New Orleans: "Wir sind aufgegeben worden"

armin reich 06.09.2005 06:02 Themen: Weltweit
Das NBC-Interview mit Aaron Broussard, dem Bürgermeister von Jefferson Parish, kursiert momentan auf fast sämtlichen Blogs in den USA. Es ist wirklich zum Mitweinen und bringt klar rüber, was die Menschen empfinden, wenn man ihnen angesichts der Katastrophe statt praktischer Hilfe die Armee schickt, die die letzten verfügbaren Ressourcen auch noch verbraucht. Die wesentlichen Passagen habe ich übersetzt.
Russert: Sie haben die jüngste Erklärung des Direktors der homeland-security über die Ereignisse der letzten Woche gehört. Wie ist ihre Reaktion?

Broussard: Wir sind von unserem Land aufgegeben worden. Der Hurrican Katrina wird als einer der schlimmsten Stürme, die jemals die amerikanische Küste getroffen haben, in die Geschichte eingehen. Aber die Folgen davon werden eingehen, als die größte Mißachtung amerikanischem Bodens von Amerikanern in der gesamten Geschichte der USA. Wer immer an der Spitze von diesem Totempfahl ist, dieser Totempfahl gehört sich umgesägt und wir müssen mit einer neuen Führung frisch anfangen. Es ist nicht nur Katrina, die all diese Toten in New Orleans verursacht hat. Die Bürokratie hat hier Morde im gesamten Gebiet von New Orleans begangen und über die Bürokratie sollte nun der Kongreß zu Gericht sitzen...

Drei kleine Beispiele. Wir hatten zum Wal-Mart drei Laster mit Wasser geliefert. Die FEMA schickte sie zurück. Sie sagten, sie bräuchten sie nicht. Das war vor einer Woche. FEMA, wir hatten 1.000 Gallonen Dieseltreibstoff auf einem Tankschiff der Küstenwache angedockt in meinem Parish. Als wir mit unseren Trucks dort ankamen, sagte die FEMA, das Benzin kriegt ihr nicht. Gestern - gestern - kommt die FEMA rein und kappt alle unsere Kommunikationslinien für den Notfall. Sie kappten sie durch ohne jeden Kommentar. Unser Sheriff, Harry Lee, ging wieder hinein, er stellte die Verbindung wieder her. Er postierte bewaffnete Posten und meinte, niemand dürfe diesen Leitungen mehr zu nahe kommen...

Ich erzähle ihnen eine letzte Geschichte und werde dann schweigen und lasse sie erzählen, was immer sie mir erzählen wollen. Dieser Typ, der dieses Gebäude in dem ich sitze bestürmte, das Notfall-Management, der ist dafür verantwortlich. Seine Mutter war im St. Bernard Altenheim eingeschlossen und sie rief ihn jeden Tag an und sagte: "Kommst du, Sohn? Kommt jemand?" Und er sagte: "Ja, Mama, jemand kommt dich holen". "Jemand kommt dich holen" am Dienstag, "Jemand kommt dich holen" am Mittwoch, "Jemand kommt dich holen" am Donnerstag, "Jemand kommt dich holen" am Freitag ... und sie ertrank Freitagnacht. Sie ertrank Freitagnacht! Niemand kommt uns holen. Niemand kommt uns holen. Das Sekretariat hat es versprochen. Jeder hat es versprochen. Sie hatten Pressekonferenzen abgehalten. Diese Pressekonferenzen machen mich krank. Um Himmels Willen, haltet bloß euern Mund und schickt uns jemanden.
(bricht weinend zusammen)

FEMA: Federal Emergency Management Agency -  http://www.fema.gov/
Jefferson Parish: ist eines der Hauptwohngebiete in New Orleans mit rund 1 Million Einwohner -  http://www.lapage.com/parishes/jeffe.htm
streaming video:  http://freedomneocon.zippyvideos.com/5321182391049076/croktears/*freedomneocon
Textpassagen in Englisch:  http://thinkprogress.org/2005/09/04/worst-abandonments/
Mehr Schocks:  http://neworleans.indymedia.org/

