München - Proteste gegen das EU-Grenzregime

noborder:nonation:noprison 16.10.2005 22:28 Themen: Antirassismus
Gut beschützt war das spanische Generalkonsulat im Münchner Villenviertel Bogenhausen am morgen des 15.10. Rund 60 AktivistInnen hatten sich gegenüber versammelt, um gegen die brutalen Ereignisse in den beiden Enklaven Ceuta und Mellila in Nordafrika, der in den vergangenen Wochen 14 Flüchtlinge zum Opfer gefallen sind, zu protestieren. Aber nicht allein Spanien, vor allem dem EU-Grenz-Regime galt die Kritik der Demonstrierenden, die entlang der Straße Fotos und Berichte aus Nordafrika sowie einen symbolischen Stacheldrahtzaun ausbreiteten.
Die spanische Vertretung für einen Samstag recht gut besucht, etwa 15 bis zwanzig MitarbeiterInnen und BesucherInnen dürften sich im Laufe des Vormittags eingefunden haben. Beschallt wurden sie mit Parolen und Musikbeiträgen, die auf spanisch und englisch ein Ende von Abschiebungen und Grenzsystem forderten.

In Redebeiträgen wurde einerseits die furchtbare Situation an der spanisch-marokkanischen Grenze und in Marokko dargestellt, andererseits klar die europäische Verantwortung für die dafür stehende Politik herausgestellt und schließlich ein Ende der Abschottung Europas gefordert. Vertreter der Karawane München machten deutlich, dass die geplante Einführung von so genannten "Auffanglagern" in Nordafrika keineswegs einen Ausweg aus der jetzigen Situation der Flüchtlinge, sondern im Gegenteil für die Fortschreibung der unmenschlichen Politik Europas gegenüber MigrantInnen steht. Sie forderten Spanien und die EU auf, sofort alle Abschiebungen in die marokkanische Wüste zu stoppen und endlich vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge in Europa aufzunehmen.

Schließlich überreichten AktivistInnen der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen dem sichtlich genervten spanischen Konsul Vicente Blanco Gaspar eine Resolution, in der die Forderungen zusammengefasst wurden.

Gegen zwölf Uhr fuhren rund 40 RadlerInnen los in Richtung Innenstadt, gefolgt vom üblichen Tross der Polizeibusse. Auf diese Weise und mit Seitentransparent und Megafon und zahlreichen Flyern ausgestattet, machte die Fahrradkarawane durchaus Eindruck auf die mehr und mehr werdenden PassantInnen.


In der letzten Etappe - von der Leopoldstraße durch die FußgängerInnenzone zum Marienplatz - wurde die Karawane deutlich lauter, zumal es auch wesentlich mehr Publikum gab, von dem auch (von unschönen Ausnahmen abgesehen) relativ viel Zuspruch kam. Kurz vor dem Marienplatz musste die Radldemo trotz polizeilichem Frontfahrzeug zäh durch die TouristInnen- und ShopperInnen-Massen durchmanövrieren. Am Marienplatz wurde eine Person wegen angeblicher Beleidigung festgenommen.

Dies war sicherlich nicht die letzte Demonstration gegen EU-Grenzen, Abschiebungen und staatlichen Rassismus gewesen sein wird.


Hier noch einer der Redebeiträge:

Wir stehen heute vor dem spanischen Konsulat aufgrund der aktuellen Ereignisse in Ceuta und Mellila um unseren Protest kundzutun gegenüber dem mörderischen Grenzregime an der spanisch-marokkanischen Grenze. Die spanische Regierung ist mit hauptverantwortlich für die menschenrechts-verachtende Abschottungspolitik Europas.
Aber ebenso hätten wir all die anderen Vertretungen der EU-Mitgliedsstaaten sowie der deutschen Parteien wählen können, die die tödliche Politik der “Festung Europa” vorantreiben.

