Mexiko: Dramaturgie des Monsters

Unbequeme Tote 05.10.2005 10:59 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Carrillo Prieto: Die Armee wurde Opfer einer Falle am Tlatelolco
FEMOSPP macht glauben, dass das Massaker am 02.oct.1968 aus politischen Gründen produziert wurde, mit dem Ziel die mexikanische Armee zu schwächen. Die Armee war zusammen mit der Zivilbevölkerung Opfer, denn die Vorhaltungen gegen die, der Taten verdächtigen, Verantwortlichen, bringen neben dem, dass sie ein Akt der Justiz sind, die definitive Reinigung, eines schmachvollen und ungerechten Fleckes, welcher sich auf den Streitkräften befindet behauptet der Leiter der "Fiscalía Especial para Movimientos Sociales y Políticos del Pasado" (Sonderstaatsanwaltschaft für soziale und politische Bewegungen der Vergangenheit, FEMOSPP).
Prieto hat damit, klassisch, die Mörder welche er anklagen soll, auf die Seite der Opfer gesellt. Dies stellt die Krise im Prozess um die Aufklärung der staatlichen Unterdrückung am Tlatelolco und des „schmutzigen Krieges im Bundesstaat Guerrero in den 1970 Jahren dar. Im Lauf der Aufstandsbekämpfung beseitigte die mexikanische Armee ihre Mordopfer über den Luftwaffenstützpunkt Pie de la Cuesta bei Acapulco im Meer. Eine Vorgehensweise, welche auch in Puerto Montt in Chile und in Argentinien im Mar de la Plata zu beklagen ist.
Hier werden zwei Artikel aus mexikanischen Tageszeitungen übersetzt wiedergegeben, welche die Strategie des Staates beim Weißwaschen der Verbrechen andeuten.
 http://www.jornada.unam.mx/2005/09/20/019n1pol.php
Pünktlich zur mexikanischen Präsidentschaftswahl 2000 zog das US- State Department einen Zeugen des schmutzigen Krieges in Guerrero in den 1970er Jahren aus dem Ärmel. Es wurde die Hoffnung genährt durch eine Sonderstaatsanwaltschaft für soziale und politische Gruppen der Vergangenheit (FEMOSPP), könnte das Schicksal von Verschwundenen aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft werden. Der sich anbahnende Enttäuschung dieser Erwartung wird mit dem folgenden Artikel dokumentiert:

Lebender "juristisch tot" Antonio Hernández verschwand offiziell durch Acosta Chaparro
Original von BLANCHE PETRICH in "la jornada" vom 05.nov.2002
 http://www.jornada.unam.mx/2002/11/05/044n1con.php?origen=index.html
Der "juristisch Tote", zumindest in den Augen der Militärstaatsanwaltschaft, Antonio Hernández Fernández zündet sich die zigste Zigarette am Aschenbecher eines Cafes im Zentrum von D.F. an. Anfang Oktober 2002 ging er zur "Fiscalía Especial para Movimientos Sociales y Políticos del Pasado" (Sonderstaatsanwaltschaft für soziale und politische Bewegungen der Vergangenheit, FEMOSPP) um seine Anzeige wegen Verschwindenlassens um sechs Personen zu erweitern, welche er lebend in einem geheimen Gefängnis in Guerrero 1978 gesehen hatte, so hatte er Zugang zur letzten Ausfertigung des Berichtes welcher von der Militärstaatsanwaltschaft an die Generalstaatsanwaltschaft übermittelt wurde.

Vor einem militärischem Gremium sollen die Fälle der Generäle Francisco Quirós Hermosillo und Mario Arturo Acosta Chaparro wegen "erwiesenem Mord" an 143 Personen angeblich gerichtet werden.