Ergänzung: "Diese Gegend kommt einem ein bißchen wie Klein-Somalia vor...Wir werden hinausgehen und die Stadt wieder einnehmen. Das wird ein Kampfeinsatz um diese Stadt wieder unter Kontrolle zu bringen"
Brigadegeneral Gary Jones, Kommandeur der Louisiana National Guard Joint Task Force (  http://neworleans.indymedia.org/news/2005/09/4122.php )
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Ergänzungen

auch recht krass

tagmata 06.09.2005 - 07:10
 http://indypeer.org/show_file_page.php?file_id=549

geraldo rivera ist nicht der typ, den irgendwas leicht fertigmacht; als embeddeter korrespondent im irak war er immer vorne mit dabei (bis er vor laufender kamera eine karte mit truppenaufstellungen in den sand zeichnete, worauf ihm das pentagon den einbettungsschein oder wie auch immer die das nennen abnahm). aber was er im convention center sah, brachte ihn zum heulen. shep smith ist auch nicht übel, wie er seinem um schadensbegrenzung bemühten studiopartner souverän das maul stopft.


 http://indypeer.org/show_file_page.php?file_id=550

trent lott, ein politiker der christlichen rechten, der nach seinem outing als rassist nicht mehr so beliebt war (davor fraktionsvorsitzender der reps im senat), hat für die überlebenden nur spott übrig - er meint, sie sollten erst wieder klarkommen, bevor sie sich anmaßten die regierung zu kritisieren, denn mit deren reaktion sei er ja "zufrieden" - bush verkündete am vortag bei seinem ersten besuch im katastrophengebiet, er freue sich schon drauf, mit seinem kumpel trent auf der veranda von dessen wochenendhäuschen (das es weggepustet hat) zu sitzen und einen zur brust zu nehmen (für dubya ne brause bitte, denn er ist ja immer noch auf entzug) - trents schicke hütte würde bestimmt ruckzuck wieder aufgebaut.

das glaub ich sogar: halliburton-aktien sind letzte woche gut gestiegen, tricky dick wird da bestimmt was drehen können. ach, wie schön, wenn man so gute freunde hat...

der anfang von dem ding ist auch rattenscharf, wo der reporter sagt: ich steh hier in der zerstörung, vor mir liegt ne amiflagge im dreck...

bush hat *ne volle woche* gebraucht, um auf halbmast flaggen lassen. n simples fax am dienstag hätte genügt. das sagt ja wohl alles aus über dieses stück kot in menschengestalt... waren ja nur nigger und junkies und sozialschmarotzer, oder wie soll ich das jetzt verstehen?!


irgendwo gibts auch n clip mit celine dion, die irgendwann völlig abgeht und bush aufs derbste anpöbelt wegen irak und der sache jetzzt, während ihr die tränen vom kinn tropfen. hätt ich von ihr nicht erwartet. aber den streifen kenn ich noch nicht, denn es hieß, sie würde dann auch irgendwann singen, und darauf hatt ich dann doch echt keinen bock.


der unterschied zu all dem argen kram, den ich sonst so gefunden hab, ist, daß ich diesmal jedes wort verstehe von dem, was die leute sagen. sonst wars immer auf arabisch, oder tschetschenisch oder so. ich hab in den letzten tagen ne menge videos gesehen von der südküste, und ich sag mal bei der hälfte mußte ich vor dem schluß abbrechen, weil es nicht mehr zu ertragen war. du weißt nicht, ob du weinen oder schreien oder kotzen oder mit dem kopf gegen die wand schlagen bis es blutet oder dir ne knarre zocken und nach dc fliegen und bush und chertoff und brown und rice umlegen sollst.


