Durchsuchung bei Labournet vor einem Monat

soli 04.08.2005 00:53 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe
Mit einem fadenscheinigen Vorwand wurde vor etwa einem Monat, am 5. Juli 2005, in Bochum eine Hausdurchsuchung bei Labournet durchgeführt.
Es wurden sämtliche Computer (Laptops, Server, Ersatzgeräte), viele CD-ROMs, Disketten und Teile des archivierten Schriftverkehrs beschlagnahmt. Ein Skandal: Bis heute wartet Labournet vergeblich auf die Herausgabe der beschlagnahmten Dokumente.

mehr Infos über die Beschlagnahme bei Labournet | Solierklärungen | Pressespiegel
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Labournet-Chefredakteurin Mag Wompel hat sich ihren Urlaub anders vorgestellt. Während sie sich in der Sonne erholte, brach die Polizei am 05.07.2005 um 6:30 Uhr morgens in ihre Wohnung ein und führte zeitgleich beim Labournet- Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Schaumberg und beim Redakteur Ralf Pandorf in Bochum eine Hausdurchsuchung durch. Der Vorwand: Verdacht auf Urkundenfälschung.

Labournet Germany ist ein Webseitenprojekt der gewerkschaftlichen Linken, versteht sich als "Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch", ist Teil von weltweiten Labournet-Initiativen und will neue Technologien für emanzipative Bestrebungen nutzen.

Als Vorwand für die Hausdurchsuchung diente ein Flugblatt. Im Dezember 2004 tauchte in Bochum ein Schreiben mit dem Briefkopf der Bochumer Agentur für Arbeit auf. Darin wurde behauptet, dass ab sofort auch private Haushalte 1-Euro-JobberInnen einstellen können und sich bei der zuständigen Arbeitsagentur melden sollen.
Ein "Kommando Paul Lafargue" (Autor von "Recht auf Faulheit" im Jahre 1883) verfaßte ein Bekennerschreiben und verwies darin auf die Agenturschluß-Kampagnen-Seite bei LabourNet.de.

Die Bundesagentur für Arbeit Bochum erstattete am 23.12.2004 Strafantrag gegen Unbekannt und leitete damit das Verfahren ein, das zu den Hausdurchsuchen gegen Labournet.de führte. In dem Dokument der Arbeitsagentur heißt es: "(…) In letzter Zeit sind in Bochum Schriftstücke mit dem Betreff "Arbeitsgelegenheiten in Privathaushalten" aufgetaucht, die nicht von der Agentur für Arbeit Bochum veranlasst und verteilt wurden. In diesem Schriftstück sind neben fachlich unhaltbaren Inhalt mehrere Formfehler zu bemerken..." (...) "Ich stelle Strafantrag wegen aller sich rechtlich aus der Tat ergebenden Aspekte und Straftatbestände...", heißt es dann weiter.

Mittlerweile wurden die beschlagnahmten Rechner von der Polizei wieder herausgegeben, die Unterlagen aber weiterhin einbehalten.

Angesichts der Unverhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung, mit der die Pressefreiheit grob verletzt wird, drängt sich der Verdacht auf, daß es um etwas ganz anderes geht, beispielsweise eine präventive Maßnahme der Staatsmacht, um Menschen, die sich gegen Sozialabbau engagieren, einzuschüchtern.
Labournet hat nicht nur die Aktionen zum Agenturschluß akribisch genau dokumentiert, sondern auch Dokumente zu den Montagsdemos und Protesten gegen Hartz IV gesammelt.

In einer Erklärung von Labournet heißt es: "Wir halten die ganze Aktion, ihre Begründung und Durchführung für fadenscheinig. Die weitere Beschlagnahme und vermutliche Auswertung unserer Unterlagen ist ein schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit und ein Verstoß gegen die paar Rechte, die uns das Grundgesetz noch lässt."

