Demo gegen Summertime-Verbot in Bad Nauheim

juzler 29.08.2005 03:35 Themen: Freiräume Kultur
Das Summertime-Festival in Bad Nauheim - welches am 27. August auf dem Burgplatz stattfinden sollte - wurde vom Magistrat auf der Grundlage eines Punkverbots verboten. Dennoch war das Jugendzentrum am 27.8. geöffnet und es wurde über die Situation informiert. Abends entwickelte sich eine Spontandemo durch Bad Nauheim, die Kultur-Zensur und Verbote verurteilte.
Am Samstag, den 27. August sollte in Bad Nauheim eigentlich das vom Stadtjugendring veranstaltete Summertime Festival stattfinden. Allerdings wurde das Festival kurzfristig vom Magistrat verboten. Die offizielle Begründung lautete, dass Punkbands auf dem Festival zu erwarten seien, und dies nicht in das Bild der Bad Nauheimer Öffentlichkeit passe.
Es handelt sich also de facto um Kultur-Zensur. Das Verbot muss als politisches Signal verstanden werden, als Signal dass solche Kultur wie vom Jugendzentrum betrieben und beim Summertime Festival geplant in Bad Nauheim - zumindest von den verantwortlichen PolitikerInnen - nicht erwünscht ist.
Zynischerweise veranstaltete der Magistrat am selben Tag die Quellendankfeier in der Trinkkuranlage und im Sprudelhof, was sicher zu der Entscheidung das Summertime zu verbieten beitrug. Hier wird deutlich, worum es Bad Nauheim's PolitikerInnen geht - nicht um gesamtgesellschaftliche Perspektiven und breites kulturelles Angebot sondern um eine klare Trennung zwischen "guter" und "schlechter" Kultur.
Auf der einen Seite das Summertime Festival zu verbieten, um auf der anderen Seite die Quellendankfeier durchzuführen zieht diese Grenze ganz nach dem persönlichen Geschmack der Verantwortlichen, und ist in höchstem Maße skandalös.
Das Jugendzentrum und mit ihm der Trägerverein Stadtjugendring werden erneut als Feindbild des Magistrats an die Wand projiziert und die Arbeit des Juzrat wird pauschal verurteilt.
Während Neonazis in der Wetterau gesellschaftlichen Aufwind erleben, und in Hoch-Weisel ein "nationales Zentrum" entsteht, wird das Jugendzentrum politisch bekämpft, ohne Rücksicht darauf dass es sich hierbei um eine der wenigen, wenn nicht die einzige Institution handelt, die als politisches Gegengewicht gegen solche Tendenzen gesehen werden kann.

Das Summertime-Verbot kann nicht einfach hingenommen werden, vor allem da es hier um mehr als nur das Verbot einer einzigen Veranstaltung geht.
Daher war das Jugendzentrum am 27. August geöffnet und es gab statt Livemusik auf dem Burgplatz zumindest Konservenmusik und DJs sowie warmes (leckeres) Essen im Jugendzentrum. Trotz dem Verbot kamen recht viele Besucher - einige in der Erwartung ein Festival zu besuchen, andere einfach um Solidarität zu bekunden.
Kurzfristig wurde ein Ersatzprogramm auf die Beine gestellt, vor allem unter Berücksichtigung der kurzen Frist seit dem Verbot keine leichte Aufgabe. In der Halle legten DJs HipHop auf, und im Cafe lief Punkrock.
Das Jugendzentrum war den ganzen Tag über geöffnet, und trotz Summertime-Verbot wurde ein unterhaltsames und ereignisreiches Angebot geliefert.

In der Stadt wurden reichlich Flyer zur Information der Bürger über das Summertime Verbot verteilt, und am JuZ hingen zwei Transparente. Das durchaus größere und imposantere mit der Aufschrift "Rathaus Dichtmachen - Bad Nauheim Selbstverwalten" hängt noch immer am Turm der Alten Feuerwache.
Gegen Abend entwickelte sich eine Spontandemonstration für das Jugendzentrum und im Speziellen für das Summertime Festival. Die Demonstration verlief vom Rathaus über die Hauptstraße und Karlstraße Richtung Kurpark, und mit vielfältigen Parolen wurde lautstark deutlich gemacht, dass ein Summertime-Verbot und Bernd Witzel's Politik politisch nicht tragbar sind.
Die Demonstration endete auf der Bühne der Quellendankfeier am Sprudelhof, wo gerade Konrad Dörner von der CDU Bad Nauheim eine Rede hielt. Für kurze Zeit wurde der Politiker unterbrochen und ein Redebeitrag über die politische Bedeutung des Summertime-Verbots wurde vorgelesen. Danach löste sich die Demonstration auf und die Leute trennten sich wieder. Die gesamte Demonstration verlief friedlich, und erfreulicherweise war keine Polizei präsent.
Gemessen an den Umständen war der Tag ein voller Erfolg für Jugendzentrum und Stadtjugendring und man kann wohl sagen, dass das beste daraus gemacht wurde.
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Ergänzungen