dubyas politik hat mehr amis auf dem gewissen als osamas terror und die irakische guerilla, möglicherweise sogar weit mehr als beide zusammen (ich schmeiß irak und katrina jetzt mal zu bushs lasten zusammen, weil kein anderer prez so bescheuert gewesen wäre, ohne plan in den irak einzumarschieren; wer haare spalten will, kann ja die paar 100 toten vom märz/april 2003 wieder abziehen).
2001/2002 war ein bauprojekt, das nola für die nächsten 10 jahre oder so vor nem cat 5 geschützt hätte, startklar. bush und seine arschkriecher haben es gekippt. vieltausendfache fahrlässige tötung ist das mindeste, dessen er sich schuldig gemacht hat.
das ist ein fakt, und daran darf sich keiner, der irgendwas positives an diesen metzgern finden will, vorbeidrücken können.

solidarität mit den armen, den entrechteten, den mit füßen getretenen, den von der regierung dem tod ausgelieferten amis? ja, das ist ja wohl jetzt mal pflicht für leute, die sich als links verstehen!

solidarität mit ihrer reGIERung? over my cold dead body!


wer helfen will:  http://neworleans.indymedia.org checken


und noch n tip: nachrichten, daß die regierung/homelandsec keine oder nur unbedeutende schuld trifft, sind ab morgen mit extremer vorsicht zu behandeln. karl rove hat sich heute der sache angenommen, und die ersten maulkörbe sind schon verteilt. senator boustany aus louisiana findet die reaktion der bundesregierung auf einmal öffentlich spitze, obwohl er von dienstag bis donnerstag pausenlos bush um hilfe angefleht hatte... momentan scheints drauf rauszulaufen, daß sie brown von der fema der öffentlichen meinung opfern wollen; hoffen wir mal, daß es nicht klappt bzw daß es nicht dabei bleibt. impeachen, anklagen, aburteilen und ab auf den elektrischen stuhl mit el presidente wär mal ne maßnahme. oder n citizens arrest und auf der flucht erschießen, was in amiland sogar fast legal ist... und wem das jetzt hart erscheint, möge sich mal vor augen halten, daß durch die schlamperei des herrn bush halt mal eben das äquivalent zu bremen abge- und ein guter teil der leute dort versoffen sind. oder verdurstet. oder verhungert. oder umgenietet, weil keiner dran dachte, daß es vielleicht uncool ist, wenn in ner aufgegebenen stadt haufenweise knarren rumliegen. oder an irgendwelchen krankheiten verreckt, weil so viele hubschrauber im irak sind, und bush den kanadiern gesagt hat, daß er ihre nicht will, daß er überhaupt nix vom ausland will außer geld fürs rote kreuz, und deshalb keine medikamente eingeflogen werden konnten, eine knappe woche lang.

wenn gore präsident geworden wäre, wären sie mit schweren sturmschäden davongekommen, und ein paar dutzend toten.

wenns kerry geworden wäre, dann immer noch allenfalls mit ein paar hundert toten und einer partiell unbewohnbaren stadt.

aber es wurde bush, und jetzt überlegen sie, obs tausende oder zehntausende tote werden, und new orleans ist laut dem stellvertretenden polizeichef "völlig zerstört".


und WO ZUR HÖLLE STECKT OSAMA BIN LADIN UND WARUM ERWÄHNT DEN KEINER, ABER AUCH WIRKLICH KEINE SAU MEHR?! hab ich irgendwie in ein paralleluniversum gewechselt? steht das wtc vielleicht gar noch, weil 9-11 nie passiert ist? was soll die scheiße? wie oft hat bush dieses jahr schon von osama gesprochen in einer seiner reden? zweimal? dreimal?

das gehört in die mittelspalte

schwarze feder 06.09.2005 - 11:29
vielleicht könnt ihre die verschiedenen wichtigen beitzrgäge zusammenstellen. als erklärungsansatz für das ganze finde ich das interview mit mike davis aus der süddeutschen sehr wichtig.

