BesetzerInnen veranstalteten Pressekonferenz

Manfred Suchan 19.09.2005 03:13 Themen: Repression
Besetzung des Wahlkreisbüros des Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele

Am Nachmittag des Donnerstag, 15.9.2005 hatte eine „UnterstützerInnengruppe für die politischen Magdeburger Gefangenen“ das Bürgerbüro des Bundestagsabgeordneten und Rechtsanwalts Hans-Christian Ströbele in der Dresdener Straße 10 in Berlin-Kreuzberg besetzt. Am darauffolgenden Freitag, 16.9.2005 veranstaltete die Gruppe um 11:30 Uhr eine Pressekonferenz, nach deren Abschluß sie die Besetzung für beendet erklärte und das Büro verließ.
An der Pressekonferenz nahm ein Podium aus fünf Personen teil, darunter Thomas Herzog, Anwalt des Angeklagten Daniel Winter, Hans-Christian Ströbele, sowie je ein Vertreter der „Unterstützergruppe der politischen Gefangenen“, der Soligruppe Magdeburg, und der Roten Hilfe, Ortsgruppe Berlin. Erschienen waren ca. 7 PressevertreterInnen.

In ihrer zuvor verteilten Presseerklärung bezeichnen sich die BesetzerInnen als eine Gruppe von Personen, die seit 2002 das politische Verfahren am Oberlandesgericht (OLG) Naumburg in Halle gegen die Magdeburger Marco Heinrichs, Daniel Winter und Carsten Schulz beobachtet. Diese sind nach § 129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) angeklagt. Die Besetzung sei erforderlich, „um die Öffentlichkeit über den skandalösen juristischen Verlauf des Prozesses zu informieren.“ Unter anderem sind an dem Revisionsverfahren des Angeklagten Daniel Winter zwei von drei Richtern beteiligt, die bereits im Hauptverfahren an seiner Verurteilung mitgewirkt haben. Zudem werde eine unverhältnismäßige Erzwingungshaft angewandt. Der Prozeß sei zudem ein reiner Indizienprozeß, dem kein einziger Tatnachweis zugrunde liegt. Trotz dieser Defizite berichte die Presse in Sachsen-Anhalt nicht über das Verfahren. Vom Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele erhoffen sich die BesetzerInnen eine kritische Öffentlichkeit, entgegen dem laut Presseerklärung „offensichtlichen Desinteresse der Richter des 2. Strafsenats des OLG und der Bundesanwaltsschaft an einem rechtsstaatlichen Prozeß gegen die Magdeburger Angelklagten“.

Die BesetzerInnen erklärten auf der von ihnen veranstalteten Pressekonferenz, daß es Ziel der Besetzung sei, eine Öffentlichkeit zu erreichen. Das Verfahren gegen die drei Angeklagten würde bislang von den Medien kaum beachtet werden. Das Interesse sei auch wegen des derzeitigen Wahlkampfes gering. Es bestehe eine Kontinuität staatlicher Repression, doch sei heute für dieses Thema viel weniger Öffentlichkeit zu erzielen, als noch in den 70er Jahren. Zudem versuche der § 129a eine Definition, was eine „terroristische Vereinigung“ sein solle, doch in der internationalen Diskussion sei völlig unklar, was „Terrorismus“ ist und wie er zu definieren sei.

Ströbele äußerte Verständnis für das Anliegen der BesetzerInnen nach einem fairen, rechtsstaatlichen Prozeß, auch wenn die Besetzung inmitten des Wahlkampfes derzeit ungelegen komme. Er sagte zu, die Rechtsverletzungen im Prozeß zu untersuchen und an den weiteren Prozeßterminen am 4. Oktober und 1. November 2005 am OLG Naumburg in Halle als Prozeßbeobachter teilzunehmen, denn es gäbe Anhaltspunkte dafür, daß das Verfahren nicht fair verläuft.

Die BesetzerInnen erklärten, daß das Verfahren außergewöhnlich lange dauere und offenkundig verzögert werde. Es solle vermutlich Zeit verstreichen, damit die betroffenen Personen möglichst lange in Beugehaft bleiben. Es sei sonst üblich, Verfahren schnell durchzuziehen, um eine Beugehaft nicht auszudehnen. In diesem Verfahren solle nun offenkundig die maximale Sechsmonatsfrist erstmals voll ausgeschöpft werden. Bisher sei kein Fall bekannt, in dem Beugehaft bis zur maximalen Dauer abgesessen werden mußte. Es sei jedoch fraglich, Beugehaft als zusätzliches Druckmittel zu nutzen. Nach Ende des Prozesses dürfe keine Beugehaft mehr vollstreckt werden. Dennoch erklärt das zuständige OLG in Halle, daß dies kein politisches Verfahren sei, wie beispielsweise die Verfahren der 70er Jahre. Die BesetzerInnen forderten, das Verfahren zügig abzuschließen. Die Dauer des Verfahrens dürfe nicht zu Lasten von Personen erfolgen, die sich in Beugehaft befinden.

Ein Vertreter der Soligruppe schätzte im Anschluß an die Pressekonferenz das laufende Gerichtsverfahren als einen Versuch der derzeitigen CDU-geführten Landesregierung in Sachsen-Anhalt ein, durch eine Demonstration von Härte linksalternative Strukturen und Gruppen nachhaltig einzuschüchtern und zurückzudrängen.

