlagung der Volksbewegung zunichte zu machen, einen hohen Preis bedeuten konnte. Dennoch zeigten die Unternehmer keine große Initiative, um in einem der schwärzesten Jahre für die Menschenrechte seit Amtsantritt der Zivilregierung Einfluß zu nehmen. Eine der Hypothesen, die von der Geschichte der Gewalt in Guatemala am deutlichsten bestätigt worden sind, warnt davor, daß die Armee intern die Zügel anzieht und nicht lockert, wenn auf internationaler Ebene der Druck allzu stark wird. Eine andere bewiesene These besagt, daß sich auf beiden Seiten die Positionen verhärten, wenn der Augenblick von Verhandlungen naht. In einer Kombination beider Hypothesen läßt sich möglicherweise eine Erklärung finden, die den Hintergrund der Gewalt erhellt, wie sie in noch nie dagewesenem Maße 1990 registriert wurde: Die Kräfte der Repression schlugen nach allen Seiten zu, und es schien, als wollten sie damit eine Massenpanik provozieren.
3.7.0.5  Die Globalisierung beginnt
Der Sieg von Serrano Elías stellte die Cliquen der Macht (Armee und Unternehmer) unmittelbar vor das Problem ihrer politischen Schwäche, die nicht dazu angetan war, in einer derart bedrohlichen Konjunktur mittelfristige Ziele abzustecken. Angesichts dieser Gefahr stellte sich die Armee als einziger Garant für politische Stabilität dar. Modernisierungsorientierte Teile der Unternehmerschaft begannen, Brücken zu dieser Strömung in den Streitkräften zu schlagen (die verbreitet als „verfassungstreue Militärs“ bezeichnet wurden). Diese Unternehmerkreise brachten jedoch ihre eigenen Argumente vor, nach denen sich auch die Armee auf die Logik der Anpassung des öffentlichen Sektors
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einlassen sollte. So sollten beispielsweise die „vertraulichen Ausgaben“ und die Haushaltszuwendungen eingestellt werden, die von den Militärs benutzt wurden, um sich Sondermittel aus dem Staatshaushalt zu beschaffen. Zudem sollten die Militärs aus öffentlichen Verwaltungsämtern entfernt werden.
3.7.0.6  Die anderen Zivilgesellschaften
In der Amtszeit von Staatspräsident Serrano erlebte die Zivilgesellschaft einen merklichen Aufschwung. Der Kampf gegen die Menschenrechtsverletzungen, der bis dahin trotz seiner Ausweitung noch kontrollierbar blieb, nahm eine beeindruckende Entwicklung: Einige lokale Gruppen gingen von Anklagen und Protesten zu konzertierten Aktionen auf internationalem Parkett über. Dabei bewiesen sie größte Flexibilität bei der Wahrnehmung und Berücksichtigung von Veränderungen in der regionalen Geostrategie. Gerade die formalen Vorschläge des Präsidenten zur Beendigung der Straflosigkeit eröffneten Spielräume für den zivilen Kampf gegen die Straflosigkeit, der sich insbesondere im Mordfall Myrna Mack niederschlug. Die drohende Haltung der Armee bei der Behandlung von Fällen US-amerikanischer Staatsbürger wie Michael Devine und Dianna Ortiz, die aggressive Reaktion auf die Vorschläge der Vereinigten Staaten zur Entmilitarisierung und die nachweisliche Verwicklung der Militärspitze in den Drogenhandel bedingten eine härtere Position des US-Außenministeriums und ihrer diplomatischen Vertretung in der Menschenrechtsfrage, die sich direkt gegen die Armee richtete. Dabei ging es um klare Ziele: Auflösung des Generalstabs des Präsidenten und der Zivilpatrouillen sowie Entmilitarisierung der Nationalpolizei. Diese Empfehlungen wurden auch im Bericht des UN-Experten ausgesprochen. Die Zivilgesellschaft begann, Spielräume von zunehmender Bedeutung für das Leben des Landes zu besetzen und forderte damit die Kontrolle der Armee heraus. Als die Vertriebenen an die Öffentlichkeit traten, die Flüchtlinge zurückkehrten und gesellschaftliche Strömungen, die aus der Repression entstanden waren, Forderungen stellten, entwickelten auch andere bedeutende Kräfte wie z.B. die katholische Kirche und die NROs stärkere Aktivitäten. Sie wurden zu einer Strömung, die in ihrem Gefüge und im Zusammenhalt zwar noch unzulänglich war, doch starken Druck ausüben konnte. Regierung und Armee reagierten mit einer Verschärfung der Repression und warfen der Bürgerbewegung vor, der Guerilla anzugehören. Schließlich verschaffte sich auch die Indígena-Bewegung nach der Kampagne zur 500-jährigen Invasion überraschend ihren Platz als neue gesellschaftliche Strömung im politischen Leben des Landes, die ihre eigenen Spielräume einforderte. Vor diesem Hintergrund gewann eine neue Bewegung von Landbesetzungen mit der Forderung von Lohnerhöhungen bzw. Landbesitz besonderen Einfluß. Demgegenüber verlor die traditionelle Gewerkschaftsbewegung deutlich an Stärke. Die URNG übte Druck auf die Volksorganisationen aus, die eine aggressivere Haltung vertreten und auf einen Verschleiß der Regierung hinwirken sollten. Die Regierung wiederum ging mit zahlreichen Maßnahmen gegen die Organisationen vor, um die politischen Positionen der Guerilla zu schwächen. Am grausamsten war die Repression gegen die Bevölkerung in den Gebieten, in denen sich der bewaffnete Konflikt abspielte, sowie gegen solche Organisationen, die von der Armee direkter mit der URNG in Verbindung gebracht wurden.
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3.7.0.7  Ablösung in den Kasernen
Der neue Präsident geriet bei seinem Amtsantritt mehrfach unter internationalen Druck, mit dem erreicht werden sollte, daß General Bolaños, der noch zwei Dienstjahre vor sich hatte, an der Spitze des Verteidigungsministeriums blieb oder aber General Raúl Molina Bedoya seinen Posten übernahm. Der Kommandeursrat setzte beim neuen Staatspräsidenten jedoch die Abberufung von Bolaños und Mata Gálvez sowie die Ernennung von General Luis Enrique Mendoza durch, dem damaligen stellvertretenden Generalstabschef der Verteidigung. Als Vizeminister wählte Mendoza General Humberto Ángeles. Mit diesem Schachzug versuchte der Kommandeursrat, den Beförderungsprozeß zu stabilisieren und die unterschiedlichen Strömungen ins Gleichgewicht zu bringen. Parallel dazu entwickelte er eine neue Strategie, um seine schwierige Lage in den Griff zu bekommen. Die inneren Spannungen gingen jedoch weiter. Die „Offiziere aus den Bergen“
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traten wieder auf den Plan und beschuldigten die Armeeführung des Mordes an General i.R. Anacleto Maza Castellanos und Hauptmann Jorge Méndez Barragán, dem ehemaligen Chef des DIC der Nationalpolizei. Beide Morde wurden nie aufgeklärt. Die neue Führungsspitze der Armee konzentrierte sich insbesondere darauf, der internationalen Kampagne zur Entmilitarisierung aktiver entgegenzutreten. Präsident Serrano kündigte zwar kosmetische Maßnahmen an, verstärkte jedoch die Militarisierung des Innenministeriums und der Nationalpolizei. Der Generalstab des Präsidenten begann umgehend, Positionen in der Präsidialverwaltung zu besetzen, und drohte sogar einigen Ministerien wie z.B. dem Finanzministerium. Die Streitkräfte verhärteten ihre Position gegenüber der US-Botschaft. Im Januar erteilten sie bezeichnenderweise keine Genehmigung für die Landung eines Flugzeuges auf dem Militärgelände des Flughafens, mit dem der stellvertretende US-Außenminister Bernard Aronson zum Amtsantritt Serranos angereist war. Im April wies der Staatspräsident die Auszahlung von 100.000 US-$ Militärhilfe aus den Vereinigten Staaten öffentlich zurück. Währenddessen gab die US-Botschaft diskrete Hinweise auf die Verwicklung von Militärs in den Drogenhandel. Aus verteidigungspolitischer Sicht gelangte die Antimilitarismusdebatte den Streitkräften eher zum Nachteil denn zum Vorteil. Als der Dialog mit der Guerilla unter dem Vorwand einer Entschärfung internationaler Spannungen akzeptiert wurde, waren die Militärs derart verunsichert, daß General Mario Enríquez schließlich vom „Schlußstrich“ sprach und erklärte, kein Krieg ende mit der totalen Kapitulation. Dieser Standpunkt wurde jedoch von fast keinem anderen Mitglied des Kommandeursrates geteilt. Die nationalistische Kampagne richtete sich gegen den modernisierungsorientierten Teil der Unternehmerschaft, der sich bereits mit der Globalisierung beschäftigte. Desarrollistische Ansätze waren in der neuen Regierung endgültig von der Tagesordnung verschwunden. Diese Schlacht hatte die Armee ganz im Stillen verloren. Vor dem Hintergrund dieser Spannungen gab es im Juni 1991 neue Umbesetzungen in den Streitkräften: Die militaristischsten Offiziere aus den Beförderungsjahrgängen 1967/68 erreichten die Beförderungsränge für die Spitzenpositionen und verdrängten einige Vertreter der „Stabilitätslinie“ (Jahrgang 70), die an dienstälteren Offizieren vorbei befördert worden waren. Trotz dieser Umstrukturierungen und Beförderungen gelang es nicht, die interne Krise aufzuhalten, die im Dezember zum Ausbruch kam, als der Präsident überraschend Verteidigungsminister Luis Enrique Mendoza und den Generalstabschef der Verteidigung Edgar Godoy Gaitán absetzte. Zum damaligen Zeitpunkt war die Macht des Generalstabschefs Francisco Ortega Menaldo bereits ein Thema in der Öffentlichkeit. Im Zuge der Umbesetzungen übernahm José Domingo García Samayoa das Verteidigungsministerium und Roberto Perussina den Generalstab der Verteidigung (EMDN). Mario Enríquez blieb stellvertretender Chef des EMDN und José Luis Quilo Vizeminister. Die Generäle Edgar Godoy und Jaime Rabanales sowie Oberst Byron Israel Lima wurden in den Ruhestand versetzt. Mit dieser erneuten Bewegung an der Armeespitze kamen endgültig die „Herren des Krieges“ an die Macht. Sie vertraten die Ansicht, daß in der damaligen Konjunktur für die Streitkräfte die Schlüsselfrage darin bestand, einen vernichtenden militärischen Sieg über die Guerilla zu erlangen, und daß der Oberbefehl in den Händen derjenigen Offiziere liegen sollte, die Kampferfolge vorzuweisen hatten. In der Öffentlichkeit trat die Diskussion über die Umstrukturierung der Armee an die Stelle der Entmilitarisierungsdebatte. Die Kampagne konzentrierte sich bald auf die Macht des Generalstabschefs des Präsidenten (EMP), Francisco Ortega Menaldo, der in der öffentlichen Meinung als „starker Mann“ der neuen Militärspitze galt. Die Zeitschrift Crónica veröffentlichte eine Reportage über die Macht des EMP, und die Oberste Anklagebehörde legte dem EMP das Verbrechen an Myrna Mack zur Last. 1993 wurden für die Armee auch die internationalen Rahmenbedingungen aufgrund der Bewegung der Zivilgesellschaft immer düsterer. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichneten sich in den Streitkräften zwei sehr klare Linien ab: die Linie der „Herren des Krieges“ und die Linie der Offiziere, die sich auf die Lenkung des Friedensprozesses vorbereiteten. Erstere stützten sich nach wie vor auf die Macht des Präsidenten und seines Generalstabs, und letztere (zu deren Hauptfiguren General Mario Enríquez, Oberst Otto Pérez und Major Mauricio López Bonilla gehörten) begannen, auf Unternehmer, Politiker und Akademiker zuzugehen, die bereit waren, der Alleinherrschaft Jorge Serranos Grenzen zu setzen. Der zweifelhafte Erfolg der Offensive „Sieg 93“ und der skandalöse Versuch des Verteidigungsministers, an Privatisierungsgeschäften wie im Fall des 9. Fernsehkanals teilzuhaben, vergrößerten die Distanz zwischen der Armeespitze und der übrigen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund kam es im Mai zu dem „Putsch von oben“, als die Gruppe um García Samayoa, Roberto Perussina und Francisco Ortega feststellen mußte, daß sie unter den restlichen Militärkommandeuren keinerlei Unterstützung mehr hatten, obwohl ihre Beförderungsjahrgänge die Schlüsselpositionen kontrollierten.
3.8  3.8 Auf dem Weg in die Nachkriegszeit

