Überflüssige irritieren Wahlkampf der Grünen

Tom Ebermann 10.08.2005 01:07 Themen: Soziale Kämpfe
In Lüneburg auf dem Marktplatz fand heute eine Grünen-Wahlkampfveranstaltung statt. Die Überflüssigen hatten das erste Wort.
Am Dienstag Abend fand auf dem Marktplatz Lüneburg eine Wahlkampfveranstaltung mit Außenminister Josef Fischer statt. 500 Menschen waren präsent. Unter ihnen tauchten unerwartet die Überflüssigen auf. Sie trugen neben ihren roten Pullovern und weißen Masken ein Ballet mit den Buchstaben “P A R A D I E S”.
Quer durch die lockeren Zuschauerreihen gingen sie über den Marktplatz
und nahmen einen gut sichtbaren exzellenten Platz in unmittelbarer Nähe des Fischer-Wahlkampfbusses ein.
Fischer wurde auf die Bühne gebeten und im Publikum wurde applaudiert. Gleichzeitig erschallten auch einige Buhrufe von Fischer-Gegnern. Fischer trat auf die Bühne, blickte über das Publikum. In diesem stillen Moment ertönte laut und für alle hörbar ein Gruß aus den Reihen der Überflüssigen: “Grüß dich, Arschloch, mit Verlaub”. Daraufhin Fischer: “Das ist keine originelle Begrüßung, meine eigenen Worte zu zitieren.” Irritiertes Gelächter unter den Zuhörer/innen. Im Unterschied zu Fischer 1983 haben sich die Überflüssigen für diese Bemerkung nicht entschuldigt.
Anschließende Rufe wie beispielsweise “Wir ins Paradies! Fischer ist fies!” schafften weitere Aufmerksamkeit und Lacher auch bei Grünen. Ein Wachtmeister wendete sich an die Überflüssigen: “Lassen Sie Herrn Fischer doch auch mal zu Wort kommen.”
Nachdem die erste Aufmerksamkeit der Medienvertreter den Überflüssigen gegolten hatte, deren Fragen zur Zufriedenheit beantwortet wurden und das letzte Flugblatt verteilt wurde, gingen die Demonstrant/innen mit den roten Pullovern noch einmal im Halbrund quer über den Marktplatz um dann so unerwartet zu verschwinden, wie sie aufgetaucht waren.

Das Auftreten dieser ungewohnten Demonstrantenschar irritierte und provozierte viele Nachfragen bis zu einer Reihe von aggressiven Anmerkungen bei den Umstehenden: “Was bedeutet Paradies?” Eine bessere Welt ohne Fischer. “Es gibt aber kein Paradies!” Doch, wir werden es noch erleben. “Warum zeigt ihr euer Gesicht nicht?” Weil wir aus der Sicht des Kapitals keine Individualität haben. “Ihr seid zu feige euer Gesicht zu zeigen.” Für das Kapital zählt nur unsere Arbeitskraft, nicht unser Aussehen. “Im Paradies müsst ihr arbeiten ohne Geld!” Nein, da fliegen uns die gebratenen Tauben ins Maul.
Manchen war die Sympathie für diese Aktion ins Gesicht geschrieben. Vermutlich wird einigen Kundgebungsteilnehmer/innen der Auftritt der Überflüssigen in Lüneburg im Gedächtnis bleiben.

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Dokumentation des Flugblatts:

Arbeitszwang und Dumpinglohn
Fischer, Hartz, der gleiche Hohn!

Die Zeiten sind schlecht. Bundeswehrsoldaten und Kriegs­einsätze überall auf der Welt, Hartz IV, Lohndumping, Drang­salierung und Sozialraub allerorten. Wer wüßte das nicht besser als die jetzige Regierung. Sie hat diese Zustände weiter befördert und sorgt dafür, dass das auch so bleibt.

Herr Außenminister Fischer führte dieses Land in den Kosovo- und dann in den Afghanistan-Krieg. Und am 1. Januar dieses Jahres trat Hartz IV in Kraft. Was denkt sich diese Regierung eigentlich: Geile Jobs bei Bundeswehreinsätzen im Kosovo und Afghanistan und 345 Euro Armutsgeld plus Wohnbeilage in BRD-Land? Das ist schlecht und nicht gut.

Die nächste Regierung - egal in welchen Farben - wird das alles genauso weiter machen. Und heute ist auch noch schlechtes Wetter in Lüneburg: Mitten im Hochsommer Regen und Kälte für Erwerbslose, Überflüssige und interessierte Wähler. Das zeigt: Diese Regierung ist zu allem bereit und schreckt vor nichts zurück. Deswegen sind wir hier.

Es gibt viel zu tun, zu protestieren und zu widersprechen, im Kampf für eine ganz andere, bessere Welt.

Und da gilt ganz bestimmt:
Josef Fischer in die Hölle! Alle anderen in's Paradies...

Überflüssige vom prekair-camp Reddebeitz
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Ergänzungen

Die Polizei ist überflüssig!

A.C.A.B. 10.08.2005 - 09:29
Die AktivistInnen wurden während Fischer noch sprach in einer Seitenstraße von der Polizei gestoppt und ihre Personalien wurden kontrolliert. Vorwand war das Flugblatt, mit dem eine angeblicher Verstoß gegen das Pressegesetz konstruiert wurde. Ein Bulle sprach von einer "Straftat". Ist natürlich Quatsch, wäre höchstes eine Ordnungswidrigkeit.
Eigentlich hatte die Polizei vor, die AktivistInnen im Anschluss an die Veranstaltung "unauffällig" zu kontrollieren, da ein Zusammenhang mit einer Aktion in Lüchow (Wendland) vermutet wurde.

Die Richtung stimmt...

oj 10.08.2005 - 15:52
Eine wahlkampfveranstaltung ist genau der richtige ort, um "nur" dagegen zu sein (eine eindrucksvolle liste wogegen, enthält ja das flugblatt). Besonders den Grünen und ihrem "Spitzenkandidaten" ihr dummdreistes Lavieren zwischen "linken" Phrasen und knallhartem "Reform"kurs um die ohren zu hauen ist NICHT ÜBERFLÜSSIG!

Noch 'ne Namenskorrektur

weder / noch 11.08.2005 - 03:31
Joseph ist der korrekte Name.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@Jo — Josiphine

Namenskorrektur — Nicht Josef