Labournet.de ruft dazu auf, Protestfaxe und -mails an das zuständige Amtsgericht und die zuständige Staatsanwaltschaft in Bochum zu schreiben. Das wurde auch schon eifrig gemacht und zeigt Wirkung. Außerdem wird wegen der hohen Kosten zu Spenden aufgerufen. Bei Labournet gingen zahlreiche Solidaritätsbekundungen ein.

mehr Infos:Kann denn Flugblatt Sünde sein?
Unsere Akten haben wir immer noch nicht zurück (Interview mit Mag Wompel)
Schlag gegen die Pressefreiheit (SoZ, August 2005).
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Ergänzungen

1 Jahr Protest gegen Hartz IV

Ergänzende 04.08.2005 - 21:59

hmmmm

elfboi 07.08.2005 - 19:33
Wenn man sich an das halten kann, was ich bisher von derartigen Beschlagnahmen gehört habe, dann kann es eventuell sogar zwei oder drei Jahre dauern, bis das Material wieder herausgerückt wird - und damit, daß es noch intakt ist, kann man auch nicht unbedingt rechnen.

Achtung systematische Datensammlung!

n3rd 09.08.2005 - 18:37
Das ist nur ein weiterer Fall in der momentan zu beobachtenden Tendenz der systematischen Informationsbeschaffung durch die Staatsmacht. Es ist also scheinbar in Mode gekommen, bei Leuten mit potenziell interessanten Informationen, unter irgendwelchen fadenscheinigen Vorwänden, "Hausbesuche" zu machen und die Computer einzusammeln.

Das wird in diesem Fall auch dadurch deutlich, das die Computer bereits wieder herausgegeben wurden (die Festplatten lassen sich leicht kopieren), die Unterlagen aber noch nicht, denn die auszuwerten dauert eben seine Zeit.

Das Ziel der Sammelei ist natürlich die Repression zu verbessern, also behindert diese Datensammelei so gut ihr könnt und schützt eure persönlichen Daten vor um Zugriff durch Unbefugte!
Neben dem erfreulicherweise zunehmenden Einsatz von PGP/GnuPG solltet ihr als Aktivisten auch zusätzlich freie Festplattenverschlüsselungssoftware wie Truecrypt  http://www.truecrypt.org/ oder die Linux device-mapper Verschlüsselung mit LUKS  http://luks.endorphin.org/dm-crypt einsetzen.

Achtet beim Einsatz daruf, das die Daten nicht in temporären Verzeichnissen in unverschlüsselter Form zwischengelagert werden, also benutzt unter Windows vorzugsweise eine eigene Partition für die verschlüsselten Daten.

Hausdurchsuchung

tipklio 10.08.2005 - 00:08
Ein paar Tipps bei einer Hausdurchsuchung:

1.) Die Beamten werden, abgesehen von "Gefahr in Verzug", nicht vor 4 Uhr morgens erscheinen.

2.) Bei einer Hausdurchsuchung habt ihr das Recht das Durchsuchungsschreiben gründlich durchzugucken. Solange dürfen die Bullen nicht rein.

3.) Zwar heißt es Hausdurchsuchung, aber die Orks dürfen in den seltensten Fällen das ganze Haus durchsuchen. Im Durchsuchungsbefehl steht, was sie genau betreten dürfen. Zudem solltet ihr genaustens überprüfen, welche Beamten (Namen) durchsuchen.

4.) Während der Hausdurchsuchung seid ihr nicht verpflichtet, irgendwo sitzenzubleiben. Ihr könnt euer Haus/Wohnung begehen wie ihr wollt. Dies ist wichtig, weil ihr euren Anwalt anrufen solltet und ihr unbedingt bei allem, was die Orks durchsuchen und sicherstellen bzw. sogar beschlagnahmen, dabei sein solltet.

5.) Ihr seid nicht verpflichtet, den Bullen zu helfen (indem ihr sie z.B. auf weitere Dokumente etc. aufmerksam macht).

6.) Nach der Durchsuchung habt ihr das Recht auf ein Protokoll und eine Kopie des Durchsuchungsschreiben (beides muss mit amtlichen Stempel versehen sein). Im Protokoll muss genauestens stehen, was sichergestellt bzw. beschlagnahmt wurde.