3.8.0.1  Sprung ins Leere
Am 25. Mai 1993 beschloß Präsident Jorge Serrano überraschend, den Kongreß der Republik, den Obersten Gerichtshof sowie das Verfassungsgericht aufzulösen und dem Generalstaatsanwaltschaft sowie dem Menschenrechtsbeauftragten die Anerkennung zu entziehen. Gleichzeitig ordnete er Zensurmaßnahmen an und setzte mehrere Verfassungsartikel außer Kraft, in denen die Persönlichkeitsrechte garantiert waren. Serrano rechtfertigte den Staatsstreich mit der Notwendigkeit, „der Mafia und der Korruption in Legislative und Judikative ein Ende zu bereiten“, und versprach umgehende Parlamentswahlen, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Einige Beobachter wiesen darauf hin, daß diese Maßnahmen in der Öffentlichkeit zunächst noch relativ große Unterstützung fanden, da das politische Parteiensystem diskreditiert war. Die unmittelbare Reaktion der Unternehmer und eines Teils der Armeespitze, die Rolle der Medien, der internationale Druck und die Antwort der organisierten Gruppen und führenden Vertreter der Zivilgesellschaft schufen jedoch bald ungünstige Rahmenbedingungen für den Präsidenten. Der Generalstabschef des Präsidenten, General Francisco Ortega, Verteidigungsminister José Domingo García und der Generalstabschef der Verteidigung Jorge Roberto Perussina unterstützten ihn zwar, doch der Kommandeursrat beschloß, Serrano fallenzulassen, um abzuwarten, ob er sich halten konnte. Mit dem Putsch organisierte sich jedoch von Anfang an eine Ver-schwörung unter den „verfassungstreuen“ Militärs unter Führung des Geheim-dienstchefs (D-2), Oberst Otto Pérez Molina, und der “modernisierungs-orientierten“ Unternehmer. Sie befreiten den Menschenrechtsbeauftragten Ramiro de León Carpio und entwickelten hektische Aktivitäten zur Koordination der Bürgerproteste. Bei den Unternehmern bestand das vorrangige Ziel allem Anschein nach darin, „reinen Tisch zu machen“, damit das wirtschaftliche Modernisierungsprogramm (vor allem die Privatisierung der Staatsunternehmen) ohne Einmischung von Parteien oder staatlichen Institutionen vonstatten gehen konnte. Darüber hinaus waren sie an einer klaren Position zu den Friedensverhandlungen interessiert, in der Überzeugung, daß dadurch finanzielle und kommerzielle Türen auf dem internationalen Markt aufgestoßen werden könnten. In diesem Punkt stimmten sie mit den „verfassungstreuen“ Militärs überein, die begriffen, daß die defensive Position der militärischen Kriegstreiber das Problem der Rolle der Armee in der Nachkriegszeit nicht lösen konnte. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Epaminondas González, erkannte die Maßnahmen Serranos nicht an und spielte insofern eine Schlüsselrolle. Fünf Tage nach dem Putsch teilte Verteidigungsminister José Domingo García mit, Serrano sei zurückgetreten. Der wiederum versuchte noch zu lavieren, um Vizepräsident Gustavo Espina an seine Stelle zu setzen, doch die Oppositionskräfte hatten inzwischen bereits ihren eigenen Plan entworfen. Die Parteien verpflichteten sich zu einer Selbstsäuberung des Kongresses. Im Umfeld von führenden Vertretern der katholischen Kirche, der San-Carlos-Universität, Rigoberta Menchú, Helen Mack und jungen Unternehmern wie Lionel Toriello, Peter Lamport und José Rubén Zamora übernahm die Koordination der Zivilgesellschaft (Coordinadora de los Sectores Civiles) eine wichtige oppositionelle Funktion. Zu diesem Zeitpunkt wurde die sog. „Einigungsinstanz“ (Instancia de Consenso) gegründet (CACIF, Allgemeiner Arbeiterbund Guatemalas/Bund für Gewerkschaftseinheit Guatemalas [CGTG/CUSG], Parteien), der sich auch das Multisektorale Gesellschaftliche Forum (Foro Multisectorial Social) anschloß (UASP, NROs, San-Carlos-Universität, Indígena-Organisationen). Die Einigungsinstanz forderte eine Säuberung des Legislativ- und Justizapparates und schlug einen Dreierrat zur Wahl eines Staatspräsidenten vor. Am 6. Juni wählte der Kongreß Ramiro de León zum Präsidenten. Auf Druck von General Perussina, der inzwischen zum Verteidigungsminister ernannt worden war, wurde Arturo Herburger zum Vizepräsidenten gewählt. Der neue Staatspräsident setzte zwar umgehend García Samayoa und Francisco Ortega ab, doch das Gleichgewicht in der Armee blieb nach wie vor unstabil, als Perussina das Verteidigungsministerium übernahm und Quilo Ayuso vom Vizeministerium in die Subkommandantur des Generalstabs der Verteidigung abgeschoben wurde. Zum ersten Mal seit 1990 übernahm eine Gruppe von Militärs die Armeeführung mit einem gemeinsamen Ziel, nämlich der Entwicklung einer geeigneten Strategie, um die Friedensverhandlungen und die Zukunft der Streitkräfte für die Nachkriegszeit in Angriff zu nehmen. Die Gruppe war überdies breit gefächert und konnte so eine mittelfristige Strategie entwerfen: Ihr gehörten Offiziere aus den Beförderungsjahrgängen 62 bis 73 an. Zu ihren herausragenden Vertretern gehörten die Generäle Mario Enríquez, Marco Antonio González Taracena und Julio Balconi Turcios, die Obersten Otto Pérez, Letona Hora, Mario Mérida, José Luis Fernández Ligorría und Benjamín Godoy Búrbano. Ihnen schlossen sich die Oberstleutnants Otto Noak und Rolando Díez, die Majore Mauricio López Bonilla, José Cabrera, Luis Alburez und Francisco García Cuyún sowie Hauptmann Otto Spiegler an. Diese Ablösung bedeutete jedoch keine Neugestaltung der Operationsstrategie der Armee. Auf der Grundlage einer funktionalen Analyse der These der Nationalen Stabilität (Otto Pérez war einer ihrer entschiedensten Verfechter) sind innerhalb der militärischen Institution Schwachpunkte auszumachen (Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Drogenhandel), die aus verschiedenen Gründen unausweichlich sind, denn sie zu bekämpfen würde bedeuten, die gesamte Institution und den Staat zu destabilisieren. Als Lösung wurde vorgeschlagen, die Schwachpunkte im Griff zu behalten, um sie nicht zu einer Bedrohung werden zu lassen. Vor diesem Hintergrund gelang es den Offizieren der „Bruderschaft“ erneut, die Kontrolle über zentrale Bereiche der Sicherheitsapparate und die obersten Befehlsränge zu behalten, unabhängig von den Beförderungsaffinitäten anderer Offiziere des „Syndikats“. In einer seit 1990 führungsschwachen Institution konnte sich die neue Armeespitze zwar relativ leicht konsolidieren, jedoch interne Spannungen nicht vermeiden. Die neue Gruppe, die den Oberbefehl übernahm, suchte nach einem Weg, um die Macht der Institution gegen den Druck anderer Machtgruppen wie der Unternehmer, gegen die Forderungen der Zivilgesellschaft oder auch der URNG zu erhalten. Dies führte zur Entwicklung eines Diskurses mit Blick auf die Nachkriegszeit, der partielle Reformen beinhaltete. Gleichzeitig übten die Sicherheitskräfte und die Geheimdienste jedoch nach wie vor konstanten Druck gegen ihre Gegner aus. Der internationale Faktor glitt ihnen erneut aus dem Händen. Als die Friedensverhandlungen 1995 eine für die Armee unerwartete Wendung nahmen, bedeutete dies einen raschen Verschleiß der neuen Militärspitze unter der Führung von Enríquez, als sie versuchte, Fragen wie die Säuberung der Streitkräfte und ihre Beteiligung an der Privatisierung zu lösen.
3.8.0.2  Ramiro de León und die Unternehmer
Diejenigen, die darauf vertrauten, daß die Amtsübernahme von Ramiro de León Carpio als Staatspräsident endlich politische Stabilität bedeuten würde, sahen sich bald enttäuscht. Der Druck der Unternehmer, die bereits die beiden vorangegangenen Zivilregierungen zu Fall gebracht hatten, schürte auch in der Regierung De Leóns Unsicherheit, unabhängig von deren eigenen Schwächen und Unschlüssigkeiten. Am Ende der Regierungszeit Serranos war es zu einer Annäherung zwischen den „Erneuerern“ unter den hohen Offizieren und einigen Unternehmern und Politikern gekommen, die entschlossen waren, günstigere strategische Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund von Friedensverhandlungen zu schaffen, die sie mittelfristig für unvermeidbar hielten. Das politische System Guatemalas erwies sich mittlerweile als dysfunktional für die beiden wichtigsten Machtgruppen: die Militärs und die Wirtschaft. Nach der Bewältigung der Krise, die durch den Putsch ausgelöst worden war, standen sie als die großen Sieger da. 1995 war der Präsident auf dem Tiefpunkt seiner Popularität angelangt. Im Oktober hieß es in der Zeitschrift Crónica: „Ramiro de León hat Guatemala als Regierungschef größten Schaden zugefügt, weil er die militärischen Kontrollstrukturen über die Exekutive gestellt hat.“ Vom 22. Mai an wurde das Land von einem sogenannten „Krisenstab“ regiert. Ihm gehörten der Verteidigungs-, der Außen- und der Innenminister, der Generalstaatsanwalt, der Präsident der Friedenskommission (Comisión de Paz, COPAZ), der Vorsitzende der Menschenrechtskommission des Präsidenten (Comisión Presidencial de Derechos Humanos, COPREDEH) sowie der Staatspräsident an. Faktisch wurde der Krisenstab jedoch vom Generalstabschef des Präsidenten, General Otto Pérez Molina, gesteuert.
3.8.0.3  Machtkampf
Der Kreuzzug, den der neue Präsident unter starkem Druck der Unternehmer für die Säuberung der Judikative und Legislative unternahm, entwickelte sich zu einem Kampf, der das politische System in einer permanenten Krisensituation verharren ließ, anstatt seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dies setzte sich bis zum Beginn des Wahlkampfes im August 1995 fort, als Ríos Montt die Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses in Frage stellte. 1993 übten die Unternehmer massiven Druck aus, um eine willkürliche Säuberung durchzusetzen, die ihren Einfluß auf die Gesetzgeber ausweiten sollte. Die wiederum verschanzten sich hinter der institutionellen Legalität. In dieser Krisensituation, in der die Unternehmer im November 1993 sogar vorgezogene Präsidentschaftswahlen forderten, wurden die Instanzen der Zivilgesellschaft (die an der Krise vom Mai 1993 mitgewirkt hatten) kaltgestellt. Sie verlegten sich schließlich auf die Beteiligung am Friedensverhandlungsprozeß über die Versammlung der Zivilgesellschaft (Asamblea de Sectores Civiles, ASC). Präsident Ramiro de León, der zunächst den Unternehmerzielen nahegestanden hatte, ging allmählich auf Distanz und stützte sich auf den Generalstab des Präsidenten, um seine Autorität zu festigen. In diesem Machtkampf, der 1994 voll entbrannte, spielte die desarrollistische Strömung in der Armee erneut eine wichtige Rolle, diesmal über „Pläne für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit“. Die Zwänge von dieser Seite ließen jedoch 1995 nach, als die genannte Strömung in der Weltöffentlichkeit und durch Anschuldigungen in der lokalen Presse unter massiven Druck geriet und sich schließlich auf die Verteidigung der Standesinteressen der Streitkräfte zurückzog. Zur gleichen Zeit kam es zu einem stillen Kampf zwischen Unternehmern und Militärs: Seit Januar 1991 hatte ein Teil der Unternehmerschaft begriffen, daß jedweder Versuch einer Anpassung oder Reduzierung des öffentlichen Sektors
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zu wirtschaftlichen Interessenskonflikten mit der Armee führen würde, die auf allen Ebenen zum Ausdruck kamen. Andererseits bot der Friedensprozeß, der von neuen Entmilitarisierungsströmungen in den Vereinigten Staaten unterstützt wurde, eine Chance für den Versuch, die Militärs von ihren ökonomischen Machtpositionen zu verdrängen, ohne dabei das Risiko frontaler Auseinandersetzungen eingehen zu müssen. Zunächst reagierten die Streitkräfte auf diese Herausforderung mit einem Angriff auf die führenden Unternehmervertreter (insbesondere unter der Regierung Serrano): Sie schürten die Opposition von Gewerkschaftern und Politikern gegen die Privatisierungen und drängten sie zu einer Beteiligung. Während die Armeespitze in dieser Frage eine Einigung mit den Unternehmern zu suchen schien, kam es zwischen 1993 und 1995 zu einer Welle von Entführungen und Anschuldigungen gegen Militärs wegen deren Beteiligung an schmutzigen Geschäften. Diese Konfrontation hinderte jedoch gewisse Unternehmergruppen nicht daran, weiterhin „an die Kasernentore zu klopfen“, wie sie es bereits seit den siebziger Jahren taten.
3.8.0.4  Geschäfte mit dem Frieden
In einem Punkt herrschte zwischen den Unternehmergruppen und Militärs, die den Putsch Serranos vereitelt hatten, Einigkeit, nämlich im Hinblick auf den Entwurf eines Konzepts für die Nachkriegszeit. Grundlage war die umgehende Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen, für die im Gegenzug die URNG einige politische Zugeständnisse machen sollte. Dadurch sollten Investitionen ins Land fließen und Unternehmern und Militärs die Möglichkeit gegeben werden, weitab von nationalen oder internationalen Zwängen ihren vorrangigen Interessen nachzugehen (interne Umstrukturierung der Streitkräfte und Neuordnung der Ökonomie). Dafür konnten sie sich auf das ausgezeichnete Image des neuen Präsidenten im Ausland stützen und ebenso auf den Anschein, daß die Bewegung gegen den Putsch eine starke Bewegung der gesamten Zivilgesellschaft gewesen war, die nun von der neuen Regierung vertreten wurde. 1994 versuchten die wirtschaftlichen Machtcliquen, den Verhandlungsprozeß in einen Hochgeschwindigkeitszug umzufunktionieren. Sein einziges Ziel sollte darin bestehen, die militärische Konfrontation zu beenden, die Entwaffnung und Demobilisierung der URNG durchzusetzen und internationale Finanzmittel für den Frieden ins Land zu holen. Eine andere, historisch mächtigere Unternehmergruppe war jedoch der Meinung, daß eine Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen für 1994 kaum zu erwarten sei und in jedem Fall nicht zugelassen werden dürfe, daß durch internationale Zwänge oder den Verlauf der Friedensverhandlungen wirtschaftliche Umstrukturierungen durchgesetzt würden, die Vorteilsverluste für sie bedeuten könnten. Der Druck in Richtung einer Säuberung der Armee ließ neue Strömungen im Inneren der Streitkräfte entstehen und den Machtkampf wiederaufflammen, der seit 1991 im Verborgenen schwelte. Durch die Annäherung zwischen „verfassungstreuen Offizieren“ und „modernisierungsorientierten Unternehmern“ hatte sich zwar seit 1992 eine Interessengemeinschaft entwickelt, die neue ökonomische Spielräume für die Militärs suchte, ohne dabei die Wirtschaftsinteressen der Unternehmer zu beeinträchtigen; das finanzielle Desaster der Regierung, das ja gerade auf die Steuererpressung der unternehmerischen Hardliner zurückzuführen war, ließ jedoch die Aussichten für jedwedes Projekt in dieser Richtung schwinden. Als die Entführungen von Unternehmern massiv wurden und zahlreiche Fälle von Militärs ans Tageslicht kamen, die in verschiedenste Delikte verwickelt waren, begann man im Januar 1994 in Unternehmerkreisen von einer neuen Spaltung der Armee in „korrupte“ und „ehrliche“ Militärs zu sprechen. Die meisten Offiziere waren mit Oberst Otto Pérez Molina an der Spitze zu diesem Zeitpunkt bereits in den Rang von Oberstleutnants bzw. Obersten aufgestiegen und daran interessiert, mit den modernisierungsorientierten Unternehmern zu einer Einigung zu kommen, um so an den Privatisierungen bzw. den Wirtschaftsprojekten teilzuhaben, die sich aus dem Friedensprozeß ergeben würden. Unter der Führung einiger ehemaliger Offiziere, die sich am Staatsvermögen bereichert hatten, erklärten demgegenüber die Angehörigen niedrigerer Beförderungsjahrgänge, daß die für eine Privatisierung anstehenden Unternehmen von strategischer Bedeutung seien und weiterhin unter staatlicher Kontrolle stehen sollten.
3.8.0.5  Der Krieg geht weiter
Die Volksbewegung hatte sich noch nicht von den politischen Veränderungen des vorangegangenen Jahres erholt. Erst als die Versammlung der Zivilgesellschaft ASC (Asamblea de la Sectores Civiles, ASC)
