Kriegsrecht in Deutschland und Polit-Streik

Blanziflor 12.08.2005 16:12 Themen: Repression Soziale Kämpfe
In Deutschland werden Streiks von den Medien verurteilt. Bei fortschreitendem Sozialabbau zeichnen sich soziale Kämpfe, Massenstreiks und Unruhen ab. In dieser Situation fordern CDU und SPD eine Änderung des Grundgesetzes zum Einsatz der Bundeswehr zu nicht-zivilen Einsätzen im Inneren.
Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Gewerkschaften entwickelt und waren ein immer wirksamer werdendes Mittel gegen schlechte Bezahlung und mangelnde soziale Absicherung bei Krankheit und Alter. Sicherheitsvorschriften existierten selbst bei sehr gefährlicher Arbeit, wie z. Bsp. im Bergbau, nicht. Leben und Gesundheit der ArbeiterInnen zählte weniger als eine teure Maschine. Trotz des geringen Einkommens und minimalen Rücklagen schafften die ArbeiterInnen es jedoch durch Streiks und Boykott von Produkten bessere Arbeitsbedingungen zu erzwingen. Bessere Arbeitsbedingungen, die die Arbeitgeber wegen der Konkurrenz zuvor angeblich nicht schaffen konnten. Anfangs wurden Gewerkschafter wie Staatsfeinde und Kriminelle verfolgt. Streik galt als Vertragsbruch und Störung der öffentlichen Ordnung. Gewerkschaften und sonstige Zusammenschlüsse von ArbeitnehmerInnen wurden wiederholt verboten und gesetzlich benachteiligt.

In der deutschen Geschichte spielen politische Streiks eine bedeutende Rolle. Zum Teil dadurch, dass die Streiks unterblieben. So erfolgte ein politischer Streik gegen Hitler nicht. Das weitere Verhalten der Nationalsozialisten zeigte, dass die Gewerkschafter bei einem politischen Streik gegen Hitler nichts zu verlieren hatten. Unbestritten würde ein politischer Streik gegen Hitler heute allerdings nicht als rechtswidrig angesehen werden. Zahlreiche Gewerkschaftsführer wurden nach der Machtergreifung der Nazis verhaftet und in Konzentrationslager gesperrt. Die Gewerkschaften wurden dann am 2. Mai 1933 von den Nationalsozialisten endgültig zerschlagen. Das Vermögen der Gewerkschaften wurde auf die von der NSDAP abhängige Organisation Deutsche Arbeitsfront (DAF) übertragen, die heute noch mit ihrem Spruch „Kraft-durch-Freude“ bekannt ist. Mitglieder der NSDAP hatten und haben auch nach 1945 wichtige Positionen in Deutschland inne.

Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bildete sich der nach dem Einheitgewerkschaftsprinzip organisierte FDGB. Nach Gründung der SED wurde diese unabhängige Organisation allerdings „Säuberungen“ unterzogen. Eine weitere Säuberung des FDGB erfolgte nach dem Arbeiteraufstand am 17. juni 1953. Selbst Gewerkschafter, die sich nicht entschieden genug gegen diesen Streik eingesetzt hatten, wurden als "Kapitulanten" oder "Westagenten" ihrer Ämter enthoben. Der Tag dieses politischen Streiks wurde in Deutschland lange Zeit als „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert und ist ein Bekenntnis zur Vorbildlichkeit eines politischen Streiks in der deutschen Geschichte.

In der deutschen Rechtsprechung wurde ein Recht auf einen politischen Streik schon zu Gründungszeiten der Bundesrepublik abgelehnt. Aus alten Zeiten stammende Richter und ihre Zöglinge lehnten ein recht auf politischen Streik ab. Die Streikenden und Aufrufer zum Streik machen sich sogar wegen Vertragsbruch schadensersatzpflichtig.