Punkverbot?????

verwundert 29.08.2005 - 04:01
Wie bitte? Es gibt ein Punkverbot? Das gabs ja nicht mal in der DDR. Ihr solltet sofort einen Brief an das Bundesverfassungsgericht schreiben und prüfen, inwieweit eine Anzeige gegen die Verwaltung möglich ist. Eine ganze Subkultur vollständig zu verbieten, berührt Grundrechte. Demonstrationen werden da wenig helfen, die werden ignoriert oder kriminalisiert, sind aber für die Öffentlichkeitsarbeit ok. Den juristischen Weg solltet Ihr aber beschreiten. Eingaben ans Bundesverfassungsgericht kann jeder schreiben.

das punkverbot....

sid ramone 29.08.2005 - 10:31
...bezieht sich wohl eher auf punkkonzerte, die die stadtverwaltung in bad nauheim nicht haben will- wegen müll,lärm,urinierender jugendlicher, etc...und da besagtes gebäude vom juz eigentum der stadt ist, können sie das verbot wohl so begründen, den etat für den laden einstellen, die schlösser austauschen, etc...der laden war wegen sowas schon mal rund 1 jahr zu! in bad nauheim sollte sich ein vielfältiger widerstand gegen diese reaktionäre stadtpolitik entwickeln, auch unter einbeziehung anderer gruppen, die durch repressalien betroffen sind wie etwa sprayer, etc...JEDER SCHRITT ZURÜCK IST EIN SCHRITT NACH VORNE FÜR KULTURTERMINATOR WITZEL UND SEINE BANDE IM RATHAUS!

Verbot von Punk Mucke? Nichts neues!

Al Tona 29.08.2005 - 15:01
Erinnert sei an dieser Stelle an die Repression in Hamburg. Dort wurde nicht nur Punk-Live-Musik untersagt, sondern auch 'Punk vom Band' zu spielen.

Mittlerweile haben die Verantwortlichen ihre Rechtsbeugung zugegeben.

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Aus der taz Hamburg Nr. 7724 vom 25.7.2005:

Das falsche Augenmerk

Bezirksamt Altona gibt Fehler zu: Das Auftrittsverbot der Punkgruppe "Left Jab" auf dem Bismarckbad-Fest war verfassungswidrig. Initiative zieht Klage zurück

Das Auftritts-Verbot der Ottenser Punkgruppe "Left Jab" sowie das Abspielverbot von Punkmusik auf dem Altonaer Bismarckbad-Initiativenfest im April war verfassungs- und rechtswidrig. Das gesteht das Bezirksamt Altona ein: "Die Auflage war ermessensfehlerhaft, da sie nicht ausreichend begründet wurde und mildere Mittel möglich gewesen wären," erklärte das Amt jetzt in einem Brief an die Initiative "Unser Bismarckbad bleibt". Veranstalter Robert Jarowoy nimmt die Entschuldigung an: "Wir werden die Klage vorm Verwaltungsgericht zurückziehen."

Zur Erinnerung: Anfang April prägten wieder verstärkt Punks das Straßenbild Ottensens. Sie trafen sich vor allem an Wochenenden zu Gelagen auf dem Alma-Wartenberg-Platz - zum Argwohn der Polizei. Dort herrscht mittlerweile die Philosophie, dass das Erscheinungsbild dieser Subkultur mit dem Charakter eines "eventorientierten und erlebnisoffenen" Stadtteils nicht zu vereinbaren sei. Mehrfach ging die Ordnungsmacht zum Teil mit zweifelhaften und barschen Methoden gegen die Bunthaarigen vor (taz berichtete).

Ein Höhepunkt der Querelen war dann das lang geplante Fest der Initiative "Unser Bismarckbad bleibt". Da die Mitglieder der Punk-Band "Left Jab", die auf dem Bauwagenplatz an der Gaußstraße residiert, als rege Besucher des Bades auch zu den AktivistInnen der Ini gehörten, lag ein Auftritt der Gruppe nahe. Aber als dann im Internet ein Aufruf erschien, dass es "coole Live-Mukke" auf dem Event gäbe, wurde die Polizei in Person des selbst ernannten "Punkexperten" Peter Claussen von der Altonaer Revierwache Mörkenstraße beim Bezirksamt Altona vorstellig und forderte ein Auftritts-Verbot der Gruppe sowie ein Abspielverbot von Punkmusik.

