Veränderte Plakate: Anti-Wahl Auftakt in GI

anna und arthur wählen widerstand 18.08.2005 18:31
Auch zur Bundestagswahl 2005 ist Giessen geprägt von einer hohen Wahlplakat-Dichte. Insbesondere auf dem Mittelstreifen des Anlagenrings drängen sich traditionell die Propaganda-Aufsteller aller Parteien eng aneinander. All das schafft eine gute Grundlage für Wahlkritikerinnen, die sich offenbar zu phantasievollen Spaziergängen eingeladen fühlen. Nachdem es in den vergangenen Wochen immer wieder zu systematischen, aber wenig vermittelnden „Öfter mal eins runterholen“-Aktionen gekommen war, wurden in der Nacht zum 17. August wieder zahlreiche Wahlplakate aller Parteien mit Überklebern verändert.
Die Veränderungen wurden bisher entlang der Frankfurter-, Licher-, Marburger- und Grünberger Straße gesichtet. Zudem wurden in Buseck (Landkreis Giessen) jeweils ein großes CDU- und SPD-Plakat „verschönert“. Den Schwerpunkt bilden allgemeine Überkleber, die auf allen Plakaten aller Parteien angebracht wurden, z.B. „Leere Wahlversprechen hier eintragen“ (mit „.....“ zur Verdeutlichung), „Leben zurück erobern statt Stimme abgeben“. Auf manchen Plakaten fordert nun die bisher unbekannte Gruppierung „Parteien für sichere Wahlen e.V.“ die Bürgerinnen zur Mitarbeit auf: „Null Toleranz für Vandalen! Melden Sie Schmierereien an Plakaten: 0641-7006-2555“ - ungewiss ist, ob inzwischen die Telefonnummer des Kriminaldauerdientes (oft „KDD“ abgekürzt) beim Polizeipräsidium Giessen heiß läuft.

Einer der Überkleber mit der Überschrift „Direct Action gegen Wahlquark“ kündigt weitere Aktionen an – darunter werden zwei konkrete Termine benannt ... eine „Anti-Wahlplakate-Nacht“ am Freitag (19. August 2005) sowie Aktionen gegen Wahlstände (20. August 2005), die sich während der Wahlphase immer samstags im Seltersweg präsentieren.

Am 22. August (Montag nach dem Stadtfest, ab 11.45) kommt Joschka Fischer nach Giessen - Presseberichten zufolge soll er gesagt haben: „So lange ich Wahlkampf mache, komme ich nach Gießen.“ Mal sehen, ob er das nach dem Auftritt immer noch so sieht. Bereits im Umlauf sind Flugblätter, die zu kreativen Gegenaktivitäten zum Besuch des Grünen-Oberhauptes aufrufen. Es wäre nicht die erste Station auf seiner Wahlkampftournee, bei der es zu Störungen kommt – in Lüneburg sorgten die „Überflüssigen“ für eine kritische Begleitung
( http://www.de.indymedia.org/2005/08/124790.shtml).


// Hintergründe

Wenn alles nach Plan läuft – und so sieht es aus – werden die Menschen am 18. September zur Wahlurne gebeten, um dort ihre Zustimmung zur eigenen Ohnmacht und zur Tatsache auszudrücken, dass außer dem Führungspersonal wenig zu wählen ist – die Zurichtungsanstalt Schule, der Arbeitsfetisch – dem alle Parteien anhängen – und andere Herrschaftsstrukturen bleiben erhalten.