Deutsche Firmen wandern jetzt in Länder aus, in denen ein Streikrecht der ArbeiterInnen nicht aner­kannt wird und demokratische und politische Freiheiten nicht existieren. Im Land des Exportweltmeisters kann allerdings entgegen den besonders naiven Forderungen einiger PolitikerInnen und BesucherInnen von Stammtischen der Boykott ausländischer Waren oder eine Marktabschottung das Problem nicht lösen. Die Propagierung dieser Form der Problemlösung zu Lasten des ärmeren Auslands ist ohnehin ethisch nicht besonders hochstehend. Es sind die Super-Reichen in Deutschland, die lernen müssen zu teilen und nicht die arme Bevölkerung im Ausland.

Bessere Arbeitsbedingungen sind auch nicht mehr durch Streiks zu erzielen bei einem Staat, der erzielte Zuwächse beim Gehalt durch steigende Lohnsteuern und sinkende Unternehmenssteuern wieder zunichte macht, Arbeitsplätze für einen Euro einführt, die Mehrwertsteuer erhöht, kostenlose Praktika für früher gut bezahlte Stellen schafft, Kostenlasten der Sozialversicherung werden einseitig auf die ArbeitnehmerInnen verschiebt .... Außerhalb der Wahlkämpfe schaltet der Staat sich zudem aktiv in Tarifverhandlungen ein und bittet, dass keine zu hohen Löhne erzielt werden. Nur in Wahlkämpfen setzen sich die gleichen PolitikerInnen dann für höhere Löhne ein oder gegen die steuerliche Absetzbarkeit der Verlegung eines Betriebes. Sie streuen dem Volk in gewohnter Manier damit Sand in die Augen. Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt wird zudem künstlich erhöht durch ständige Anhebungen der Altersgrenze in der Rentenversicherung.

Die Asymetrie zwischen dem Staat und den Arbeitgebern auf der einen Seite und den ArbeitnehmerInnen auf der anderen Seite kann nur durch politische Streiks aufgefangen werden. Ohne politische Streiks sind die auf Tarifabschlüsse zielenden Streiks ein zahnloser Tiger. Einige werden sich fragen, ob denn die Arbeitgeber die richtigen Gegner sind, wenn Gesetze erlassen werden. Es gibt Arbeitgeber, die an die Regierungsparteien gespendet haben, sich weigern für die Linkspartei Wahlkampfanzeigen zu schalten, öffentlich härtere Gesetze gegen ArbeitnehmerInnen fordern, ... Diese Arbeitgeber sollten schon nicht bei Streiks in Tarifverhandlungen verschont werden. Gegen diese Arbeitgeber können sich auch politische Streiks und Boykotte richten. Arbeitsverweigerung bei Hetzkampagnen gegen Gewerkschaften oder fristgemäße Eigenkündigungen der ArbeitnehmerInnen aus Gewissensgründen können eine Alternative bilden. Dafür sollte eine „Gewissenskasse“ eines Vereines gebildet werden. Unschuldige ArbeitgeberInnen sollten allerdings verschont werden. Gerade diese Arbeitgeber sind ja sehr erwünscht und sollen ruhig von dem Streik gegen die gewissenlosen Arbeitgeber profitieren. Ethik soll sich in Deutschland wieder lohnen!

Ihren sozialen Kampf sollten die ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften in Parteien, Vereinigungen der Konfessionslosen und Atheisten, Weltanschauungsgemeinschaften und Kirchen einbringen. Warum kein Kirchenaustritt, wenn wieder einmal ein hochrangiger und angeblich liberaler Kirchenfürst für Hartz IV Stellung nimmt? Warum kein Übertritt in eine andere Partei, wenn einseitig wieder Lasten auf die ArbeitnehmerInnen verschoben werden und erst im Wahlkampf die soziale Ader wiederentdeckt wird?