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am 17. Mai 1994 ihre Arbeit ohne Beteiligung des CACIF aufnahm, entwickelte sie wieder politische Präsenz. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die URNG jedoch nach den Erfahrungen vom Mai 1993 einer Führungsrolle der ASC im Verhandlungsprozeß entgegen, denn damals war es den Unternehmern gelungen, die Bürgerreaktionen zu manipulieren. Dennoch hatte die URNG starkes Interesse daran, Gespräche mit den Christdemokraten zu führen, die ein populistisches Programm der nationalen Konzertierung anboten. Unter diesen Bedingungen bot sich der URNG die Möglichkeit, Erfahrungen mit politischer Partizipation zu sammeln. Im November 1994 schloß die ASC ihren Auftrag zur Entwicklung von Diskussionsvorschlägen zu eigenständigen Themen ab, erarbeitete jedoch ein Projekt, um ihrer Tätigkeit Kontinuität zu verleihen. Es drangen jedoch Gerüchte durch, nach denen die URNG ihre politische Beteiligung an den Wahlen von 1995 über die ASC kanalisieren könnte, als Mitglieder der URNG Sondierungsgespräche über die Möglichkeit aufnahmen, Bischof Quezada
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als Präsidentschaftskandidaten vorzuschlagen. Alfonso Cabrera, der ebenfalls mit der URNG über eine Unterstützung bei den Präsidentschaftswahlen von 1995 in Verhandlungen stand, brachte die mögliche Präsidentschaftskandidatur Quezadas an die Öffentlichkeit, so daß diese Initiative mit dem Rücktritt des Bischofs vom Vorsitz der ASC scheiterte. Von diesem Moment an drehten sich die Volksorganisationen nur noch um die Wahlkandidaturen: Am 22. September trafen sich Mitglieder der ASC und die gesamte Kommandantur der URNG in der UNO-Vertretung in El Salvador, um über die Wahlen und den Verhandlungsprozeß zu diskutieren und eine Aufnahme der erzielten Vereinbarungen in das Regierungsprogramm des nächsten Präsidenten zu erreichen. Der Vorschlag, die Versammlung der Zivilgesellschaft (ASC) einzuberufen, um so den Weg für eine breite politische Beteiligung der Bevölkerung zu bereiten, schien eher dem Interesse der URNG zu entsprechen, die Vereinbarungen zu legitimieren und am Verhandlungstisch ein Druckmittel von außen in der Hand zu behalten. Faktisch beinhalteten die im Vorfeld verhandlungsfähigen Themen eine gewisse Modernisierung/Säuberung einiger staatlicher Institutionen sowie eine gewisse ökonomische Modernisierung. Die Regierung/Armee schien lediglich auf politischer Ebene Türen für einige Zugeständnisse offenzulassen. Die Armeespitze betrachtete den Verhandlungsprozeß als Gelegenheit, um sich historisch zu legitimieren und die Grundlagen für ihre künftige Vormachtstellung zu schaffen. Sie hatte insbesondere zu einem partiellen, vorgezogenen Waffenstillstand eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet und bereitete sich darauf vor, über Hilfs- und Entwicklungsprogramme die Kontrolle über die von dem Konflikt betroffene Bevölkerung zu gewinnen. Die Volksbewegung erarbeitete keinen tiefergehenden Vorschlag, in dem die Versöhnung und das Ende der Gewalt als Mechanismen für eine Lösung der gesellschaftlichen Konflikte Berücksichtigung gefunden hätten. Ebensowenig machte sie sektorale bzw. gemeinschaftliche Vorschläge zur Wiedereingliederung der von den Auseinandersetzungen betroffenen Bevölkerung und zur Bewältigung der Probleme, die dem Konflikt ursächlich zugrundelagen. Die Volksbewegung schien eher von der Dynamik der URNG im Verhandlungsprozeß mitgerissen zu werden und ließ sich so die Chance entgehen, auf größere Bereiche Einfluß zu nehmen. Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund folgten die Basiskämpfe unter der Regierung De León dem seit 1990 vorherrschenden Grundmuster. Der Kampf um Land, die Präsenz der Indígena-Bewegungen, die Anklage von Menschenrechtsverletzungen, die Bewegung der Rückkehrer und die Wiederansiedlung der Vertriebenen und Flüchtlinge waren in der Zeit von 1993-1995 die vorrangigen Themen. Trotz geringer Aktivitäten zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher und gewerkschaftlicher Forderungen ging die Repression ungehindert weiter. Die Armee setzte nach wie vor ihre Sicherheitsapparate ein, um gegen die Volksbewegung vorzugehen, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern und sich anderen realen Machtgruppen wie den Unternehmern oder Trägern institutioneller Macht wie den hohen Richtern oder Politikern entgegenzustellen, denn in dieser Phase sahen sich die Streitkräfte mit einer erheblichen Ausweitung von Initiativen der Zivilgesellschaft konfrontiert, die bereits seit 1992 eine rasante Entwicklung zu verzeichnen hatten. Viele davon berührten zentrale Themen wie Straflosigkeit und Entmilitarisierung.
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Entgegen dem Diskurs von der „Schlacht um den Frieden“ kam es jedoch auf dem Land zu schwersten Übergriffen auf Basisgruppen, die eine Entmilitarisierung und die Auflösung der Zivilpatrouillen forderten. Im Ixcán und im Ixil-Gebiet stachelte die Armee die neuen Siedler zu Angriffen auf die vertriebene oder geflohene frühere Bevölkerung auf und startete eine Hetzkampagne gegen die Präsenz von Ausländern im Land. In den Gebieten, in denen die Guerilla ihre militärischen Aktivitäten ausgeweitet hatte, tauchten auch weiterhin Leichen von Zivilisten auf, wenn auch in geringerem Maße. Darüber hinaus wurden Polizisten wegen der Untersuchung von Delikten ermordet, in die möglicherweise Militärs oder Angehörige der Zivilpatrouillen verwickelt waren.
3.8.0.6  Die URNG und die Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen
Mit einer konservativen Taktik kalkulierte die Guerilla seit 1994 ihre militärischen Kräfte so, daß sie einen unbestimmten Druck aufrechterhalten konnte, der nur schwer zu entkräften war. Sie konzentrierte ihre Anstrengungen auf eine einheitliche Streitmacht in der Nähe der Hauptstadt, die sie mit ausgewählten Mitteln und Kämpfern versorgte. An ihren traditionellen Fronten behielt sie ihre bewaffneten Propaganda- und Strafaktionen bei. In der Erwartung, daß die demokratischen Institutionen einem noch stärkeren Zerfallsprozeß unterliegen würden, verlängerte sich die Zeit für die Vorbereitung einer politischen Strategie. Währenddessen konnte die Guerilla neue Formen gesellschaftlichen Drucks wie beispielsweise Landbesetzungen erproben. Seit die Flüchtlinge anfingen zurückzukehren, litt die URNG zwar unter einem starken politischen Verschleiß, stützte sich aber dennoch auf den Ansatz eines „bewaffneten Friedens“ (Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen, aber keine Demobilisierung), der solange aufrechterhalten werden sollte, bis genügend Beweise vorlagen, daß die Regierung in der Lage war, die Friedensvereinbarungen auch einzuhalten. Aus diesem Grunde zeigte die URNG keinerlei Interesse daran, den von der Regierung Ramiro de León angebotenen „ehrenvollen Abzug“ zu akzeptieren. Nach der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Mexiko und dem drohenden Aufstand der Zapatisten erhielt der Friedensprozeß in Guatemala 1994 für die Vereinigten Staaten und die internationale Gemeinschaft eine neue geostrategische Perspektive. Entsprechend verstärkten sie den Druck. Die Vereinbarungen vom 10. Januar 1994 veränderten die formale Entwicklung der Verhandlungen radikal: Die Vereinten Nationen übernahmen eine Vermittlerrolle, und die Parteien verpflichteten sich auf einen festgelegten Zeitplan. Die Regierung überschlug sich geradezu, um zu beweisen, daß sie zu allem bereit war, wenn sie dadurch den Konflikt auch nur um einen Tag verkürzen könnte. Die Armee begann, ihre Maßnahmen des „Krieges für den Frieden“ umzusetzen, und erreichte die Unterzeichnung eines Menschenrechts-abkommens
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, ohne das Thema der Wahrheitskommission
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einzubeziehen. Da-durch konnte sie dem starken internen Druck ausweichen, der in der Verschwö-rung von General Quilo Ayuso seinen Ausdruck fand. Auch die URNG fühlte sich unter Druck, so bald wie möglich zu einer Einigung zu kommen, die für ihre soziale Basis von Vorteil sein würde. Die ersten Vereinbarungen, insbesondere die zur Geschichtlichen Aufklärung, waren von starken Zwängen geprägt und stellten letztlich keine der beiden Parteien zufrieden. Andererseits trug die Menschenrechtsvereinbarung nicht unmittelbar zu einer Veränderung der Lage in diesem Bereich bei, brachte aber mit der Einsetzung der Überwachungskommission der Vereinten Nationen (Misión de las Naciones Unidas para Guatemala, MINUGUA) dennoch eine Dynamik in Gang, die für die Armee nicht vorhersehbar war, denn sowohl die URNG als auch die Volksorganisationen konnten sich die Kompetenzen der MINUGUA in breiter Form zunutze machen. Als Gegenleistung für diese ersten Vereinbarungen erreichte die Armee wenigstens einen Waffenstillstand, so daß sie gegenüber ihren eigenen Leuten konkretere Ergebnisse vorweisen und ihre ganze Kraft darauf verwenden konnte, sich mit dem „Krieg für den Frieden“ Spielräume in der Zivilgesellschaft zu verschaffen. Auch die Regierung und die Unternehmer brauchten diesen Fortschritt, um so mit der Kapitalisierung ihrer Investitionen im Geschäft mit dem Frieden zu beginnen. Die URNG hatte jedoch bereits ihre eigene Strategie entwickelt und war nicht bereit, die Erfahrungen vom Mai 1993 zu wiederholen. Damals wurden ihre Truppen durch eine einseitige Feuerpause ohne weitergehende Perspektive demoralisiert. Andererseits sah sich die URNG durch die vielfältige Kritik an der Geheimniskrämerei in bezug auf den Verhandlungsprozeß und die Ergebnisse der Vereinbarungen zur Wahrheitskommission in die Defensive gedrängt. Die Verhandlungen gerieten erneut ins Stocken, und beide Lager optierten für einen militärischen Vorstoß, bis dann am 22. Dezember der Generalsekretär der Vereinten Nationen von beiden Seiten einen Fünfzehn-Tage-Plan forderte, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, denn sonst würde er möglicherweise die Überwachungskommission zurückziehen. 1995 übte die internationale Gemeinschaft erneut Druck in der Richtung aus, daß der Zeitplan für die Friedensverhandlungen an den Zeitplan für die politischen Wahlen angeglichen werden sollte. Dies wurde von der URNG formal akzeptiert. Im Gegenzug sollte die Diskussion über die grundlegenden Themen nicht verwässert werden. Die URNG hielt an ihrer Zusage zur Teilnahme an den Wahlen fest, ohne bis dahin jedoch eine sehr klare Strategie zu haben. Die Armeesäuberung und die Entmilitarisierung der Gesellschaft blieben jedoch die vorrangigen Punkte. Die Vereinigten Staaten verstärkten ihren Druck auf die Armee, der im Juni 1995 ein nie dagewesenes Ausmaß erreichte. General Mario Enríquez wurde in seiner Führungsposition massiv geschwächt.
3.8.0.7  Der Sieg des Unternehmerkandidaten
Den allgemeinen Wahlen von 1995 kam eine besondere Bedeutung zu: Sie eröffneten die Möglichkeit, den von den Militärs 1984 auf den Weg gebrachten politischen Institutionalisierungsprozeß wiederzubeleben, nachdem das politische Parteiensystem und die Schlüsselinstitutionen der politischen Stabilität (Präsidialamt, Kongreß, Judikative) seit der christdemokratischen Regierungskrise von 1989 in eine Dynamik zunehmenden Prestigeverlusts in der Bevölkerung geraten waren. Von dem Wahlergebnis 1995 hing die Umsetzbarkeit der Staatsreform als notwendige Bedingung für die Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen und den Beginn der wirtschaftlichen Modernisierung ab. Die politische Partei, die als Siegerin aus den Wahlen hervorgehen sollte, mußte diese beiden Herausforderungen annehmen. Dies geht auch aus einer Analyse der Myrna-Mack-Stiftung hervor: „Der Wahlprozeß zeichnet sich als Spielraum für eine Neuordnung der politischen Kräfte ab, um den Übergang neu zu gestalten, der durch den Putsch von oben im Mai 1993 ernstlich gestört wurde. Es geht um ein Spiel der Eliten, die sich für die Nachkriegszeit ihre Spielräume gegenseitig streitig machen. ... Es sind hegemoniale Gruppen, die sich an den internationalen Zeitplan für eine Beendigung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg, die Umstrukturierung der Armee und die wirtschaftliche Modernisierung halten. ... Wahlen sind der Schauplatz par excellence für veränderte Kräfteverhältnisse in einer bestimmten Konjunktur. Die Wahlen vom 12. November stehen jedoch unter einer besonderen Belastung: Sie werden den Raum und die politischen Akteure bestimmen, die letztlich den Friedensprozeß, d.h. das Ausmaß des wirtschaftlichen und militärischen Strukturwandels gestalten werden.“ Vor dem Hintergrund der institutionellen Krise, mit der sich die Regierung von Ramiro de León Carpio verabschiedete, wurde der Wahlprozeß von denjenigen Ländern, die an Friedensverhandlungen interessiert waren, als Gelegenheit gesehen, um das politischen System glaubwürdiger zu machen. In dieser Richtung übten sie Druck auf die URNG aus, die ihre Unterstützung für den Wahlprozeß öffentlich demonstrieren und sich indirekt sogar daran beteiligen sollte. Der diplomatische Druck wirkte in gewisser Weise sogar auf die Wahlbehörden, so daß die Präsidentschaftskandidatur von Ríos Montt
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nicht zugelassen wurde. Im Gegensatz zu den Wahlprozessen in Nicaragua und El Salvador vor dem Hintergrund von Friedensverhandlungen bzw. Nachkriegsvereinbarungen wurde in Guatemala die Organisation der Wahlen durch Institutionalisierungsmechanismen behindert. Die Kampagne zur Wählereintragung war rein formal und voller Unregelmäßigkeiten: Ein Drittel der Bevölkerung im wahlfähigen Alter, die mehrheitlich unter dem Krieg gelitten hatte, konnte sich nicht einschreiben. Auch wurden ihr keinerlei Möglichkeiten dazu eingeräumt. Ebensowenig akzeptierte die Regierung Finanzhilfen aus der Europäischen Union, um am Wahltag einen kostenlosen Transport zu garantieren. Darüber hinaus gab es in Guatemala keine Gesetze, die eine illegale Parteienfinanzierung überwacht oder den Zugang sämtlicher Optionen zu den Medien geregelt hätten. Auch der Wahlprüfungsausschuß war völlig ineffizient und konnte weder eine freie Stimmabgabe gewährleisten noch die Drohungen und Erpressungsversuche der Politiker gegen die Bevölkerung im Landesinneren verhindern. Die Überwachungskommission der Vereinten Nationen (MINUGUA) vermied es, die demokratische Wahrnehmung des Wahlrechts zu kontrollieren, obwohl dies zu ihren Überwachungsaufgaben gehörte. Aus dem ersten Wahlgang gingen die Nationale Fortschrittspartei (Partido de Avanzada Nacional, PAN) und die Guatemaltekische Republikanische Front (Frente Republicano Guatemalteco, FRG) als Sieger hervor. Der PAN konnte zwar nicht die absolute Stimmenmehrheit bei den Präsidentschaftswahlen erreichen, wohl aber konnte er die Mehrheit im Kongreß (47 von 80 Sitzen) und ein Drittel der Bürgermeisterämter des Landes für sich gewinnen. Die große Überraschung war das Wahlergebnis der Demokratischen Front Neues Guatemala (Frente Democrático Nueva Guatemala, FDNG
