Autonomiestaat Spanien im Umbruch

Ralf Streck 03.08.2005 16:32 Themen: Weltweit
Spanien befindet sich im Umbruch. Die Basken begannen die begrenzte Autonomie in Frage zu stellen. Die Linksregierung Kataloniens steht deshalb vor der Zerreisprobe und auch für die neue Regierung in Galicien wird die Frage zur Nagelprobe.
Am vergangenen Freitag rutschte die linke katalanische Regionalregierung in eine ernste Krise. Zwar hat das neue Autonomiestatut die Kommission des Regionalparlaments passiert, doch die Sozialisten (PSC) haben angekündigt, es in dieser Form im Parlament im September abzulehnen. Der Text wurde ohne die Stimmen des Ablegers der spanischen Sozialisten (PSOE) angenommen. Doch die bilden mit der Republikanischer Linken Kataloniens (ERC) und die Initiative für Katalonien/Grüne (ICV) die Regierung.

Zustimmung bekam der Entwurf neben der ERC auch von den konservativen Nationalisten der Konvergenz und Einheit (CiU). Deren Stimmen sind ohnehin nötig, um das neue Statut im Parlament zu beschließen. Die CiU hatte ein eigenständiges Finanzierungssystem für Katalonien als "historisches Recht" gefordert, wogegen sich die Sozialisten sträuben. Denn es ist klar, dass dann nicht mehr so reichlich Geld nach Madrid fließt. Die Katalanen sind schon lange sauer, dass Madrid nicht einmal Zahlen darüber vorlegt, wie stark die Katalanen den Zentralstaat finanzieren. Zu den historischen Rechten zählen die Linksnationalisten der ERC und die CiU auch das Selbstbestimmungsrecht. Insgesamt sträubt sich die PSC gegen 38 der 57 Artikel des neuen Statuts, in denen die Kompetenzen definiert werden.

Die PSOE wirf der ERC "untreue" gegenüber der Regierungskoalition vor. Der ERC-Chef Josep Lluís Carod-Rovira gab zurück, seine einzige Treue gelte "Katalonien". Für die Anerkennung seiner Rechte sei er bereit, mit jedem zu paktieren, "mit dem es notwendig ist". Mit dem Hinweis auf die Zustimmung im Madrider Parlament machte Carod-Rovira klar, dass die PSOE von der ERC abhängt, weil sie keine eigene Mehrheit im Madrider Parlament hat: "In Madrid regieren einige, die uns brauchen". Die Krise in Barcelona könnte so zur Regierungskrise in Madrid werden.

Das Problem hat die PSOE nicht nur in Katalonien. Sie muss sich nun entscheiden, ob sie zu einer Dezentralisierung und zu einem föderalen System oder einem freien Zusammenschluss souveräner Gebiete bereit ist. Die PSOE braucht in Madrid die Stimmen von nationalistischen Kräften. Den Plan der Basken über eine "freie Assoziation" mit Spanien hatte sie mit gemeinsam mit der ultrarechten Volkspartei (PP) abgeschmettert, ohne ihn der zuständigen Kommission des Parlaments auch nur zur Diskussion vorzulegen. Da sie dabei mit der PP gemeinsam gestimmt hat, hatte sie gegen den Pakt mit ERC verstoßen, denn die Katalanen sehen die Postfaschisten nicht als eine normale demokratische Partei an, weshalb Bündnisse mit ihr ausgeschlossen seien, hieß es im Koalitionsvertrag in Katalonien.

Der Verfassungsrechtler Miguel Herrero Rodríguez de Miñón, der die spanische Verfassung nach dem Ende der Franco Diktatur mit ausgearbeitet hat, hält den Plan für "legitim" und "sehr moderat". Er widersprach kürzlich den Anwürfen von PSOE und PP, er sei verfassungswidrig und setze auf Sezession. Auch dem katalanischen Entwurf werfen beide Verfassungswidrigkeit vor. Dabei machte der Verfassungsvater auch deutlich, dass die Verfassung einen eigenen Artikel enthalte, der ihre Anpassung an neue Realitäten erlaubt. Sie sei nicht unveränderbar, wie gerne vorgeschoben wird. Dass sich die Regierung in Madrid weiter weigert, fast 40 Kompetenzen an die Basken zu übertragen, die ihnen vor 25 Jahren mit der Autonomie auf dem Papier gewährt wurden, versteift die ERC und CiU gegenüber den Sozialisten.

Die PSOE hat aber nun ein weiteres Autonomieproblem am Hals. Gerade kam die Linksregierung in der autonomen Region Galicien ins Amt, die erstmals die ultrarechte in deren Hochburg knapp abgelöst hat. Zuvor machte der Nationalistische Block Galiciens (BNG) klar, dass eine Ausweitung der Autonomie und ein neues Statut anstehen. Ende Juli forderte der Führer der Linksnationalisten und Vizepräsident der neuen Regionalregierung am Tag Galiciens: "Einen Sprung voran bei der Panzerung der Macht der Galicier." Die neue Regierung werde dem "Statut für die Nation" Priorität zukommen lassen. Der sozialistische Regierungschef Emilio Pérez Touriño versprach, Galicien werde die erste Region mit einem neuen Statut sein. Das hatte der katalanische Sozialist Pasqual Maragall bei der Machtübernahme vor knapp zwei Jahren auch versprochen. Wie dort wird die Zentrale in Madrid weiter versuchen auf die Bremse zu treten.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 03.08.2005
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