Antonio Hernández Fernández entdeckte, anlässlich seiner Anzeigenerweiterung, dass sein Name und der Name seiner Freundin Alejandra Cárdenas, beides frühere Verschwundene und Amnestierte auf der Liste der 143 Verschwunden auf geführt werden.
Um was handelt es sich? Fragt er nach, über diesen jüngsten Fund, welcher das Fehlen von Stringenz mit welcher die Militärgerichtsbarkeit die Untersuchung in diesem Fall betreibt, illustriert. Als Nummer 143 dieser Liste der seit 20 Jahren Ermordeten erscheint der öffentlich bestellter, beeidigter Wirtschaftsprüfer, der 2002, 52 Jahre alt ist , Leiter der Bauerngewerkschaft "Unión General Obrero Campesina Popular". Die Nummer 142 dieser Liste ist Alejandra Cárdenas welche auch verschwunden wurde und 1978 freigelassen wurde, von Beruf Historikerin und 2002 mit einer Professur an der Universidad de Guerrero, in Chilpancingo.

"Handelt es sich um einen technischen Fehler? Ich glaube es nicht. Ein beabsichtigtes Manöver?, damit die verantwortliche Exekutive des Verschwindenlassens ihrer Verantwortung entgeht, in dem sie mit der Inkonsistenz der Liste der Militärstaatsanwaltschaft argumentiert? Möglich" drückt er in einem Interview mit der "La Jornada" aus.
Auf jeden Fall, ist für diesen Überlebenden des Aufstandsbekämpfungskampfes der 1970er, welcher zwischen Juli und August 1978 in den Händen des damaligen Oberstleutnants Acosta Chaparro war, der scheinbare Fehler in den Ausfertigungen der Militärjustiz, ein Grund mehr zu fordern, dass der Prozess welcher den angeklagten Generälen gemacht wird, wieder vor eine zivile Gerichtsbarkeit zurück überwiesen wird, wo er aufgrund von Hunderten von Anzeigen von Opfern begann.
Unter den Hunderten Anzeigen im Fall der Verhafteten-Verschwundenen, haben die Fälle von Antonio Hernández und Alejandra Cárdenas eine Besonderheit. Diese haben dokumentierte Beweise (vielleicht die einzigen unter Hunderten von Fällen) über die direkte Beteiligung von Acosta Chaparro in den geheimen Gefängnissen von Guererro, vorgebracht. Sie sind deshalb Schlüsselelemente für die Anklage des Militärs, welcher ebenfalls Mitglied der "Brigada Blanca" als Untergebener des Angeklagten Quirós war. Vor diesem Hintergrund fügt Hernández eine weitere Frage an: "Handelt es sich bei der Aufnahme, unserer Namen in ihre Liste der Toten, um eine Drohung?"
Es gibt Vorgänger, bei dieser Art von "Papierfehlern". Im Dezember 2001 versandte die Generalsstaatsanwaltschaft Ladungen zur Gegenüberstellung an 27 Verhaftet- Verschwundene, von welchen seit mehr als 25 Jahren nichts mehr bekannt ist. Unter ihnen auch, an Jesús Piedra Ibarra (Medizinstudent). Seine Mutter Rosario Ibarra fragte damals, wie 2002 Antonio: " Ein Unsinn?, ein Spott? Macht sich Jemand Lustig? Ein neues Manöver der Macht? Auf jeden Fall ein schlechtes Omen. Wenn die Untersuchung so beginnt, wie wird sie enden?"
Für Hernández, wie für die Anderen, welche zu Beginn ihren Fall bei der Generalstaatsanwaltschaft anzeigten, ist der Umstand, dass die Untersuchung an das Militärgremium überwiesen wurde "eine Falle, damit das Militär über sich selbst urteilt". Angesichts der spärlichen Ergebnisse welcher der Prozess 2002 gegen Quirós und Acosta vor dem Kriegsrat wegen des zur Last gelegten Drogenhandels brachte, beide wurden mit einer Minimalstrafe belegt, bekräftigt Antonio seine Skepsis.
