Stellungnahme zum Golfküsten-Desaster

FAUista 03.09.2005 13:28 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe Weltweit
Stellungnahme von AnarchistInnen aus dem Süden der USA zum Golfküsten-Desaster

Wir dokumentieren nachfolgend einen Aufruf des anarchistischen Capital Terminus Collective aus Atlanta, Georgia, in dem dieses Stellung nimmt zu den Folgen der aktuellen Katastrophe in und um New Orleans.
Wir dokumentieren nachfolgend einen Aufruf des anarchistischen Capital Terminus Collective aus Atlanta, Georgia, in dem dieses Stellung nimmt zu den Folgen der aktuellen Katastrophe in und um New Orleans. Einer Katastrophe, für die der Hurrikan Katrina lediglich die Vorlage lieferte, das eigentliche Desaster erleben die betroffenen Unterklassen als Folge des kapitalistischen Krisenmanagements. Die GenossInnen aus Atlanta beschreiben jedoch auch, dass es nicht nur staatliche Desorganisation gibt, sondern zum Glück auch eine enorme Welle gegenseitiger Hilfe aus der Gesellschaft.

Während überall Menschen ihre Herzen und Wohnungen öffnen, lässt der Staat hunderttausende wie Ratten ersaufen.

20.000 Menschen wurden im Convention Center von New Orleans im Stich gelassen ohne Hilfsmittel und Aussicht auf Verbesserung. Mittlerweile hindern gepanzerte Nationalgardisten mit tragharen Maschinengewehren die Menschen daran, sich dort Lebensmittel zu besorgen, wo diese ansonsten verrotten würden und das nennen sie dann "Urbane Kriegsführung". Im Kapitalismus gibt es keine "Natur"-Katastrophen"; schreckliche und unvermeidliche Ereignisse werden durch das hartherzige Handeln der herrschenden Klasse zu Katastrophen gemacht. Nehmen wir als Beispiel die irische Hungersnot im 19. Jahrhundert oder die in Somalia im 20. Jahrhundert, bei denen Lebensmittel in imperialistische Länder wie Großbritannien oder die USA exportiert wurden, statt mit ihnen die verhungernde Bevölkerung zu retten. Oder die letzten Hurrikan-Disaster in Haiti, kurz nachdem die USA die einzige Regierung, der es vielleicht gelungen wäre, Hilfsgüter an die Bevölkerung zu verteilen, gestürzt und durch eine Militärjunta ersetzt hatte. Oder das Tsunami-Disaster, das durch eine jahrelange Politik der Unterentwicklung der Region unter der Fuchtel von IWF und Weltbank noch verschlimmert wurde. Und jetzt die aktuelle Situation an der Golfküste.

Wodurch hat die herrschende Klasse zu dieser Katastrophe beigetragen? Dadurch, dass sie - in voller Kenntniss, dass eine verheerende Hurrikan-Saison bevorsteht - beschlossen hat, die 79 Millionen Dollar, die für die Reparatur des veralteten Deichsystems veranschlagt waren, im Sumpf des Irak-Abenteuers zu verheizen. Desweiteren gab es keinerlei Bemühungen seitens der herrschenden Klasse, irgendwelche ernsthaften Mittel zur Evakuierung von New Orleans und seinem Umland zur Verfügung zu stellen, obwohl sie lange vorher wussten, dass es sich um einen Hurrikan von mindestens der Stufe 4 handeln würde, und dass die Deiche lediglich einem Stufe-3-Hurrikan standhalten können. Reiche Politiker haben jetzt auch noch die Unverfrorenheit, ArbeiterInnen zu beschuldigen, leichtsinniger Weise in der Stadt geblieben zu sein! Wie wir bereits erwähnten, besteht ihre erste Priorität darin, die schwerbewaffnete Nationalgarde zu mobilisieren, die auf Leute schießen soll, die irgendwie versuchen, etwas Essbares aufzutreiben. Anstatt den 20.000 hungernden Menschen im Convention Center und an anderen Stellen der Stadt - die verhungern werden, falls nichts passiert - die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Die Politiker machen mit ihren Lügen weiter, in einem verzweifelten Versuch, ihre Karrieren zu retten. Dabei tritt immer deutlicher zu Tage, dass sie sich nicht um das Leben der Menschen, die sie im Stich gelassen haben, scheren.

