Berichte über Gefolterte - 1

tierr@ 06.09.2005 05:24 Themen: Repression
Spanien: GEFOLTERTE - Rückkehr ins Leben
In Fesseln, schickten sie Susana, Sergio, Birjinia und Eneko
auf eine Reise in die abgründigste Tiefe der Dunkelheit - ins
Extrem. Aber sie kehrten ins Leben zurück und machen ihre
Zeugenaussagen ....
Text: Eva Forest - Photographien: Conny Beyereuther

In Fesseln, schickten sie Susana, Sergio, Birjinia und Eneko
auf eine Reise in die abgründigste Tiefe der Dunkelheit - ins
Extrem. Aber sie kehrten ins Leben zurück und machen ihre
Zeugenaussagen; denn ihre Namen, Gesichter und ihre Erfahrungen
könnten die irgendeines/ner der hunderte, tausende baskischer
Frauen und Männer sein, die Opfer der Folter waren. Die Autorin
EvaForest, die durch Studien intensiv mit dem Thema vertraut
Ist und die ausserdem selbst die «incomunicacion» / die totale
Kontaktsperre erlitt, sprach mit ihnen für ZAZPIKA

ZeugInnen, die sich für eine Anklage zurückziehen und sie, wegen beinhalteter Detaills, Menschenrechtsorganismen zugänglich machen, beschränken sich im Allgemeinen darauf, das Geschehene wiederzugeben; wie einen chronologischen Bericht: Sie kamen in aller Frühe; sie kamen herein, indem sie die Tür aufbrachen; eine geraume Weile lang durchsuchten sie alles; sie fesselten mich; sie brachten mich zum Wagen; sie bedrohten mich mit der Pistole oder schlugen mich; etc. Wenn die ZeugInnen bestimmte Folterungen benennen, beziehen sie sich fast immer auf die Techniken: Sie tauchten meinen Kopf im Wasser einer Badewanne unter; sie stülpten mir (zur Provokation von Erstickungsanfällen ) eine Plastiktüte über den Kopf ; sie brachten Elektroden an meinem Körper an. Von den GerichtsmedizinerInnen, die zu ihnen gekommen waren, sprechen sie, als handele es sich um ihr Zusammentreffen mit dem Richter. Manchmal sind es detaillierte Informationen. Dennoch, wenn man Gefolterte tieffühlender nach ihrem Zeugnis befragt, pflegen sie zu bekennen, dass es unbefriedigend ist und viel zu gering ausfällt, weil das, was sie in der Realität dort taten und das meiste des Geschehenen, darin kaum zur Sprache gekommen sind. «Ich sage: Sie brachten mir Elektroden an den Hoden an; aber... kann sich irgendwer vorstellen, was das bedeutet ? Das Theater und der Wahnsinn, den ich in meiner Umgebung hatte? Was ich fühlte? Diese Realität können nur diejenigen verstehen, die sie durchgemacht haben».

Weil das kuriose Paradox auftaucht, dass ein und dasselbe Zeugnis für jemanden, die/der es aus der Distanziertheit heraus liest, lang und übertrieben sein kann, gleichzeitig jedoch kurz und dürftig, für den oder diejenige der/die es mit der Kraft des Erlebten schrieb, halte ich es in diesem Moment für wichtig, eine Klärung zu vollziehen und die Aufzeichnungen in zwei Teile zu gliedern: Einen der wiedergibt, was um die Gefolterten in Umlauf ist und einen, der das benennt, was verschwiegen wird. Ein Teil trägt objektive Daten bei, die dabei helfen, die gewaltige Maschinerie der Repression zu kennen und zu durchdringen. Der andere liefert subjektive Fakten/Daten, welche die zerstörerischen Effekte der Maschinerie aufzeigen. Beide sind Aspekte deselben Phänomenes: Der Folter, welche ihrerseits viele weitere Facetten beinhaltet, die hier unmöglich alle aufgeriffen werden können.

Für die LeserInnen der Zeugnisse, die für gewöhnlich zirkulieren, ist es sehr wichtig zu wissen, dass sie nur schematisch sind; kleine Skizzen eines Skeletts, welchem das Fleisch fehlt, die Daten liefern; Techniken aufzählen und zeitlich entsprechende Aussprüche wiedergeben. Sie versuchen nicht, das Phänomen zu durchdringen,obwohl sie das Material dazu liefern, es eines Tages zu tun. Es ist angebracht, sich zu vergegenwärtigen, dass sie nur Alarmsignale sind; eine Warnung dass, weiter weg oder ganz in der Nähe vielleicht, im Revier um die Ecke, gerade unbeschreibliche Barbareien stattfinden; in von der Aussenwelt isolierten Räumen, die eigens zu diesem Zweck hergrichtet worden sind. Barbareien deren Ausmaß wir niemals erfahren werden.
Diese Zeugenaussagen müssen als ein Hilferuf aufgefasst werden und als Signal, dass wir konsequent, handeln müssten, wenn wir am Leben bleiben wollen.

