Erlebnisbericht Anti-Repressionsdemo in RE

Unerkannt 27.08.2005 19:08 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Antirepressionsdemo in Recklinghausen verlief weitestgehend problemlos. Ein Nazi-Provo-Zwischenfall. Mäßige Stimmung, zu leise.
Gegen 12 Uhr versammelten sich AntifaschistInnen in Recklinghausen auf dem Busbahnhof, nach einer kurzen Wartezeit unter herrlicher Sonne konnte die Demo dann auch schon loslegen. Ein buntes Volk aus Autonomen, Punks,MLPD, AntiDeutschen, Anti-Imps und anderen, nach eigener Schätzung ca 120 bis 150 Leute, hinter einer Wanne, mit einem Lauti und (meiner Meinung nach) schlechter Pop-Musik zogen am Bahnhof vorbei einmal rund um die Innenstadt herum. Am Bahnhof schon standen ca 4 mit Schalke-Trikots eingekleidete Menschen, die dem Demonstrationsverlauf folgten und ein wenig rumprovozierten. Unbeirrt zog die Demo weiter, bis zum nächsten Vorfall : In einer Seitenstrasse stand ein Mann, relativ normal gekleidet, kurzhaar-schnitt, der fleissig die Demonstration abfilmte. Dabei hielt er sein Gedicht verdeckt, was einigen Antifaschisten eigenartig vorkam. "Gerüchten" zufolge soll er dann auch noch in diesem Moment den Hitlergruss gezeigt haben, sodass eine Menge aus geschätzten 20 Antifaschisten auf ihn zugingen. Er wurde kreuz und quer durch die Strasse gehetzt, 2 mal um ein Auto herum, bis ihm der Weg abgeschnitten wurde. Nach Hilfe durch Team-Green rufend bekam der Provokateur dann einen Schlag gegen den Kopf, woraufhin er zu Boden stürzte und noch ein paar Tritte über sich ergehen lassen musste, ehe ihm 2 Polizisten zu Hilfe kamen. Die Stimmung war bis dahin auf dem Tiefpunkt gewesen, doch die lustige Verfolgungsjagd war sicher für die meisten ein Anlass, fröhlich ein paar Parolen zu singen. Neben "Nazis raus!"-Rufen kamen aus der Spitze der Demonstration, die mit vielen schwarz gekleideten und AntiDeutschen besetzt war, "Nie wieder Deutschland" - Rufe, die vom hinteren Teil etwas genervt mit "Nie wieder Staaten" beantwortet wurde. Dies konnte man während der Demo immer wieder hören, wir verdrehten bei Israel-Flaggen-Aufnähern die Augen, und die AntiDeutschen bei PLO-Tüchern, doch darüber hinaus gab es keine weiteren Anfeindungen. Nach der Zwischenkundgebung, bei der die Polizei ankündigte, diejenigen aus der Demo zu ziehen, die den Nazi geschlagen\getreten hatten, ging es mit etwas besserer, aber immer noch nicht zufriedenstellender Lautstärke weiter. Die Endkundgebung fand, ohne dass ein Polizei-Zugriff erfolgte, in der Innenstadt vor dem Eingang des Löhrhofes statt. Das Verhalten der Polizei war insgesamt zu loben, den gesamten Zug verfolgten nur wenige Cops, der angedrohte Zugriff fand nicht statt, und sie haben keine Fotos gemacht, soweit ich das gesehen habe. Hier nocheinmal ein Redebeitrag :


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Im Zeitraum vom 27.11.2004 bis zum 18.1.2205 wurde Neonazis insgesamt sechs mal erlaubt durch Recklinghausen zu marschieren. Angeführt von einschlägig bekannten Neonazis, vor allem aus dem Dortmunder Raum, wie z.B. Siegfried Borchardt, sowie zugereisten Neonazi-Grössen wie Christian Worch aus Hamburg, durften sie fünfmal in Recklinghausen-Nord und einmal in Recklinghausen-Süd beinahe ungestört aufmarschieren. Diese Aufmärsche waren eine Reaktion auf ein von der Polizei verhindertes RechtsRock-Konzert in Recklinghausen Suderwich im September 2004. Die Recklinghäuser Polizeiführung ließ von Anfang an verlauten, „man habe keine Mittel, gegen diese Aufmärsche“ per Verbot vorzugehen. Auch die Recklinghäuser Politik antwortete auf die neonazistischen Aufmärsche mit verhaltenen Aufrufen, die über ein „Wir wollen keine Neonazis in unserer Stadt“ kaum hinausgingen.

