Bericht vom Nazi-Demöchen am 3.9.05 / Berlin

Mit-Laufender 04.09.2005 18:51 Themen: Antifa
"Frieden" kommt wie eigentlich zu erwarten war bei Nazis nicht richtig an. Am 3. September haben nur rund 120 Nazis aus dem Umfeld der „freien Kameradschaften“ in Berlin demonstriert – anlässlich des Anti-Kriegstages, der eigentlich am 1. September begangen wird.
Der Tag begann allerdings mit einer Antifa-Demo, die nur das kurze Stück vom Frankfurter Tor zum S-Bahnhof Landsberger Allee, dem Treffpunkt der Nazis, führte. Gegen 10 Uhr, als die Demo eigentlich losgehen sollte, waren nur einige Dutzend, vor allem jugendliche, Antifas anwesend sowie ein Kleinbus mit Verdi-Fahnen und einige Verdi-Mitglieder mit leuchtenden Schürzen. Bis 10.45 Uhr wuchs die Menge jedoch deutlich an, ich würde mal auf 200 bis 300 Leute schätzen, die dann lautstark und entschlossen den Weg zurücklegten. Kurz vor dem Ziel gab’s noch eine Sprinteinlage, die aber eigentlich kein besonderes Ziel hatte und nur an einer dichten Bullen-Absperrung endete. Die Polizei reagierte da noch sichtlich gelassen und provozierte nicht – und ließ sich auch nicht provozieren. Später sollte das anders werden. Die Demo vermischte sich mit den bereits wartenden TeilnehmerInnen einer Gegenkundgebung, die PDS-Politikerin Cornelia Reinauer dazu nutzte, ein bisschen Wahlkampf zu machen (zum Beispiel ein dickes Konterfei am Lautsprecherwagen). Auf der anderen Seite einer dichten, mehrfachen Bullenkette und hinter den Absperrgittern sammelten sich zu dem Zeitpunkt in Sicht- und Rufweite die Nazis.

Gegen kurz nach elf Uhr war es ein wirklich jämmerlicher Haufen von maximal 50, überwiegend im Autonomen-Chic gekleideter Nazis die sich die Zeit damit vertrieben, die Antifas und die Presse zu fotografieren. Nach und nach wurden es ein paar mehr, irgendwann kam auch Christian Worch mit seinem Auto, das als Lauti fungieren sollte – er stand im Stau, wie er erklärte, und hatte sich dann zunächst auf der falschen Seite der Absperrung wieder gefunden, bei den Antifas. Während des Aufbaus der Lautsprecheranlage versuchte ein RBB-Journalist von Worch zu erfahren, was er denn davon denke, dass auf der anderen Seite doch „zehnmal mehr“ Leute stünden als hier. Die Zahl der Linken mag da zwar etwas großzügig geschätzt gewesen sein, Worch empfahl dem Reporter daher nur eine Brille und brach das Gespräch ab. Etwas dünnhäutig geworden, der Worch. Offenbar kochte er innerlich, dass er wegen so einer Winze-Demo angereist war.

Erstes Highlight war dann ein Redebeitrag eines „Daniel aus Celle“, dessen Inhalt ich wirklich komplett vergessen habe, der mir aber dennoch lange in Erinnerung bleiben wird. Denn zunächst entschuldigte sich „Daniel“, dass er kein freier Redner sei, dann gelang es ihm aber, seine Rede fast fehlerlos vorzulesen, obwohl seine Hände so dermaßen zitterten, dass er eigentlich fünf Zentimeter große Buchstaben benutzt haben muss, sonst hätte die Schrift eigentlich angesichts der Bewegung ins unleserliche verschwimmen müssen. Begleitet wurde die „Rede“ von lautstarkem Protest der Antifa

