Nazimarsch am 04 September in Wunsiedel

ARTV - Antifaschistisches Recherteam Vogtland 05.09.2005 11:12
Bilder Vom Naziaufmarsch in Wunsiedel am 4.September
Fotoergänzung zum Naziaufmarsch in Wunsiedel
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bnr.de zum Thema

egal 06.09.2005 - 16:51
Die unter NPD-Flagge firmierende Ersatzveranstaltung für den verbotenen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Nürnberg stieß bei den Neonazis auf geringe Akzeptanz.

Drei Tage vor dem geplanten Heß-Gedenkmarsch am 20. August im bayerischen Wunsiedel herrschte heilloses Durcheinander in der rechtsradikalen Szene. Wider Erwarten hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot für die diesjährige Gedenkveranstaltung der Neonazis bestätigt. Das oberste zuständige Gericht begründete diese Ablehnung damit, dass in einem Eilverfahren nicht ausreichend Zeit bliebe, die relevanten Streitpunkte zu klären. Damit würde der Rechtskampf um die Klärung, ob ein Gedenken für Hitler-Stellvertreter Heß legal sei oder nicht, erst recht beginnen, zeterten die Organisatoren um Rechtsanwalt Jürgen Rieger. Die Parole von der "Neufassung des Maulkorbparagraphen 130 §" wurde herausgegeben.

Beim Wunsiedel-Koordinationsteam müssen zu diesem Zeitpunkt die Köpfe geraucht haben, um einen adäquaten Ersatzort aufzutreiben. Langfristig geplanten Ersatzveranstaltungen im Raum Bayreuth wurde sofort eine Absage erteilt. Dennoch mobilisierte das Wunsiedel-Komitee weiter in Richtung Süden. Zur Wahl standen noch angemeldete Demonstrationen in Nürnberg, Karlsruhe, Jena, Berlin und Magdeburg. Ein Aufmarsch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wurde kurz darauf unterbunden, auch die Stadt Nürnberg erließ ein Verbot und Ralf Wohlleben zog seine Anmeldung für Jena zurück, wie es hieß, um den Weg für Magdeburg freizumachen.

Während dieser Organisationsphase lag die Mobilisierung in den Händen der Freien Nationalisten, die Interessenten über das "Nationale Infotelefon Rheinland" auf dem Laufenden hielten. Obwohl einige wenige NPD-Homepages bereits am Freitag darüber berichteten, dass das Verbot in Nürnberg aufgehoben worden sei, schwenkten die umfassenden Nachrichtenplattformen der Kamerad-schaftsszene nicht um. Deutliche Diskrepanzen wurden sichtbar. Während NPD-Strategen aus dem Umfeld der sächsischen Landtagsfraktion zu einer Teilnahme in Nürnberg aufriefen, steuerten die Busse der Freien Nationalisten weiterhin Berlin und Magdeburg an.

So war es wenig verwunderlich, dass nicht einmal 500 Neonazis an der zentralen NPD-Ersatzveranstaltung für Wunsiedel unter dem Motto "Arbeit für Deutsche" auf dem Nelson-Mandela-Platz in Nürnberg teilnahmen. Die Leitung der Veranstaltung hatte aus juristischen Gründen Anmelder Uwe Meenen, NPD-Chef aus Würzburg.

Tief in Aktenordnern versunken, reiste Jürgen Rieger im klapprigen, ausgemusterten Bundeswehrfahrzeug gemeinsam mit Thomas Wulff an. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt erschien gar nicht erst in Nürnberg, obwohl seine Partei die Wunsiedel-Absage für ihre Zwecke nutzte. Apfel hatte einige seiner Mitarbeiter im Landtag im Schlepptau. Die Parlamentarierclique isolierte sich, nicht nur äußerlich, von dem Anhängern der Kundgebung. Auffällig wenige ausländische Teilnehmer zeigten sich in Nürnberg mit ihren Flaggen und Bannern. Es gab diesmal zwar einen Reisebus aus der Schweiz, aber nur wenige Briten und Ungarn hatten Interesse an der Ersatz-Kundgebung.

Bevor die endlosen Redebeiträge des Nachmittags begannen, stellten sich die Teilnehmer in einem Kreis auf. Die Banner der NPD Franken, der NPD München und der JN säumten den Rand, einzig die "Kameradschaft Northeim" repräsentierte die Kameradschaftsszene. Aktivisten der verbotenen "Fränkischen Aktionsfront" stellten einen rosaroten Lautsprecherwagen zur Verfügung, und Matthias Fischer sorgte sich als NPD-Kandidat um den Ordnerdienst. Den stellten die Anhänger der "White Rebells Unterfranken" aus dem Raum Aschaffenburg. Nach internen Querelen vertrat Norman Bordin die NPD München ohne seine einstigen Gefolgsleute Philipp Hasselbach und Hajo Klettenhofer. JN-Bundesvorständler Alexander Neidlein begrüßte Lars Käppler aus Baden-Württemberg und Alexander Delle, Mitarbeiter bei der "Deutschen Stimme" in Riesa reckte die rote JN-Fahne hoch.

