Antifaschistische Demonstration in Betzdorf

demoorga betzdorf 19.10.2005 20:48 Themen: Antifa
Am vorigen Samstag, den 15.10., fand in Betzdorf (Westerwald) eine antifaschistische Demonstration statt.
"Bis hierhin und nicht weiter" war das Motto der Demo. Getragen und organisiert wurde sie von antifaschistischen Gruppen aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Im Westerwald war es zuletzt zu einer Reihe von Vorfällen gekommen. So wurde unter anderem ein organisierter Naziangriff auf ein alternatives Konzert in Daaden Anfang diesen Jahres gestartet, in Wissen wurde ein junger Spätaussiedler an einer Tankstelle krankenhausreif geschlagen. Die Ereignisse gipfelten zuletzt in einem Angriff auf ein Ausländerwohnheim in Derschen im August. Der Westerwald stellt zunehmend einen wichtigen Aktions- und Rückzugsraum für die organisierte Naziszene dar. Neben dem starken NPD-Kreisverband ist die "Kameradschaft Westerwald" hier beheimatet, die unter anderem über bundesweite Kontakte verfügt. Derzeit läuft in Betzdorf der Prozess gegen Mitglieder der Kameradschaft. Ihnen wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen (siehe auch: www.betzdorf.tk oder www.antifa-westerwald.de).

Dies alles forderte und fordert antifaschistischen Widerstand und ein entschlossenes Auftreten antifaschistischer Kräfte, gerade in diesem regionalen Raum heraus.

Dementsprechend wurde in Betzdorf für den 15.10. um 12 Uhr eine antifaschistische Demonstration gegen die organisierten Nazi-Strukturen im und um den Westerwald herum, gegen den rechten Dorf-Mainstream und gegen die von Behörden und Institutionen betriebene Strategie des "Wegschauens", beziehungsweise "Kleinredens" des Problems geplant.

Die Auftaktkundgebung konnte jedoch erst rund eine Stunde später beginnen, denn die Bullen durchsuchten beinahe alle mit der Bahn anreisenden DemoteilnehmerInnen auf's Genaueste. Rucksäcke und Taschen wurden durchwühlt, die Leute wurden abgetastet, Schuhe mussten ausgezogen werden (zur Kontrolle), Ausweise wurden eingesackt. Gegen drei Demoteilnehmer wurde Anzeige wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetzt eingeleitet (einer hatten offenbar u.a. ein Messer dabei...).

Schließlich formierte sich der Demozug nach der Auftaktkundgebung doch ca. gegen ein Uhr und setzte sich zunächst durch die Betzdorfer Fußgängerzone in Bewegung. Auffällig war (durch die gesamte Demonstration hindurch) die beinahe komplette Abwesenheit der Bevölkerung. Offenbar waren einige Bürger zuvor gewarnt worden (einige Läden waren zum Beispiel dicht und kurz nach der Demonstration wieder geöffnet...). Von vereinzelten Spaziergängern und verhuschten Blicken hinter Fensterscheiben abgesehen, scheinen viele Betzdorfer sich verkrochen zu haben. Ein ganz eigenes Verständnis von demokratischer Kultur. Der Demozug wurde angeführt von einem (doch recht großen und geschlossenen) autonomen Block (Fotos: siehe -  http://de.indymedia.org/2005/10/130150.shtml). Auch von der Lautstärke und den Parolen her ging einiges, gerade der führende Block war doch recht lautstark. Eine Zwischenkundgebung gab es vor dem örtlichen Rathaus, danach führte der Weg unter anderem über die Hauptverkehrsstraße und schließlich durch die Hauptgeschäftsstraße zur Abschlußkundgebung auf Parkplatz des ehemaligen AkA-City-Kaufhauses. Auf der Hauptstraße kam es allerdings zuvor noch zu einigen kurzen Rangeleien mit den Bullen. Von "Bewegungsfreiheit" konnte sowieso keine Rede sein. Der ganze Demozug ging einem (wenn auch lockeren) Spalier (zumindest auf der Hauptstraße) und die vordere Bullenkette verweigerte uns konsequent ein paar Meter zu laufen. Die vorwiegend jungen Bullen waren sich allerdings offenbar selbst nicht ganz einig, wie sie vorzugehen hatten. Überhaupt wurde sich von Seiten der Bullen wieder mal (natürlich!) nicht an die Absprachen gehalten (z.B. bei den Transpis etc.). Schließlich endete der Demozug auf einem (etwas entlegenen) Parkplatz in der Innenstadt. Leider der einzige Platz, den die Bullen anbieten konnten. Nach der Abschlußkundgebung löste sich die Versammlung schließlich auf. Bis zum Bahnhof/Parkhaus waren es nur einige Meter und es kam nicht zu weiteren Zwischenfällen (weder mit Bullen, noch mit Nazis). Allerdings wurden im Anschluß an die Demonstration AntifaschistInnen aus dem Raum Hagen/Sauerland und Hessen von Nazis mit einem Messer bedroht bzw. angegriffen (siehe:  http://de.indymedia.org/2005/10/130124.shtml).
Hierzu wird es in einigen Tagen auch eine Pressemitteilung der Antifa Siegen geben (siehe:  http://www.stud.uni-siegen.de/antifa).

Alles in allem kann die Demonstration aus unserer Sicht als Erfolg gewertet werden. Dies vor allem auf zwei Ebenen. Zum einen ist es gelungen eine laute, kraftvolle und starke (für "Provinzverhältnisse"!!) Demonstration durchzuführen und hiermit vor allem den Faschos klarzumachen, dass Ihnen immer noch eine lebendige und militante Bewegung gegenübersteht, die es sich (auch in Zukunft) nicht nehmen lassen wird Ihnen allen nur erdenklichen Widerstand entgegenzusetzen und gegen den gesellschaftlichen Mainstream nicht beide Augen zudrücken wird, wenn sie ihre Strukturen ausbauen. Wir werden da sein und kämpfen! Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln! Eben gerade für die Region Westerwald war ein solches Zeichen sehr wichtig.

Zum anderen war es (unseres Wissens) seit langem nochmal so, dass antifaschistische Gruppen aus drei Bundesländern zusammen eine Demonstration organisiert, geplant, durchgeführt bzw. unterstützt haben. Dies kann man als sicheres Zeichen werten, dass eine weitere Organisation (auch über Bundesländergrenzen hinweg) sinnvoll und erstrebenswert ist. Sicher gibt es auch einige Dinge, die man an der Organisation etc. kritisieren kann, doch alles in allem sollte man dabei eine solidarische Kritik vorbringen und sich nicht wieder in polemischen Kriteleien verlieren.

Antifa heisst Angriff!
Es gibt kein ruhiges Hinterland! Nicht gestern, nicht heute, nicht in Zukunft!
Rock on.

Demoorga Betzdorf.
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Ergänzungen