Was die Gefolterten anbetrifft, die auf die Weise ihre Zeugenaussagen machten und denen die Beschreibung als sehr mager erscheint oder diejenigen, die vielleicht einer künftigen Versuchung nicht widerstehen können, Abstand zu nehmen und zu schweigen, so müssen diese wissen, dass dieser ehrliche Bericht nicht nur von vitaler Wichtigkeit ist, um anzuklagen, dass es Folter gibt; sondern um sie, in nachfolgendem Kontext zu studieren und zu analysieren und um demonstrieren zu können, dass sie bis zum heutigen Datum existiert und dass sie rechtlich eine sehr schwierige Angelegenheit bedeutet.

Dank der ausführlichen Dossiers all´diese Jahre hindurch, welche die zahlreichen Geschichten zergliedern; in Themen gruppieren und die eine umfassende Lektüre ergeben; das Betragen der Folterer anklagen, nach Datum, Zeitabschnitten und vergleichen, was sie in den verschiedenen Momenten sagten, die Witze, welche sie machten; die unterschiedlichen Techniken, welche sie benutzten und deren Erklärungen; das Verhalten der zahlreichen Gerichtsmediziner/innen und das Betragen der Richter/innen, ihre zynischen Kommentare - dank dieser endlosen Daten, die Kleinigkeiten vor Augen führen und in ihrer Gesamtheit Licht werfen, für eine vertiefte Studie, die eines Tages erstellt werden wird, können Schlussfolgerungen gezogen und viel über das Thema gelernt werden, bis zu dem Punkt, an welchem schon heute, die Geschichte der Folter in Euskal Herria ( Baskenland ) erarbeitet werden kann und mittels dieser, die generelle Geschichte unseres Volkes.

Auf der Basis dieser schmerzhaften Erfahrung einer Praxis, die tagtäglich vollzogen wird und die das Leben vieler Compañer@s kostete - es sei daran erinnert, dass es viele Personen sind, die durch die Folter starben - können zudem viele Wahrheiten bestätigt werden, ohne Angst und ohne dass wir uns irren. Z. Bsp. können wir - wobei natürlich eine Reihe sekundärer Nunacen übersprungen wird -, im Wesentlichen sagen, dass die Folter seit dreissig Jahren fortdauernd praktiziert wird.
Seit jenen ersten Tagen der «transición» /«Übergang zur Demokratie» bis vorgestern, haben sich die Methoden nur sehr wenig geändert. Was diese seither erlitten, sind geringe Veränderungen; aber wenn man das Panorama ionsgesamt betrachtet, kann man sagen, dass es einer grossen Monotonie entspricht; dass die Berichte, einer nach dem andern, sich wie lange, beängstigende Litanaien ausnehmen, die sich wiederholen und wiederholen. Sicher kann die Tendenz zur Vermeidung von Spuren festgestellt werden; zu entsprechenden Vorsorgemassnahmen, indem die Körper ( der Opfer ) gepolstert und in Schaumgummi gewickelt werden und zur hauptsächlichen Anwendung der psychologischen Folter. Aber generell bleibt alles gleich. Es kann sogar hinzugefügt werden, dass mit der Einführung der Demokratie und der Bewilligung einiger Gesetze durch das Parlament, die Möglichkeit der Folter institutionalisiert worden ist - wie durch die «incomunicación» ( tagelange, vollkommene Kontaktsperre mit der Aussenwelt, auch mit Anwälten ).

Man kann z.B. sagen, dass die Folterungen, auf die wir uns beziehen, seit 1977 ohne Unterbrechungen, bis in die letzten Monate hinein praktiziert wurden...Bei einer ausführlichen Betrachtung der Zeugenausagen wird erklennbar, dass sich keine von ihnen auf einen isolierten Fall bezieht, indem etwa ein Verrückter oder ein Sadist sich ungebührlich betragen hätte und der als Aussnahme bezeichnet werden könnte. Von damals an, bis in unsere Tage, ist Folter eine kontrollierte Praktik und ein prioritärer Teil der der Pläne verschiedener Regierungen, zur Unterwefung der Rebellen. Sie ist eine Waffe die auf präzise, wissenschaftliche und systematische Weise eingesetzt wird, wann und wo es ihnen passt und von Nutzen ist.