Die CDU-regierte Stadt unter Bürgermeister Wolfgang Pantförder als Oberhaubt hatte ihre eigene Idee, wie mit den lästigen Nazis umzugehen sei: Man solle sie ignorieren und mit Nichtbeachtung strafen, dann würden die Nazis die Aufmärsche schon sein lassen. Das Scheitern dieser Politik zeigt sich in der Tatsache, dass alle sechs angekündigten Aufmärsche stattgefunden haben. Bereits nach dem zweiten Aufmarsch hätte die Stadt ihre Vogel-Strauss-Strategie mangels Wirksamkeit aufgeben müssen. Die Forderung des Herrn Pantförder nach „Toleranz und Zivilcourage“ geriet zur Lächerlickeit. Seine ignorierende Toleranz gegenüber den Nazis wurde deutlich, jedoch wurde die Forderung nach Zivilcourage gegen die Nazis durch seine Aufforderungen zum „Rollädenschließen“ und „Ignorieren“ der Nazis der Lächerlichkeit preisgegeben. Unterstützung für die fehlgeschlagene Strategie fand der Bürgermeister auch nach dem zweiten erfolgreichen Aufmarsch der Nazis. Von der CDU über alle anderen Parteien bis hin zum DGB und kirchlichen Gruppen wurde versucht jeglichen offenen Protest gegen die Aufmärsche zu verhindern oder gar zu denunzieren und zu diffamieren. So ließ der Bürgermeister z. B. Flugblätter an Schulen verteilen, die von der Teilnahme an Gegendemonstrationen und -aktionen abrieten und wies die Schulleiter an, ihren Schülern von einer Teilnahme an Gegenaktionen abzuraten.

Weiterhin wurde in diversen Leserbriefe in den lokalen Zeitungen wurde gegen „linke Chaoten“ und „festgefahrene Ideologen“ gewettert. Allerdings fanden sich immer genügend Menschen die sich nicht dieser Strategie des Wegsehens und Ignorierens anschließens wollten. Bei jedem Aufmarsch kam es zu mehr oder weniger erfolgreichen Gegenaktionen. Provoziert durch den wochenlang anhaltenden Naziterror und stark eingeschränkte BürgerInnenrechte (wie z.B. der eingeschränkenten Bewegungsfreigheit) in Recklinghausen kam es immer wieder zu Ausdrücken des Unmutes und des Widerstandes gegen den tolerierten Rechtsextremismus. Die durchweg friedlichen und gewaltfreien Proteste werden nun im Nachhinein durch den Polizei- und Justizapparat kriminalisiert. Einzelnen an Gegenaktionen beteiligten Menschen soll nun der Prozess gemacht werden. Selbst ausgesprochen friedliche Aktionen wie Sitzblockaden sollen Straftatbestände erfüllen und die Teilnehmer zu Straftätern machen.

Die staatliche Bigotterie, einerseits Zivilcourage zu fordern im Kampf gegen den Rechtsextremismus, andererseits gezielt zu versuchen engagierte Menschen mit herbeihalluzinierten Vorwürfen einzuschüchtern und so ihren Widerstand zu brechen, zeigt sich hier einmal mehr besonders deutlich.

Erinnern wir uns doch einmal knappe drei Monate zurück: Am 8. Mai wollte die NPD unter dem Motto „Schluss mit der Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkultur“ vom Alexander Platz aus durch Berlin marschieren. Auf Gegenveranstaltungen riefen Politiker, darunter Renate Künast (Grüne) sowie zahlreiche Vertreter von NGO´s dazu auf, einen “lockeren Spaziergang” Richtung Alexanderplatz zu unternehmen, um die Demo-Route der NPD zu blockieren. Dies taten dann auch etwa 7500 Menschen und der Neonaziaufmarsch wurde durch eine kräftige Blockade verhindert. Er wurde gegen 16 Uhr abgesagt und die Polizei bedankte sich bei den Gegendemonstranten für ihr friedliches Verhalten. Die Einsatzleitung der Polizei zeigte keine Lust, die genehmigte Route gewaltsam freizumachen. Was in Berlin von den Politikern und der Polizeifüherung, vetreten durch den Berliner Polizeichef Klug, in Nachhinein in höchsten Tönen gelobt wurde, wird in Recklinghausen mit Repression überzogen. Es laufen mehrere Verfahren wegen Blockade- und sonstigen Gegenaktionen. Auch andernorts ist antifaschistisches Engagement offensichtlich nicht gern gesehen. In der letzten Zeit häuften sich Repressionen gegen Antifaschisten in Form von Hausdurchsuchungen, Prozessen und weiteren Kriminalisierungsversuchen. Doch es gibt keine Repressionen gegen Einzelpersonen im antifaschistischen Widerstand - Es gibt nur die Repression der gesamten Bewegung. Angeklagt ist ein Einzelner – gemeint sind wir alle!