"Alles scheint auf ein unter den Teppich kehren der Angelegenheit der Verschwundenen durch Ausschöpfen des juristischen Weges zu hinauszulaufen." kommentiert er. Es kommt die Tatsache hinzu, dass zugesichert wurde, dass diese Verbrechen vor einem Militärtribunal verhandelt werden, was die Streitkräfte mit Vincente Fox vereinbart hatten, kaum nach dem dieser Präsident wurde. Was die Reihenfolge der Ereignisse in dieser Geschichte stützt.
Basierend auf einer ausführlichen Aussage des geschützten Zeugen des FBI Gustavo Tarín, Drogenhändler, Pate der Justiz, Exmilitär, in Housten, 1999, eröffnete die Abteilung für Organisierte Kriminalität ein Verfahren gegen Acosta Chaparro und Quirós Hermosillo. Aber der damalige Staatsanwalt Jorge Madrazo erklärte sich für inkompetent den Fall fortzuführen und der Militärstaatsanwalt Rafael Macedo zog das Verfahren an die Militärgerichtsbarkeit. Noch im selben Jahr 1999 wurde ein völlig andere Route verfolgt, die Opfer der Unterdrückung der 1970 bestanden auf dem juristischen Weg, auf welchen sie sich erfolglos vor Jahren begeben hatten. Die Vereinigung der Angehörigen der Verschwundenen, mehrheitlich aus Guerrero, legten zwischen 1999 und Februar 2001 fast 1.500 Fälle von Verhafteten-Verschwunden vor. Später 2001 startete das "Comité Eureka" eine Anzeigenerhebung von 483 Fällen vor der selben Instanz.
Diese Handlungen der Angehörigen übergehend, eröffnete die Militärstaatsanwaltschaft am 20.feb.2001 einen anderen Fall, sie trennte drei Verfahren voneinander ab: einen für die Teilnahmen von Mitgliedern des Militärs am Drogenhandel, einen weiteren für das Verschwindenlassen, welcher umklassifiziert wurde als "erwiesener Mord" (hört sich gefährlich an, verjährt allerdings mit den Fristen des Bekannt werden des Mordes, während beim Verschwindenlassen die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Verschwindens, also mit dem Auftauchen der Leiche zu zählen beginnt.) es wurden gesetzeswidrig die Verschwundenen zu Toten gemacht, und drittens einen über den Tod von in Aktion gefallener Soldaten.
"So war", zeigt Hernández auf, "als Fox die FEMOSPP schuf, schon der Weg bereitet, dass diese Fälle nie aus der Kontrolle des Militärs gerieten. Mit diesem Pakt, stellte die Armee sicher, dass die Verantwortlichkeit der Militärs für diese Kriegsverbrechen minimiert werden.
Seit dem das Auftrennen des ursprünglichen Verfahrens durch die Militärstaatsanwaltschaft veröffentlicht wurden, protestierten die Angehörigen der Opfer, wegen der Umwidmung der Fälle von gewaltsamen Verschwindenlassens in "erwiesene Morde". Julio Mata, der Vorsitzende von Afadem, (Asociación de Familiares de Detenidos Desaparecidos) zeigt auf, dass die Angehörigen in Guerrero dieses Umdefinieren nicht akzeptieren werden: "Es handelt sich um einen Persilschein zur Straflosigkeit.
Nach dem Militärstrafrecht, verjährt "erwiesener Mord" nach 10 Jahren. Bei den Entführungen von Hunderten, welche heute Verschwunden sind, beträgt die Verjährungszeit 25 Jahre oder mehr. "Sie wollen uns in diese Spur bringen. Für sie ist das der juristische Tunnel. Von dort können sie fliehen.
Mata bemerkt, dass die legalen Möglichkeiten auf welche die Opfer zählen können gering sind, um ihr Recht zur Geltung zu bringen. "Wenn das Strafrecht 1999, so wie wir es vorgeschlagen haben, reformiert worden wäre, unter Berücksichtigung des Verhaftet -Verschwundenen, hätten wir einen sehr stabilen Punkt auf unserer Seite" Auf jeden Fall wurde die Strafrechtsreform 2000 erreicht, in welcher festgesetzt ist, dass das gewaltsames Verschwindenlassen als Verletzung gegen die Menschlichkeit nicht verjährt.