Man kann sagen, dass auch die Methoden nur wenig verändert wurden und dass viele der Techniken die in der Gegenwart angewandt werden, schon von den Folterern der Diktatur benutzt worden sind. Was sich sicher gewandelt hat, ist der Aspekt der Information, die sich auf die Anklagen bezieht. Wir, die wir schon in jenen Jahren gegen dieses Gebrechen kämpften, haben gelernt dass, während die Anklagen, welche unter einer Diktatur erhoben werden, grossen Glauben finden und mit Enthusiasmus bekannt gemacht werden; dass aber hingegen jene Anklagen, die in einer Demokratie verlautbart werden, immer, und auch prinzipiell, verschwiegen und in Frage gestellt werden. In Frage gestellt von den Leuten im Allgemeinen, die, nachdem sie derart viele Bilder unter der Demokratie der USA gefolterter Iraker in Guantánamo gesehen haben, auf alltägliche Weise damit fortfahren, das ihnen angezeigte Schema anzuwenden, demzufolge solche Dinge in einer Demokratie unmöglich sind. Und in Frage gestellt, vor allem von Regierungen, die mehrheitlich Verträge/Resolutionen gegen Folter unterzeichntet haben, die immer von ihnen geleugnet wird, obwohl sie sie anwenden: «In einer Demokratie gibt es keine Folter», sagte mir mit schneidender Schärfe ein bekanntes Mitglied des französischen Innenministeriums als Kommentar zur Glaubwürdigkeit der Tatsachen. Ein ad hoc Argument welche solche «Demokraten» benutzen, die ausserdem keinen Widerspruch zulassen. In letzter Zeit beobachten wir mit Beunruhigung wie beginnende Anzeichen von Folter in Ipar Euskal Herria in Erscheinung treten. Es handelt sich um feine Signale, die noch verschüttet sind; aber alarmierend.

Es ist sehr schwierig, Folter auf juristischem Weg aufzuzeigen. Alles was mit ihr zu tun hat, geschieht in einen isolierten Gerichtskammer, in der es keine Zeugen gibt. Die Gefolterten und der Folterer einander gegenüber. Stets streiten die angegriffenen Beamten die Aussagen der Anlage ab und werden behaupten, es wären Parteianweisungen, Erfindungen der Terroristen um sie zu dikreditieren; wenn es Anzeichen für Folter gibt, so seien diese selbst verursacht worden, um sie beschuldigen zu können. Es muss darum gekämpft werden, dass der/die Festgenommene einige minimalste Garantien, wie auf einen Anwalt und Transparenz der Vernehmung, erhält: Keine isolation; keine Kontaktsperre ( incomunicación ).

Wir können bestätigen, dass der Zweck dieser Folterungen in vielen Fällen Nachforschungen und das Erlangen von Daten ist; aber in ihrer grossen Mehrzahl dienen sie dazu, Angst und Einschüchterung zu erzeugen und die bedeutende öffentliche Bewegung, die in Euskal Herria existiert, zu lähmen. Bei bestimmten Gelegenheiten, fanden wir ausserdem die Folter auch als einen Akt der Rache vor.
In allen Fällen ist ihr Ziel, die Zerstörung des Individuums und seinen Widerstand zu brechen: Der Verrat an der eigenen Überzeugung; die eigenen Prinzipien aufzugeben und die Bezähmung zu akzeptieren; die Unterwerfung.

Es wurde viel darüber diskutiert, ob es anbegracht ist, über Folter zu sprechen, die Zeugenaussagen zu verbreiten und zu informiern,oder nicht. Es gibt Personen, welche meinen, dass dies einen negativen Effekt auf die Gesellschaft hat. Wir hingegen denken, dass es immer besser ist, zu wissen, als zu ignorieren. Zu wissen eröffnet den Weg. Die Auseinandersetzung mit der Wahrheit ist nicht nur gut an sich; sondern sie hilft ausserdem dabei, die Kräfte der Verteidigung zu verstärken. Die Vorstellung von dem, was in jenen Momenten der Eingeschränktheit ausbricht und der Zügellosigkeit freien Lauf gibt, dringt ins Bewusstsein und zeigt am besten, dass so wie zu realen Daten, ebenso Angaben über die Leere gemacht werden müssen.

Quer durch hunderte von Zeugenaussagen, können wir auserdem bestätigen, dass den Gerichtsmediziner/iinnen und Richter/innen eine grosse Verantwortung für diese Folterungen zufällt. Sie sind die Brücke zwsichen der Kontaktsperre ( incomunicado) und der Welt. Sie sind im Besitz des Wissens um die Offensichtlichkeit dessen, was dort drinnen geschieht und ihr Schweigen macht sie zu gewichtigen Komplizen.