Die Demo zog dann los, mit ungefähr fünf Transparenten, zwei falsch herum aufgehängten USA- sowie einer Palästinenserfahne. Am Anfang wurden noch Parolen gerufen, etwa „USA, internationale Völkermordzentrale“, aber die Luft war schnell raus. Die Strecke führte die Landsberger Alle immer nach Osten, raus Richtung Lichtenberg und Marzahn – und nicht wie von den Nazis ursprünglich geplant rein nach Friedrichshain. Zudem gab es nur auf dem vielleicht ersten Kilometer der Strecke Anwohner, die etwas von dem Aufzug mitbekommen konnten, danach erstrecken sich links und rechts der sehr, sehr breiten Straße nur noch Gewerbehöfe, Baumärkte etc., die in dieser Gegend aber am Samstagvormittag tatsächlich geschlossen hatten. Dazu kam, dass die Demo von allen Seiten von Polizei abgeschirmt war, zeitweise sogar von den Polizeifahrzeugen, so dass Außenstehende wirklich nichts mitbekommen konnten, selbst wenn sie gewollt hätten.

Der Antifa-Protest bestand vor allem aus kleineren und größeren Gruppen, die immer wieder die abzweigenden Straßen besetzten und so verhinderten, dass die Nazis ihre ursprüngliche Route laufen konnten. Eine Blockade der Landsberger Allee selbst war aber angesichts der Zahlenverhältnisse und der Breite der Straße – für Nicht-Berliner: das sind zeitweise drei Fahrspuren pro Seite, getrennt durch einen Grünstreifen, sowie eine danebenliegende Straßenbahn-Trasse plus Bürgersteige - nicht möglich. Alle, auch symbolischen Versuche, wurden von der Polizei sofort unterbunden – und zwar mit völlig überflüssiger Härte. Da wurde von einer klaren zahlenmäßigen Übermacht der Polizei getreten, geschubst, geschlagen. Einer Gruppe von Fahrradfahren wurde wiederholt angedroht „weg hier, schneller, sonst lass ich euch die Luft raus“. Die Antifas wurden dann immer wieder in Seitenstraßen abgedrängt. Kleineren Gruppen gelang es jedoch auch immer wieder in Sicht- und Hörweite an die Nazis heranzukommen. Zwei Leute mit einer Israel-Fahne liefen praktisch die ganze Zeit vor der Polizeikette her, ganz offensichtlich deshalb weil die Polizei sich nicht dabei beobachten lassen wollte, wie sie mit ähnlicher Härte wie gegen andere Transpi-Träger gegen dieses jüdische Symbol vorgeht.

Die Nazis zogen derweil unbeobachtet von der Öffentlichkeit die Straße entlang und litten dabei unter ihrer offensichtlich schlechten Vorbereitung. Sie hatten nämlich offenbar nur ein Tape dabei und mussten deshalb alle Lieder immer und immer wieder hören. So unter anderem „Ton Steine Scherben – Allein machen sie dich ein“ und Ernst Busch.

Absoluter Höhepunkt war dann eine „Zwischenkundgebung“ abseits jeder Bevölkerung im Polizeikessel an der Ecke Landsberger Allee / Rhinstraße. Dort sprach zunächst Axel Reitz – und verlegte gleich zu Beginn seiner Göbbels-Imitationsrede (sachlich anfangen und dann immer mehr in einen hysterischen Tonfall abgleiten, war 1933 vielleicht beeindrucken, heute ein Fall für’s Kabarett) den Beginn des 2. Weltkriegs auf „heute fast genau vor 60 Jahren“. Nur war da der Krieg schon lange vorbei. Und dann kam Christian Worch und begann seinen Beitrag damit, dass er „klammheimlich“ Schadenfreude angesichts der Bilder aus New Orleans empfinden würde, das jetzt so aussehe wie manche Städte im Irak. Da wurde es Totenstill – offenbar wird die Freude, die Worch da empfindet, wenn Menschen absaufen, selbst von den tumbsten Nazis nicht geteilt. Worch empfahl dann noch den USA, erstmal ihr Land in Ordnung zu bringen, bevor sie Frieden auf der Welt schaffen wollen – dann ging’s auch schon wieder weiter Richtung endgültigem S-Bahn-Endbahnhof. Dort, nach mindestens sieben Kilometern Fußmarsch angekommen, löste Worch die Demo ungewohnt kurz angebunden auf.

