Clement gegen Arbeitslose und Beschäftigte

Antifa - Kritiker 19.10.2005 21:19 Themen: Soziale Kämpfe
Minister wirft mit Nazi - Vokabular um sich und beklagt die weit verbreitete "Mitnahmementalität" in der Gesellschaft.
In einem 33 Seiten langen „Arbeitsmarktreport“ greift Wirtschaftsminister Clement auf unerträgliche Weise Erwerbslose, aber auch Menschen, die noch in „Lohn und Brot“ stehen, an. Dabei bedient er sich eines Vokabulars, welches man auch gerne im 3. Reich verwendet hat. Nach einem kurzen Vorwort, in dem er die Arbeitsmarktreformen als Erfolg anpreist, den damit verbundenen sozialen Kahlschlag leugnet und das mangelnde moralische Bewusstsein gegenüber dem Sozialstaat in weiten Teilen der Bevölkerung bejammert, geht er gleich zum Angriff über…

Es werden zahlreiche Beispiele beschrieben, in denen Mitarbeiter der ARGE (Arbeitsgemeinschaft aus Arbeitsagentur und Kommune) unangemeldet bei Leistungsbeziehern aller Art an der Wohnungstür klingeln, um dann in einer unglaublich penetranten und die persönlichen Gefühle der Betreffenden verletzenden Art, nachzuforschen, ob nicht irgendwo der ein oder andere Euro zuviel beantragt worden ist. Die ARGE – Prüfer scheinen sich wirklich alles erlauben zu können. Man kontrolliert den Kleiderschrank, ob nicht doch vielleicht Unterwäsche eines etwaigen Lebenspartners zu finden ist, der für die finanzielle Unterstützung der Leistungsbezieherin herangezogen werden könnte, genauso wie den Kühlschrank. Falls sich da schon Schimmel breit gemacht hat, lebt sicherlich niemand mehr in der Wohnung für die das Amt die Miete zahlt. Auch für die Kuhle in ihrem Doppelbett musste sich eine Person rechtfertigen, da sie angegeben hatte, getrennt von ihrem Partner zu leben…
Natürlich finden sich auch die BMW – Cabrio fahrenden Ausländer in diesem Bericht, damit wirklich alle Vorurteile bedient werden. Einige Passagen dieses Machwerks bringe das Fass dann aber wirklich zum überlaufen…

„Biologen verwenden für Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten – leben, übereinstimmend die Bezeichnung Parasiten. Natürlich ist es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf den Menschen zu übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des einzelnen gesteuert“.

Im weiteren Verlauf der Reports werden vermehrt auch arbeitende Menschen angegriffen, nicht nur einfache Arbeiter, sondern auch Ärzte, Anwälte und andere Besserverdienende.

„Der Berliner Südwesten macht nicht den Eindruck, als sei dort die Armut zuhause. Mondäne Villen reihen sich in vielen Straßenzügen aneinander wie Perlen an einer Kette. Auch wer nur ein Reihenhaus besitzt, gehört fast immer zu den Gutverdienern“.

Beklagt wird wieder mal die allgemeine „Mitnahmementalität“ in der Gesellschaft. Diese sei aber nicht auf „soziale Brennpunkte“ beschränkt sonder in allen Schichten zu finden. Je höher die gesellschaftliche Stellung, desto größer sei allerdings die Raffinesse, mit der die „Betrüger“ ans Werk gehen.
In fast allen geschilderten Fällen, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Viele der Betroffenen müssen mit einer Vorstrafe (!) rechnen die den Wiedereinstieg in ein „geregeltes“ Arbeitsleben noch mal erschwert. Die Rückzahlung der Gelder ist selbstverständlich.


Im zweiten Kapitel werden dann aber tatsächlich sogar Unternehmer als Betrüger präsentiert.

Zuerst geht es um ein Arbeitsangebot für Bauarbeiter in Spanien. Den Leuten wurde eine interessante Arbeit und guter Lohn versprochen. Die verantwortlichen Unternehmer kassieren von den Arbeitsagenturen für jeden neu eingestellten Arbeitslosen eine Prämie. Arbeit gibt es jedoch keine, die Männer kommen in Spanien an, werden vertröstet und schließlich mit einer kleinen Abfindung nach hause geschickt.
Auch eine Grillfleischfirma aus Brandenburg bedient sich unseriöser Methoden. Für Arbeiten am Fliessband benötigte sie neue Hilfskräfte. Jedoch waren die Arbeitsbedingungen so unerträglich, dass die kurz vorher eingestellten nach wenigen Tagen wieder kündigten – und die Firma wieder Bedarf an neuen Kräften hatte, für die sie wiederum Prämien kassieren konnte.


