Caballito Arbeiter resümieren

Ralf Streck 28.07.2005 16:04 Themen: Soziale Kämpfe
Die seit 21 Monaten streikenden Arbeiter aus der baskischen Stadt Gasteiz (span. Vitoria) haben ihre Reise zum deutschen Stammwerk als Erfolg bezeichnet. Entsetzt waren sie vom IG-Metall Betriebsrat von Pferd-Rüggeberg, der sich hinter die Firmenleitung gestellt hat, machten sie auf einer Pressekonferenz am Dienstag nach ihrer Rückkehr deutlich.
Erschöpft aber zufrieden, so kann man die Situation der 60 Caballito-Arbeiter bezeichnen, die eine Woche in Marienheide im Bergischen Land protestiert haben. Am Dienstag haben die Gewerkschaften, welche die 114 Streikenden vertreten, in Gasteiz über den Protest vor dem Stammwerk Bilanz gezogen. Dass die Brüder Rüggeberg, die das multinationale Unternehmen leiten, sie nicht empfangen haben, habe kaum Bedeutung.

Das sei nicht das "Hauptziel" Reise gewesen, erklärte Pablo Gutiérrez von der baskischen Gewerkschaft ELA, bei der meisten Streikenden organisiert sind. Das zeige nur die "Unfähigkeit" der Firma einen Konflikt zu lösen. "Wir haben unsere Bereitschaft über eine Einigung mitgeteilt, die beide Seiten zufrieden stellt" sagte der ELA Vertreter Gurutz Gorraiz. Man hoffe nun, nach der Sommerpause an den Verhandlungstisch zu kommen.

Mit dem Verteilen von 30.000 vierseitigen Flugblättern sei es gelungen, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen. Man sei von der Bevölkerung "mehr als korrekt" behandelt worden, die nun die Realität kennen gelernt habe, wie die Firma Pferd-Rüggeberg jenseits der Grenze mit ihren Arbeitern umspringe. Die Firma wurde gezwungen, in einem Schreiben an die Bevölkerung der Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern, die Streikenden der "Lüge" zu bezichtigen.

Zwar liegt dem Autor dieses Schreiben nicht vor, aber es ist leicht auszumalen was die Firma schreibt, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Im Vorfeld hatte gewalttätige baskische Horden an die Wand gemalt, die noch dazu von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU unterstützt würden. Gegenüber der Lokalzeitung hatte die Geschäftsführung von einem "politischen Konflikt" geredet, so als hätte sich der Streik nicht an ihrer Weigerung entwickelt, auch nur über einen neuen Tarifvertrag zu verhandeln. Der größten baskischen Gewerkschaft ELA wurde vorgeworfen, sie wolle "ein Exempel" statuieren. Dabei geht es unter anderem auch darum, dass die Firma sogar einer Frau wegen "Unproduktivität" gekündigt hat, weil sie schwanger wurde.

Dass die Firma keinen Kündigungsschutzprozess gewonnen hat, im Streik hatte sie sogar den Betriebsratschef Joseba Leza vor die Tür gesetzt, sagt die Betriebsleitung nicht. Stille wahrt sie auch darüber, dass sie mehrfach vor Gerichten wegen Verstoß gegen das Streikrecht zu schmerzhaften Geldstrafen und Entschädigungen an die Streikenden verurteilt wurde. Statt dessen wird behauptet, die Streikenden widersetzten sich einer Flexibilisierung der Arbeitszeit und forderten exorbitante Lohnerhöhungen und Abfindungen.

Auch in der lokalen Zeitung spiegelt die Wirkung der Reisenden. Vor der Ankunft zeigte sich "Oberberg Aktuell" besorgt, um den Frieden in Marienheide, das 40 Jahre nicht mal einen Streik erlebt hat. Die Berichte änderten sich im Laufe der Besuchswoche. Die Zeitung stellte die Friedfertigkeit heraus und berichtete plötzlich über Kündigungen, Sozialplan und Frühverrentung, worum sich der Konflikt dreht. Knackpunkt sei, dass die Firma die Mitarbeiter 140 Stunden pro Jahr mehr arbeiten und auf 1.200 € Lohn im Jahr verzichten lassen wolle. Gleichzeitig sollen Stellen abgebaut werden. Der Betriebsrat will statt dessen die vorhandene Arbeit auf alle verteilen und Kündigungen sozialverträglich nach geltenden Gesetzen regeln.

Ungeprüft wird auch nicht mehr die Betriebsleitung zitiert, wonach ein Abkommen mit der spanischen Gewerkschaft Arbeiterunion (UGT) von ELA torpediert worden sei. Der Geschäftsführer Jörn Bielenberg hatte behauptet, die UGT sei die größte Gewerkschaft Spaniens. Er suggerierte, die Streikenden seien in der Minderheit. Doch die UGT ist bei weitem nicht die größte spanische Gewerkschaft und vertritt bei Caballito nur eine Handvoll Arbeiter. Nachdem ihrem Profilierungsversuch, der Betriebsversammlung und allen übrigen Gewerkschaften ein Separatabkommen aufzuzwingen, dass zwei gekündigten Frauen ausschloss, arbeiten ihre Mitglieder als Streikbrecher. Ruhte zuvor die Produktion der Schleifscheiben, kann mit den UGT-Arbeitern und Sonderschichten in Marienheide und Südafrika der Ausfall nahezu aufgefangen werden. Das zieht den Konflikt in die Länge.

Den Betriebsratschef Leza schmerzt, dass auch der IG-Metall Betriebsrat sich hinter die Geschäftsführung stellte und die baskischen Kollegen nicht einmal angehört hat. Der Betriebsratsvorsitzende Rolf Meurer erklärte: "Wir haben entschieden, den Streikenden keinerlei Unterstützung zukommen zu lassen". Die Angelegenheit könne nur mit der Geschäftsleitung und den Verhandlungsführern in Spanien geklärt werden.

Treffen mit Arbeitern im Stammwerk gab es trotzdem, wenn sie auch heimlich stattfanden, um repressiven Maßnahmen zu entgehen. Auch in Marienheide brodelt es, Kündigungen hingen in der Luft. Sollte der Konflikt nicht gelöst werden, schlossen die Streikenden eine weitere Reise nicht aus. Die IG-Metall bliebe außen vor, weil sie quasi nichts für die Kollegen getan habe. Solidarität hätten nur linke Gruppen wie die FAU gezeigt, auf die man sich verlassen könne.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 28.07.2005
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