Genocid in New Orleans

schwarze feder 03.09.2005 23:24 Themen: Antirassismus Weltweit
ich habe einen text aus der usa übersetzt, der von einer frau geschrieben wurde, die damals vom erdbeben in l.a. betroffen war und die nun vom "klassistischen und rassistischen genocid" spricht. der text ist leider sehr schlecht übersetzt, weil mein englisch nicht so gut ist, aber ich denke, es wird deutlich, um was es geht...
 http://houston.indymedia.org/news/2005/09/42768.php


Genozid in New Orleans
Von Kirsten Anderberg, Fryday, Sep.02, 2005 at 6:22 AM (USA)

Ich hatte ernsthaft gehofft, dass ich diesen Artikel nicht schreiben müsste. Aber es dauert nun schon zu lange und ich habe etwas zu sagen. Ungeachtet des Wetters sind die vielen armen schwarzen Leuten aufgrund von Versäumnissen oder Boshaftigkeiten gestorben, das Resultat ist ein Genozid von armen Schwarzen in Amerika, jetzt, in 2005. Der Mangel an Hilfe für New Orleans zu dieser späten Stunde (19.00 Uhr, 1. September, Ortszeit) ist nicht erklärbar. Ich habe nur eine Erklärung die ich anbieten kann. Und diese Erklärung ist Klassismus und Rassismus.

Die Realität ist, dass diese Flüchtlinge in New Orleans alle arm sind. Das zeigt dir, wie die Regierung sich gekümmert hat VOR der Katastrophe. Wieso erwartest du, dass die Regierung plötzlich, jetzt, die Gruppe vorrangig behandelt, wo es sie vorher nicht interessiert hat, wo es vorher die Politik bestimmt war von einer inadäquaten Gesundheitsversorgung, von einem inadäquaten und teurem Wohnungsbau, etc.? So ist es kein Schock, denke ich, dass die amerikanische Regierung anscheinend arme schwarze AmerikanerInnen sterben lässt aus keinem offensichtlichen Grund, wie die Abendnachrichten berichten. Sie kümmern sich nicht um die Gesundheit dieser Leute, ich denke, das gehört zu ihrer Denkweise.

Schau, New Orleans ist nicht auf dem Mars. Ich kann nicht erklären, wieso Flugzeugträger, wie wir dies gesehen haben während der Evakuation in Süd-Vietnam im Vietnamkrieg, nicht in New Orleans landen und die Leute rausfliegen. Sind die alle im Irak oder was? Ich kann auch nicht erklären, weshalb sie nicht – und das wäre das mindeste – Essen und Wasser für die Leute eingeflogen haben, wie sie es taten in Afghanistan nach 9/11. Diese Leute sind wirklich am STERBEN weil Amerika dies nicht tut! Ich kann ebenso nicht erklären, weshalb sie das New Orleans Gefängnis erst NACH der Katastrophe evakuierten. Die vielen, vielen Wege, mit denen die amerikanische Regierung nun die Leben der armen schwarzen AmerikanerInnen gefährdet hat während der Katrina-Katastrophe, hat mich als jemand, die auch zu den Armen zählt, ernsthaft zu Tode erschrocken. Ich fühle sehr sicher, dass, wenn die weißen Mittelklasse-Leute unter denselben Bedingungen wie in New Orleans feststeckten, wäre die Unterstützung schon vor Tagen da gewesen. Dies riecht für mich nach Rassismus aus Gründen, wie damals, als die Cops L.A. brennen ließen in den Rodney King Riots.