Der Hype um die Linkspartei.PDS hat weite Teile linker und auch linksradikaler Gruppen erfasst. Wie ein Mantra wiederholen die alten und neuen Anhängerinnen des Partei-Versuches, dass „wir“ vor einer „historischen Chance“ ständen – und scheinbar ist es gelungen, einen Diskus zu setzen, den nur wenige hinterfragen. Denn was diese „historische Chance ausmacht“, ist nirgends zu erfahren. Dabei ist die Ausrichtung dieses Projektes , das bereits viel schlechter startet als seine Vorgängerinnen, deutlich erkennbar. Die Grünen, die deutlich gezeigt haben, wo der Gang durch die Institutionen endet entstanden im Gegensatz zur Linkspartei ja tatsächlich aus einer großen sozialen Bewegung. Die WASG ( http://www.projektwerkstatt.de/aes/partei_wahlalternative.html ) war nie etwas anderes als Sozialdemokratie „reloaded“ und die PDS hat bei ihren Regierungsbeteiligungen bewiesen, dass mit ihr Sozialabbau durchaus zu machen ist, wenn es um Macht geht. Selbst die alles überlagernde Dominanz des Populisten Oskar Lafontaine, für den der Parteiapparat eh nichts mehr als das Bühnenbild seiner Machtambitionen darstellt, ruft wenig Kritik hervor. Statt dessen geben sich Linke viele Mühe, überall „Ausrutscher“ (z.B. in Bezug auf die „Fremdarbeiter“-Rede von Oskar) zu erkennen – wo ein Blick auf Lafontaines politische Biographie reichen würde um zu erkennen, das er schon lange nationalistische bis rassistische Positionen bezieht ( http://www.projektwerkstatt.de/aes/partei_lafontaine.html) und während seiner Amtszeit als saarländischer Regierungschef im Saarland einer der ersten neoliberalen Vorprescher in der SPD gewesen sein dürfte.

Gerade die Linkspartei droht, Protest zu kanalisieren, indem suggeriert wird, dass Widerstand wählbar ist. Zudem sorgt der neu entstehende Parteiapparat mit angebundener Stiftung und Jugendverband schon jetzt dafür, dass viele Funktionärinnen und Aktive aus sozialen Bewegungen nach Geldern, Posten und Einfluss schielen. Diskussionen um grundsätzliche Alternativen zu Stellvertretung und herrschaftsförmiger Organisierung werden von all dem zusätzlich verdrängt und kaum noch geführt. Genau deshalb macht es Sinn, die Wahl als Plattform zu nutzen, um Diskussionen anzuzetteln, wie eine freie Gesellschaft jenseits der Herrschaftsform Demokratie aussehen könnte, was die Schritte in diese Richtung sein könnten. Es gibt viele Möglichkeiten ... Aktionen vor Wahlständen, in Wahllokalen, bei Parteiveranstaltungen, veränderte Wahlplakate bzw. möglichst bunte Mischung vieler Aktionsformen - um deutlich zu machen, das Widerstand nicht mit Wahlen zu verwechseln ist.


// Links zu Anti-Wahl

- Wiki zu Aktionen gegen die Bundestagswahl 2005:  http://deu.anarchopedia.org/index.php/Wahl_Aktionen
- Offene Sammlung von Aktionsideen zu Wahlen:  http://deu.anarchopedia.org/index.php/Ideensammlung:_Aktionen_gegen_Wahlen
- Kritische Seite zu WASG und Linspartei:  http://www.projektwerkstatt.de/aes/partei_wahlalternative.html
- Kritische Seite zum Populisten Lafontaine:  http://www.projektwerkstatt.de/aes/partei_lafontaine.html


// Downloads

Viele der auf den Bildern erkennbaren Überkleber liegen als .pdf (lesbar mit Acrobat Reader) vor – natürlich nur zu Zwecken der Dokumentation ... Wahlplakate verändern ist strafbar kann das Ermittlungsinteresse von Polizei und Staatanwaltschaften fördern.