Das dritte und letzte Kapitel widmet sich dem Thema „Beihilfe zum Betrug“

Erneut wird die weit verbreitete „Mitnahmementalität“ in der Bevölkerung beklagt.
Erschleichung von Leistungen werde vielfach sogar als „clever“ angesehen.
Es wird auf Bücher und Schriften hingewiesen in den Tipps für Betroffene stehen, die sich teilweise an der Grenze des legalen bewegen. Ganz konkret wird sogar die PDS genannt, die auf ihrer Internetseite einen „Musterwiderspruch“ für Betroffene von ALG 2 bereithält, auf der sie zu Recht auf die Verfassungswidrigkeit des SGB 2 hinweist.
Eine ZDF – Fernsehteam will sogar eine PDS – Mitarbeiterin dabei ertappt haben, wie sie Betroffenen in einer Bürgersprechstunde Tipps zum Sozialbetrug geben hat, da sie einem Hilfsbedürftigen Paar empfohlen hat, sich nicht als Paar auszugeben und auch die Wohnung dementsprechend einzurichten, damit der „Betrug“ nicht auffliegt.
Auch gegen sie führt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen durch. Ähnlich erging es einem Gewerkschafter, der die Empfehlung aussprach, geerbtes Geld auf kein Konto einzuzahlen.
Wann die AGTuWas das gleiche Schicksal ereilt, bleibt abzuwarten. Ihr „Leitfaden ALG2/Sozialhilfe“ erfreut sich schon mal nicht gerade großer Beliebtheit bei den „Arbeitsmarktreformern“.


Sicherlich ist diese harte und ideologisch gefärbte Attacke nichts neues, jedoch zeigt sie um so mehr, gegen was die Linke angehen muss. Es kann nicht sein, das Politiker und Parteien, die immer wieder durch Korruption, Betrügereien und andere Skandale auffallen, noch ernst genommen werden wenn sie über Menschen herziehen, die aus wesentlich ärmeren Verhältnissen kommen und versuchen, sich finanziell unabhängiger zu machen. Wir müssen Solidarität mit den Betroffenen betreiben und sie über ihre Möglichkeiten und Rechte aufklären. Wie weit dann der oder die einzelne selber geht, muss jeder selbst entscheiden.

Unter dem angegebenen Link kann der "Reformbericht" als pdf angesehen werden.
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Ergänzungen

biologen

tagmata 20.10.2005 - 01:10
„Biologen verwenden für Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten – leben, übereinstimmend die Bezeichnung Parasiten."

nee, die korrekte bezeichnung ist 'heterotroph'. auf der isla guadalupe gab es auch mal einen wald, und daß dem nicht mehr so ist, liegt nicht an irgendeinem parasiten, sondern an den scheiß ziegen, die ein paar walfänger dort auszusetzen mal für ne ganz ganz schlaue idee hielten.

ein 'parasit' ist etwas, was vom wirt was abgreift, ihn aber nicht dauerhaft in massiver oder zum tode führender weise beeinträchtigt, und gewiß nicht direkt killt (aber es ist ein weites feld; sacculina carcini tötet die parasitierten strandkrabben zwar nicht, aber was es damit macht ist auch nicht grad appetitanregend, naja, und filzläuse...). ein organismus, der sich von *einem einzelnen* lebenden organismus ernährt, bis daß dieser zu tode kommt, ist ein parasitoid (zb schlupfwespenlarven), an welcher sprachlichen differenzierung man sieht, daß ein parasit eine strategie fährt, die letztlich auf eine koexistenz hin evolviert.

Anzeige wegen Volksverhetzung

antifascista 20.10.2005 - 15:35
Verschiedene Zeitungen wie "Zeit" und "Handelsblatt" berichten heute, dass Clement von "Arbeitsloseninitiativen" wegen der Parasiten-Geschichte wegen Volksverhetzung angezeigt worden ist, scheinbar hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Man darf gespannt sein.

Nazis und Nazi-Denker aufs Maul!


checkt:
 http://zeus.zeit.de/hb/947609.xml
 http://derstandard.at/?url=/?id=2215671
 http://www.handelsblatt.com/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/artpage/0/cn/GoArt!200013,200050,976847/SH/0/depot/0/Anzeige_gegen_Clement_wegen_Volksverhetzung%0D%0A.html

Clements "Parasiten-Bulle"

Rio 21.10.2005 - 01:04
Clements 'Parasiten-Bulle' - 20.10.2005

Seit Tagen bestimmt der so genannte "Report Leistungsmissbrauch" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zahlreiche Diskussionen in Presse und Fernsehen. Was unter dem Titel "Vorrang den Anständigen" als erbärmliche Hetze gegen - wörtlich genannte - "Parasiten" der Gesellschaft, nebst einleitenden Worten des Ex-Ministers Clements, gedacht war, provoziert nunmehr jene Anständigen zunehmend, sowohl das System "Hartz IV", als auch die schon faschistoide Wortwahl des Minsiteriums in Frage zu stellen. (Auch Juden wurden unter Hitler als "Volksschädlinge" bezeichnet, womit ein unsägliches Kapitel deutscher Geschichte seinen Lauf nahm. Der psychologische Trick: Menschenjäger durften sich als "Schädlingsbekämpfer" verstehen und waren somit quasi einem Apotheker gleichgestellt. ... Also irgendwann, nach Menschen 3. und 4. Klasse, wird das Tierreich schon beginnen.)