New Orleans ist gerade mal einen Tag entfernt von der Westküste. Ich kann nicht erklären warum es Tage braucht, um diesen sterbenden Leuten in New Orleans jetzt zu helfen. Aber ich erinnere mich als ich im Northridge Erdbeben in 1994 war, dass dort alle weißen Mittelklasse-Leute all das Wasser was sie benötigten von der National-Garde bekamen. Nur ein paar Meilen im Süden, in den Hispanic Communities, standen die Leute in der Sonne in Schlangen für Stunden, nur um 5 Gallonen Wasser zu bekommen. Mein Sohn und ich fuhren vom San Fernando Valley zum Santa Clariat Valley 1994 nach dem das Erdbeben unser Apartment zerstörte. Wir haben gesehen, dass sich die Leute in Schlangen um Wasser anstellten, welche sich um Häuserblocks zogen, lange Schlangen an den High Schools und in den Parks, wo die Lastwagen der National-Garde Wasser ausgaben, für jeden nur 5 Gallonen Wasser. Als wir Santa Clarita erreichten, waren dort überall (at every I-5 off ramp) Kisten mit Wasserflaschen, welches von der Militärpolizei, die dort auf die vorbeifahrenden Mittelklassen-Familien wartete, verschenkt wurden. Als ich das Rote Kreuz in Santa Clarita erreichte, fragte sie mich ebenfalls, ob sie mir Wasser anbieten konnten und luden ein paar Kisten Evian-Wasser in meinen Kofferraum! Sie hatten einen Überschuss an Wasser. Ich bat sowohl das Militär als auch das Rote Kreuz doch bitte das Wasser einzuladen und über den Hügel zu fahren, wo das Wasser dringend benötigt wird. Und sie weigerten sich. Vielleicht ist diese Geschichte ein Mikrokosmos von dem, was jetzt in New Orleans abgeht. Niemand möchte mit Vorräten über den Hügel fahren?

Ich habe im Fernsehen geisteskranke Polizisten gesehen, welche Maschinenpistolen auf Mütter richteten, die Klamotten aus Geschäften getragen hatten. Ich sah, wie die Cops mit Maschinenpistolen im Anschlag die Mütter zwangen, die Klamotten fallen zulassen sie ließen die Sachen fallen und diese schwammen weg. Reine autoritäre Verschwendung. Nazitum in Reinform! Ich sah Polizisten, die sich selber erlaubten, Essen aus den Geschäften zu holen, aber die Leute darin hinderten, sich auch diesen Luxus zu gönnen. Sie nannten verzweifelte arme Schwarze Essen- und Wasser-Plünderer, während die Cops das selbe taten und NICHT Plünderer genannt wurden. Ich kann mir vorstellen, einige Cops würden sterben, wenn sie versuchen würden sich so zu verhalten. Ich sehe Amerika in einer schweren Krise in New Orleans, wo die Flüchtlinge beschuldigt werden, selbst an ihrer verzweifelten Situation schuld zu sein. Es ist wie im Mittleren Osten, wo es auch sicherer wäre, wenn dort die Leute von der amerikanischen Regierung ernährt würden, statt patrolliert und mit Gewehren bedroht zu werden, während sie hungern.

Die rassistischen Cops von L.A. nutzten die Rodney King Riots um die unheimliche rassistische Theorie zu rechtfertigen, dass Schwarze gewalttätig seien und zu Krawallen neigten. Aber das ist Blödsinn. Der Film Trading Places mit Eddy Murphie und Dan Akroyd ist ein schöner Film über die Vorstellung, wie jemand verzweifelt und dann Krimineller genannt wird. Eine Freundin reinigte Pools in Beverly Hills während der Rodney King Riots und sie sagte, dort stand in jedem Block ein Polizeiwagen. Aber als sie in die ärmeren Viertel kam, waren die Cops nirgendwo zu sehen. Mit meinen Katastrophen-Erfahrungen denke ich, dass die Klassen/Kasten-Separation bei der Katastrophenhilfe in Amerika offensichtlich und dominant ist.