"Das ist eine unzulässige Zensur einer bestimmten Art von Kunst", schimpfte schon damals der Direktor der Forschungsstelle für Kulturverfassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni Hamburg, Ulrich Karpen. Das Bezirksamt gibt den Fehler nun zu. Es habe dem Bezirksamt fern gelegen, "mit der Auflage eine bestimmte Gruppe auszugrenzen", heißt es in dem Brief an die Ini. "Gleichwohl wird bei wegerechtlichen Entscheidungen unsererseits in Zukunft ein besonderes Augenmerk auf die Grundrechte, insbesondere das der freien Meinungsäußerung, gerichtet sein." KAI VON APPEN

Der Punk(t)

Paul Pank 29.08.2005 - 20:46
der Punkt ist wahrscheinlich daß innerhalb der Verwaltungen von Großstädten normalerweise doch ein paar fachlich kompetente Personen zu finden sind, die dann bemüht werden um die Wogen zu glätten, nachdem die "Hardliner" mal wieder Mist gebaut haben.

In der Provinz gibt es dagegen wohl oft nur ein paar Dumpfbacken an der Spitze die genauso hohl sind wie ihre Wähler, das Personal führt deren Anweisungen aus, und denkt nicht drüber nach, und wenn doch hat es nichts zu melden, weil alle stramm stehen vor dem OB.

Was bleibt ?

Anzeigen aber vielleicht nicht gleich vor dem BvffG, da müßte erstmal das Verwaltungsgericht o.ä. bemüht werden. U.u. mittels einer einstweiligen Anordnung /Verfügung oder ähnliches.

Auch eine Bürgerini für den Erhalt der Vielfältigkeit der (Sub)Kultur
könnte Sinn machen, dadurch wird Öffentlichkeitsarbeit möglich, z.B. Straßenfeste organisieren usw.

Punkverbot

schriftlich...? 30.08.2005 - 12:33
Ist in der offiziellen Begründung tatsächlich von einem "Punkverbot" die Rede? Und wenn ja, in welcher Form? Wie kann der Magistrat auf Entscheidungen, die eigentlich das Ordnungsamt trifft, Einfluss nehmen?

Versteht mich nicht falsch: Ich will die Geschichte nicht anzweifeln. Gerade in der letzten Zeit gibt es viel zu viele Aktionen dieserart! Nur werden in den meisten Fällen viel fadenscheinigere Argumente wie Brandschutz oder Sicherheitsbedenken oder auch "Aufrufe zu Straftaten" (sh. Subversiv Berlin) benutzt, um linke Kultur zu unterdrücken.

Wie ist das in diesem Fall gelaufen? Vielleicht kann ja jemand mal die Begründung im Wortlaut posten...

Ordnung gestört«: Rohde will Juz schließen

dAs ich 05.09.2005 - 18:36
Hier die Einleitung zu einem Artikel in der heutigen Wetterauer Zeitung. Hab den Ganzen Artikel leider nicht, wird morgen nachgeliefert!


Bad Nauheim – Nach dem Streit um das vom Magistrat verbotene Summertime Festival und dem Zwischenfall bei der Quellendankfeier zeichnet sich jetzt das Ende des selbst verwalteten Jugendzentrums (Juz) in Bad Nauheim ab. Wie aus einem Schreiben an den Vorsitzenden des Stadtjugendrings, Justin Küblbeck, hervorgeht, hält Bürgermeister Bernd Rohde die Einrichtung in der alten Feuerwache in der jetzigen Form für nicht mehr tragbar. »Die Nutzer des Juz haben die öffentliche Ordnung nachhaltig gestört. Demgemäß ist die Schließung des selbst verwalteten Jugendzentrums unumgänglich«, heißt es in dem Brief Rohdes. Die Entscheidung darüber, ob das Juz ganz geschlossen oder mit einem völlig anderen Konzept weitergeführt wird, hat der Magistrat zu treffen. Küblbeck hat als Antwort einen offenen Brief an den Bürgermeister geschickt, in dem er gegen die Pläne protestiert.


KEIN TAG OHNE JUZ BAD NAUHEIM!!

Begründung...naja

ABC 06.09.2005 - 01:39
der magistrat hat sich wohl bis heute zu keiner offiziellen, schriftlichen begründung hinreissen lassen. wahrscheinlich, weil sie selbst wissen dass das nicht koscher war. die "politische" begründung war indes, dass man schlechte erfahrungen mit Besuchern von Konzerten gemacht habe und deshalb die Anhänger des Punk nicht in der Stadt haben will.

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Distanzierung — Anke Jekel ehrenamtl. Stadträtin