New Orleans und das Öl

... 06.09.2005 - 11:34
BERLIN/TEHERAN/BAGDAD(Eigener Bericht) - Berlin befürwortet Notmaßnahmen zur Linderung der globalen Energiekrise und gibt erhebliche Teile seiner Ölreserven an die USA frei. Der ungewöhnliche Vollzug von Katastrophenplänen begleitet blutige Verteilungskämpfe um die Energieressourcen des Mittleren Ostens und geht mit neuen Angriffen auf das internationale Völkerrecht einher. Die maßgebliche Fachzeitschrift der deutschen Außenpolitik öffnet ihre Spalten für die Forderung nach vollständigem Souveränitätsverzicht für Ressourcenstaaten, die der westlichen Energieversorgung nützlich sein könnten. Demnach sollen ausgesuchte Völkerrechtssubjekte ("failing states") "für einen unbegrenzten Zeitraum" zu "Treuhandgebieten" der Großmächte erklärt werden. Die Herrschaftsausübung in den zukünftigen Protektoraten müsse billig sein ("nicht zu große(...) materielle(...) Investitionen") und durch "internationale Anerkennung (...) dringend" umgesetzt werden.
mehr:  http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/55917.php

ich hock mich dann mal hin

armin 06.09.2005 - 12:34
Das wird lang und viel - Celine Dion hab' ich auch schon - und erst heut' abend fertig. Wer schon am Tippen ist, mag mich bitte bremsen:  http://arminreich.blogspot.com/

Mir kommt das Interview mit dem französischen Philosophen Jean Baudrillard im Speigel (kein Verschreiber) zum 11. September in den Sinn:

"US-Präsident Bush versucht, die Symmetrie Freund-Feind wiederzufinden, er strebt auf vertrautes Terrain zurück. Die Amerikaner führen diesen Krieg so, als müssten sie sich gegen ein Rudel Wölfe verteidigen. Aber gegen Viren funktioniert das nicht, sie sind ja längst in uns. Es gibt keine Front und keine Demarkationslinie mehr, der Feind sitzt im Herzen der Kultur, die ihn bekämpft. Das ist, wenn man so will, der vierte Weltkrieg: nicht mehr zwischen Völkern, Staaten, Systemen und Ideologien, sondern der Gattung Mensch mit sich selbst."

@10:34

tagmata 06.09.2005 - 15:08
das find ich natürlich erst nachdem ich bepostet habe:
 http://de.news.yahoo.com/050906/286/4ock7.html

kofi annan: was aus dem irak geworden ist durch die verschissene invasion, ist schlimmer als talibanistan, was terrorismus angeht.

 http://de.news.yahoo.com/050906/286/4ocy7.html

das irakische parlament beschließt eine massive ausweitung der todesstrafe. bis auf bestimmte politische sachen (für die jetzt eh kein ordinary hassan mehr zeit hat, weil einfach nur überleben wichtiger ist) ist die bürgerrechtssituation damit so miserabel wie unter saddam.
wirds was bringen? darf doch arg bezweifelt werden, vor allem auf längere sicht.

let's face it: bushs jolly little war hat den irak von einer abgehalfterten sekulären diktatur in einen islamistischen terrorstaat und das weltbeste trainingslager für noch viel islamistischere terroristen ever verwandelt. so was kommt von so was - vielleicht hätte er leute fragen sollen, die sich damit auskennen, denn das tragische ist ja, daß das alles so lang schon abzusehen gewesen ist. verglichen mit den bushisten hat pat robertson ja echt noch durchblick; schlimm ist das.

Hilfe von links abgelehnt

... 06.09.2005 - 17:08
zu dem thema passt dann noch das die US Regierung in ihrer überheblichkeit scheinbar glaubt hilfe vom politische gegnern nicht nötig zu haben:
 http://www.jungewelt.de/2005/09-05/001.php

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@10:34 — tagmata