Die spanischen Enklaven Ceuta und Mellila waren schon immer ein wichtiger
Anlaufspunkt für afrikanische Flüchtlinge. Seit es durch Überwachung der
südspanischen und kanarischen Küsten immer schwieriger wird mit Booten auf EU-Land zu kommen, haben die Versuche die Grenzzäune zu überqueren seit Sommer diesen Jahres stark zugenommen. Auch die Tatsache, dass Spanien derzeit alle Grenzzäune von 3,5 auf über 6 Metern erhöht, dürfte ein Grund für die vermehrten Versuche, die Zäune in den letzen Tagen zu überqueren. Tausende Flüchtlinge versuchten somit auf EU-Territorium zu gelangen. Dabei starben mindestens 14 Menschen, weil sie erschossen wurden oder sie im Zaun hängenblieben und verbluteten. Weitere Hunderte verletzten sich schwer beim Überwinden der Zäune. In den darauffolgenden Tagen
begannen die spanischen und marokkanischen Regierungen mit Massenabschiebungen bis in die Wüste, wo weitere Menschen sterben.

Auch wenn die Grenze in Nordafrika in den letzten Wochen als Mauer erscheint, ist das nur ein Teil des ganzen. Denn das Grenzregime beginnt bereits in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge mit Ausreiseverhinderungen und zeigt sich selbst hier noch in Europa in form von rassistischen Kontrollen auf Autobahnen und
Innenstädten Westeuropas. Grenzen sind mittlerweile überall, sie sollen überall verunsichern und entrechten.

Angesichts der Ereignisse in an der spanischen Grenze in den letzten Wochen verlangt der deutsche Innenminister Otto Schily die “Rückführung illegaler MigrantInnen” in ihre Herkunftsländer und droht aufnahmeunwilligen afrikanischen Staaten mit Sanktionen. Zur Sicherung der EU-Aussengrenzen gegen unerwünschte Einwanderung fordern Schily sowie andere europäische Politiker die Errichtung einer europäischen
Grenzschutzpolizei sowie exteritoriale Auffanglager vor den EU-Aussengrenzen. Von dort aus sollen Flüchtlinge zurück in ihre Heimatländer abgeschoben werden. So hat die marokkanische Regierung, welche Rückführungsabkommen mit Senegal und Mali hat diese Woche hunderte von Menschen in diese Länder abgeschoben. Es ist ebenso noch zu erwähnen, dass die marokkanischen Repressionsapparate, die weiterhin hunderte
Flüchtlinge in der Wüste aussetzen und dort dem Sterben preisgeben, sind in den vergangenen Jahren durch staatliche Ausbildungsmaßnahmen und mit millionenschweren Materiallieferungen aus Deutschland aufgerüstet worden.

Wir wenden uns gegen die zu beobachtende Expansion einer Politik der Lager außerhalb Europas, innerhalb der Eu sowie hierzulande. Wir fordern Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle Menschen. Unsere Solidarität gilt all denjenigen weltweit, die aufgebrochen sind, um nach Europa zu gelangen und diese ungerechten Zustände auf der Welt nicht hinnehmen und sich den Ausgrenzungs- und Entrechtungsmethoden des Grenzregimes widersetzen wollen. Gemeinsam mit den Menschen, die es nach Europa
geschafft haben und hier in Illegalität, Ausbeutung oder den entwürdigenden
Asylprozess gedrängt worden sind, setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, die nicht nach Herkunftsland und Hautfarbe unterscheidet und fordern laut eine Welt ohne Grenzen.
Kein mensch ist illegal. Kein mensch ist egal.


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Ergänzungen

Festung Europa schleifen! Proteste in Berlin

stop_deportations 17.10.2005 - 01:03
Auf Grund der dramatischen Ereignisse an den Zäunen und Mauern der Festung Europa in Ceuta und Melilla rufen AktivistInnen bzw. VertreterInnen der Antirassistischen Initiative, der Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg, des Flüchtlingsrats Brandenburg, der Initiative für ein Berliner Sozialforum, des Komitees für Grundrechte und Demokratie und der Plataforma zu einer Protestaktion am

Montag, den 17. Oktober 2005 ab 14 Uhr

vor der Spanischen Botschaft in Berlin auf.

Mehr Fotos ...

muss ausgefüllt werden 17.10.2005 - 01:37
unter  http://www.indynews.net/inn/news/aktuell/article/1821/1013/b90dfbb563/

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nich zu viel verlangt, oder?

Gruß aus der Schweiz

... 23.10.2005 - 14:19
Ähnliche Aktion in der Schweiz, kuckt mal hier:
 http://switzerland.indymedia.org/de/2005/10/35776.shtml

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