Und deshalb wird auch nicht ein einzelner zu Gericht stehen, sondern jedeR der/die sich gegen Rechtsextremismus engangiert. Wir müssen uns alle betroffen fühlen und für unsere Überzeugung einstehen – und sei es nur solidarische Spenden, Teilnahme an dieser Demonstration oder Anwesenheit bei Verhandlungen gegen Antifaschisten.

Wir lassen uns nicht einschüchtern! -
Repression und Kriminalisierung bekämpfen!
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Ansonsten wurden noch viele Fotos von uns gemacht. Ich bitte diejenigen, vielleicht ein paar Impressionen von der Demo hinzuzufügen. Natürlich dran denken, Gesichter unkenntlich machen ;)
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Ergänzungen

kleinere ergänzungen

... 27.08.2005 - 20:00
2 kleinere ergänzungen.

der komische anti-antifa (?) fotograph hat sich wirklich sehr unintelligent angestellt. kleidungstechnisch durchaus unauffällig, aber mit weggestreckten arm, paranoid blickend, eine hand vorm mund filmen und bei ersten bösen blicken losdüsen ist wirklich etwas sehr ungeschickt.
Auf den kopf gehauen bis er umkippte wurde er auch net. Wirklich viel hat er meiner einschätzung nach net abgekriegt, er ist halt über ein paar füße gestolpert, ist ziemlich gerannt und hat evtl n paar blaue flecken abgekriegt und wurde dann panisch von der polizei weggefahren.
nächstemal wäre ne kaputte kamera sinnvoll, aber ich bezweifle eh, dass er viel auf seiner cam hat.

das nie wieder staaten ist übrigens net unbedingt genervt gemeint, nur irgendwie doch etwas progressiver als ein nie wieder deutschland... wie ich finde.

ergänzung

xXx 27.08.2005 - 20:35
ich hatte den zwischenfall so erlebt:
Ich hörte plötzlichm mehre antifas laut aufschreien,schnell war ich dort und sah wie der Fascho in die demo rein rannte und an dan wohl was abgekriegt hat das ging ziemlich schnell.Danach versuchte er an einem Polizeiauto vorbei zu rennen und zu flüchten,dies funktionierte,aber nicht weil ein Polizist ihm den weg abschnitt.Also drehte der Fascho ruckartig um und rannte von der andrern seite um das Polizeiauto.Dort schnitt ihm, aber erneut ein Polizist den weg ab, dieser öffnete schnell die Tür des Wagens und "schubste" den Fascho hinein ins Auto.Die Polizei fuhr direkt los und transportierte den Fascho ab.

nicht alles auf indy diskutieren!

anna und arthur 27.08.2005 - 23:06
es ist nicht besonders sinnvoll, auf öffentlich zugänglichen internet-seiten darüber zu diskutieren, ob - und wenn ja wie - welcher nazi wann und wo von wem was auf die fresse bekommen hat. so etwas sollte, falls gesprächsbedarf besteht, auf einem nachbereitungstreffen besprochen werden. wir müssen den bullen ihre ermittlungsarbeit nicht noch einfacher machen. seid doch ein bißchen vorsichtig!

falls ihr im zusammenhang mit der demo noch bullenstreß bekommen solltet, wendet euch bitte an eure rote-hilfe-ortsgruppe. die können euch helfen.

Fight Back! Kriminalisierung bekämpfen!

junge linke lippstadt 28.08.2005 - 13:50
Am 17.9. findet auch in Lippstadt eine Antifa-Demo gegen Repression statt.

Alle Infos: www.junge-linke.tk

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dies und das — _-_-_-_-_-_-_-_-

der bericht... — ich

dann sag warum — Unerkannt

repression entgegentreten! — paul und paula