- „Leben zurück erobern statt Stimme abgeben“ (2x A4 quer):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/wahl_leben_erobern.pdf
- Die große Variante des gleichen Spruches (4x A4):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/wahl_leben_erobern_gross.pdf
- „Leere Wahlversprechen hier eintragen“ (2x A4 quer):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/wahl_versprechen.pdf

Spezielle Überkleber

- „... nur das Führungspersonal, sonst nichts“ (2x A4 quer, passt super unter den „Deutschland wechselt“-Slogan der FDP):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/wahl_wechsel.pdf
- Spruchblasen für Lafontaine (mit seinen O-Tönen!) und Links zu „www.lafontaine.de.vu“ und „www.linkspartei-info.de.vu“ (A4 quer):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/bubble_lafo.pdf
- Verschiedene Überkleber für CDU-Plakate mit „Deutschland braucht den Wechsel“-Aufdruck („Deutschland braucht ... kein Mensch“, „... neue FührerInnen“, „... Krieg und Profite“) (A4 quer):  http://www.projektwerkstatt.de/hopptosse/antiwahl/material/wahl_cdu_braucht.pdf
- „Null Toleranz für Vandalen“ (2x A4 quer, wegen der Tel.-Nummer nur für Giessen „geeignet“):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/material/wahlplakate_hotline.pdf

Weitere Downloads für Wahlaktionen (z.B. Ausstellungen, Broschüren oder Comics):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antiwahl/download.html


// Termine

- 22. August (Montag) ab 11.45 Uhr auf dem Kirchenplatz Giessen: Joschka Fischer. Angeblich soll Joschka gesagt haben:
- 29. August auf dem Marktplatz in Butzbach: Edmund „Der frustrierte Osten“ Stoiber
- 28. August bis 3. September in Berlin: Antiwahlwoche ( http://www.antiwahlwoche.de.vu) mit Workshops, Diskussionen und Direkten Aktionen gegen die „Einheitspartei Arbeit“. Treffpunkt ist die Offene Uni BerlinS ( http://www.offeneuni.tk)


Zum Schluss noch ein paar hohle Parolen:
Parteien und Deutschland weg rocken – für bunte Proteste gegen den Wahlquark!
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Ergänzungen

FDP

Guido Reisser 18.08.2005 - 19:17
Nach Stoiber dreht jetzt auch die FDP durch:

@ frager

m 19.08.2005 - 03:29
..da ist es natürlich besser gar nichts zu machen und bequem vom computer aus klug zu scheißen..find ich persönlich langweiliger als die überklebungen..aber jedem das seine..

indymods

Aufpasser 19.08.2005 - 12:14
Könnt ihr mods mal solche denunziationen wie die von "Frager" aus dem Verkehr ziehen. Jemanden als "Irren" zu bezeichnen, ist eine miese Beleidigung.

anna und arthur halten das maul

besorgte 19.08.2005 - 13:18
gegen wahlen, schön und gut, aber warum immer diese selbstdenunziererei?
aus fehlern lernen, gehört scheinbar nicht zu eurer direkt action
strategie.
ich verstehs nicht!

2 Veranstaltungen zu Neuwahlen

Hinweiser 19.08.2005 - 16:12
siehe:

 http://x-berg.de/article.pl?sid=05/08/19/139246&mode=thread

Eine Veranstaltung davon findet im Rahmen der von im Text angekündigten Anti-Wahlwoche in Berlin statt.

Grüße

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 9 Kommentare

fehler

doofnase 18.08.2005 - 18:42
die links zu den downloads der überklber sind im arsch, weil bei "/hopptosse/" das "e" fehlt, um "hoppetosse" zu ergeben. Wäre super, das zu ändern ... Thanx im voraus an die Mods :-)

Müssen andauernd ermitteln, andauernd...

Fünftes Element 18.08.2005 - 18:54
Jetzt müssen die armen Schweine in Gießen ja schon wider gegen (unbekannte) subversive Elemente im linken Spektrum ermitteln. Bringt doch nixx!

Gute Aktion, aber...