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): Nach den Wahlprognosen der Wählerumfragen sollte sie 0,5% der Stimmen erhalten, brachte es aber auf sechs Sitze im Kongreß und wurde bei den Wahlen drittstärkste Kraft. Der PAN benötigte jedoch eine breite Legitimitätsgrundlage, um ein Regierungsprogramm auf den Weg zu bringen, das ihm im ersten Regierungsjahr eine Verhandlungsmacht gegenüber den einflußreichen Gruppen von Privatunternehmern und Armee sichern sollte. Aus diesem Grunde war es für seine Anhänger enttäuschend, im ersten Wahlgang entgegen ihren Erwartungen nicht die absolute Mehrheit erreicht zu haben. Noch enttäuschender war jedoch, daß sie auch den zweiten Wahlgang mit nur knapper Mehrheit gewinnen konnten. In gewisser Weise bot der Wahlsieg des PAN einen Ausweg aus der Krise der guatemaltekischen Rechten und den politischen Ambitionen der Unternehmer nach dem Antritt der Zivilregierungen im Jahre 1985. Zur politischen Kraft entwickelte sich der PAN 1985, als Álvaro Arzú Bürgermeister von Guatemala Stadt wurde und Teile der Mittelschicht sowie von der christdemokratischen Regierung enttäuschte Akademiker auf die Seite seiner Partei zog. Später konnte sich der PAN die Streitigkeiten unter Politikern und Großunternehmern in der Zeit der Regierung Serrano zunutzemachen und dehnte seinen Einflußbereich auf Kader der krisengeschüttelten Parteien aus. Bereits unter Ramiro de León wurde der PAN zur Wahloption für die Regierung und diejenigen Unternehmer und Militärs, die von ihr profitierten. Auf seinem komplexen, steinigen Weg, der sechs Jahre dauerte (Arzú gab im Mai 1989 zum ersten Mal seine Präsidentschaftskandidatur bekannt), gewann der neue Präsident allmählich das Vertrauen von Gruppen, die zu den mächtigsten im unternehmerischen Lager gehörten. Sein wichtigstes Empfehlungsschreiben bestand in einem Infrastrukturplan für den Straßenbau und sein Konzept für die Erschließung von Finanzmitteln, mit denen die Friedensvereinbarungen gestützt werden sollten. Beide Punkte erforderten jedoch eine neue Steuerreform. Was die Streitkräfte anbetraf, so hatte die PAN mit Beziehungen zu den Militärs keine Vorgeschichte und auch keine Annäherungsstrategie wie die DC. Nach der Bildung seines Kabinetts legte der Präsident Prioritäten fest. An erster Stelle brachte er die Verwaltungsreform der Exekutive auf den Weg und legte dem Kongreß fünf Gesetzesinitiativen vor: Reform des Kommunalverwaltungsgesetzes, des Verwaltungsorgangesetzes, des Redlichkeitsgesetzes, des Rechnungsprüfungsgesetzes und des Organgesetzes der Sicherheitskräfte. Danach definierte er Handlungsrichtlinien für die wichtigsten Ministerien und vereinheitlichte die Verwaltungsabläufe der Regierung. Mit diesen Rahmenbedingungen legte die neue Regierung umgehend ihre politischen Prioritäten fest, die sich auf drei Zielsetzungen konzentrierten: Beendigung des internen bewaffneten Konflikts, Inangriffnahme der Armeesäuberung und Verhandlungen mit den Unternehmern über deren finanzielle Unterstützung zur Überwindung des Defizits im Staatshaushalt.
3.8.0.8  Frieden - trotz alledem
Die Verhandlungen endeten im November 1995, und es begann der „Abstimmungsprozeß“ zwischen der URNG und dem Stab des künftigen Präsidenten, der im Januar 1996 gewählt werden sollte: Álvaro Arzú vom PAN (Rosada, 1996). Die Guerillaführung hatte aus ihrer Präferenz für Arzú keinen Hehl gemacht. Sie wies darauf hin, daß dessen Partei ein langfristiges Projekt hatte, das den Aufständischen Sicherheit bot, um die Verhandlungen abschließen zu können und die Nachkriegsetappe zu beginnen. Die informellen Gespräche fanden nacheinander in El Salvador, Italien und Mexiko statt. Arzú ernannte eine neue Friedenskommission (COPAZ) unter der Leitung seines wichtigsten Beraters, Gustavo Porras (ehemaliges Mitglied der EGP). Der Kommission gehörten an: Raquel Zelaya, eine einflußreiche Intellektuelle der letzten drei Jahre unter Zivilregierungen und geschäftsführende Direktorin des Vereins für soziale Forschung und Studien (Asociación de Investigación y Estudios Sociales, ASIES); Richard Aitkenhead, ehemaliger Finanzminister und enger Verbündeter der Zuckerbarone, sowie General Otto Pérez Molina, Generalinspekteur der Streitkräfte und Schlüsselfigur der Übergangszeit zwischen der Regierung Ramiro de León und Arzú. Die neuen Ausschüsse begannen sofort mit der Ausarbeitung der Entwürfe für das Abkommen über sozioökonomische Aspekte und die Situation im Agrarsektor, das schließlich am 6. Mai 1996 angenommen wurde. Seit Anfang März hatte die URNG einen Waffenstillstand beschlossen, dem Arzú unmittelbar folgte. In der Zwischenzeit führte die optimistische Dynamik dieser Entwicklung zu Verunsicherungen in den Reihen der URNG: Die politisch-diplomatische Kommission der Aufständischen hielt an Erwartungen fest, die höher waren als die der Generalkommandantur. Dies wurde als Bremsklotz für die Verhandlungen gewertet. Die vier Mitglieder der Generalkommandantur beschlossen daraufhin, die Kommission aufzulösen und die Verhandlungen allein zu übernehmen. Die Kritik an dem Abkommen ließ nicht auf sich warten. Es wurde als „neoliberal“ eingestuft und als Zusammenfassung des Regierungsprogramms des PAN bezeichnet, ohne daß dabei strukturelle Aspekte wie die ungleiche Verteilung des Reichtums angetastet würden. Die Aufnahme eines landesweiten Katasters, die Aufstockung der Sozialausgaben und die Anhebung der Steuerlast auf die Zielgröße von 12% des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2000 waren dennoch von Bedeutung. Die Verhandlungen wurden ohne auffällige Hindernisse bis zur Unterzeichnung des letzten Grundlagenvertrages über die Stärkung der zivilen Macht und die Rolle der Armee in einer demokratischen Gesellschaft am 19. September in Mexiko fortgesetzt. In diesem Abkommen wird ein Verfahren beschrieben, nach dem die Gesellschaft auf die öffentlichen Institutionen zugehen und sich an ihrer Neubelebung beteiligen soll. Darüber hinaus wird ein Generalplan zur Reform der Sicherheitsapparate vorgelegt. Darin ist der Aufbau einer zivilen Nationalpolizei, die Umstrukturierung der Geheimdienste (mit dem Ziel, deren große Handlungsfreiheit einzuschränken) und ein Umbau der Streitkräfte entsprechend den Bedürfnissen eines Landes in Friedenszeiten vorgesehen (Verringerung der Truppenstärke und Haushaltskürzungen sowie Neuorientierung ihrer Aufgaben auf die ausschließliche Verteidigung der äußeren Sicherheit). Nach der Unterzeichnung des Abkommens stellte sich die Frage, wie der Friedensprozeß gesichert und spätestens im Dezember 1996 abgeschlossen werden könnte, um sich so noch im Rahmen der Haushaltsplanung für die internationale Zusammenarbeit zu bewegen. Zu diesem Bemühen trugen die Regierung Arzú, die Kommandantur der URNG und die internationale Gemeinschaft gleichermaßen bei, insbesondere aber die Gruppe der befreundeten Staaten (Spanien, Vereinigte Staaten, Mexiko und Norwegen. Bei den Verhandlungen stand der heikelste Punkt noch bevor: Es mußte eine Person bestimmt werden, die den Angehörigen der URNG ihre Legalität bestätigen sollte. Seit Anfang 1996 war in Menschenrechtskreisen die Befürchtung wach geworden, daß sich beide Seiten im Zuge der angeblichen Konzertierung für eine Generalamnestie stark machen könnten, eine Art „Gesetz des Schlußstrichs“ für alle Kämpfer. Diejenigen, die mühsam Gerichtsverfahren gegen Staatsbeamte vorangetrieben und die Rechte der Opfer verteidigt hatten, damit sie sich an die Justiz wenden konnten, waren alarmiert. Angesichts dieses Risikos beschlossen sie im Juni 1997, ein Bündnis gegen die Straflosigkeit ins Leben zu rufen, um so die Verkündung eines neuen Generalamnestiegesetzes zu verhindern. Die Strategie des Bündnisses bestand darin, eine begrenzte Amnestie in Übereinstimmung mit dem Verhandlungsziel vorzuschlagen, nämlich der Wiedereingliederung der bewaffneten Aufständischen unter Ausschluß der Militärs. Mit der Vorlage eines Exklusivgesetzes zur Wiedereingliederung der Aufständischen legte das Bündnis den Diskussionsrahmen fest. Darin wurden politische Delikte als amnestiefähig ausgewiesen, nicht jedoch damit zusammenhängende gewöhnliche Straftaten. Es bestanden Zweifel daran, ob die Gerichte durchsetzungsfähig genug wären, diese Definition auch anzuwenden. Zum ersten Mal seit Beginn der Verhandlungen im April 1991 entwickelte ein Verhandlungsthema eine eigene Dynamik in der Zivilgesellschaft und wurde von einer öffentlichen Debatte begleitet. Vergleichbar war dies nur noch mit der Diskussion über die Rechte der indigenen Völker, obschon die politischen Parameter andere waren, und ebenso auch das, was gerade hier auf dem Spiel stand. Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein Ad-hoc-Instrument, um die traditionelle politische Ausgrenzung zu durchbrechen. Im Oktober geschah etwas Unerwartetes, das den Lauf der Ereignisse und faktisch auch das Nachkriegspanorama verändern sollte: Die Regierung sah sich zu der öffentlichen Mitteilung genötigt, daß die ORPA die 86-jährige Olga de Novella entführt habe, die einer der einflußreichsten Familien der guatemaltekischen Geschäftswelt angehörte. Nach offizieller Version habe sich der Präsident gezwungen gesehen, den Chef des Guerillakommandos auszutauschen, um das Leben der Mittachtzigerin zu retten, doch nur wenige glaubten an diese Version. Von vielen Seiten wurde der Verstoß der Regierung gegen die festgelegten juristischen Verfahren kritisiert (siehe Kasten). Auch über die URNG brach eine Welle der Kritik herein, so daß sie den Chefkommandanten der ORPA, Gaspar Ilom, vom Verhandlungstisch zurückziehen und die noch ausstehenden Durchführungsvereinbarungen in der Reihenfolge abändern mußte. So wurde die Vereinbarung über den Waffenstillstand vorgezogen und unter den gegebenen Bedingungen das Abkommen über die Wiedereingliederung erst später unter Dach und Fach gebracht. Letztlich spiegelt die Vereinbarung die nie verhohlenen Amnestieinteressen der Militärs wider. Die Amnestie wurde für die Armee weiter gefaßt als für die Aufständischen. In dieser stürmischen Entwicklung wurde schließlich am Abend des 29. Dezember 1996 das Abkommen über einen festen und dauerhaften Frieden unterzeichnet. Von nun an sollte ein neues Kapitel in der guatemaltekischen Geschichte beginnen.
3.8.0.9  Der letzte Verschwundene des Konflikts(der Fall „Mincho“)
Am Sonntag, den 25. August 1996, wurde Olga de Novella in der Zone 6 der Hauptstadt von einem städtisches Kommando der ORPA entführt. Die Guerillagruppe täuschte eine Straßensperre der Nationalpolizei vor, entwaffnete die Sicherheitsbegleitung von Enrique und Olga Novella und verschleppte die Frau. Erste Indizien, auf die das Anti-Entführungskommando im Generalstab des Präsidenten (EMP) stieß, deuteten auf den Militärbezirk Santa Lucía Cotzumalguapa (Escuintla) hin. Von dort operierte eine Bande von Entführern und Autodieben. Eine andere Quelle behauptet, der militärische Geheimdienst D-2 habe über einen seiner infiltrierten Agenten in der Guerillazelle möglicherweise von Anfang an von den Vorgängen gewußt. Wenn diese Version stimmt, so würde dies bedeuten, daß der militärische Geheimdienst den Ereignissen ihren Lauf gelassen und damit versucht hat, den politischen Preis für die ORPA in die Höhe zu treiben. Die ORPA ist die auf die Nachkriegszeit am besten vorbereitete Kraft der Aufständischen in der URNG. Es vergingen sieben Wochen, bis die Anti-Entführungseinheit den Kopf des Guerrillakommandos, Rafael Valdizón Nuñez („Isaías“), zu fassen bekam. Er ist Generalstabschef sowie Mitglied der Nationalen Leitung der ORPA im bedingungslosen Gefolge von Rodrigo Asturias („Gaspar Ilom“). In der Zwischenzeit wurde das Abkommen über die Stärkung der zivilen Macht und die Rolle der Armee in einer demokratischen Gesellschaft unterzeichnet. Mit der darauffolgenden Unterzeichnung der Durchführungsvereinbarungen, darunter auch der Vereinbarung über die Wiedereingliederung, stand ein Abschluß der Verhandlungen auf dem Plan. Nach Aussagen, die Regierungsbeamte im privaten Kreis gemacht haben, wurden Valdizón Nuñez und sein Leibwächter Juan José Cabrera Rodas („Mincho“), ein alter Basisaktivist, dem man bereits Aufgaben in legalen Organisationen übertragen hatte, am 19. Oktober von der Anti-Entführungseinheit aufgespürt. Die Version der Republikanischen Guatemaltekischen Front (FRG) besagt indessen, daß die EMP-Einheit das Haus stürmte, in dem die Guerilleros Olga de Novella festhielten. Dort seien „Isaías“ und „Mincho“ gefangengenommen und das Entführungsopfer befreit worden. Dieser Nuance kommt eine Schlüsselbedeutung zu, denn sie erlaubt, von Austausch zu sprechen oder nicht. Nach offiziellen Quellen wurden „Isaías“ und Frau Novella am 20. Oktober an einem geheimen Ort in der Zone 12 neben der Avenida Petapa ausgetauscht. Bei strikter Geheimhaltung wäre es bei diesem Vorgang geblieben. Eine Woche später drohte die FRG jedoch, die Ereignisse öffentlich zu machen. Die Regierung beschloß, ihr zuvorzukommen, und informierte am 28. Oktober die Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz über die Verantwortung der ORPA für die Entführung von Frau Novella. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Name „Mincho“ in keiner Erklärung aufgetaucht. Mitglieder der ORPA ließen ihren Familienangehörigen Nachrichten zukommen, in denen sie vorschlugen, bei Menschenrechtsorganisationen Anzeige zu erstatten. Dies geschah Ende Oktober. Die Vertreter der MINUGUA leiteten ihrerseits eine amtliche Untersuchung ein. Seitdem die Familienangehörigen diese Schritte unternommen hatten, wurde der Fall „Mincho“ öffentlich. Sowohl die Regierung als auch die URNG leugneten jedoch dessen Existenz. Die Presse und das Bündnis gegen die Straflosigkeit bemühten sich, die Details des Falles aufzurollen. Den Medien wurde ein Foto von einer halbverwesten Leiche zugespielt, die Mitte Dezember auf einer Müllhalde in der Zone 3 entdeckt und als XX auf dem Friedhof von La Berbena begraben worden war. Das Foto wurde von den Polizeiarchiven untermauert. Die Gesichtszüge der entstellten Leiche auf dem Foto stimmten mit denen eines Portraits von „Mincho“ außergewöhnlich genau überein. Inzwischen war der Untersuchungsstab der MINUGUA auf mehrere Spuren gestoßen. Auf Anweisung des Ermittlungsbeauftragten der Mission wurden die Nachforschungen jedoch eingestellt und die Archive ihm allein übergeben. Im zweiten Quartal 1997 kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen dem Bündnis gegen die Straflosigkeit und Jean Arnault, dem Leiter der MINUGUA, auf der einen sowie zwischen dem Bündnis und der Regierung auf der anderen Seite. Grundsatzthema war dabei die Verschleierung der gewaltsamen Verschleppung und vermutlichen außergerichtlichen Hinrichtung. Am Ende gab die ehemalige Guerilla die Existenz von „Mincho“ zu, und die MINUGUA spielte in einem vorläufigen Bericht vom 20. Mai der Regierung den schwarzen Peter zu: Sie räumte ein, daß man „Mincho“ gewaltsam habe verschwinden lassen und der MINUGUA überzeugende Hinweise vorlägen, um dem EMP die Tat anlasten zu können. Nur die Regierung wich keinen Schritt zurück und reagierte wütend auf den Bericht der Mission. Von da an verschwand der Fall allmählich aus den Schlagzeilen der Presse. Das UNO-Generalsekretariat entsandte ein paar diskrete Missionen, um das Ausmaß einer wahrscheinlichen Verantwortung für die Verschleierung durch eine Mission zu untersuchen, die bis dahin als erfolgreich gegolten hatte. Der Fall „Mincho“ ist noch immer offen. Sämtliche Mechanismen der Straflosigkeit haben erneut gewirkt, diesmal ironischerweise unter dem Zeichen der Friedensvereinbarungen. 4 DIE OPFER DES KONFLIKTS Allgemeine Statistiken 4.2 Verantwortliche Kräfte 4.3 Menschenrechtsverletzungen nach Departement
4.4 Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen deshumanitären VölkerrechtsAnalyse des REMHI-Projektes
4.4.1 Die Dimensionen der Gewalt Grundmuster und Typen von Verletzungen der Menschenrechte h
ttp://www.odhag.org.gt/INFREMHI/TOMO4C1.HT
M h
ttp://www.odhag.org.gt/INFREMHI/TOMO4C2.HT
M 5 DER WEG DES GESELLSCHAFTLICHEN WIEDERAUFBAUS: EMPFEHLUNGEN DES REMHI-PROJEKTS 5.1 Schadenslinderung 5.2 Kollektives Andenken an die Opfer 5.3 Die Rolle anderer gesellschaftlicher Akteure 5.4 Schutz vor Menschenrechtsverletzungen 5.5 Änderungen der Gesetze und der Rechtsprechung 5.6 Friedenssichernde gesellschaftliche Veränderungen h
ttp://www.odhag.org.gt/INFREMHI/RECOMEND.HT
M Verzeichnis der Abkürzungen Literaturverzeichnis h
ttp://www.odhag.org.gt/INFREMHI/BIBLIOGR.HT
M h
ttp://www.odhag.org.gt/INFREMHI