Wenn du es nicht durchgemacht hast ...

An einem sanften, regnerischen Nachmittag, trafen wir fünf uns, um über Folter zu sprechen. Wir kannten uns nicht; aber das Einandervorstellen war voller Aufrichtigkeit: Es gibt etwas Bestimmtes in den Blicken, Lächeln, in der Art, den Arm auszustrecken und die Tür aufzuhalten. Alles ist sanft, warm und freundlich. Wir haben etwas Gemeinsames, das uns vereint. Alle waren wir, vor langoder kurz, der incomunicación/ der Kontaktsperre unterworfen. Es brauchte nicht viele Worte, damit wir uns verstanden. Das Erkennen ist unmittelbar; so als wären wir schon unser ganzes Leben miteinander vertraut. Ich meinerseits empfand dabei sehr viel: «Sie auch», sagte ich zu mir selbst, indem ich an all´die vielen anderen dachte und ich empfand sie als weitere Brüder und Schwestern «Wenn du es nicht durchgemacht hast, kannst du überhaupt nichts verstehen» hatte vor Jahren ein anderer Gefolterter zu mir gesagt. Mit Sicherheit nicht! Lächelnd nahmen wir um einen Tisch herum Platz. Als wir uns an die grotesken Situationen erinnerten, die sie während jener Tage ausgelöst hatten, hörten wir auf, innig zu lachen. Es ist nicht einfach zu erklären.Präzise gesagt: Es ist die Hölle. Auf dieser Ebene ist das Lächeln ebenso wertvoll, wie das Weinen oder die Befremdung oder die Angst. Aber wir sind so sehr an Routinegewohnheiten angepasst, dass uns unser eigenes Lachen erschreckt, wenn es ausserhalb des Ramens der etablierten Geschütze aufscheint. «Wie könnt ihr lachen, während ihr über Folter redet?», sagten mir sehr ernste und besorgte Personen zerknirscht, mit einer gewissen Strenge. Dies genau aber ist die Situation der Einschränkung; des Einsturzes der Grenzen; die Explosion der Alltäglichkeit. Zudem ist das Lachen eine sehr ernste Angelegenheit.

Ich hatte ein Aufnahmegerät dabei, das ich nicht benutzte; ein paar Notizblätter, auf die ich nichts schrieb. Ich hatte die Aufzeichnungen von ihnen allen bei mir; ein umfangreiches Bündel von Seiten, die zur Anklage vor den Medien gedient hatten. Ich wusste, dass sie alle schrecklich gefoltert worden waren; aber ich wußte nicht, was genau ihre Aussagen beschrieben. Was ich wusste, war, was sie nicht beschrieben; das, was sich hinter jedem «sie stülpten mir die Tüte über den Kopf», «sie zogen mich aus, wickelten mich in ein Polster, um keine Spuren zu hinterlassen und banden mich auf einem Stuhl fest »,«sie liessen mich die Schreie meiner Gefährtin Anika hören, die sie, wie sie mir sagten, gerade vergewaltigten» - Diese unermessliche Ausmaß der Katastrophe die jede/der erlebt hatte und vielleicht das ganze Leben lang, mit sich herumschleppen würde - «Die Badewanne und die Erstickungsanfälle, waren nicht das Schlimmste - sagte mir Joseba vor Jahren - sondern diese fürchterliche Verheerung, die ich empfand, als die Tür aufgerissen wurde und einer sagte, dass das Spiel beginnen würde...sie liefen hinaus und liessen mich in dieser elenden Lage, verlassen auf dem Boden liegen» So weit können diese Momente gehen, dass du dir sogar die Gesellschaft der Folterer wünschst. Wem soll ich das erzählen, ohne damit zu erschrecken?