Peter 18.08.2005 - 19:43
das Plakat Nummer 4 (Lafontaine) ist ziemlich schlampig bearbeitet worden. Die Zacke in der Mitte wirkt wie eine Sprechblase, das ist eher zusätzliche Werbung für ihn.

wofür dann?

robert 18.08.2005 - 19:50
Alles schön und gut, ....

aber stellt sich nur eine Frage:
Wofür seit ihr dann?Wofür steht ihr?

schonmal daran gedacht nicht nur "wogegen" zu sein sondern eigene Vorschläge "für" etwas zu machen?

Und sorry, aber ... was soll das?

Und vorallem der Schlusssatz:
Zitat:

"Parteien und Deutschland weg rocken – für bunte Proteste gegen den Wahlquark!"

Was soll das?
Willst du ne Anarchy ... na dann viel Spaß !
und wenn's dir nicht gefällt hier - das Änder was uns verbesser was, ... aber mäkel nicht nur rum!

Tschau, ...

sorry nicht böse gemeint, aber meine Meinung dazu!

Ergänzung zur Aktion

gib idioten keine chance 18.08.2005 - 20:07
Man sollte noch erwähnen, dass allein an der Parole "Parteien und Deutschland weg rocken – für bunte Proteste gegen den Wahlquark!" deutlich wird, dass die Akteure sich nicht wirklich für die Probleme der Menschen im Land interessieren. Ebenso haben sie der volksfeindlichen Politik der Regierung keine Argumente entgegenzustellen, vermutlich wissen sie selbst nicht, was die Aktion überhaupt bringen soll. Schade, indymedia hätte durchdachte Artikel verdient.

der vandalismus-aufkleber

tagmata 18.08.2005 - 20:59
ist ja wohl *so* geilel!

@Robert: schau mal auf der Hoppetosse-HP, da wirst du mit Infos und Materialien zu Warum und Wieso und Stattdessen eingedeckt. Ob's gefällt ist Geschmackssache, aber diese Leute machen sich schon was länger Gedanken über ihre Utopien.

@gib idioten keine chance: naja, diese Leute sind schon so was wie Regulars hier, im Gegensatz zu dir (no offence intended - aber die Projektwerkstatt *kennst* du einfach, wenn du indy mal so 2 Monate oder so liest). Jedenfalls solltest du dich von der Form nicht über den Inhalt hinwegtäuschen lassen, das PW-Umfeld ist ganz bestimmt keine studentische Diskussionsclique.
(Und das mit der 'volksfeindlichen Politik'... wenn du's näxtesmalso formulierst, daß nicht genausogut irgendwelche Faschos ankommen können und sagen: GENAU! Darum NPD wählen!, sparste dir auch die Flames ;-))

wilde direct action

Computersitzer 19.08.2005 - 10:23
Jedes mal wird im Raum Gießem ein riesen Terz gemacht um die eigenen Aktiönchen. Es gibt Etliche, die losziehen und in den Wahlkampf eingreifen. Nur dass sie es nicht für nötig halten, jeden geklebten Papierschmipsel zu dokumentieren. Sollen diejenigen mal eure "direct-action"-Seminare besuchen?

@ robert

*kopfvorfassungslosigkeitandiewandhauer* 19.08.2005 - 20:08
Informier dich erstmal über Anarchismus bevor du drüber herziehst.

@Aufpasser

starker Pastor 20.08.2005 - 16:04
Oha, oha,

da sind wohl die Prowe Zensur-Brigaden unterwegs. In so ner miefigen Provinz-Utopie mit Zensur von anderen Meinungen will ich nicht wirklich leben. Und ach ja...jemanden als "Irren" zu bezeichnen, ist ja soooooooo gemein, aber anderen Leuten den Gottesdienst stürmen nicht, geht´s noch im Prowe-Wahn?!
Also ich jedenfalls halte es für reine Selbstdarstellerei, was da aus Saasen kommt. Vor allem, wenn dann Leute als gemeinütiger Verein ach so schön vom Staat profitieren.
Aber nun ja...vielleicht verkaufen sich ja J.B.´s Bücher durch solche Aktionen besser...und ein paar Nasen machen auch noch Werbung für ihn.