Ich sagte meinem 21jährigen Sohn, der gerade jetzt am Fernsehen den Genocid an amerikanischen Menschen mitverfolgt, was dies mit mir macht. Ich habe KEIN logisches Argument gehört, wie um Himmels willen Menschen in New Orleans stranden konnten. Dies ist nicht der Mars. Es ist lächerlich. Und es ist offensichtlich geworden, dass die verzögerte Hilfe in New Orleans bedingt ist durch Klassismus und Rassismus, es sei denn, die amerikanische Regierung könnte irgendeine logische Erklärung liefern, aber ich habe bisher noch keine gehört. New Orleans ist eine Szenerie des Genozids an Amerikas arme Schwarze, und ich kann nicht verstehen, wieso AmerikanerInnen nun ruhig vor dem Fernseher sitzen können. Ich könnte verrückt werden. Ich habe nie GWBush mehr gehasst als heute und ich habe nie ein besseres lebendiges Beispiel für den existierenden Klassismus und Rassismus in Amerika gesehen. Das kanadische Fernsehen berichtete, dass das kanadische Angebot Flugzeuge voller Lebensmittel, Wasser und Vorräte für die New Orleans Flüchtlinge zurückgewiesen wurde! Noch mal, ich wünschte ich hätte diesen Artikel nicht schreiben müssen. Und ich hoffe, meine Schlussfolgerungen sind falsch.
Aber noch mal, ich habe Tage gewartet auf eine logische Antwort der U.S. Regierung und ich denke, solche Antworten werden nicht kommen!
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Ergänzungen

re: Genozid

Jamal 04.09.2005 - 02:03
Man KANN es durchaus auf seine Weise als Genozid bezeichnen. Wenn ich Bilder von der Katastrophe sehe, sind dort 90% Schwarze. Und es spricht VIELES dafür, dass im Katastrophenmanagment einige Nachlässigkeiten begangen wurden bzw. dass die Verantwortlichen ANDERS gehandelt, wenn eine andere Region betroffen wäre:
- Warum waren die Dämme nicht gesichert?
- Warum sind 90% der Leute, die man im Superdome sieht schwarz?
- Warum hat man dort erst nach 5 Tage den ersten Hilfskonvoi hingeschickt?
- Warum behaupten Experten, man habe die Lage nicht ernst genommen?
- Warum sind die Einkommen in den USA so ungleich verteilt?

Das liegt - auch - an dem unterschwelligen Rassismus, der immer noch in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft latent vorhanden ist. Auch wenn wir bald vielleicht eine US-Präsidentin afro-amerikanischer Herkunft (-> Condoleeza Rice) haben werden.

Es bringt nichts, Verschwörungstheorien zu konstruieren, aber Fakt ist, DASS es einen strukturellen Rassismus in der US-Gesellschaft gibt und sich dieser bei der Katastrophe auf knallharte Weise manifestiert hat. Beim Verlauf des gegenwärtigen Krisenmanagments haben sich die Behörden zumindest allzu leichfertig einem Rassismus-Vorwurf ausgesetzt.

Und zu dem einen Kollegen (s.u.): es ging nicht um NS-/Hitler-Vergleiche. Und ja, der millionenfache Völkermord an Indianer ist natürlich ein Genozid und Teil der US-Amerikanischen Geschichte. Wir in GerMoney sollten aus unserer Geschichte lernen und gegen Erscheinungen von rassistischem Denken ankämpfen.

Gegen Rassismus!
Gegen Antisemitismus!
Gegen Faschismus!

Re: New Orleans

Jamal 04.09.2005 - 02:08
Ich muss fairerweise hinzufügen: 67.25% der Einwohner von New Orleans sind Afro-Americans (Stand: 2000). Was erklärt, dass die meisten Opfer, die man sieht, schwarzer Hautfarbe sind. Nichtsdestotrotz gab es vermeidbare Fehler im Krisenmanagment und die Hilfe hätte früher kommen MÜSSEN. - Sorry, der Ergänzung wegen.