Die Situationen des Eingegrenztseins führen zu sehr ausserordentlichen Erlebnissen. Folter ist eine dieser Situationen von Beschränkung, die ein Mensch erfahren kann; sie zerstört jeglichen Schutz; sie schleudert ihn in jene Bedrängung ohne Grenzen, in der sich Raum und Zeit vermischen und wo er, im Zustand der Desorientierung, gezwungen ist, weiter durchzuhalten und sich mit aller Kraft am Rand des Abgrunds festzuklammern; denn in dieser Situation geht es nur noch darum, nicht abzustürzen und dem Schwindelgefühl zu trotzen. Dennoch fällst du, wie in Träumen; aber, die traurige Realität ist: Du bist, in ein Polster gewickelt, auf einem Stuhl festgebunden und mit einer Plastiktüte über dem Kopf, die dich erstickt und sie stellen dir Fragen und du verlierst dich in der Orientierungslosigkeit, während du Lehrsätze dechiffrierst. Es ist nicht einfach, sich zu setzten, denn du weißt nicht, ob du dich am Ende der Welt befindest oder am Anfang einer neuen Dimension. In solchen Momenten ist man fähig, viele Dinge zu verstehen, die einem undurchdinglich erschienen waren: «Plötzlich verstand ich die "Guernica" von Picasso» sagte unlängst ein Zeuge «Jahrelang hing dieses Gemälde verblassend in meinem Speisezimmer, ohne kaum meine Aufmerksamkeit zu erregen und dann, in der Tiefe des Kerkers, mit einem Schlag begriff ich es und verstand, als wäre ein Licht angezündet worden, seine Bedeutung: Etwas Schreckliches war geschehen und eine Welt war in die Luft geschleudert worden und zerbrach; indem sie in Stücke zerfiel, war sie unmöglich wiederherzustellen und alles blieb aus der Fassung gerissen. Dasselbe geschah mit der Welt, in der ich bisher gelebt hatte und die nie wieder dieselbe sein würde»

Sie waren hierher gekommen, weil sie sprechen wollten; anklagen; ihre Idenditäten nennen. Sie hiessen Susanna, Birjinia, Eneko, Sergio. Es wäre ebensogut möglich, dass sie sich anders nannten, denn es hätten an diesem Nachmittag kommen Tausende und dasselbe sagen können. Das Kriterium der Auswahl war gewesen, Personen aus herrialde hier zu haben: Zwei Frauen, zwei Männer. Die aus Iparralde fehlten aufgrund eines Fahrzeugschadens. Sie wollten ausserdem ihre Photos zeigen; ihre Gesichter voller Würde; ihre stechenden, durchdringenden Blicke. Wer würde sich erdreisten abzustreiten, dass sie gefoltert worden waren? Es gab keinen Protagonismus. Auch ihre Photographien könnten die vieler anderer sein( wenn es deren Wunsch wäre ), die verwechselt werden könnten, sich vermischen mit anderen Gesichtern Gefolterter und zu einer grossen Galerie werden, von Personen der Anklage. Die Zeugnisse aller, die noch eingereicht würden, könnten sich zu einem und soldiden Dach des Widerstandes verdichten.

ENEKO IURRAMENDI
Irunea. Verhaftet 26-02-2002 von der Guradia Civil. 5 Tage incomunicado. Nach 31 Monaten Gefängnis, in Freiheit
(...) sie schlugen mich mit der flachen Hand oder mit in Zeitungspapier eingewickelten Knüppeln und nie ins Gesicht; immer auf den Kopf, in den Magen und manchmal in die Hoden. Noch schlimmer aber war es, wenn sie mir die Plastiktüte über den Kopf drückten und ich drohte, am Kondenzwasser meines Atems zu ersticken, während mir die Tüte ausserdem noch die Kehle zuschnürte... Wenn ich anfing zu husten und zu würgen, hielten sie für einen Moment ein, damit Luft in die Tüte kam; dann zogen sie sie von Neuem zu. Meine einzige Hoffnung war, eine Herzattacke zu Bekommen und zu sterben
(...) Sie brachten Anika in den Raum nebenan und schlugen und beschimpften sie so, dass ich alles ganz klar hören konnte (...) es ist wahrhaftig hart, zu wissen, dass die Mutter deiner Kinder, nackt in den Händen dieser Folterer ist und zu hören, wie sie ihr damit drohen, sie einer nach dem anderen zu vergewaltigen
(...) Sie befahlen mir, mich auf einen Stuhl zu setzen und wickelten mir die Arme und Beine in Kunstschaumstoff ein und fesselten mich daran an den Stuhl. Ich war vollkommen bewegungslos und sie stülpten mir zwei oder drei Plastiktüten über, damit ich nicht mit den Zähnen ein Loch hineinbeissen konnte. Um das Erstickungsgefühl noch zu steigern, packte einer mich zusätzlich an der Kehle und begann mich zu würgen. Ich dachte, nun wäre das Ende gekommen; dass von alledem mein Körper explodieren würde und sie mich in ein Hospital bringen mussten, oder auf den Friedhof, in die süsse Ruhe eines Grabes. Aber nichts von all´dem geschah. Mit der Kraft eines sterbenden Tieres und obwohl mehrere von ihnen mich gewaltsam festhielten, sprengte ich die Fesseln und fiel mitsamt dem Stuhl und allem, um...
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen