POLIZEI ERSCHIESST FÜNF EINWANDERER

Ralf Streck 30.09.2005 19:46 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Mindestens sechs Tote soll es am frühen Donnerstag gegeben haben, als 500 - 600 Afrikaner versuchten, in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta einzudringen. Bestätigt hatte die spanische Regierung zunächst nur, dass es zwei Tote auf ihrer Seite gegeben hat. Einer sei durch Schnittverletzungen“ gestorben. Der andere sei erstickt, als er von der Menge erdrückt wurde, log der Abgesandte der Zentralregierung in Ceuta Jerónimo Nieto wie sich am Freitag herausstellte. Fünf Einwanderer wurden abgeknallt, weil sie nach Ceuta eindringen wollten.
Es ist wie im Krieg. Schüsse fallen und es gibt Tote und Verletzte. Gestern hat die spanische Regierung gestern das Militär angewiesen, die Guardia Civil bei der Grenzsicherung zu verstärken. Die Schlachten beschränken sich aber auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Umschlossen von Marokko unterhält Spanien in Afrika zwei Quasi-Kolonien. Am Donnerstag begannen nun auch in Ceuta, gegenüber der Meerenge von Gibraltar, 500 – 600 Einwanderer mit provisorischen Leitern bewaffnet, mit dem Sturm der Grenzzäune, welche die erste Welt von der dritten Welt trennen. Je nach Quelle gab es dabei vier oder mindestens sechs Tote und 100 Personen wurden zum Teil schwer Verletzt. 80 sei gelungen nach Ceuta zu kommen.

Die Opfer dieser ungleichen Schlachten beschränken auf eine Seite und es herrscht allgemeine Verwirrung. Journalisten und Nichtregierungsorganisationen kommt es zu, Licht in die Vorgänge zu bringen, die sich nachts an den Grenzen abspielen. Es war eine Meldung der Radiokette „SER“, die ihre Zuhörer aufgeschreckt hat, wonach es gleich sechs Tote in Ceuta gegeben haben soll. Das Regierungsnahe Radio bezog sich auf Quellen in den Sicherheitskräften, wo es sehr gute Quellen hat.

Danach bestätigte auch die Regierung offiziell, es habe „zwei Tote“ gegeben. Ein Afrikaner habe sich „Schnittverletzungen“ zugezogen, als er sich in dem scharfen Stacheldraht verheddert habe, mit dem die Grenzzäune gespickt sind, und sei verblutet. Der zweite Mann sei erstickt, als er von einer Menge erdrückt wurde, log der Abgesandte der Zentralregierung in Ceuta Jerónimo Nieto schlicht und einfach. Etwa 100 Verletzte bestätigten die Rettungsdienste auf beiden Seiten der Grenze. Im Laufe des Tages räumte ein Krankenhaus im marokkanischen Tetuan ein, auch dort befänden sich zwei Tote. Der Verbleib von möglichen weiteren Toten sind, wie die Todesursachen, unklar.

Tatsächlich wurde geschossen und fünf Menschen abgeknallt, unklar ist nur, wer der beiden Lügner geschossen hat. Guardia Civil und die marokkanische Gendarmerie schieben sich die Schuld nun zu. Nieto hatte als Regierungsvertreter bestätigt, „Mittel zur Aufstandsbekämpfung“ seien eingesetzt worden. Er behauptete, keiner der Verletzten weise Schutzverletzungen auf. Das hat sich als Lüge rausgestellt.

Glauben kann man beiden ohnehin nichts. Die Sozialisten in Spanien sind nun auf dem Niveau ihrer Vorgänger angekommen, die damals die Anschläge am 11. März der ETA in die Schuhe schieben wollten, obwohl sie es besser wußten. Glaubwürdigkeit ist ohnehin nicht gegeben. In den letzten vier Wochen verloren bei solchen „Unfällen“ drei oder vier Personen das Leben. Doch die Einwanderer hatten in einem Fall behauptet, mit Gewehrkolben schwer misshandelt und mit Gummigeschossen „abgeknallt“ worden zu sein. Guardia Civil und Gendarmerie dementierten, doch die Menschenrechtsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ konnte die dafür typischen Verletzungen bei einem Toten bezeugen. Unabhängige Zeugen sprachen von „erschreckender Brutalität“ der Guardia Civil. Deren Glaubwürdigkeit ist auch anzuzweifeln. Im Sommer hatten neun Beamten einen Bauer in Südspanien totgeprügelt, der einen Verkehrsunfall anzeigen wollte. Das geschah in einer Kleinstadt, es gab Zeugen, sollte aber sogar mit Manipulationen am Obduktionsbericht vertuscht werden. So fragen sich viele, was die Militäreinheit anstellt, die ohnehin jährlich von Menschenrechtsorganisationen wegen Folter angeklagt wird, wenn niemand zuschaut.

Spanien will nun seine Grenzen weiter militarisieren. In Melilla werden gerade die Grenzzäune von drei auf sechs Meter erhöht, und die Kontrolle durch elektronische Sensoren und mehr Personal ausgeweitet. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen fordern, eine unabhängige Aufklärung der gesamten Vorfälle und welche Aufgaben das Militär in Ceuta erhält.

Für diese Organisationen ist es kein Wunder, dass die Situation sich gerade vor dem spanisch-marokkanischen Gipfel gestern zugespitzt hat. Vor dem Treffen in Spanien hatte Marokko bekräftigt, es sei mit der Lage überfordert. Rabat fordert finanzielle und logistische Unterstützung von der EU und greift die Initiative von Otto Schily auf. Die EU soll Auffanglager errichten und Marokko bei der Abschiebung der Schwarzafrikaner unterstützen. Es wird vermutet, dass marokkanische Behörden, die den Druck auf die Schwarzafrikaner stark erhöht hätten, die Ereignisse mitprovoziert hätten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Viele Menschen seien so hoffnungslos, dass sie auch unter Lebensgefahr weiter versuchen werden, nach Spanien zu gelangen.
© Ralf Streck, Donostia den 29.09.2005
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