Die Wut bei den sozial Schwachen wächst, während ihnen eine immer schlimmere Politik angekündigt wird. In der Geschichte wurden Bürgerkriege häufig durch soziale Ungerechtigkeit ausgelöst. Eine hungernde Bevölkerung wird am Ende revoltieren. In diesem Zusammenhang verstehe ich auch die geforderte Einsetzung der Bundeswehr in Deutschland. Kein Mensch hat an den humanitären Einsätzen der Bundeswehr im Inneren im Rahmen der Amtshilfe bei Katastropheneinsätzen protestiert, wenn auch deren Bedeutung bei solchen Einsätzen von der Presse regelmäßig übertrieben wurde und von zahlenmäßig stärkeren Gruppen dann kaum oder gar nicht in einzelnen Berichten die Rede war. Eine Klarstellung im Grundgesetz für solche Einsätze bedarf es nicht. Es geht nicht um friedliche Einsätze im anderen sondern um bewaffnete Einsätze gegen das eigene Volk. Einsätze für die schwere Waffen und nicht die leichten Waffen der Polizei gebraucht werden, sind der Anlass für eine solche Amtshilfe der Bundeswehr.

Wie zu hören ist, gibt ja bereits das bisherige Recht angeblich die rechtliche Rechtfertigung für solche Einsätze. Es geht angeblich nur um eine „Klarstellung“ im Grundgesetz. Hochrangige Offiziere, die den Dienst aus Gewissensgründen verweigern, soll es wohl nicht geben. Ein hochrangiger Offizier hat vor Gericht Recht bekommen, weil er aus Gewissensgründen eine indirekte Hilfe zum völkerrechtswidrigen Krieg im Irak nicht leisten wollte. Verweigerungen kann und wird es beim Einsatz der Budneswehr im Inneren geben. Es geht um Einsätze gegen das eigene Volk, die es seit 1953 nicht mehr gab. Das ist allerdings mehr als eine Klarstellung. Es ist eine bedeutende Änderung für das Grundgesetz, für die sich schon eine große Koalition der Unmenschlichlichkeit, Verantwortungslosigkeit und Dummheit abzeichnet. Im zusammenwachsenden Europa, das in Ländern wie Polen oder Italien (gegen Berlusconi) das Recht auf einen politischen Streik kennt, passt ein Kriegsrecht gegen das eigene Volk nicht. Nach Wechsel der Regierung müssen die beteiligten PolitikerInnen und Militärangehörigen nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren zudem mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Wer eine Gesetzesänderung fordert, hat erkannt, dass die soziale Ungerechtigkeit noch zu bedeutenden Unruhen und Protesten in Deutschland führen kann. Es erfolgt aber keine Abhilfe. Der Weg wird weiter beschritten und stattdessen das Militär gegen das eigene Volk gerichtet. In der DDR und Polen wurde das Militär gegen die politisch streikenden ArbeitnerhmerInnen eingesetzt. Ein politischer Streik ist in vielen Situationen ehrenhaft und wohl ausnahmslos gefährlich und erfordert viel Mut. Nach einer Grundgesetzänderung müssen die Deutschen damit rechnen, dass eine Bundesregierung die sich sehr vorausschauend die Mittel dazu geschaffen hat, das Kriegsrecht in Deutschland verhängen würde, wie dies einst das polnische Militär in Polen gemacht hat.

Einsparungen im Sozialbereich drohen durch eine kriegslüsterne Politik im Militär wieder verpulvert zu werden. Ich denke da auch an die Lügen der USA vor dem letzten Krieg gegen den Irak, die all zu leichtfertig trotz des Widerspruches der Presse von PolitikerInnen geschluckt worden sind. Bei einer solchen Politik wird die arme Bevölkerung wieder bluten – und das leider im wahrsten Sinne des Wortes.