hm

tagmata 04.09.2005 - 03:15
1) der begriff 'genocide' fällt momentan in den usa, auch und insbesondere unter leuten, die aus nola entkommen sind (entkommen ungleich gerettet - momentan werden vorrangig die leute evakuiert, die sich zum congress center und unter die interstate geflüchtet haben. in den noch überfluteten gebieten wurde heute begonnen, nahrung und wasser anzuliefern).
amis neigen zu solchem jargon, und es ist debatable, so ein wort zu benutzen, aber zunächst mal steht für mich fest, daß die aussagen von vor ort vorrangige gültigkeit haben vor irgendwelchen empfindsamkeiten hier auf der anderen seite der welt.
wems nicht gefällt, es gibt ja immer noch den vergleich mit mogadishu 1992, oder (externer kommentator iirc) port-au-prince 2004. von dem was ich weiß, scheint mogadishu näher dran zu sein.

2) ausländische hilfe wurde heute endlich angefordert. warum erst heute? kanada und mexico um hubschrauber zu bitten - grad kanada hat gute modelle für den job - hätte vor 5 tagen erfolgen müssen, aber bis heute wurden ausländische angebote für materielle hilfe nicht beantwortet oder sogar abgelehnt:  http://americablog.blogspot.com/2005/09/us-refuses-jamaicas-offer-to-help-with.html

3)  http://movies.crooksandliars.com/Anderson-Cooper-Landrieu-Katrina.mov (cnn, 1.9.) ist ziemlich derber stoff. wenn ihr nachher heulen müßt, sagt nicht, ich hätt euch nicht gewarnt; ich konnte den clip nicht zu ende schauen.

4) ca 90% der noch im bereich nola verbliebenen sind schwarze.

5) die analphabetismusrate in nola war gerüchteweise 40% (soviel zum thema flugblätter abwerfen hätte was gebracht).

6) condoleeza rice, zuständig für hilfsanfragen ans ausland, entschied sich donnerstag nachmittag, ihren urlaub in new york doch mal abzubrechen. vorher war sie noch mit monika seles tennis spielen, und sich bei ferragamo n paar schicke schuhe kaufen (preis angeblich us$3000):  http://www.gawker.com/news/condoleezza-rice/breaking-condi-rice-spends-salary-on-shoes-123467.php

7) george w bush erholte sich stattdessen bei ner partie golf von den strapazen seines sightseeingtrips. er ist nunmehr der meinung, die bundesinstitutionen würden ausreichende anstrengungen leisten und posierte für die kameras, 2 menschen umarmend, deren häuser vom hurricane zerstört wurden. irgendein ami der sich die komplette show angeschaut hatte, meinte, als dubya aus dem hubschrauber kam, lächelte er sein übliches lächeln. keine ahnung, ob DAS stimmt.

8) spitzenpolitikerInnen von cdu/csu/fdp sind der meinung, daß kritik am verhalten der us-regierung menschenverachtend sei.

nur kurz

tagmata 04.09.2005 - 03:24
bushs photo op. seht selbst:
 http://www.n-tv.de/images/200509/575263_i_1125760743_858103.jpg

laura bush will nicht zurückstehen:
 http://www.n-tv.de/images/200509/575247_i_1125758596_858153.jpg

er geht da ganz nach der mama:
"But why should we hear about body bags, and deaths, and how many, what day it's gonna happen, and how many this or what do you suppose? Or, I mean, it's, it's not relevant. So why should I waste my beautiful mind on something like that?"
-- Barbara Bush, "Good Morning America," March 18th, 2003

Keine Opferzahlen!

discount body 04.09.2005 - 13:28

Ist schon jemandem aufgefallen, dass nirgendwo in den Medien von niemandem iregendwelche Opferzahlen genannt werden?

Dass es keinerlei Schaetzungen gibt, dass es offenbar rein gar niemanden gibt, keine Demographen, keine Behörden, die da irgendwelche ungefähren Angaben machen könnten?
Daß offenbar nichtmal die findigen Journalisten versuchen, eine plausible Zahl zu ermitteln?
Daß wir über die Opferzahlen bei ERdbeben in der Türkei oder beim Tsunami in Sri Lanka sehr viel früher und besser informiert sind als diesmal?