1

Anm. d. Ü.: Mit der Sammlung der Zeugenaussagen wurde 1995 begonnen. Der Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla kam erst Ende des Jahres 1996 zum Abschluß.

2

Hier ist darauf hinzuweisen, daß es sich um offene Interviews mit Leitfaden und nicht um geschlossene Interviews handelt, so daß im Bericht die auffälligsten Elemente aus den Zeugenaussagen kommentiert werden, nicht jedoch die spezifische Häufigkeit bestimmter Probleme. So ist es beispielsweise eher unwahrscheinlich, daß weniger als 1% der Menschen, die Opfer der Repression wurden, von Alpträumen oder immer wiederkehrenden Erinnerungen heimgesucht werden. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, daß die Häufigkeit auf 20-40% ansteigt, wenn die Betroffenen direkt nach wiederkehrenden Erinnerungen gefragt werden.

3

Anm. d. Ü.: Gruppe für gegenseitige Unterstützung (Grupo de Apoyo Mutuo, GAM): Organisation der Angehörigen der Verschwundenen

4

Anm. d. Ü.: Knollenfrucht

5

vgl. in Kap. 1.4.2: Die Erfahrungen der Gemeinden im Widerstand in den Bergen

6

Anm. d. Ü.: Ladinos/as: Nachfahren der spanischen Eroberer, die sich mit der einheimischen Bevölkerung vermischt haben. Der Unterschied zwischen Ladinos und indianischer Bevölkerung ist allerdings nicht rassisch zu verstehen. Vielmehr bedeutet die Zugehörigkeit zur Gruppe der Ladinos die Abgrenzung von der indianischen Bevölkerung, von ihren Lebensformen, Sprachen und ihrer Kleidung. Indígenas, die ihre indianische Kultur ablegen, werden äußerlich wie auch in ihrem Verhalten so zu Ladinos/as.

7

Bezirk im Departement Baja Verapaz

8

Manual de contrainsurgencia, Ejército de Guatemala, 1983.

9

Emma Guadalupe Molina Theissen war von 1974 bis 1978 Schülervetreterin. Nach dem Tod ihres Lebensgefährten zog sie in den Westen des Landes. An einer Straßensperre der Armee in Santa Lucía Utatlán wurde sie verhaftet. Sie wurde verhört und gefoltert, sogar mit Nadeln am Kopf punktiert und mehrfach vergewaltigt. Vom ersten Augenblick ihrer Gefangenschaft an entzog man ihr Nahrung und Wasser. Man zeigte ihr Fotos von Studenten, und dann holten sie sie aus der Zelle, um mit ihr durch die Stadt zu fahren und Leute aufzuspüren. Sie zogen ihr eine Perücke an und fuhren mit ihr durch die Straßen von Quetzaltenango, damit sie ihre mutmaßlichen Verbindungsleute preisgab. Sie floh aus der Kaserne der Militärbrigade „Manuel Lisandro Barillas“ in Quetzaltenango. Der Kommandant des Stützpunktes war Oberst Luis Gordillo Martínez. Er wurde später von Oberst Quintero abgelöst.

10

A. Breton (1994): Rabinal Achí: une dynastique maya du quinzième siècle. Société d’Etnologie, Paris.

11

Anm. d. Ü.: Im Original: ¡Vaya que no le pegaron! Diese Textstelle konnte nicht geklärt werden.

12

Die beschriebenen Symptome von Unterernährung lassen auf Fälle von Kwashiorkor schließen, eine Krankheit, die durch schweren Protein- und Energiemangel hervorgerufen wird.

13

Anm. d. Ü.: Übersetzung dieser Passage entnommen aus Christian Salazar Volkmann: Ein Terror, der jegliche Vorstellungskraft übersteigt, in: Frankfurter Rundschau vom 25.4.1998.

14

Es hat auch einige Fälle von Kindern in der Guerilla gegeben. Allerdings finden sich dazu in den im Rahmen des REMHI-Projekts gesammelten Aussagen keine Angaben. Für eine erzwungene Teilnahme gibt es jedoch keine Hinweise, sondern die Beteiligung war eher eine Reaktion auf die Ermordung von Familienangehörigen.

15

La expresión del trauma en los jóvenes: Guatemala, in: Trauma psicosocial y adolescentes latinoamericanos: formas de acción grupal, ILAS, Chile 1994.

16

Anm. d. Ü.: In Lateinamerika sagen Frauen, die ihre Kinder aus Armutsgründen weggeben müssen, häufig „ich verschenke das Kind“ (spanisch: regalar). Damit verbinden sie die Hoffnung, dem Kind ein besseres Leben zu „schenken“.

17

Nach Falla wirkte dieser Mechanismus bei einigen Massakern im Ixcán, so z.B. in Nueva Concepción, Kaibil und Piedras Blancas. Vgl. Roberto Falla (unveröffentlicht): Vorbereitendes Manuskript für das Buch Masacres de la Selva.

18

Die Zerstörung gemeinschaftlicher Strukturen wird bei zwei Dritteln der Massaker erwähnt. Kollektive Repressalien finden sich bei einem Drittel und Folgen des sozialen Zerfalls bei einem Fünftel der Zeugenaussagen.

19

In den Aussagen von Männern werden vornehmlich die gesellschaftlichen Verluste und soziopolitischen Veränderungen in der Gemeinschaft beschrieben (sie schildern eher die Gruppenzerstörung, den Zerfall gemeinschaftlicher Strukturen und die Übergriffe auf die Gemeinden sowie die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen). Im übrigen bestehen jedoch keine Unterschiede.

20

Achí: indigene Ethnie

21

Anm. d. Ü.: in Guatemala gebräuchliches Flächenmaß; 1 cuerda entspricht etwa 1750 m2.

22

Dary 1997.

23

Anm. d. Ü.: Übersetzung dieser Passage entnommen aus Christian Salazar Volkmann, a.a.O.

24

Anm. d. Ü.: Spätestens nach den Friedensverhandlungen von 1996 wurden die Zivilpatrouillen aufgelöst. Alte Machtstrukturen dauern jedoch vielfach fort, u.a. in Form der neugebildeten lokalen „Entwicklungskomitees“.


25

Anm. d. Ü.: Hier sind die historischen protestantischen Kirchen, z.B. Lutheraner und Mennoniten, gemeint.

26

Der verstärkte Zulauf, den evangelikale, protestantische und vergleichbare Kirchen zu verzeichnen hatten, geht auf verschiedene Faktoren zurück: a) die Stigmatisierung der katholischen Katecheten als subversiv und die Verfolgung der katholischen Kirche; b) die individualistische, apolitische Rettungsbotschaft der evangelikalen Sekten (Alkoholfeindlichkeit, individuelle Wiedergeburt); c) die frühe Benutzung der Maya-Sprachen und die partielle Achtung der Maya-Traditionen; d) die Unterstützung und Förderung einiger Sekten durch die Armee.

27

Anm. d. Ü.: Übersetzung dieser Passage entnommen aus Christian Salazar Volkmann, a.a.O.

28

„Nach der Maya-Tradition mußte eine Person, die eine Handlung außerhalb der sozialen Ordnung begangen hatte - heute wird dies als ‘Delikt’ bezeichnet - für ihren Fehler nicht isoliert von der Gesellschaft bezahlen, sondern ganz im Gegenteil, sie war dabei in die Gesellschaft eingegliedert: Die fragliche Person mußte auf irgendeine Weise den begangenen Fehler wiedergutmachen.“ (Dary, 1997).

29

Camús, 1997.

30

Anm. d. Ü.: Bluse der Maya-Frauen.

31

Eigene Angaben auf der Grundlage von Breton, A. (1989): El Complejo Ajaw y el Complejo mam. Memorias del II Coloquio Internacional de Mayistas, Vol. 1, UNAM, México; Solares, J. (1993): Estado y Nación en Guatemala, FLACSO, Guatemala; Equipo Ak’Kutan (1993): Evangelio y Culturas en Verapaz, Guatemala.

32

Anm. d. Ü.: Das Poop Wuj („Buch des Rates“) ist das Heilige Buch der Quiché in Guatemala.

33

Sonstige Formen wie Isolation, Rückzug aus dem gesellschaftlichen Engagement oder Vergebung sind hier aufgrund ihrer geringen Häufigkeit in den Aussagen nicht berücksichtigt worden. Die wenigen Angaben über Isolation oder Rückzug als Formen des Umgangs mit der Gewalt sind möglicherweise darauf zurückzuführen, daß diejenigen Menschen, die solche Bewältigungsstrategien am häufigsten benutzten, keine Aussage gemacht haben, oder aber, daß die Deklaranten in ihren Antworten dazu tendierten, die positive Seite des Umgangs mit der Gewalt hervorzuheben.

34

Zum Zusammenhang zwischen Vertreibung, Rückkehr und Wiederaufbau der familiären Beziehungen s. Kap. 1.4.2 Die Erfahrungen der Vertriebenen und Flüchtlinge

35

Corby, M. (1983). La necesaria relatividad cultural de los sistemas de valores humanos: mitologías, ideologías, ontologías y formaciones religiosas. Análisis epistemológico de las configuraciones axiológicas humanas. Ed. Universidad de Salamanca 1983, Instituto Interdisciplinar de Barcelona.