7.) Ihr werdet gefragt, ob ihr mit der Durchsuchung einverstanden seid. In diesem Fall niemals "Ja" sagen, weil ihr eure beschlagnahmten Sachen nicht mehr so schnell oder nie mehr wieder seht.

8.) Wendet euch sofort an euren Anwalt oder an die "Rote Hilfe".

Solidarität mit LabourNet & anti atom aktuell

Bernd (GWR Münster) 22.08.2005 - 13:07
Kurz nach dem Angriff gegen LabourNet hat es eine weitere Razzia gegen ein anderes Alternativmedienprojekt gegeben, gegen die anti atom aktuell (aaa).

Am 10. August 2005 durchsuchten mehr als 40 PolizistInnen die Redaktionsräume der aaa im wendländischen Tollendorf. Sie beschlagnahmten alle Computer, zahlreiche Unterlagen, CDs und Disketten dieser bundesweiten "Zeitung für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen".

Die aaa ist seit ihrer Gründung 1989 ein wichtiges Sprachrohr der Anti-Atombewegung. Hier werden Aufrufe und Erklärungen unterschiedlicher Anti-Atom-Initiativen dokumentiert und unzensiert zur Diskussion gestellt.

Diese freie Kommunikation ist der Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge.
Im Durchsuchungsbefehl vom 8.8.05 heißt es:

"Der Beschuldigte steht im Verdacht, öffentlich und durch Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat aufgefordert zu haben, indem er auf der Internetseite zum Prekär Camp eine 'Yomango-Aktion' am 10. August 2005 angekündigte. 'Yomango' steht in der spanischen Umgangssprache für: 'Ich stehle'. Unter der Kategorie 'Plakat und Aufruf' wird für die Teilnahme am Prekär Camp vom 5.-15. August geworben. Unter der Überschrift 'Es gibt was zu tun' wird das vorläufige Veranstaltungsprogramm mitgeteilt, in dem für den 10. August 2005 eine 'Yomango-Aktion' angekündigt wird. Domain-Inhaber der Webseite ist der Beschuldigte. Insoweit besteht der Tatverdacht, dass dieser die Aufforderung auf der Homepage öffentlich verbreitet."

Den zum Vorwurf gemachten Aufruf zu einer strafbaren Handlung gibt es nicht.

"Die Polizei war weder zur Vereitelung noch zur Aufklärung von Straftaten unterwegs; dieses Rollkommando hat die Gelegenheit genutzt und sich als strafende Exekutive aufgeführt, in der Hoffnung, nebenbei noch dies oder das Gerichtsverwertbare zu finden", beklagt Elisabeth K. diesen massiven Einbruch in die Privatsphäre. "Die Vertraulichkeit der Information, das Redaktionsgeheimnis, die Arbeit der Presse allgemein steht unter dem Schutz der Verfassung. Was Staatsanwaltschaft, Polizei und Gericht davon halten - vor allem, wenn es um Medien sozialer Bewegung geht - haben sie mit ihrer Aktion überaus deutlich gemacht."

Die Razzien gegen LabourNet und aaa sollen Menschen einschüchtern, die sich gegen Sozialkahlschlag und Atomstaatspolitik wehren.

Wir solidarisieren uns mit aaa und LabourNet und protestieren gegen diese massiven Angriffe auf die Pressefreiheit. Alle beschlagnahmten Materialien müssen umgehend zurückgegeben, alle gemachten Kopien vernichtet und alle Verfahren sofort eingestellt werden! Schluss mit Repression und Einschüchterung!

P.S.: Die Repression gegen aaa und LabourNet muss im Zusammenhang gesehen werden. Und es wäre schön, wenn das auch auf der indymedia-Startseite so sichtbar wäre, wenn Ihr auf der Startseite mehr Infos auch zur Repression gegen die aaa hier bringen könntet.

Solidarische Grüße,
Redaktion Graswurzelrevolution

Mehr Infos:
 http://www.graswurzel.net/news/aaa-soli.shtml

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Wieso "auch in Bochum"?! — sprockhövel