Die Rechtsextremisten waren völlig unter sich, die Polizei schirmte den Platz hermetisch ab. Gegendemonstranten konnten allerdings zeitweilig die Redebeiträge der Neonazis mit Lautsprechern stören.

Horst Mahler, Ursula Haverbeck und eine kleine Gruppe von Anhängern, darunter die Münchner Verteidigerin von Rigolf Hennig, erschienen verspätet. Nachdem Meenen und NPD-Stadtrat Ralf Ollert die Teilnehmer begrüßt hatten, hielt Thomas Wulff die erste längere Rede. Angeschlagen krächzte er ins Mikrophon "an einem Tag wie heute lassen wir uns nicht aus der Öffentlichkeit verdrängen". Applaus gab es, als "Steiner" berichtete, dass weitere Kameraden erfolgreich in den Städten Berlin und Peine-Salzgitter aufmarschiert seien.

Tatsächlich hatten die Besatzungen von neun Bussen mittags wie geplant Magdeburg angesteuert, ihnen war jedoch ein mündliches Verbot erteilt worden. Daraufhin mobilisierten die Neonazis direkt in die Innenstadt von Peine und konnten dort für etwa eine Stunde einen "Heß-Marsch" durchführen. Vonseiten der Polizei hieß es später: "Hätten wir da schon genügend Beamte gehabt, hätten wir die Demonstration auch faktisch aufgelöst." Dass die Wahl auf den Braunschweiger Raum fiel, ist sicherlich kein Zufall, denn dort ist zur Zeit eine Gruppe mit dem Namen "Honour&Pride" und die Band "Donnerhall" sehr aktiv. Bereits am Samstag vormittag waren Rechtsextremisten aus Sachsen, Berlin, Brandenburg und Vorpommern in Berlin von Mitte nach Lichtenberg marschiert, um dort unter dem Motto "Meinungsfreiheit für alle - Paragraf 130 abschaffen" zu demonstrieren.

Insgesamt konnten doch auch die drei Aufmärsche nicht über den Misserfolg der diesjährigen Heß-Planung hinwegtäuschen. Thomas Wulff versuchte es mit Wahlmotivation, sein Spruch "Ran an die Bürger. Ran an die Menschen in diesem Lande. Unsere Zeit ist schon lange gekommen, jetzt sind wir dran!", erntete nur mageren Applaus.

Missmutig schimpfte Wunsiedel-Anmelder Jürgen Rieger über seinen neuen Erzfeind, den bayerischen Innenminister Günther Beckstein. Realitätsfern machte er ausgerechnet den CSU-Hardliner als engagierten Antifaschisten aus und rief: "Wenn Beckstein Innenminister wird, dann Gnade Gott allen Rechten."

Als Wahlkämpfer trat Hauptredner Holger Apfel im pfirsichfarbenen Hemd auf. Er hielt eine hitzige Wahlkampfrede und drosch ausländerfeindliche Phrasen. Die wenigsten der Zuhörer folgten dann noch Horst Mahler und seinem Kampf "des deutschen Blutes" nach dem Motto: "Wir versagen uns als Sklaven und stehen auf als Deutsche!" Als letzter Redner des Tages forderte Ralf Tegethoff schließlich, überflüssigerweise, eine Umbenennung des Nelson-Mandela-Platzes in Andreas-Hofer-Platz. Seine gebellte Rede im NS-Stil läutete das Ende der Veranstaltung in Nürnberg ein. Zu guter Letzt gingen zwei Mädels in artigen Blusen mit dem Klingelbeutel herum und sammelten Spenden für den Immobilienbesitzer Rieger, den der Rechtskampf wohl "800 bis 1000 Euro" kosten könne.

Dem Fazit des szeneinternen Wunsiedel-Kritikers Christian Worch in Internetforen ist kaum etwas hinzuzufügen: "die Veranstaltung fand geringe Akzeptanz, dies mag daran liegen, dass sie unter NPD-Flagge lief". Durch "den Wegfall" des "einigenden Moments - der Ort Wunsiedel als letzte Ruhestätte von Rudolf Heß" ist eine Zersplitterung eingetreten. Niemand habe das "Copyright" am Gedenken an Heß, so Worch, "das hat sich am heutigen Tag gezeigt".

Andrea Röpke

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