36

Anm. d. Ü.: [nos fuimos a las cureñas]. Diese Textstelle konnte nicht geklärt werden.

37

Gemeinden im Widerstand: Comunidades de Población en Resistencia, CPR

38

Die Koexistenz zwischen der Guerilla und den Gemeinden war bisweilen von widersprüchlichen Faktoren geprägt: 1) Ein Großteil der Menschen setzte positive Erwartungen in die Guerilla wegen ihres Mutes und ihrer Schutzfunktion für die Gemeinden; 2) die Guerilla brauchte eine Unterstützungsbasis, trotz der Gefahr, dadurch zum Angriffsziel der Armeeaktionen zu werden; 3) die Menschen waren gewillt, ihr Land zu verteidigen (dies galt insbesondere für die Miteigentümer der Kooperative von Ixcán), und sie waren von ihrem Widerstand überzeugt; 4) die Führung der Guerillaarmee der Armen (Ejército Guerrillero de los Pobres, EGP) versuchte, die gemeinschaftlichen Führungsstrukturen zu kontrollieren, und es gab Widersprüche zwischen diesen Gruppen; 5) die Guerilla hatte Anweisungen über die Notwendigkeit gegeben, in den besetzten Gebieten zu bleiben, wenngleich dies je nach Zeitpunkt auch variierte; 6) die militärische Umzingelung durch die Armee machte eine Flucht unmöglich (insbesondere in den Widerstandsgemeinden in den Bergen); 7) die repressiven Maßnahmen der Armee gegen die Bevölkerung bedeuteten extremes Leid und trieben einerseits die Menschen zur Flucht; gleichzeitig stärkten sie aber auch deren Widerstandswillen und die Beziehungen zu ihren Toten. 8) Die Präsenz von Vertretern auswärtiger Institutionen (Kirche, Gesundheitswesen etc.) unterstützte die Bevölkerung in ihrem gemeinschaftlichen Organisations- und Konsolidierungsprozeß.

39

Ejército de Guatemala: El retorno de los refugiados, Huehuetenango, 25.3.1987; Marín Golib, der damalige Kommandant der Militärbasis von Ixcán, äußerte sich gegenüber einer ausländischen Korrespondentin erleichtert darüber, daß die Rückkehrer keinen Militärdienst ableisteten, denn das würde bedeuten, „sich eine Laus in den Pelz zu setzen“.

40

Anm. d. Ü.: CONFREGUA, Conferencia de Religiosos de Guatemala (Konferenz Guatemaltekischer Ordensleute), Organisation der in Guatemala tätigen Ordensgemeinschaften. CONFREGUA unterstützt mit verschiedenen Programmen Vertriebene und Flüchtlinge, u.a. bei der Legalisierung von Landbesitz und der Wiederbeschaffung von Personaldokumenten.

41

Aus geschlechtsspezifischer Sicht besteht bei Männern die leichte Tendenz, eher gesellschaftspolitische Erklärungen vorzubringen, während die Frauen stärkere Betonung auf lokale Hintergründe legen. So führen die Männer den Konflikt eher als die Frauen auf früher bereits vorhandene Probleme innerhalb der Gruppe zurück, auf die Regierung, auf den sozio-ökonomischen Kontext, die Bodenbesitzverhältnisse oder die Beschuldigungen für ihr Verhalten. Bei den Frauen überwiegt demgegenüber stärker als bei den Männern die Bedeutung persönlicher Konflikte oder der Rückbezug auf das eigene Verhalten.

42

In der Maya-Kultur gehorcht das Verständnis von Übertretung und Wiedergutmachung einer Logik von individueller Verantwortung. Ein Mensch, der der Gemeinschaft oder anderen Menschen einen Schaden zufügt, muß etwas tun, um diesen Schaden wiedergutzumachen oder seine Schuld bezahlen. Nach Dary (1997) verdrängten kriegsgeprägte Konfliktpraktiken die traditionellen gemeinschaftlichen Prinzipien im Zusammenhang mit der Begehung eines Delikts: Erklärung des Delikts, Ermahnung, Dialog, Wiedergutmachung für den Geschädigten und Vergebung in Anwesenheit einer Autoritätsperson der Gemeinschaft. El Derecho Internacional Humanitario y el Orden Jurídico Maya: Una perspectiva histórica. FLACSO, Guatemala, S. 162 und 171.

43

Auch in anderen bewaffneten Konflikten gehörten Vergewaltigungen von Frauen zur Dynamik des Kriegs gegen die Bevölkerung. Die Thai-Piraten vergewaltigten absichtlich vietnamesische Frauen vor ihren Familien, um die Erniedrigung aller abzusichern. Eine Untersuchungsgruppe der Europäischen Union, die im Dezember 1992 Ex-Jugoslawien besuchte, kommt zu dem Schluß, daß in Bosnien-Herzegowina außerordentlich viele bosnische Frauen und weibliche Jugendliche als Teil einer systematischen Terrorkampagne vergewaltigt wurden. ACNUR (1994) Informe sobre la situación de los refugiados en el mundo. Icaria: Madrid (= Weltflüchtlingsbericht des UNHCR, 1994)

44

Jane Dowdeswell (1987), La violación: hablan las mujeres.

45

Anm. d. Ü.: Im spanischen Original wird keine geschlechtsspezifische Differenzierung verwendet. Es ist deshalb nicht klar festzustellen, inwieweit sich diese Verluste auf männliche oder weibliche Familienangehörige beziehen. In der deutschen Fassung wird deshalb auch nur die männliche Form verwendet.

46

Bei Witwen ist ein starkes Gefühl von Traurigkeit und Ungerechtigkeit vorherrschend, gekoppelt mit Angst und einem gestörten Trauerprozeß. Im Vergleich mit den Aussagen in den übrigen Zeugnissen äußern Witwen häufiger traumatische Erinnerungen und Gefühle von Einsamkeit und Ungewißheit. Außerdem leiden sie öfter an Hunger. Dies belegt sowohl die direkten Folgen, die der Verlust der nächsten Angehörigen direkt mit sich brachte, wie deren negative Folgewirkungen, insbesondere die Entbehrungen und die mangelnde Kontrolle über das eigene Leben.

47

Fernández Poncela, Ana, Relaciones de género y cambio socio cultural, 1997.

48

Anm. d. Ü.: Am 8. August 1983 putschte der Verteidigungsminister der Regierung von General Rios Montt, General Oscar Mejía Víctores. Er übernahm die Macht und führte den Krieg fort.

49

Familiares de Detenidos-Desaparecidos de Guatemala, Organisation der Familienangehörigen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen

50

Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala, CONAVIGUA, Nationale Witwenkoordination von Guatemala

51

Jodelet, 1992

52

Anm. d. Ü.: Offiziell und von unabhängigen Fachleuten eingesetzte Kommission zur Aufklärung und Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen. Die Veröffentlichung eines Berichts dieser Kommission ist für den Dezember 1998 geplant.

53

Anm. d. Ü.: Die Mozos Colonos besitzen ein Wohn- und Arbeitsrecht auf einer Finca, das auf die folgende Generation vererbt wird. Wechselt eine Finca den Besitzer, werden sie vom nächsten übernommen. Sie gehören sozusagen zum festen Inventar. Sie erhalten vom Großgrundbesitzer Parzellen zur eigenen Bewirtschaftung. Auf manchen Fincas müssen die Bauern die Pacht mit Geld bezahlen, auf anderen einen Teil ihrer Ernte abgeben. Auf den Kaffeeplantagen stellt die Nahrungsmittelproduktion der Mozos Colonos oft die einzige auf einer Finca dar. - Nach: Informationsstelle Guatemala e.V. (Hg.), Boden unter die Füße... Bonn 1997, S. 13.

54

Nach der UN-Menschenrechtskommission muß Wiedergutmachung (Reparation) alle von den Opfern erlittenen Schäden umfassen. Die Reparation enthält gemäß dem Recht auf Restitution individuelle Maßnahmen, die die Opfer in eine vergleichbare Situation wie vor den Verletzungen versetzen sollen (Arbeit, Besitz, Rückkehr ins Land, etc.), Entschädigungsmaßnahmen, die sich auf die ökonomische Kompensation der erlittenen Schäden beziehen, Maßnahmen der Wiederanpassung (readaptación), mit denen Ausgaben für juristische und medizinische Betreuung bestritten werden können, Maßnahmen der symbolischen Wiedergutmachung allgemeinen Charakters wie: öffentliche Anerkennung der Verantwortung von seiten des Staates; offizielle Erklärungen, die die Opfer in ihrer Würde rehabilitieren; Gedenkfeiern, Gedenkstätten zur Würdigung der Opfer; Aufnahme der wortgetreuen Erzählung von Verletzungen extremen Charakters in die Geschichtsbücher. Das Recht auf Reparation betrifft auch Garantien, daß Menschenrechtsverletzungen nicht weiterhin begangen werden, wie zum Beispiel die Auflösung von para-staatlichen bewaffneten Gruppen; das Außerkraftsetzen von Ausnahmeverfügungen, -gesetzen und anderer Normen, die die Verletzungen fördern; sowie Verwaltungsmaßnahmen und andere, die Staatsbedienstete betreffen, die für die Verletzungen und grausamen Handlungen verantwortlich waren.

55

Deshalb sollten die Reparationshandlungen die Partizipation der betroffenen Gemeinden und ihre Entscheidungsfähigkeit berücksichtigen und in allen Schritten von klaren Kriterien geleitet werden, die auf Gleichheit gründen, egal, ob es sich um Maßnahmen ökonomischen oder psycho-sozialen Charakters handelt.

56

Anm. d. Ü.: Estado Mayor Presidencial, EMP. Beim Präsidenten angesiedelter Generalstab des Militärs

57

In anderen Augenblicken hieß dieser Dienst auch BROE, DIT oder DIC.

58

Estado Mayor de la Defensa Nacional, vorher Estado Mayor General del Ejército, Oberer Generalstab des Heeres

59

Anm. d. Ü.: G-2 ist die Bezeichnung für die Agenten, die dem militärischen Nachrichtendienst D-2 zugeordnet sind. S-2 sind die Abteilungen (secciones) für nachrichtendienstliche Tätigkeiten der einzelnen Militärbasen oder Militäreinheiten.

60

Dieser Koordination war die Nationalpolizei untergeordnet, die lediglich Anweisungen zur vorherigen “Säuberung” der Umgebung der Gebiete erhielt, die die Geheimdienstoperationen betrafen. Wenn die Polizeiermittler disfunktional wurden, konnten sie später sogar hingerichtet werden. Dies geschah im Fall des Polizeiermittlers José Miguel Mérida Escobar, der für die Untersuchung des Falls von Myrna Mack zuständig war und der die Identität eines der materiellen Täter, des Armeefeldwebels Noé de Jesús Beteta Álvarez, enthüllte. Der Ermittler Mérida wurde am 5. August 1991, weniger als 50 Meter vom Polizeihauptquartier entfernt, auf offener Straße ermordet.

61

Seit seiner Gründung wurde dieser Dienst als La Regional bekannt. In den Anfängen führte der Nachrichtendienst des EMP die Bezeichnung “Regierungsbüro für Telekommunikation” und später “Regionalpolizei für Telekommunikation” (Policía Regional de Telecomunicaciones).

62

WOLA [Washington Office for Latin America] schätzt die Zahl der zivilen Informanten auf 3 000 und die Zahl der Personen, die innerhalb der Struktur arbeiteten, auf 530. (WOLA, Military Intelligence and Human Rights in Guatemala: The Archivo and Case for Intelligence Reform, 1995). Die Zeitschrift Crónica gibt eine Zahl von 300 Mitarbeitern an, die mit vier multipliziert werden müßte, da sich “die Struktur kleiner Einheiten nach unten verzweigt und in der Gesellschaft wie die Wurzeln eines Baumes ausbreitet.” (20. August 1993)

63

Einige der Namen sind: in den 20er Jahren, Policía Judicial, Guardia Judicial, Departamento Judicial; in den 60er Jahren, Cuerpo de Detectives; in den 80ern, Departamento de Investigaciones Técnicas (DIT), in den 90ern, Departamento de Investigaciones Criminológicas, DIC.

64

Das Pelotón Modelo ist Vorgängerin anderer Stoßtrupps der Polizei, u.a. des Comando Antimotines, BROE (Batallón de Reacción y Operaciones del Ejército) und SWAT (= Kommando 6 - comando 6 - der Nationalpolizeit. Die Bezeichnung SWAT wurde aus den USA übernommen). Diese Gruppe bestand in unterschiedlichen Zeiten aus durchschnittlich 300 Beamten.

65

An der Befehlsstruktur dieser Organe waren in den 70er Jahren der Rechtsanwalt und politische Führer Donaldo Álvarez Ruiz als Innenminister, General Germán Chupina Barahona als Direktor der Nationalpolizei, Manuel de Jesús Valiente Téllez, selbsternannter Oberst, als Chef des Detektivcorps, und Pedro García Arredondo, ebenfalls selbsternannter Oberst, als Chef des Kommando 6 beteiligt.

66

vgl. Kap. 2.3.3 und 2.3.4

67

Die S-2, oder Sección de Inteligencia, Geheimdienstabteilung, ist die Struktur des militärischen Nachrichtendienstes, die in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten als Teil der Militärbasen operierte.

68

Die Aufstandsbekämpfungskampagne 1966 und 1967 forderte ungefähr 6 000 Tote. Viele Leichen wurden in den Motagua-Fluß geworfen und tauchten mit Spuren schwerer Folterungen auf. Die Presse berichtete breit über diese Geschehnisse.

69

Es bestehen Register mit mehr als 20 Todesschwadronen, einige davon hatten eine flüchtige Existenz. Darunter sind: Acción Patriótica de Recuperación Institucional, APRI (Patriotische Aktion der institutionellen Wiedergewinnung), die 1967 operierte; Agrupación Patriótica de Anticomunistas, APA (Patriotische Vereinigung von Antikommunisten), 1967; Comité de Resistencia Anticomunista de Guatemala, CRAG (Komitee des antikommunistischen Widerstands von Guatemala), 1967-68; Frente Unido Anticomunista, FUNA (Vereinte Antikommunistische Front), 1967; Movimiento por la Memoria de Mario Méndez Montenegro, MPMMMM (Bewegung zum Gedenken an M. Méndez Montenegro), 1967, und die Movimiento Anticomunista de Guatemala, MAG (Antikommunistische Bewegung von Guatemala), 1967.