Weiterführende Informationen:
www.soligruppe.de
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Berichte zur Besetzung bei Indy

Maxi 19.09.2005 - 03:30
GrünenBesetzung: "Freiheit für die Magdeburger"
 http://de.indymedia.org/2005/09/128221.shtml

Btw.: Heute wurde Ströbele mit über ein Direktmandat (mehr als 40%) in den Bundestag gewählt. Besser wäre es gewesen, wenn die Reinauer (PDS) das Mandat erhalten hätte. Warum? Reinauer ist Stadtbezirksbürgermeisterin und bekämpft seit 2 Jahren vehement alternative Projekte im Kiez. Zur Zeit will sie das Bethanien räumen lassen - und belügt dafür die Öffentlichkeit. Wenn sie in den Bundestag geommen wäre, wäre sie hier im Bezirk erst einmal aus dem Verkehr gezogen... aber die Frau ist so unbeliebt, daß sie nur 28% bekam. Bleibt zu hoffen, daß in ihrer Fraktion der Widerstand gegen sie wächst.

Frage

Tom 19.09.2005 - 13:58
Ist Ströbele die richtige Adresse für diese Aktion?

Ströbele zur Besetzung

paula 20.09.2005 - 13:57
Neues Deutschland, 19.09.05
»Selbst ein Bild machen«
Hans-Christian Ströbele hatte im Wahlkampf mit Bürobesetzern zu tun

Ganz zum Abschluss seines Wahlkampfes um ein erneutes Mandat im Bundestag war das Büro von Hans-Christian Ströbele (Grüne) in Berlin-Kreuzberg am Donnerstag und Freitag von linken Aktivisten besetzt, die gegen die »Kriminalisierung von Magdeburger Antifaschisten » protestierten. Mit dem grünen Politiker sprach für Neues Deutschland Markus Bernhardt.
ND: Vorige Woche war Ihr Büro von linken Aktivisten besetzt, die forderten, dass Sie sich für die Rechte dreier kriminalisierter Antifaschisten stark machen, denen mit Hilfe des »Terroristenparagraphen« 129 a der Prozess gemacht wird. Was werden Sie tun?
Ströbele: Ich wollte mich schon vor der Besetzung meines Büros mit den näheren Einzelheiten in diesem Fall vertraut machen, hatte dies aber auf die Zeit nach dem Wahlkampf verschoben. Im Rahmen der Gespräche mit den Besetzern habe ich nun aber zugesagt, am nächsten Prozesstermin gegen den Angeklagten Daniel W. am 4. Oktober teilzunehmen. Ich will mir dabei selbst ein Bild von der Prozessatmosphäre machen und versuchen, mehr Öffentlichkeit bezüglich des Verfahrens herzustellen.

Die Besetzer wiesen darauf hin, das Verfahren widerspreche jeglichen Mindeststandards eines demokratischen Rechtsstaates. Wird es weitergehende Aktivitäten der Grünen im Bundestag geben, die sich mit dem Fall befassen?
Der Bundestag ist für solche Verfahren erst einmal nicht das zuständige Organ. Sollten die vorgebrachten Vorwürfe gegen die zuständigen Richter des Oberlandesgerichtes in Halle jedoch begründet sein, sollten sich die Rechtspolitiker und zuständigen Arbeitskreise der Fraktionen mit diesem Fall befassen.

Zwei Antifaschisten sitzen seit Monaten in Beugehaft, weil sie sich weigern, gegen ihren Genossen auszusagen. Was wollen Sie konkret für die Gefangenen tun?
Ich werde mir ein Bild machen darüber, ob in diesem Fall ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Vieles scheint darauf hinzudeuten, und ich weiß aus eigener Erfahrung aufgrund meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, dass gerade in 129 a-Verfahren mit diesem Auskunftsverweigerungsrecht rechtsstaatlich problematisch umgegangen wird, um das einmal milde auszudrücken. Im Gegensatz zu diesem Verfahren wird in Wirtschaftsstrafverfahren oder einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss das Auskunftsverweigerungsrecht sehr weitgehend ausgelegt.

Ist es nicht ein zweifelhaftes Rechtsverständnis, dass bei Helmut Kohl, der zur CDU-Schwarzgeldaffäre jede Aussage verweigerte, keine Beugehaft angeordnet wurde, diese Gesetze aber gegen Antifaschisten angewandt werden?
Ja, das sehe ich auch so. Bei Helmut Kohl und anderen habe ich immer kritisiert, dass geltende Gesetze nicht zur Anwendung gekommen sind.

Die Grünen haben immer gefordert, den Paragraphen 129 a, der die »Bildung einer terroristischen Vereinigung« unter Strafe stellt, abzuschaffen. Man vermisst aktuell politische Aktivitäten dazu.
Wir haben den Paragraphen 129 a bereits substanziell verändert. Es gibt erstmals eine Definition dessen, was eine terroristische Vereinigung konkret sein soll, aber wir haben den Paragraphen nicht abgeschafft.

Das ist weiter ihre Forderung?
Ja, das ist weiterhin meine Forderung. Das Problem besteht jedoch darin, dass wir in dieser Frage keine Mehrheit bekommen werden, weil alle im Bundestag vertretenen Parteien in diesem Fall eine dezidiert andere Auffassung haben. Es ist eine absolute Illusion, mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auch nur ernsthaft über die Abschaffung dieses Paragraphen reden zu können.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an