Blanziflor
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Ergänzungen

Repression gegen Gewerkschafter

.. 12.08.2005 - 20:42
In Deutschland gab es vor kurzem eine (illegale) Razzia und Beschlagnahme bei Labournet, welches Teil einer laufenden Repressionskampagne gegen kritische Medien ist, die nun auch Gewerkschafter trifft:  http://de.indymedia.org/2005/08/124363.shtml

In Italien, wo die Regierung Berlusconi die Demokratie nahezu abgeschafft hat, sitzen nicht nur Linke, sondern auch Gewerkschafter wegen ihrer Tätigkeit im Knast. Teilweise ohne rechtsstaatöichen Prozess, anhand konstruierter und erfundener Vorwürfe.
Zur die Situation in Italien, siehe hier:
 http://de.indymedia.org/2005/08/124682.shtml
 http://de.indymedia.org/2005/08/124681.shtml


Otto Schily will nach dem Vorbild in Italien und USA übrigens auch Menschen ohne Prozess in unbegrenzte "Vorbeugehaft" nehmen können.

Zu den Streiks in Polen

. 15.08.2005 - 18:00
Man darf nicht vergessen, dass die antikommunistische "Solidarnosc" von den USA/CIA und der BRD finanziert wurde.
Dass die polnische Regierung gegen diese subversiven Aktivitäten vorgegangen ist, ist verständlich.

"Grown cynical, the dissident types who embezzled the cash to fund, say, a hotel in the Buda hills did less harm than those that launched politico-media careers. In Poland, the ex-dissident Adam Michnik's Agora media empire - worth €400m today - grew out of the underground publishing world of Solidarity, funded by the CIA in the 1980s. His newspapers now back the war in Iraq, despite its huge unpopularity among Poles."
 http://www.guardian.co.uk/comment/story/0,3604,1367965,00.html


Die heutige Armut und Arbeitslosigkeit in Polen ist eine direkte Folge dieser von Deutschland und den USA finanzierten Streiks:
"...die die das nicht gepackt haben, haben sich aufgehängt. Scheidungen, Verzweiflung, Alkoholismus das ist unsere Zukunft..."
 http://www.daserste.de/weltspiegel/beitrag.asp?uid=4lsw80fi2tncduuz

Privatisieren und abzocken - ein kurzer Überblick über die Praxis des realexistierenden Kapitalismus in der polnischen Halbkolonie
 http://www.jungewelt.de/2005/05-07/013.php

Sex fürs tägliche Brot
 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,2208087,FF.html


Viele Polen haben deshalb "Sehnsucht nach kommunistischen Zeiten in Polen":
 http://www.nachrichten.at/apanews/apap/273553

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Arbeiter

schlaubi 12.08.2005 - 19:02
Der Arbeiter arbeitet und gibt Arbeit. Der Kapitalist nimmt sie ihm weg...
Die Bezeichnung Arbeitgeber und Arbeitnehmer enthalten werte... der eine gibt großzügig und der andere nimmt raffgierig. daher sollten wir allein von der nomenklatur her zu arbeitern und angestellten zurückkommen...

ergänzung

egal 14.08.2005 - 20:33
"Unbestritten würde ein politischer Streik gegen Hitler heute allerdings nicht als rechtswidrig angesehen werden."ER WÜRDE ALS RECHTSWIEDRIG ANGESEHEN
DENN DIE BUNDESREPUBLICK IST DER RECHTSNACHFOLGER UND AUCH HIER SIND POLITISCHE STREIKS VERBOTEN.SIEHE AUCH DESERTEURE
ANDERSRUM GELTEN SOLCHE LEUTE WIE HESS GÖRING HIMMLER KEITEL UND DAS ANDERE GESOCKS WELCHE IM NÜRNBERGER PROZESS VERURTEILT WURDEN IN DIESEM LAND NICHT ALS KRIEGSVERBRECHER DENN DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT HAT IN DEN FÜNFZIGERN
DIESE URTEILE ALS VERFASSUNGSWIEDRIG KASSIERT SIE SIND NICHT VORBESTRAFT
DESWEITEREN WURDE DIE WAFFENSS REHABILITIERT UND GILT NICHT ALS VERBRECHERISCHE ORGANISATION SONDERN NUR DIE SS(SCHWARZE SCHEIßE)