Die Polizei eskortierte die Nazis dann in die S-Bahn, während die Antifa warten musste und zeitweise von völlig desorientierten Bullen sogar daran gehindert wurde, Straßenbahnen in die Gegenrichtung zu besteigen um wieder in die Innenstadt zu gelangen. Nach lang genugem „Warum?“-fragen gaben sie dann aber sogar entnervt auf.

Fin

Epilog:
Angesichts des total irrsinnigen Polizeiaufgebots für knapp 100 Nazis und maximal 1000 Antifas – so kreiste den ganzen Tag ununterbrochen ein Hubschrauber über der Stadt, die Polizei hatte mehrere Hundertschaften inklusive einer Hundestaffel und Wasserwerfern, Räumpanzern etc. angekarrt – sollten die PolitikerInnen in Berlin beim nächsten Wehklagen der Polizeigewerkschaft, man habe kein Geld und so viele Überstunden, nur gelangweilt abwinken. So lange die Polizeiführung solche Einsätze fährt, sollte sie erstmal am eigenen Einsatzkonzept feilen – und nicht um Hilfe rufen.
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Ergänzungen

Lächerlicher Nazihaufen

[pp] 04.09.2005 - 19:27
Guter Bericht, der auch meine Erlebnisse an diesem Tag widerspiegelt. Die Bullen hatten zeitweise sogar zwei Helikopter im Einsatz. Irgendwo in einem Nachrichtenticker hab ich gelesen, dass 1500 Bullen im Einsatz waren. Die Bullen haben teilweise sehr aggressiv reagiert, aber manchmal auch etwas desorientiert. Versuche, von der Seite an die Demo ranzukommen oder im Umfeld der Demo die Strassen zu blockieren wurde brutal unterbunden. Bei dieser Anzahl von hirnlosen Befehlsempfängern war es den GegendemonstrantInnen fast unmöglich, eine Blockade der wenigen Nazihanseln erfolgreich hinzukriegen. Vielleicht sollten wir uns überlegen, ob es in so einem Falle nicht eine bessere Alternative gibt. Lieber wo anders erfolgreich aktiv werden, als sich mit der riesigen Bullenarmada herumärgern. Könnte uns einiges an Frust ersparen...
Viele solidarische Grüsse an die Leute, die abends dann noch in Kreuzberg ein Haus besetzt hatten und dann in der Nacht leider von einem Bullengrossaufgebot (6 Hundertschaften) geräumt wurden. Der Kampf geht weiter!

blockaden

my name 05.09.2005 - 00:57
es hat mich aber persönlich gewundert, dass die blockade an der landsberger/weißenseer weg nicht geräumt wurde, obwohl die bullen es sicherlich hinbekommen hätten. so konnten die nazis auch nicht das etwa 2*2 meter große hakenkreuz "bewundern", das irgendein volldepp dort auf die straße gesprüht hat.
ansonsten überall bullen; auf der straße am tierpark (ca. 1,5 km weg von der naziroute) standen zwei wawe und ein räumpanzer. und dass die nazis bis zum s-poelchaustraße (marzahn) gelaufen sind, muss sie doch sehr gefrustet haben, weil sie auf dieser öden strecke wirklich NIEMANDEN aus der bevölkerung erreichen konnten.

weitere postings zur Nazi "Friedensdemo"

egal 05.09.2005 - 02:48
Naziaufmarsch in Berlin
 http://de.indymedia.org/2005/09/126862.shtml