Und wie kann man sich das erklären?

Zum Verhalten der Behörden

und zum Genozid 04.09.2005 - 17:16
zählen nicht nur die aktuellen Vorgänge. Schaut mal wie detailliert die Katastrophe vorhergesagt wurde und wie genau die Maßnahmen dagegen und zur ersten Hilfe bekannt waren. Artikel in "Spektrum der Wissenschaft" vom Februar diesen Jahres:  http://www.wissenschaft-online.de/spektrum/pdf/frei/FISCHETTI_NewOrl.pdf
Auf die finanziell minderbemittelte schwarze Bevölkerungsmehrheit in dem betroffenen Staat wurde schlicht und einfach geschissen. Da braucht es keinen Golfkrieg, der amerikanische Senat hat eine ganze Latte von Schwachsinn finanziert.

Man muß kein Amerikaner sein, um übelsten Rassismus zu publizieren. Was hier der Spiegel schmiert, ist unter aller Sau:  http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,373039,00.html
Ohnehin nervt es gewaltig, wie der Spiegel genüßlich auf dem Wort Anarchie herumreitet. Was in New Orleans ausbricht, das ist nicht Anarchie, sondern die bürgerliche Gesellschaftsordnung in letzter Konsequenz. Wenn der "aufgeklärte" Bürger in eine solche Situation gerät, dann wird er nicht mehr so handeln, wie er es als Gesetz für die Allgemeinheit auch begründen könnte, sondern umgekehrt. Mit der Ignoranz, mit dem man ihm entgegentritt, wird er alle moralischen Hemmschwellen über Bord werfen - mag er reich oder arm, schwarz oder weiß sein.

In zahlenmäßigen Relationen war die Verwendung des Wortes Genozid vielleicht etwas überzogen. Doch was mag angesichts einer solchen Einstellung noch kommen?

@discount body

tagmata 04.09.2005 - 17:35
Wahrscheinlich damit, daß erst gestern mit der Registrierung der Überlebenden ernsthaft begonnen wurde?

Außerdem gibts ja Zahlen: "hunderte, wahrscheinlich tausende"; insgesamt größenordnungsmäßig irgendwas in der Gegend vom Erdbeben/Flächenbrand in San Francisco 1906, also 3000-6000. Katrina bzw die Folgen davon sind somint eine der beiden Naturkatastrophen in den USA, die die meisten Toten forderte. Genaue Zahlen wirds wohl nicht geben; in Amiland gibts ja keine Meldepflicht in unserem Sinn, und viele der Toten sind nirgendwo registriert gewesen.

Was aber feststeht ist, daß mindestens die Hälfte der Todesfälle, wenn nicht rund 80%, völlig vermeidbar gewesen wären.

Meine persönlicher Helden sind Leute wie dieser Freak, der in den Nachrichten zu sehen war, mit dem Bart und dem schütteren Haupthaar, der auf seinen Wagen dick AID gesprayt hat und jetzt, den Kofferraum voll geplünderter Nahrungsmittel, rumfährt und sie an Bedürftige verteilt. Wenn es genug solcher Leute gibt und sie sich gut koordiniert kriegen, ist Anarchie - richtige Anarchie - möglich (und Anarchie *ist* möglich, zumindest auf lokaler Ebene). Solche Leute gibts in NOLA mittlerweile etliche, und bei denen übt keiner Macht aus, sondern sie entscheiden, was sie tun, auf eigene Faust oder einvernehmlich.