70

Einmal denunzierte die Armee die Aktivisten des Guerillazusammenschlusses URNG öffentlich in diesen Foren, besonders die Betätigung des Vertreters der damaligen Guerillaeinheit in Europa, Jorge Rosal, und eine seiner Mitarbeiterinnen, die über die holländische Staatsangehörigkeit verfügte.

71

Espinoza, Ex-Chef der EMP, wird in dem vorläufigen Bericht der UNO-Beobachtungskommission für Guatemala (MINUGUA) vom 20.5.1997 indirekt bezichtigt, für das Verschwindenlassen von Juan José Rodas, alias Mincho, Mitglied der Guerillagruppe ORPA, verantwortlich zu sein, der im August 1996 in die Entführung von Olga de Novella involviert war.

72

Anm. d. Ü.: Präsident der christdemokratischen Regierung von 1986-1990

73

Während der Regierungszeit von General Ríos Montt wurde GUATEL zu einer Abteilung des Verteidigungsministeriums. Der damalige Leiter des Unternehmens, Oberst Carlos Aníbal Menéndez Cabrera, leitete die Telefonspionage gegen politische Oppositionelle und korrupte Beamte. (WOLA, The Administration of Justice, 1989, 28. Mimeo). Im Juni 1995 wurde bekannt, daß Abgeordnete der Regierungspartei Partido de Avanzada Nacional, PAN, durch die Aufzeichnung ihrer Telefonate bespitzelt worden waren. Die Aufzeichnungen wurden wegen des brisanten Inhalts von dem damaligen Abgeordneten der Frente Republicano Guatemalteco, FRG, Juan Francisco Reyes López, der Öffentlichkeit präsentiert. Jedoch blieb der Verdacht immer auf dem Geheimdienst Archivo haften. Reyes López sagte lediglich, die zwei Bänder seien anonym an sein Büro im Kongreß geschickt worden. (Crónica, 30. Juni 1995)

74

Vom 7. Juni 1990 bis zum 26. März 1993 beschäftigte sich Orellana als “Postinspekteur” damit, Korrespondenz zu öffnen. Das Büro war diskret im ersten Stock des Zentralgebäudes der Post eingerichtet. Unter den Betroffenen waren der damalige Präsident Jorge Serrano Elías, der Generalstaatsanwalt der Nation (Procurador General) Acisclo Valladares Molina und der Ombudsmann (Procurador de los Derechos Humanos), Ramiro de León Carpio.

75

Oberst Juan Valencia Osorio wurde zusammen mit General Edgar Godoy Gaitán und Oberstleutnant Juan Oliva Carrera vor Gericht gestellt und der geistigen Urheberschaft des Mordes an Myrna Mack angeklagt. 1990 war Godoy Chef der EMP, Valencia Chef von Archivo und Oliva Chef des DSP.

76

Für die Bildung des “Sekretariats für strategische Analysen” (Secretaría de Análisis Estratégico) wurden 1995 über mehrere Monate in den Zeitungen Anzeigen geschaltet, in denen Sozialwissenschaftlern mit akademischer Ausbildung Stellen angeboten wurden. Die Stellen waren so beschrieben, daß mehrere linke Aktivisten in der Annahme, es würde sich um ein privates Forschungsinstitut handeln, ihre Unterlagen an dieses “Sekretariat” schickten.

77

Anm. d. Ü.: Bocacosta - Landstrich in Guatemala an den Ausläufern des Vulkangesteins zur Küste mit sehr fruchtbarem Boden.

78

Anm. d. Ü.: Unter der Herrschaft von Justo Rufino Barrios aufgebautes Unternehmen zum Bau von Straßen Companía de Zapadores

79

Anm. d. Ü.: Bevollmächtigungsgesetz: Die finqueros mußten für jeden Arbeiter, den sie dem Staat nicht zur Verfügung stellen konnten, eine bestimmte Summe bezahlen, was sie an den Rand des Ruins trieb, da es ohnehin schwierig war, für die Ernte genügend Arbeitskräfte zu bekommen.

80

Anm. d. Ü.: Bezeichnung für Maya-Priester

81

Anm. d. Ü.: Hierbei handelt es sich nicht um ein Gesetz, vielmehr bezeichnete der Volksmund so die unter Ubico gängige Praxis, Gefangene freizulassen und anschließend „auf der Flucht“ zu erschießen.

82

Anm. d. Ü.: Diese zeichneten sich durch eine feste Arbeiterschaft aus, die zur Finca gehörte und in quasi Leibeigenschaft auf dem Großgrundbesitz arbeitete.

83

Anm. d. Ü.: dormitorio - Schlafzimmer

84

Anm. d. Ü.: Bezeichnung für die Anhänger des MLN, der Befreiungsbewegung unter Castillo Armas

85

Anm. d. Ü.: Schimpfwort für US-Amerikaner

86

Anm. d. Ü.: Bezeichnung für die Aufständischen des 13. (= trece) November 1960.

87

Anm. d. Ü.: Asturias übernahm später als Kommandant Gaspar Ilóm die Führung der ORPA

88

Anm. d. Ü.: FAR, Fuerzas Armadas Rebeldes - Aufständische Streitkräfte

89

Anm. d. Ü.: Jugendorganisation der PGT

90

vgl. Kap. 2.1.1

91

Anm. d. Ü.: Nachrichtendienst des EMP, auch El Archivo genannt, vgl. Kap. 2.1.1

92

Anm. d. Ü.: Exhibición personal: Gesetzlich verankertes Verfahren zur Behandlung von Gefangenen

93

Anm. d. Ü.: In Guatemala Bezeichnung für weibliches Schwein. Hier Deckname für einen Guerillero.

94

Anm. d. Ü.: Erzbischof von Guatemala

95

Anm. d. Ü.: 1965 gebildete Jugendgruppe, die sich meist aus Schülern kirchlicher Mittelschulen zusammensetzte.

96

Anm. d. Ü.: Programm der Regierung zur Entwicklung des Departements Petén.

97

Anm. d. Ü.: 1970 wurde von der Regierung unter General Carlos Osorio das Entwicklungsprojekt des Nördlichen Quersaums ins Leben gerufen, das den Norden der Departements Izabal, Alta Verapaz, Quiché und Huehuetenango umfaßte. Das Projekt hatte zum Ziel, die Region durch ein Modell des abhängigen Wachstums sowohl in die nationale Ökonomie als auch in die Weltwirtschaft zu integrieren. Schwerpunkte waren dabei die Erdölförderung, die Entwicklung der Land- und Viehwirtschaft und die Umverteilung des Bodens. Die Regierung erklärte den Fortschritt der Regionen des Nördlichen Quersaums als Angelegenheit von öffentlichem Interesse und nationaler Dringlichkeit. Vgl. Guatemaltekische Kirche im Exil, Informationsstelle Guatemala e.V., medico international (Hrsg.): Aufstandsbekämpfung in Guatemala, Stuttgart 1991, S. 86 ff.

98

Anm. d. Ü.: Mit der Gründung des CUC gelang erstmals der Zusammenschluß von Landarbeitern und Kleinbauern, womit die Grundlage für eine starke Organisation der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung gelegt werden konnte.

99

Anm. d. Ü.: Am 29. Mai 1978 eröffnete die guatemaltekische Armee das Feuer auf eine friedliche Versammlung von Qeqchí-Indígenas auf dem Marktplatz von Panzós. Über 100 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, kamen ums Leben; 300 weitere wurden verletzt. Vgl. hierzu A. Sterr: Guatemala. Lautloser Aufstand im Land der Maya, Köln 1994, S. 49.

100

Anm. d. Ü.: Durch die liberalen Reformen Ende des 19. Jahrhunderts wurden kirchlicher Grundbesitz und indianisches Gemeindeland enteignet. Die Umverteilung des Bodens war Grundlage dafür, daß ein neuer dynamischer Sektor von Großgrundbesitzern entstehen konnte: die Kaffeepflanzer. Vgl. A. Sterr, a.a.O., S. 21.

101

Anm. d. Ü.: Alianza de Grupos Democráticos y Progresistas, FRENTE, Allianz demokratischer und fortschrittlicher Gruppen FRENTE: Studentenorganisation, die in den 70er und noch Anfang der 80er Jahre aktiv war.

102

Anm. d. Ü.: Alejos und Ayau traten als Vertreter einer konservativen Gruppe guatemaltekischer Unternehmer auf.

103

Anm. d. Ü.: Mitbegründer des EGP und später Mitglied der Generalkommandantur der URNG.

104

Anm. d. Ü.: Jorge Raúl García Granados war Sohn des führenden Unternehmers und Vertrauten von General Lucas García, Raúl García Granados. Elizabeth Lippmann gehörte einer reichen Familie von Bananenproduzenten an.

105

vgl. in Kap. 1.4.2 die Ausführungen zu Vetriebenen und Flüchtlingen

106

Anm. d. Ü.: Original: „el pez es al agua, como la población fue a la guerrilla“.

107

Anm. d. Ü.: Kaibiles: speziell für den Antiguerillakampf ausgebildete Einheiten der guatemaltekischen Armee.

108

vgl. Kap. 3.3.7

109

vgl. Kap. 4: Die Opfer des Konflikts

110

Anm. d. Ü.: Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der guatemaltekischen Arbeitergewerkschaft CNT.

111

Anm. d. Ü.: Vom CUC organisierter Streik mit großer Beteiligung

112

Anm. d. Ü.: Unter dem Oberbegriff „Protestantismus“ werden sowohl die traditionellen protestantischen Kirchen als auch die evangelikalen Sekten subsumiert. Hier wird das Wirken der evangelikalen Sekten angesprochen.

113

Anm. d. Ü.: Die Interinstitutionellen Koordinationsstellen wurden 1983 im Rahmen der Armeekampagne „Festigkeit“ als Organisationsgremien auf regionaler und überregionaler Ebene geschaffen. Sie waren zentrales Element des Konzepts der Entwicklungspole. Bis 1986 unterstanden sie direkt dem Verteidigungsministerium und wurden nach der Wahl Cerezos in „Entwicklungsräte“ umbenannt, behielten aber ihre Funktion im wesentlichen bei. Vgl. Guatemaltekische Kirche im Exil, Informationsstelle Guatemala e.V., medico international (Hrsg.): Aufstandsbekämpfung in Guatemala, a.a.O., S. 152.

114

Anm. d. Ü.: nachrichtendienstliches Organ der Nationalpolizei. Vgl. hierzu Kap. „Das Gehirn der Gewalt“, Punkt 1: „Die Struktur der Geheimdienste“.

115

Anm. d. Ü.: Strömung im Heer, die sich für soziale und wirtschaftliche Entwicklung einsetzte bzw. die Stabilisierung der bestehenden Machtverhältnisse durch begleitende Entwicklungsmaßnahmen sichern wollte.

116

Anm. d. Ü.: Bezeichnung für eine Gruppe, die sich aus Mitarbeitern des militärischen Geheimdienstes (D-2) zusammensetzte.

117

Anm. d. Ü.: Comisariato del Ejército: Ein Supermarkt für die Mitglieder der Armee. Die Verwaltung wurde unter Mejía Víctores dem Verteidigungsministerium entzogen und direkt der Armee unterstellt mit dem Recht des freien Imports aller Waren für den Konsumbedarf der Militärangehörigen. Unter Arzú und aufgrund der Friedensvereinbarungen wurde die Einrichtung im Jahr 1997 geschlossen.

118

Seit den 70er Jahren wandte die Armee eine Doktrin der „zentralisierten Entscheidung und dezentralisierten Umsetzung“ an, die den mittleren Führungskadern die Auswahl der Opfer bzw. die willkürliche Anwendung von Repressionsmaßnahmen überließ. Die Betonung der „zentralisierten Doktrin“ durch Gramajo könnte möglicherweise auf eine verstärkte Kontrolle der Repressionsaktivitäten hindeuten.

119

Anm. d. Ü.: Das Treffen fand auf Initiative des Präsidenten von Costa Rica, Oscar Arias, statt, um die Bürgerkriege in den zentralamerikanischen Staaten zu beenden.

120

Der Name „Syndikat“ entstand in den Reihen der „Bruderschaft“, um damit eine Gruppe von Militärs zu bezeichnen, die zu Zeiten von Lucas García in Geheimdienstaktivitäten verwickelt waren. In dieser Gruppe genoß die reformistische Linie der Militärs, die den Putsch von 1982 unterstützt hatte, breite Unterstützung. Die Offiziere des „Syndikats“ waren von den Theorien des Krieges niedriger Intensität und des Desarrollismo geprägt, die von der US-Armee entwickelt worden waren und während des Konfliktes mit den Sandinisten wieder hoch im Kurs standen. Demgegenüber kamen die Offiziere der „Bruderschaft“ aus der „Taiwaner Schule“. Sie sorgten sich eher um die Anwendung von Mechanismen sozialer Kontrolle und geheimdienstliche Sicherheitskonzepte. Über alle Ideologien hinweg schien die durch die staatliche Geheimdienstarbeit entstandene Komplizenschaft das wesentliche Element zu sein, durch das die Mitglieder der „Bruderschaft“ zusammengeschweißt wurden. Die Mitglieder des „Syndikats“ hingegen definierten sich eher über ihre Nichtzugehörigkeit zur „Bruderschaft“.

121

Anm. d. Ü.: Einschüchterung, indem man den betreffenden Personen entsprechende „Botschaften“ zukommen ließ.

122

Anm. d. Ü.: „La Pánel Blanca“ ist ein weißer Kastenwagen, der laut Anschuldigungen von der Finanzpolizei für Entführungen genutzt wurde. Im März 1987 legte eine Arbeitseinheit der Nationalpolizei einen Bericht vor, der zehn Agenten der Finanzpolizei beschuldigte, an acht Mordfällen beteiligt gewesen zu sein. U.a. wird dargestellt, daß die Finanzpolizei abwechselnd 30 verschiedene Nummernschilder für das „Pánel Blanca“ benutzte. Dieses Ereignis ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die Finanzpolizei der christdemokratischen Regierung jener Zeit nahestand, während die untersuchende Nationalpolizei sich mit der G-2 identifizierte.

123

Anm. d. Ü.: Nach diesem Beschluß mußten rückkehrwillige Flüchtlinge zunächst schriftlich bestätigen, daß sie der Guerilla angehörten, um dann die „Amnestie“ in Anspruch nehmen zu können. Dies wiederum war Voraussetzung für die Erteilung einer Rückkehrgenehmigung.