Ein anderes Ziel des Reports ist ganz sicher auch die erhoffte Abschreckung unter den Betroffenen. "Prüfdienste der ARGE", den Meisten leider gar nicht bekannt, sollen ins Bewusstsein der Menschen übergehen ... und auch das feige, anonyme Denunzieren der eigenen Nachbarschaft wird im Report als ehrenvoll-kultureller Beitrag einer super-vernünftigen Gesellschaft dargestellt.
So scheint es um die menschliche Moral gestellt. Ein Manager, Politiker ..., jeder Hilfe unabhängige Erwerbstätige darf seine Moral als intime Angelegenheit behandelt wissen und sich (wie auch immer) um ein finanziell besseres Fortkommen bemühen, ... den Hilfe Bedürftigen aber wird Moral öffentlich per Zwang abverlangt. Die müssen als Gutmensch geboren sein und günstigsten Falls an das Paradies im Himmel glauben.
(Siehe Bert Brecht: "Erst das Fressen, dann die Moral". Oder gehen wir in die Kölner Geschichte: der kölsche Begriff "Fringsen" für "Klauen" ist dem Kölner Kardinal und Erzbischof Josef Frings entlehnt, der es den Armen sündenfrei zubilligte, Mundraub zu betreiben.)

Und es gibt einen weiteren Trick dieser "Parasiten-Kampagne", der funktionieren würde, sofern jetzt 90 Prozent der Hartz-IV-Betroffenen gehorsam darauf beharren wollten, eben NICHT zu den vermeintlich 10 Prozent der "Missbrauchsfälle" zu gehören ... und die Betroffenen sich somit - wenn man so will - unter einander distanzieren. Damit gelänge es dieser Regierung, die aus einem nicht unerheblichen zurück gebliebenen Teil der rot-grünen Hartz-IV-Protagonisten besteht, das Potenzial ihrer Gegner zu minimieren. Deswegen ist es m.E. RICHTIGER, dass ALLE sich angesprochen fühlen. Wenn Demonstrationen und Petitionen kein Gehör finden und es Parasiten bedarf, Hartz IV zu unterhöhlen, dann will ich einer sein !

Hier der Link zum Report:

 http://www.arbeitsmarktreform.de/Arbeitsmarktreform/Redaktion/PDF/report-leistungsmissbrauch

Rio Esser-Ackermann ;-)

Alternative Downloadadresse:

softlabhennef 21.10.2005 - 14:38
Mein Browser (IE) ist gar nicht so dumm :-)

"Beim Versuch dieses Dokument zu verwenden ist ein Fehler aufgetreten".
(nicht wahr, Herr Minister? GRINS!)

Für alle die, die das Mistpaper noch nicht lesen konnten, bzw. falls es irgendwann klammheimlich aus dem Netz genommen wird, hier gibts noch eine Kopie des PDF-Dokuments in gezippter Form:

 http://worldcontent.twoday.net/files/report-leistungsmissbrauch

Hausbesuche bei Clement?

muss ausgefüllt werden 21.10.2005 - 15:10
Finden demnächst eigentlich auch ALG2-Kontrollen ("Hausbesuche") bei Wolfgang Clement statt?

Am 25. März 2001 gab es jedenfalls mal eine Protestaktion gegen den von Clement mit verantworteten Fluglärm in der Region Köln/Bonn. Allerdings darf wohl in der Nähe der Wohnung von Wolfgang Clement in Bonn-Godesberg (Plittersdorf), Am Baumgarten 9, nicht direkt demonstriert werden, wegen Bannmeile oder so. Daher fand damals die Demo auch nur in der Nähe (Ecke Wurzerstr./Mittelstraße) statt.

Bleibt abzuwarten, ob sich "Parasiten" von solchen Regeln abhalten lassen...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Alg II für Clement! — Anti-Drecksack

Klartext — kein Parasit

Beleidigungen — N.N.

Das Leute — N.N.

dem peter clemens dem gehts nit gutta — clemens sein hintern

nazi?? — mal im ernst...

Nazisprache oder nicht? — Dagmar Henn