Berlin: Erneut Nazidemo
 http://de.indymedia.org/2005/09/126830.shtml

Berliner NaziaufmÄRSCHE
 http://de.indymedia.org/2005/09/126791.shtml

SPONTIDEMO VON NEONAZIS DURCH LICHTENBERG
 http://de.indymedia.org/2005/09/126701.shtml

NPD Aufmarsch Berlin
 http://de.indymedia.org/2005/09/126674.shtml

polizeiliche geldverschwendung

bürger 05.09.2005 - 12:27
angesichts des materiell und personell völlig überzogenen polizeieinsatzes sollten sich die verantwortlichen politiker überlegen, auf welche art da steuergelder von der polizeiführung durch strategische inkompetenz verschwendet werden. ich hab ja sogar verständniss dafür, wenn ein polizeipräsident um jeden preis sein budged ausreizen muss, aber so ein kasperle-theater wie letzten samstag ist ein witz. kann man diese polizei-beamten nicht für sinnvolle arbeiten heranziehen? strassenkehren? unkraut im park jähten? oder sind sie dafür unterqualifiziert, unsere berufsschläger?

NPD-Stand in Lichtenberg

Dagewesener 07.09.2005 - 10:28
Nach der Nazidemo bin ich noch zum S-Bhf Lichtenberg weil dort ein Stand der NPD sein sollte. Dort warteten bereits etwa 12 Antifas und ca 20 gepanzerte Polizisten. Hier mal nicht Bullen- weil mein Dank an die Beamten vor Ort geht. Die guckten aus 3 Meter Entfernung zu wie unser eins den NPD-Stand zerpflückte. Sogar als die NPDclowns, drei Hansels die echt nicht weiter wussten, die Polizei direkt aufforderte mal einzuschreiten wimmelten diese die nur stur ab. Inzwischen flogen alle Flugblätter in etwas kleineren Stücken durch die Gegend und die Aufkleber und anderer Schnullerfacks wie Kugelschreiber, Streichhölzer etc. war bereits entfernt worden. Nach dem die Fahne verschwunden war machten wir uns vom Acker ohne dass auch nur einer von Polizei angesprochen wurde. zurück blieben ein leerer tisch mit schirm und drei heulenden npdlern.

würde übrigens super finden wenn hier mal nen foto davon ergänzt wird!

Ansonsten klasse Vorstellung!
NPD zerschlagen!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Ein Foto ...

von Samstag. 3.9. 05.09.2005 - 00:02
etwas makaber der alberne Wahlspruch, in einer Situation in der die Bullen, die ganz hinten irgendwo rumschlürfenden Nazitrottel (die garantiert nicht sozial sind) "sichern"; links oben, ein Hubschrabschrab und darunter ein paar Leute, die vor den Bullen und Nazis eine Israelfahne halten.

Wer Gerechtigkeit will muss antifaschisch handeln...
(und dafür ist die SPDCDULINKSGRÜNROT-Partei mit ihren Aktionen gegen @ntifas nicht gerade bekannt)
kommt zur Gala wo aktive antifas mit cocktails belohnt werden
->  http://www.antifa.de

@ egal

bürger 05.09.2005 - 13:54
und dein hirnloses und sinnloses den-nazis-hinterherlaufen soll mich beeindrucken? bist du mitglied in einem nazi-fan-club? sind nazis für dich rockstars, oder was? peinlich.

@ egal

naund 05.09.2005 - 13:56
bist du polizeibeamter und hast schon angst, dass du mit deinen neuen tätigkeiten gnadenlos überfordert bist? arme fackel,

@bürger @naund

egal 05.09.2005 - 16:34
ui, das schreibt jemand was anderes und ist gleich selbst ein nazi oder bulle, toll jungs/mädels!!!
ich meinte, das indy der information dient und NICHT irgendeinem proll zum luftablassen.
ich bin alles andere, als das, wofür ihr mich haltet, aber ich schätze mal, bis zu diesem satz seit ihr beim lesen schon gar nicht mehr gekommen, na dann müllt indy mal weiter voll!