Die Nationalgarde verbietet es Menschen, auf eigene Faust die Stadt zu verlassen: wer es bis zu den Absperrungen schafft, wird mit vorgehaltener M4 zurückgeschickt! Unabhängige Nachrichtenfeeds sind voll entsetzlicher Meldungen über Rotkreuzkonvois, die abgewiesen werden, Busse, von denen keiner weiß wo sie hinfahren... summa summarum ist es so, daß zumindest bis zum 3.9., also 5 Tage lang, die staatlichen und Bundesbehörden komplett überfordert waren, aber andererseits die alleinige Autorität über alle Rettungs- und Hilfsarbeiten für sich behielten, notfalls mit Drohung tödlicher Gewalt, und keine Unterstützung Dritter duldeten. Noch nicht mal die TNI-AD haben sich damals, als es um Zugang zu Banda Aceh ging, so lange so widerlich arrogant gestellt wie momentan die Lamettaträger der LANG und die Paramilitärs des "Heimatschutz"ministeriums...

Ein so abgrundtief beschämendes, geradezu mörderisches Verhalten offizieller Stellen war bei dem Kursk-Desaster zu sehen, aber da gings um ein einziges verschissenes U-Boot; oder vielleicht nach größeren Erdbeben in der PRC in den 70ern. Selbst verarmte Länder wie Sri Lanka oder gar Bangladesh schaffen es, effizientere und kompetentere Hilfe aufzuziehen. Läßt seinen stutzen, inwieweit die USA tatsächlich noch eine Supermacht darstellen oder ob das vielleicht zum Großteil maskirovka ist mittlerweile (grad so wie bei der militärischen Interventionskapazität, die ja momentan definitiv gleich Null ist), oder wem das zu radikal ist, ein Gigant auf den berühmten 'tönernen Füßen'. Und es ist ja nicht so, daß eine solche Entwicklung nicht schon vor 30 Jahren antizipiert wurde von Leuten, die sich das mal mit ein bißchen mehr Weitblick als üblich angeschaut haben. Eins ist klar: jeder Schurkenstaatschef hat hier ne propagandaistische Steilvorlage, und Chavez mal außen vorgelasen (dessen Rhetorik ist mehr n Spielchen, weil die Leute drauf stehen, wenn er seine Cojones zeigt), denk ich mal, der erste, der Bush sein unglaubliches Versagen so richtig unter die Nase reiben wird, wird Ahmadinejad sein, der sich jetzt wahrscheinlich vor Lachen in den Kaftan pißt, während er die Kataloge mit den A-Bombenzündern liest.

Tja, und dann verreckt Dubya auch noch sein oberster Rechtsverdreher Rehnquist... ist schon scheiße, Prez von einem gottvergessenen Land zu sein ;-P

Aber lustig ist das Ganze nicht. Es ist aber wichtig, die Ereignisse genau zu beobachten und versuchen, sie zu begreifen, solange wir die Gelegenheit dazu haben - insbesondere das, was sich in der eingeschlossenen Stadt abspielt. Ist nicht auszuschließen, daß solche Zustände (wenn auch aus anderen Gründen) in näherer Zukunft auch hier mal passieren, und wenn linksanarchistische Kräfte sich dann nicht pronto zusammentun um humanitäre und andere konstruktive Hilfe anzubieten, dann sinds halt auch recht schnell irgendwelche Gangsta und Faschos, denen die Straße gehört. Der Punkt ist, Katrina hat gezeigt, daß mensch sich nicht flüchten sollte in wie "das hier ist n reiches Land, so was wird bei uns nicht passieren" - die Zeiten sind vorbei, das war im letzten Jahrhundert.

Ach ja, Ölreserven: die *Hälfte* des Weltnotfallöls wird jetzt vertickt. Und weils bei der ganzen Übung darum geht, Öl/Benzinpreis am Explodieren zu hindern, wird das mit dem Auffüllen der Reserven eine verdammt lange Zeit in Anspruch nehmen. Ein magic bullet haben wir also quasi noch im Magazin, aber wenn im nächsten halben Jahr oder so noch 2 solche Katastrophen abgehen, droht eine globale Energiekrise, und die wird im Schlepptau eine globale Wirtschaftskrise haben, wie es sie noch nie gegeben hat in der Geschichte der Menschheit, jedenfalls in absoluten Dimensionen; in relativen ist vielleicht der Fallout des 30jährigen Kriegs vergleichbar, was weiß ich. Zieht euch warm an - kann sein, daß im übernächsten Winter die Heizung kalt bleibt. Ist zwar nicht gar so wahrscheinlich, aber mittlerweile völlig im Bereich des Möglichen. Mit dem Undenkbaren zu *rechnen* ist sicher ein Fehler, aber es schon mal als Möglichkeit *in Betracht zu ziehen* ist leider eher eine weise Entscheidung.