------------------------------------
(1) zur Verjährung des Verbrechens des gewaltsamen Verschwindenlassens von Personen:
Die Zeitung "El Sur" aus Acapulco berichtete am 30.Juni 2004:
„Suprema Corte de Justicia de la Nación: La desapareción forzada no percibe“
das Oberste Gericht: gewaltsames Verschwindenlassen verjährt nicht
Der Anwalt Mario Patrón aus Tjachinollan hebt hervor, dass für den Start der Verjährungsfrist, das Ende des Verschwindens und nicht der Entführung oder der Freiheitsberaubung maßgebend ist. Er hofft, dass dieser Fortschritt in den Normen die Abgeordneten aus Guerrero dazu bewegt, ein spezielles Gesetz auf ihre Tagesordnung setzen.
Der Oberste Gerichtshof (Suprema Corte de Justicia de la Nación, SCJN) bestätigte eines der wichtigsten Kriterien, welches dazu beiträgt zu verhindern, dass das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen verjährt und somit ungesühnt bleibt, In dem dieses Verbrechen als andauernd und fortwährend eingestuft wird, solange das Opfer nicht auftaucht. Die höchste gerichtliche Instanz von Mexiko, stellte gestern (29.jun.2004) seine Position in Bezug auf gewaltsames Verschwinden lassen fest. Anlass war ein Beschluss zur Kontroverse, welchen der Bürgermeister von Mexiko-City Andrés Manuel López Obrador, gegen die Vorbehalte welche das interamerikanische Appellationsgericht in Bezug auf das gewaltsame Verschwinden lassen von Personen bestätigt hatte. Es wird auf das Verbot der rückwirkenden Anwendung von Gesetzen dargestellt und dass die Militärs, welche das Verschwinden lassen durchführten sich vor Zivilgerichten zu verantworten hatten. Darauf beziehend kommentierte der Anwalt der Menschenrechtsorganisation „Centro de Derechos Humanos de La Montaña Tlachinollan“, Mario Patrón, die Bedeutung dieses Beschlusses für die Fälle des schmutzigen Krieges der Vergangenheit und der Gegenwart.


ai Chile:
 http://web.amnesty.org/report2005/chl-summary-esl

Demo in México Stadt zum 2. Oktober 1968:
 http://de.indymedia.org/2005/10/129471.shtml
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Solidarische Kritik an der Form

Petra 07.10.2005 - 17:51
Ich finde Artikel wie diese wirklich wichtig und interresant, aber ein paar einleitende Sätze am Anfang für die Menschen, die nicht wissen um welchen Konflikt es sich dabei handelt und wer Carrillo Prieto ist wären sehr hilfreich. Gerade weil es sich hier um ein Thema handelt, welches in den "konvetionellen" Medien kaum behalndelt wird. Das macht das Lesen auf jeden Fall angenehmer.

Ignacio Carrillo Prieto

aus herkömmlichen Medien 09.10.2005 - 11:27
Ignacio Carrillo Prieto
der von Präsident Fox ernannte Sonderstaatsanwalt.
Leiter, der im Jahr 2002, auf Geheiß des Präsidenten Vicente Fox ins Leben gerufenen "Sonderstaatsanwaltschaft für soziale und politische Bewegungen der Vergangenheit", kurz Femospp.
Die Repressionsgeschichte des alten Regimes werde neu aufgerollt, hatte Fox nach seinem Wahlsieg im Sommer 2000 versprochen, die Verantwortlichen sollten verurteilt und die Wahrheit über all die Verschleppten, Gefolterten und Ermordeten ans Licht befördert werden.
nach:
aleida und ihr bruder:
 http://www.taz.de/pt/2005/07/23/a0260.nf/text

Verschwundene finden:
 http://www.taz.de/pt/2005/07/23/a0239.nf/text.ges,1

in deutsch zum "schmutzigen Krieg":
 http://mexico-mexiko.com/viewtopic.php?p=31764