Polnischer Journalist aus Belarus verwiesen

Jens Steiner 10.08.2005 11:18 Themen: Medien Repression
Am Sonnabend, den 6. August 2005 wurde ein Fotojournalist für fünf Jahre aus Belarus verwiesen. Der 25-jährige Adam Tuchliński arbeitet für die polnische Wochenzeitung Przekroj und das amerikanische Magazin Newsweek. In Grodno wurde er beim Betreten eines Zuges nach Polen von belorussischen Sicherheitskräften festgenommen und auf eine örtliche Miliz-Dienststelle gebracht. Dort wurde er mehrere Stunden festgehalten. Dem Fotografen wurde zur Last gelegt, er würde über keine gültige Akkreditierung für eine journalistische Tätigkeit in Belarus verfügen. Danach fuhr man ihn zum Amt für Visa-Angelegenheiten und Registrierung und entzog ihm das Recht zur Einreise nach Belarus bis 2010.
Erst am späten Abend wurde er wieder freigelassen und konnte nach Polen zurückkehren. Tuchliński war mit einem Touristenvisum nach Belarus eingereist. Grodno ist eine Stadt im Westen des Landes mit hohem polnischen Bevölkerungsanteil. Ob Adam Tuchlinksi dort journalistisch tätig war, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Schon bei früheren Aufenthalten in Belarus wurde der Fotojournalist von Mitarbeitern des Geheimdienstes KGB festgehalten. Während der Regionalwahlen im März 2005 nahm der KGB ihn und zwei weitere polnische Journalisten in einem Wahllokal fest. Nach drei Stunden schaltete sich der polnische Botschafter in Belarus ein. Die Journalisten wurden freigelassen. In letzter Zeit kam es häufiger zu Festnahmen polnischer Dissidenten in Belarus. Ebenfalls am 06. August wurde dem unabhängigen, polnischen Journalisten Marcin Śmiałowski die Einreise ins Land trotz gültiger Akkreditierung verweigert. Śmiałowski arbeitet zur Zeit an einer Dokumentation über die Situation der Polen in Belarus. Die Vorsitzende des Komitees zum Schutz von Journalisten CPJ sagte in einer Erklärung zu diesen Vorfällen: „Wir sind sehr besorgt über das restriktive Handeln gegen unsere Kollegen. Wir möchten die Behörden in Belarus bitten, beiden Journalisten eine Berichterstattung ohne Angst vor weiteren Repressionen zu ermöglichen.“

Weitere Informationen hier:

 http://www.publiuspundit.com/?p=1481

 http://www.rsf.org/article.php3?id_article=9927

 http://www.rsf.org/article.php3?
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Ergänzungen

@jens steiner

kritiker 10.08.2005 - 13:20
Leute ausweisen ist Scheiße. Aber trotzdem könntest du ja etwas "journalistische Sorgfaltspflicht" walten lassen. Das gerade von der USA und ihrem willigen katholischen Vasall Polen auf "Teufel komm raus" versucht wird in Belarus eine "bunte Revolution" a la Ukraine (und da sind viele - außer der Präsidenten - Familie, die inzwischen sogar die "Revolution" kapitalistisch vermarktet - gar nicht mehr so zufrieden) zu initiieren, wäre zumindest eine Randbemerkung wert gewesen!
Und das gerade Zeitungen wie "Newsweek" einem polnischen "Minderheitenkonflikt" in Belorus als Initialzündung für eine wie auch immer geartete "Revolution" reden, wäre auch erwähnenswert gewesen.
Knackpunkt ist doch wohl, das es der "westlichen Wertegemeinschaft" ein Dorn im Auge ist, daß Belorus als einzige ehemalige Sowjetrepublik, seine Schlüsselindustrien noch nicht privatisiert hat und es den Leuten noch nicht so beschissen geht, wie in den anderen Republiken.
Aber Journalismus in Zusammenhängen war halt nie das Rangehen von "Newsweek"
Zur Hintergrundinformation noch ein Artikel aus der Jungen Welt:

Tomasz Konicz (Junge Welt)

Keine »Revolution« in Belarus

Lukaschenko greift bei Rede zur Lage der Nation den Westen massiv an. »Umsturzversuche werden scheitern.«

Alljährlich gibt es in Belarus (Belorußland) eine von Präsident Alexander Lukaschenko gehaltene »Rede zur Lage der Nation«, in der die Leitlinien der Politik für die nächsten Monate umrissen werden und die die momentane politische und wirtschaftliche Lage des Landes reflektieren soll. Es handelt sich dabei um ein mediales Großereignis, das von Funk und Fernsehen übertragen wird und bei dem Parlamentarier sowie ausländische Diplomaten anwesend sind. Die diesjährige, am Dienstag live übertragene Rede endete indes mit einem Paukenschlag: Lukaschenko griff in seiner Ansprache den Westen massiv an, er beschuldigte die EU, die USA und insbesondere Polen, subversive Umtriebe in Belarus zu fördern, die den Umsturz der jetzigen Regierung zum Ziel hätten.