124

vgl. unten im Kap.: Die Armee verliert ihre Führung

125

Anm. d. Ü.: Geheimdienstorgan des Generalstabs des Präsidenten (EMP)

126

Anm. d. Ü.: Departamento de Investigaciones Criminológicas, DIC, Nachfolger des DIT, Kriminalpolizeiliche Einheit der Nationalpolizei mit geheimdienstlichen Funktionen, vgl. auch Kap. 2.1.1

127

In ihrem Bericht stellt die Kommission anhand zahlreicher Beweise fest, daß guatemaltekische Polizisten in den Entführungsfall verwickelt waren. Danach erhielt jedoch die Armee den Auftrag, die Verhöre zu führen und den Mord anzuordnen.

128

Anm. d. Ü.: Departamento de Seguridad Presidencial, DSP, offizielle Bezeichnung für „El Archivo“, Geheimdienst im EMP.

129

Anm. d. Ü.: Centro de Estudios Estratégicos Nacionales, Zentrum für Nationale Strategische Studien: Diese Institution wurde geschaffen zur Ausbildung junger Offiziere und um den ideologischen Einfluß der Armee auf die guatemaltekische Gesellschaft zu stärken. Die Ausbildungseinrichtung wurde jüngst auch für Zivilisten geöffnet.

130

Anm. d. Ü.: Nach vertraulichen Vorverhandlungen wurde im März 1990 das „Abkommen von Oslo“ getroffen, in dem sich Vertreter der Nationalen Versöhnungskommission und der URNG zu ernsthaften Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges verpflichteten.

131

Anm. d. Ü.: Im Abkommen von Esquipulas von 1987 verpflichteten sich die zentralamerikanischen Präsidenten, Nationale Versöhnungskommissionen in ihren Ländern einzurichten und die Verhandlungen mit der jeweiligen bewaffneten Opposition aufzunehmen.

132

Anm. d. Ü.: Bekannt als „Abkommen von Querétaro“ vom April 1991.

133

Anm. d. Ü.: Massaker des Militärpostens in Santiago Atitlán an Bewohnern des Ortes, die gegen das Militär einen Protestmarsch abhielten.

134

Anm. d. Ü.: Damit wird Bezug genommen auf die von internationalen Organisationen (IWF, Weltbank) geförderte und geforderte Strukturanpassungspolitik zur Senkung der öffentlichen Ausgaben, zur Sanierung der Staatshaushalte und zur Öffnung der Märkte.

135

Unter der Regierung Serrano Elías nahmen die Menschenrechtsverletzungen eine unerwartete Entwicklung. Nach Angaben des Erzbischöflichen Menschenrechtsbüros (ODHAG) kam es 1991 zu 551 außergerichtlichen Hinrichtungen, 205 Morden, 143 Zwangsverschleppungen und 123 Fällen von Folterung. Demgegenüber berichtete das Büro des Menschenrechtsbeauftragten von 148 außergerichtlichen Hinrichtungen und 118 Zwangsverschleppungen. 1992 stiegen diese Zahlen merklich an. Nach Angaben der CDHG (Comisión de Derechos Humanos de Guatemala) wurden vom 1. Januar bis zum 18. August 1.128 Morde begangen. Davon waren 350 außergerichtliche Hinrichtungen (65 Opfer wiesen Folterspuren auf). In 21 Fällen ließ man Verhaftete verschwinden, und es gab 31 Hinrichtungen, 32 willkürliche Verhaftungen, 104 Todesdrohungen, 289 Attentate und 321 Bombardierungen bzw. Fälle von Maschinengewehrbeschuß.

136

Anm. d. Ü.: Die „Offiziere aus den Bergen“ (Oficiales de la Montaña), waren eine Gruppe „kampferprobter“ Militärs, die sich besonders massiv gegen Verhandlungen mit der Guerilla aussprachen. Sie galten über lange Zeit als „Hardliner-Fraktion“ in der Armee.

137

Anm. d. Ü.: Bezieht sich auf Strukturanpassungsmaßnahmen zur Reduzierung öffentlicher Ausgaben und zur Senkung staatlicher Investitionen, insbesondere durch Privatisierung und Abbau staatlicher Strukturen.

138

Anm. d. Ü.: Die ASC war von einem brieten Spektrum gesellschaftlicher Gruppen gebildet worden, um Einfluß auf Inhalt und Verlauf der Friedensverhandlungen zwischen Regierung und URNG, die mit dem Abkommen von Oslo ihren Anfang genommen hatten, zu nehmen.

139

Anm. d. Ü.: Bischof Quezada Toruño, Bischof der Diözese Zacapa, war Vorsitzender der ASC mit Billigung der katholischen Bischofskonferenz.

140

In diesem Zusammenhang nahmen die Menschenrechtsverletzungen in der Hauptstadt mit einer Serie von Anschlägen auf oppositionelle Bürger, Journalisten, Angehörige der Kirchen und NROs erheblich zu. Es gab Angriffe auf die organisierte Gewerkschafts- und Volksbewegung und sogar auf Menschenrechtsaktivisten und die Justizorgane. Gruppen wie der Jaguar Justiciero oder das Nationale Antikommunistische Komitee (Comité Nacional Anticomunista) traten wieder in Erscheinung, und es wurden neue Formen der Einschüchterung mit einem geringeren politischen Preis angewandt. Dazu gehörten Durchsuchungen von Büros, Verhöre, nach denen das Opfer freigelassen wurde, oder auch die Präsenz von Angehörigen der Zivilpatrouillen, die ihre Opfer bis in die Hauptstadt verfolgten. Ebenso gab es Formen wahlloser Gewalt wie beispielsweise die Welle von Terroranschlägen, die im September 1994 die Hauptstadt erschütterte, oder die Hinrichtung von jugendlichen Bandenmitgliedern, die dem stellvertretenden Innenminister Oberst Mario Mérida zugeschrieben wurde.

141

Anm. d. Ü.: Das Abkommen wurde am 29.3.1994 in Mexiko unterzeichnet und stellt das erste substantielle Dokument mit Vereinbarungen zwischen Regierung und URNG dar, dem in den nächsten Jahren noch neun weitere Abkommen folgen sollten.

142

Anm. d. Ü.: Das Abkommen über die Einrichtung der Kommission zur historischen Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen und Gewalttaten wurde am 23.6.1994 unterzeichnet.

143

Anm. d. Ü.: Laut Gesetz konnte Ríos Montt nicht an den Wahlen teilnehmen, da er 1982 durch einen Putsch an die Macht gekommen war.



CHIXOY DAM

Die Ergänzungsfunktion frisst die TAGS 25.10.2005 - 12:01
Mit Tags gibt es die Bände der REMHI unter:
 http://chiapas.indymedia.org/display.php3?article_id=115647


indymedia chiapas hat eine Kategorie 4, Guatemala:
 http://chiapas.indymedia.org/display.php3?admin=&medium=&category=4

Dort wird von Zeugenaussagen zum Chixoy Wasserkraftwerk im REHMI Projekt berichtet. TESTIMONY OF THOSE AFFECTED BY THE CHIXOY WATER DAM:
 http://chiapas.indymedia.org/display.php3?article_id=115670

In der deutschen Zusammenfassung auch steht etwas über die Massaker an den Maja Achí am Chixoydamm in Baja Verapaz.

[CHIXOY DAM]
LAHMEYER INTERNATIONAL, Friedberger Strasse 173, D-61118 Bad Vilbel
Chixoy Damm, Guatemala
Lahmeyer International führte mit LAMI ein Firmenkonsortium, das 1972 gegründet aus: Lahmeyer International (Deutschland), Motor Columbus (Schweiz) und International Engineering Company (USA). Cogefar (Italien) -- wurde später Teil von Impregilo, bestand.
LAMI projektierte, entwarf überwachte die Herstellung des Damms für das Wasserkraftwerk Chixoy mit 300 Megawatt Leistung in Guatemala. Die von LAMI 1974 erarbeitete Machbarkeitsstudie empfahl den Bau des Damms.
LAMI`s Machbarkeitsstudie von 1974 behauptete dass: "Im Gebiet der Untersuchung ... nahezu keine Bevölkerung gibt".
Nach Angaben der Weltbank, waren jedoch 2.500 Menschen umzusiedeln.
1978, in der Zeit der brutalen staatliche geförderten Unterdrückung, welche von den Vereinten Nationen als "Genozid" klassifiziert wurde, finanzierte die Weltbank (WB) und die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) das Chixoy Dammprojekt. Die IADB finanzierte 1978, 105 Mio. U$ und 1981, 70 Mio. U$. Die WB finanzierte 1978, 72 Mio. U$ und 1982, 44,6 Mio. U$ nach Massakern bei welchen mehr als 400 Gemeindemitglieder des Río Negros welche gegen den Damm opponierten töteten.
Am 13.mrz. 1982 schlachtete das guatemaltekische Militär und Zivil Patrouillen (Paramilitärs) 107 Kinder und 70 Frauen in der einsam gelegenen Maya-Achi Gemeinde des Río Negros. Zu den Opfern gehörte die schwangere Frau und zwei Kinder von Carlos Chen Osorio. Dies war das dritte von fünf Massakern welche gegen die Menschen vom Río Negro begangen wurden welche darauf folgten, als sich die Gemeinde weigerte ihr Land für den Dammbau zu verlassen. Das Fluten des Beckens begann wenige Monate nach dem letzten Massaker.
Doch obwohl zahlreiche Missionen zur Beaufsichtigung des Projektes während und nach dem Bau entsandt wurden, bewahrte die Weltbank offensichtlich Stillschweigen über die Massaker bis 1996 Menschenrechtsgruppen die Geschichte entdeckten. Eine interne Weltbankuntersuchung sprach sie von Verantwortung frei.
Die Überlebenden des Río Negros erhielten nie eine angemessene Entschädigung für das Land, die Häuser und persönliches Eigentum, das sie verloren oder das ihnen gestohlen wurde, noch viel wenige Wiedergutmachung für die Gewalttätigkeiten, welchen sie ausgesetzt waren. Unabhängig von den Massakern ist die Weltbank, bei ihren Umsiedlungsprogrammen dazu verpflichtet, dass jene welche Umgesiedelt werden nach dem Projekt nicht benachteiligt werden. Wegen der Massaker waren die eigentlichen Umsiedlungen von geringerem Umfang. Die Weltbankverantwortlichen behaupten sie hätten die Gemeinde zu ihrem Lebensstandard von 1975 umgelagert. Dies ist nicht der Fall.
Die von LAMI 1974 erarbeitete Machbarkeitsstudie empfahl den Bau des Damms, trotz ernster geologischer Probleme bei der Gründung des Dammes. Der Baubeginn war 1976, als ein schweres Erdbeben Guatemala traf. Auf dieses Erdbeben folgte eine eingehendere Untersuchung in seismischer Hinsicht, welche einige vorher nicht entdeckte Fehler zu Tage brachte. Eine daraus folgende Neuplanung, welche den Damm stabiler gegenüber Erdbeben machte, verzögerte den Bau um 15 Monate und erhöhte die geschätzten Kosten des Projektes um nahezu 10 %. Kurz nach Baubeginn, wurde festgestellt, dass die Bergformation der Dammgründung von Fehlstellen und Höhlen gestört war, was eine weiter Neuplanung erforderlich machte. Dies führte zu einer 350 % höheren Kostenansatz als dem Ursprünglichen von 1977. Anschließend machten weitere unentdeckte Fehler Entwurfsänderungen notwendig, welche die Kosten für das Krafthaus verdoppelten. Schließlich stürzte der Druckstollen, welcher das Wasser vom Becken zum Krafthaus leiten sollte, während er aufgefahren wurde, zweimal ein, was die Projektfertigstellung um ungefähr 14 Monate verzögerte.
Die Stromproduktion begann im jul.1983, aber weitere schwere Schäden im Druckstollen zwangen zu einer Schließung nach nur fünf Monaten. Die anschließende Reparatur dauerte zwei Jahre und kostete ungefähr 57 Mio. U$. Eine gewerblicher Betrieb der Turbinen von Chixoy kam ab apr.1986 zustande. Neue Leckagen wurden in den frühen 1990er gefunden.
Nach Angaben der Weltbank, einem Mitfinanzier des Damms, erreichte die Stromgeneration in Chixoy zwischen 1990 und 1994 durchschnittlich 1.300 Gigawattstunden pro Jahr gegenüber 1.540 Gigawattstunden wie sie in den Projektdokumenten vorgesehen waren. Die Weltbank berichtete 1982, dass Chixoy eine unwirtschaftliche Investition war, mit einer Amortisationsrate von nur 2,4 %. 1974 schätzte LAMI, die Kosten für Chixoy auf 270 Mio. U$. Zur Fertigstellung 1985 kostete er 1.020 Mio. U$. Die Herstellungskosten stellten schließlich ungefähr 40% von Guatemalas Auslandsverschuldung in den späten 1980. Jahren dar. Guatemala hatte sehr lange eine moderate Auslandsverschuldung.
1986 wurde von Guatemala zum letzten mal ein Außenhandelsüberschuss erzielt.
HTTP://WWW.IRN.ORG/PROGRAMS/MEKONG/NAMTHEUN.PHP?ID=IRNTOLAO.HTML
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/imf/america/guatem.htm

Chulac Dammprojekt
Ein weiteres Dammprojekt offenbart die Interessenlage von LAHMEYER INTERNATIONAL. LAHMEYER INTERNATIONAL wurde als Teil eines leicht umstrukturierten LAMI für den 1.250 Mio. U$, 450 MW Chulac Dammprojektes engagiert.
Die Arbeiten wurden 1981 begonnen, bevor die Machbarkeitsstudien abgeschlossen waren. Die HOCHTIEF AG (Tochter der Mutter RWE)
gewann den Bauauftrag und 137 U$ wurden für zwei Entlastungstunnels, Zufahrtsstraßen, und Baustelleneinrichtung investiert. Die Arbeiten wurden eingestellt, als sich herausstellte, dass der Berg den Damm nicht tragen würde.
Roberto Balsells früherer Präsident des staatlichen guatemaltiekischen Energieversorgers "Instituto Nacional de Electrificación (INDE) behauptet, dass die Möglichkeit Geld zu veruntreuen das Hauptmotiv für den Start des Chulac Dammprojekt war. Das Projekt wurde mit Zustimmung der INDE unter der Diktatur von Gen. Romero Lucas Garcia.
Quellen: Gysel, M. and Lommatzsch, M. (1986) 'Guatemala's Chixoy Hydroelectricity Scheme', Water Power & Dam Construction, June; World Bank (1991) 'Project Completion Report on Guatemala Chixoy Power Project', 31 December; World Bank (1992) 'Project Performance Audit Report on Guatemala -- Aguacapa Power Project and Chixoy Power Project', OED, June, 2; Witness for Peace (1996) A People Dammed: The Impact of the World Bank Chixoy Hydroelectric Project in Guatemala. Washington, DC; World Bank (1996) 'The World Bank's Experience with Large Dams: A Preliminary Review of Impacts. Profiles of Large Dams (Background Document)', August 15.