@16:16

tagmata 04.09.2005 - 19:34
Naja, 1) ist es eben auch nicht unwichtig, was die Stinos unter "Anarchie" verstehen, denn an denen entscheidet es sich, ob ein anarchistisches Projekt scheitert oder nicht, und im Gegensatz zu Kommunismus/Sozialismus müssen sie in einem anarchistischen Ansatz schon aus freien Stücken, aus eigener Überzeugung mitmachen. Klar ist die undifferentierte Verwendung des A-Worts in den Medien beklagenswert, aber so ist es nun mal momentan. Und wenn sich das ändern soll, ist es in vielen Situationen sicher nicht von Vorteil, "Anarchie" auf seine Fahnen zu schreiben oder sich "anarchistisches" irgendwas zu nennen, da das unnötige Vorbehalte schafft - sondern einfach fürs erste anarchistisch vorzugehen und zu *sein*. Wenn das den Leuten gefällt, und sie sich der Sache anschließen, kann man ihnen immer noch irgendwann an nem ruhigen Abend am Lagerfeuer erklären, daß das, was ihnen grad den Arsch und die Menschenwürde rettet, Anarchie ist, und zwar echte.

Das hier ist REALITÄT, und die schert sich einen feuchten Mississippischlick um etymologische Haarspaltereien!

Und 2) ist eben der springende Punkt, und das kann nicht oft genug wiederholt werden: gerade so, wie in einem sozialistischen Ansatz ein enormes und nicht einfach einzudämmendes Potential für staatistische Parteityrannei liegt, liegt in einem anarchistischen Ansatz ein enormes Potential für ein Abkippen in genau solche Zustände, wie sie in unzähligen Artikeln und Blogs momentan beschrieben werden. Eine anarchistische Theorie, die dieses Problem nicht eingehend addressiert, ist es nicht wert, gelesen zu werden - es sei denn als linksradikaler Unterhaltungsroman ohne praktische Bedeutung (im Gegensatz zu kommunistischen Schriften sind anarchistische wenigstens noch oft unterhaltsam geschrieben). Wer in seinem Ansatz auf solche Theorien fußt, öffnet Zuständen wie in NOLA alle Türen, das kann nicht klar genug gesagt werden!

Übersetzung

clonzombie 04.09.2005 - 21:16
Ich tippe mal die Bezeichnung "military aircraft carrier"(im original) soll "Transportflugzeug" und nicht "Flugzeugträger" bedeuten.

@Tagmata (zum 2:15 Beitrag,Punkt 2): Hab gestern morgen auf "Deutschlandradio" ein THW-Intereview gehört,das THW hätten die Amis auch schon haben können

 http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/414456/

Vielleicht wird sowas abgelehnt,weil es als Zeichen der Schwäche gelten könnte?
danach kam ein Interview mit einer Organisation(aus D),die in den U.S.A. z.B. Kleidung für die Betroffenen kauft-diese Hilfe wurde angenommen.

zitat

ohne worte 04.09.2005 - 23:48
"It's a poor city. And those who were trapped and not able to evacuate were among the poorest. While some of the looters went after guns and electronic equipment, a good number were taking food, water, ice and diapers.

The longer they were stranded without food, water and electricity in the 90 degree-plus heat, the more desperate their faces. The description of the Superdome, where thousands were being sheltered, sounded like levels of hell, with dead bodies and floors slick from feces and urine. The water still running through the streets was contaminated from the rotting corpses that public health officials couldn't collect."