In der anfangs abgelesenen Rede bezeichnete der Präsident die »Orangene Revolution« in der Ukraine als durch westliches Geld finanziertes Banditentum. In Belarus werde es aber keine »bunte Revolution« geben, da dieses Land seine Unabhängigkeit wahren und nicht auf die Knie fallen werde. Keine Banditen und kein Geld, das jetzt säckeweise ins Land fließe, könne in Weißrußland einen Umsturz herbeiführen. Dieses Banditentum werde in Belarus durch ausländische Kräfte geschürt, denen das Schicksal des Landes gleichgültig sei, so Lukaschenko. Dem Westen gehe es vielmehr um die Verwirklichung der eigenen, imperialistischen Interessen, um die Eroberung neuer Märkte.

Schließlich legte Lukaschenko sein Manuskript zur Seite und wandte sich direkt an die westlichen Diplomaten: »Wir wissen ganz genau, was in euren diplomatischen Vertretungen vor sich geht, ich möchte insbesondere die Botschaft Polens warnen.« Die polnische Diplomatie schüre massiv ethnische Konflikte im Westen Belorußlands und bediene sich hierbei der polnischen Minderheit. Doch diese Versuche zur Destabilisierung des Landes würden scheitern, versicherte der Präsident.

An die Adresse der USA gewandt sagte Lukaschenko, daß Großmächte, die souveräne Staaten ? wie den Irak ? völkerrechtswidrig angreifen und besetzen, niemals als ein demokratisches Vorbild dienen könnten. Die amerikanischen und europäischen Destabilisierungsversuche würden scheitern, eine »Revolution« fände in Belorußland nicht statt, so Lukaschenko abschließend.

@ kritiker

c.s. 10.08.2005 - 16:17
wenn du schon so kritisch sein möchtest, dann bedenke doch mal, dass jemand - hier lukaschenko - nur weil er was gegen "den westen" hat, noch lange nicht kapitalismuskritisch oder gar links ist. er mag sich sozialistisch oder sonst wie nennen, mit irgendwelchen kommunismusträumen hat das leben in belarus aber nix zu tun. lukaschenko ist ein autoritäres arschlosch und nicht besser als schröder oder bush.
ich möchte auch gern den kapitalismus abschaffen, aber trotzdem bin ich sehr froh, dass ich in deutschland und nicht in belarus lebe, denn da geht es dir verdammt schlecht, wenn du dich regierungskritisch äußerst oder gar in die richtigung aktiv bist. die sowjetunion war in sehr vielen dingen ziemlich scheisse und viele der regierungen der heutigen länder sind genauso scheisse oder viel schlimmer.

leute, die sich für die situation(en) in osteuropa interessieren sei das anarchistische magazin "abolishing the borders from below" (in englisch) empfohlen, erhältlich im örtlichen infoladen. die webseite ist  http://www.abb.hardcore.lt/

nachtrag zum nachtrag

@kritiker-kritiker 10.08.2005 - 18:31
und wenn du schon eine berechtigte kritik abschwächen willst, mit berufung auf etwas, was die kritik gar nicht formuliert hat (das lukaschenkoo szialist o.ä. ist) dann heißt es abermals a) richtig lesen und b) das gelesene auch verstehen

kritik an westlichen ethisierungsstartegien zur desstabilisierung als auch vom westen getragenen putschen in ehemaligen sowjetrepubliken, ist bei obenstehenenden artikel eine mehr als berechtigte kritik

*prost*

Bunte Revolution -- warum nicht?

kritik der kritischen kritik 10.08.2005 - 20:03

Ach so, die USA wollen in Weißrußland eine bunte Revolution anzetteln -- ja dann unterstützen wir sie dabei doch verdammt noch mal!

Oder dürfen wir das etwa nicht?
Was ist denn so schlecht an einer bunten Revolution?
Ist die Lukaschenko-Diktatur etwa erhaltenswert?

Seltsamerweise geht der "kritiker" irgendwie davon aus, daß Lukaschenko legitimer Präsident wäre bzw. irgendein "Recht" dazu hätte, unbegrenzt an der Macht zu bleiben.

Die Wahrheit ist, daß der 1994 noch demokratisch gewählte Lukaschenko sich 1999 einen Staatsstreich von oben vollzogen hat und seitdem mit gleichem REcht von jedermann gestürzt werden darf.

Auf welcher Seite in diesem Konflikt die Sympathien von Linken und Demokraten liegen, muß ja wohl nicht lange begründet werden.


Schon komisch, wenn in einem Umfeld, wo seit Jahrzehnten von der "Revolution" geträumt wird, das mutige demokratische Engagement polnischer Dissidenten plötzlich für eine Art Verbrechen angesehen wird. Weil die ja angeblich (qua ethnischer Zugehörigkeit) alle "katholisch" sind beziehungsweise "Ruhe und Ordnung" gefährden.
Was sind das wohl für "Linke", die zu einer solchen chauvinistischen Argumentation fähig sind?!