Ganz im Gegensatz dazu haben tausende von Menschen ihre Wohnungen in einer bewegenden Geste der Solidarität und des Mitgefühls, den Überlebenden geöffnet. Während der Staat auf seine Fähigkeit verweist, in Notzeiten Hilfe zuteilen zu können, um damit seinen eigene Existenz zu rechtfertigen, hat er wieder einmal demonstriert, wie die kapitalistischen Zwänge die Fähigkeit irgendeine Form von Hilfestellung zur Verfügung zu stellen hemmen oder gar blockieren. Das unglaubliche Ausmaß von gegenseitiger Hilfe auf Seiten der Menschen hingegen, ist ein erneuter Beleg für das anarchistische Argument, dass die Menschen sehr wohl eine staatenlose Gesellschaft schaffen können, die auf der Maxime "jeder nach seinen Fähigkeiten, jede nach ihren Bedürfnissen" basiert. Wir hoffen, diese Gesellschaft eines Tages in der Wirklichkeit zu sehen. Hier und heute erklären wir unsere Solidarität, mit denjenigen, die im Stich gelassen wurden und in der Hoffnung darauf, dass sich uns andere anschließen werden, fordern wir:


Dass die Regierung unverzüglich die notwendigen Mittel, wie z.B. Transportkapazitäten und Schutzräume zur Verfügung stellt, damit die Menschen aus der Stadt evakuiert werden können und dass sie sicherstellt, dass sie angemessen untergebracht werden, bis es ihnen möglich ist, zurückzukehren oder umzuziehen.

Ein sofortiges Ende der Angriffe von Nationalgarde und Polizei auf diejenigen, die nach Lebensmitteln suchen.

Die sofortige Verteilung aller notwendigen Mittel (Wasser, Nahrung, Bekleidung etc.) während des Evakuierungsprozesses.

Den sofortigen Rücktritt / die sofortige Entlassung und Bestrafung aller Entscheidungsträger, die ihrer Verantwortung zur Reperatur der Deichsysteme und der Koordinierung von Evakuierungsmaßnahmen solange diese noch möglich waren, ausgewichen sind. Ebenso derjenigen, die für die Angriffe von Nationalgarde und Polizei auf diejenigen verantwortlich sind, sie lebensnotwendige Dinge "gestohlen" haben.

Keine Strafverfolgung derjenigen, die festgenommen wurden, weil sie Nahrungsmittel oder andere notwendige Dinge "gestohlen" haben.

Ein sofortiges Ende der Preistreiberei bei Öl, von der die ArbeiterInnen überall im Land betroffen sind; notfalls durch eine Preisfestsetzung.

Angemessene Hilfe für all diejenigen Menschen, die ihr Zuhause wieder aufbauen wollen, das sie durch die Fahrlässigkeit kapitalistischer Politiker verloren haben.


Solidarität mit den Opfern des Golfküsten-Desasters! Solidarität mit denjenigen, die Monate nach der Tsunami-Katastrophe immer noch in prekären Bedingungen leben! Solidarität mit allen, die überall auf der Welt ihre Familien verloren haben oder in Flüchtingslagern leben müssen, wegen der Katastrophen, die die herrschende Klasse vergrößert oder die Kriege, die von ihr angezettelt werden!



Das Capital Terminus Collective (Atlanta, Georgia, USA)



Wer diesen Aufruf mit unterzeichnen möchte, sende eine E-Mail an capitalterminus (at) gmail (dot) com. Auf www.anarkismo.net gibt es eine aktualisierte Liste der UnterzeichnerInnen.
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Ergänzungen

Augenzeugenbericht vom Freitag

K.A. 03.09.2005 - 14:03


Auszug: "... I was told that if you boarded a bus bound for Arkansas (for example), even people with family and a place to stay in Baton Rouge would not be allowed to get out of the bus as it passed through Baton Rouge. You had no choice but to go to the shelter in Arkansas. If you had people willing to come to New Orleans to pick you up, they could not come within 17 miles of the camp... "

 http://getyouracton.com/blog/?p=66

Im zweeiten Teil Infos über die soziale Lage, die Kultur und die Politik in New Orleans

Welle der Hilfsbereitschaft

K.A. 03.09.2005 - 14:45

Augenzeugenbericht: Hilfe wird behindert

xxx 03.09.2005 - 17:45
narrow escape from martial law
"But they are letting no one in to help. People outside the city want desperately to come in and rescue their friend s and family members..."
 http://neworleans.indymedia.org/news/2005/09/4048.php

Artikel aus New Orleans

Finderin 03.09.2005 - 19:41
der Artikel von Jordan Flaherty ist auch bei zmag veröffentlicht, wird also bestimmt demnächst übersetzt.

 http://neworleans.indymedia.org/news/2005/09/4043.php

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