Source: Oakland Tribune

Da kommt einiges zusammen

carla c. 05.09.2005 - 14:22
Während also für einen sinnlosen Krieg mit ~150000 Toten der Katastrophenschutz weggestrichen wurde, und waffengeile weiße Rednecks im Auftrag der Regierung Hilfstransporte zur hauptsächlich schwarzen Bevölkerung blockieren, während die Regierung gleichzeitig Leichen verbrennen läßt, um die Opferzahlen zu drücken, witzelt ein debiler Bush ein paar Tage verspätet vor der Kamera rum, während die Nationalgarde vor lauter „Aufstandsbekämpfung“ im Irak leider (?) keine Manpower zur „Aufstandsbekämpfung“ in New Orleans hat…

Das müßte dem Deppen doch um die Ohren fliegen? Aber Enron, Diebold, Florida, 9/11, Irak, Halliburton, Downingstreet Memos, etc. etc. etc. hat er ja auch ausgesessen.

Was so alles im braunen Wasser nach oben schwimmt:

"With half of the Netherlands' population below sea level, the Dutch prepared for a "perfect storm" soon after floods in 1953 killed 2,000. "I don't want to sound overly critical, but it's hard to imagine that the damage caused by Katrina could happen in a Western country," said Ted Sluijter, spokesman for the park where the nation's massive hydraulic seawalls are exhibited."
Quelle
 http://www.cnn.com/2005/WEATHER/09/02/katrina.world/

Erinnert etwas an die spekulationsbedingten black-outs und "Energiekrisen", die auch allesamt eher an sehr arme Regionen denn an eine "Hypermacht" erinnerten.

"Although a government exercise last year predicted the course of the disaster, Mr Bush drastically cut back spending on city defences. Work on strengthening vital levees needed to keep out flood water stopped for the first time in 37 years."
Quelle
 http://news.independent.co.uk/world/americas/article310186.ece

Während an der Grenze zu Mexiko und in Palestina amerikanische Steuergelder für Mauern gegen Menschen verpulvert werden, ist also für Mauern gegen das Wasser kein Geld da (Sachzwänge...). Dazu paßt dann sowohl die globale als auch die lokale Zerstörung der Natur durch die Bush-Junta, wobei beides diese Katastrophe gefördert hat.

“Aid coming in slow...”
Das Mantra, das einen Fragen macht, ob sich New Orleans nun im Pazifik oder am Südpol befindet.


Knallhart:

egal 05.09.2005 - 14:26
 http://www.sueddeutsche.de/,tt3m2/panorama/artikel/936/59877/

Alleingelassen im Gefängnis Stadt. "Dies war eine der am wenigsten natürlichen Naturkatastrophen, die es je gab": Der Historiker und Soziologe Mike Davis spricht im SZ-Interview über Ursachen und Folgen der Flutkatastrophe in New Orleans.

die stadt ist militärisch abgeriegelt

schwarze feder 05.09.2005 - 16:52
@ egal
das interview ist echt krass. wenn mike davis recht hat, dann ist das ganze eine riesige stadtsanierung und es erklärt auch, weshalb die leute nach houston umgesiedelt werden und nicht ins umland von new orleans, wo nach auskunft eines ehemaligen black panther ( http://neworleans.indymedia.org/news/2005/09/4209.php) genug parks und schulen für 40.000 leute sind.

indymedia neworleans ist voll mit berichten von leuten, die helfen wollen und nicht in die stadt gelassen werden.
 http://neworleans.indymedia.org/

http://neworleans.indymedia.org/

ip_ghost 05.09.2005 - 19:41
es gibt eine new orleans indymedia seite, schaut vorbei



 http://neworleans.indymedia.org/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 10 Kommentare an

Genozid??? — Stephan

an die deppn — ich

Genocid — (muss ausgefüllt werden)

@mudhoney — tagmata

naja — ...

Was ist "NOLA"? — asdf

Nola — @ asdf