Ergänzung

Name 10.08.2005 - 20:06
Kritik an den Plänen der Natostaaten an einen Umsturz in Weissrussland ist sicherlich berechtigt, andererseits fällt mir doch immer wieder auf, daß Lukaschenko bei deutschen Kommunisten äußerst beliebt ist. Dabei ist er politisch eher rechts und seine Diktatur kaum besser als irgendwelche Diktaturen in Lateinamerika oder sonstwo.

Pest oder Cholera?

... 11.08.2005 - 04:29
BERLIN/WIEN/MOSKAU(Eigener Bericht) - Zur "unwiderruflichen" Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands sowie anderer OSZE-Staaten hat der FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt aufgerufen. Gerhardt ist Kandidat für das Außenministeramt der Bundesrepublik. Auf einer Festveranstaltung zugunsten der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) hob der mögliche zukünftige deutsche Außenminister die Bedeutung weltweiter Umsturzbewegungen hervor, die es "out of area" zu unterstützen gelte ("auch in etlichen afrikanischen Staaten"). Als europäisches Nahziel der geforderten Interventionen bezeichnete Gerhardt Weißrussland. Ebenso spricht sich der frühere deutsche Außenminister Genscher für weltweite Maßnahmen nach OSZE-Beispiel aus; Gerhardt nennt als Beispiel den Nahen Osten. Auf der Berliner Festveranstaltung durfte der slowenische Außenminister ein "Zentralasiatisches Demokratie-Projekt" präsentieren. Es werde auf russische Interessenkonkurrenz stoßen und müsse daher mit den USA "eng abgestimmt" werden, sagte der gegenwärtige OSZE-Vorsitzende. Moskau bemüht sich um Reformen der OSZE-Politik, die Russlands Einkreisung weiter vorantreibt, und hält die Organisation für den "Einiger Europas".
mehr:  http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/55317.php

@ALLE

Kritiker aller Kritiker 14.08.2005 - 20:26
Ich frage mich immer wieder, wieso wir uns anmaßen die Situation in anderen Ländern zu beurteilen, obwohl wir keine Ahnung haben, wie die Realität dort aussieht. Belarus ist so ein Fall. Wir bekommen doch nur kleine Fetzen des Gesamtbildes, das nötig wäre, um zu beurteilen, ob "Väterchen" (wie er sich in Belarus wohl nennen lässt) ein Arsch oder Held ist. Ist es nicht vielmehr so, dass wir in solche Präsidenten und ihre Länder zu viel von unserem Weltbild hineinintepretieren?
Und allgemein: Jeder hat das Recht sich seine Meinung frei zu bilden und diese zu äußern. Dies gilt vor allem für die politische Meinung. Damit haben gerechte und freie Wahlen und auch eine freie Presse einen besonderen Stellenwert. Unterbindet die Obrigkeit dies, verletzt sie die Rechte ihres eigenen Volkes.
Ich habe viele Hinweise mitbekommen, dass genau dies in Belarus geschieht. Ich habe gehört, dass Menschen dort fast willkürlich festgenommen werden können (wenn man etwa ein T-Shirt mit einer Anti-Lukaschenko-Karrikatur trägt). Aber ich weiss auch, dass das Volk von Belarus seit 10 Jahren nicht aufmuckt (bis auf unzählige kleine Oppositions-Grüppchen aller möglichen Ideologien). Mit anderen Worten die Leute dort wollen oder können die Situation dort nicht ändern. Kann es etwa sein, dass sie mit Lukaschenko glücklich sind?
Und nun die richtig schwierigen Fragen:
1. Stimmt es wirklich, dass das Recht der Menschen auf eigene Meinung und andere Rechte verletzt werden?
2. Oder stimmt es, dass dort alles super ist, weil die Menschen nicht massenweise aufmucken?
3. Oder mucken sie nicht auf, weil sie wegen unfreier Presse eigentlich keine Ahnung haben, wie dreckig es ihnen geht?
4. Können wir den Unterschied zwischen 2. und 1.,3. überhaupt feststellen?
5. Und wenn wir glauben, dass wir es können, und wissen, dass 1.,3. wahr ist, was sollen wir dann tun? Dürfen wir uns einmischen? Sollen wir dem Volk von Belarus helfen oder geht uns die Sache nichts an?
6. Und wenn wir 5. mit "Ja!" beantworten, sollen wir für die Meinungsfreiheit kämpfen und nebenbei NATO und USA zu einer größeren Einflusssphäre verhelfen? Darf man mit dem Teufel paktieren, um die Lage der Menschen in einem anderen Land vielleicht ein wenig zu verbessern?

Ich habe keine Antwort, nur Fragen. Vielleicht ist da jemand klüger....

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"Umsturzbewegungen" — was ist links?

Tja ja, die deutsche Linke... — julia jentsch