Undercover gegen GlobalisierungskritikerInnen

Peter Nowak 28.07.2005 03:00 Themen: Globalisierung Medien Repression Weltweit
Undercover gegen die Bewegung

Wie eine rechte Massenzeitung in Schottland Polizeiarbeit macht
- Ein Nachtrag zu den Globalisierungsprotesten in Schottland
Die englische Zeitung „News oft the World“ ( http://www.newsoftheworld.co.uk/) sieht in der Aufmachung und im Layout aus wie die Bildzeitung in
Deutschland. Auch politisch dürfte es viele Überschneidung geben. Nur
begnügen sich die britischen Boulevardjournalisten nicht mit dem Abdruck von
Polizeimeldungen, wenn es um politische und soziale Bewegungen geht. Sie
übernehmen die Polizeiarbeit noch gratis mit. So rühmte sich der News oft
the World-Journalist Craig Jackson einer Undercover-Arbeit der besonderen
Art. „Unser Reporter infiltrierte die Strukturen von dissent, der
wichtigsten anarchistischen Gruppe bei den G8-Protesten Anfang Juli in
Schottland“ schreibt das Blatt. Dann folgen vier Seiten, die sich eigentlich
eher wie Polizeiakten als wie die Seiten einer Zeitung lesen. Führende
Aktivisten der linken Proteste aus Großbritannien, Griechenland und Italien
werden der Art eines Fahndungsfotos vorgestellt und in die Nähe von
militanten Aktionen gebracht. Die Fotos hat der „Journalist“ in seiner
erfundenen Rolle als linker Aktivist gemacht, der vorgegeben hat, in den
Strukturen von Dissent, dem Protestnetzwerk gegen G8, mitarbeiten zu wollen.
Außerdem hat er im Text zu einigen Aktivisten weitere Angaben, wie Alter und
Wohnort gemacht. Wahrscheinlich sind das die Informationen, die ein
vermeintlicher Sympathisant schon mitbekommt, wenn er in den Strukturen
arbeitet. Daneben scheint Jackso auch Zugang zu dem Email-Verkehr zwischen
linken Gruppen aus Schottland und dem Ausland bekommen haben. So werden
Ausschnitte aus Anfragen nach Schlafplätzen und den politischen Bedingungen
vor Ort in dem Blatt zitiert.

Angereichert ist der Beitrag mit der üblichen Sprache rechter Hetzmedien. So
darf der Begriff „Black Block“ nicht fehlen. Das ist dem Gipfel 2001 in
Genua ein immer wieder gern gebrauchtes Schlagwort gegen linke Gruppen.
Legal arbeitende linke Gruppen aus Großbritannien und dem Ausland werden in
dem Artikel als kriminell und terroristisch bezeichnet. Auch der Begriff des
„Europäischen Anarchistischen Terror-Netzwerk“ fällt. Diese neue
Wortschätzung dürfte wohl bald in den Sprachschatz von internationalen
Staatsschutzbehörden und ihren Computern eingehen.
Methoden wie die von Craig Jackson sind sicher nicht ungewöhnlich in einer
Zeit, wo sich nicht wenige JournalistInnen als Sprachrohr des Staates und
seiner Interessen gerieren. Im Zeitalter des Medienaktivismus, der auch
viele linken Gruppen erfasst hat, haben es solche Leute einfacher, an
Informationen zu kommen. Weil eben die Gruppen nicht mehr so verschlossen
wie früher sind, ist man auch nicht mehr so misstraurig gegenüber neuen
Ansätzen.


Das ist ja insgesamt eine positive Entwicklung. Doch trotzdem muss man sich
gegen Methoden a la „News oft the World“ wehren. Das ist im Interesse der
Bewegungen aber auch von JournalistInnen, die sich nicht als
StaatsschutzschreiberInnen verstehen.

Peter Nowak
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Ergänzungen

Schnews Kommentar dazu...

recherche-paul 29.07.2005 - 01:33
Schnews kommentiert den Artikel in der recht lesenswerten Presseschau nach den Protesten so:

Den Vogel abgeschossen hat der "News of the World" Artikel am 10. Juli über ihren "Agenten", der undercover auf dem Stirling Camp war, um zu zeigen, dass die Anarchisten eine gewaltätige Riot planen. Der Artikel benennt die "Anführer" und zeigt Photos von ihnen, die offensichtlich jeden in Europa aller politischer Schatierungen dazu aufgerufen hatten sich dem Spass anzuschliessen. Für sie war das Dissent Netzwerk eine "gut ausgestattete internationale Organisation darauf ausgerichtet zu stören und mit dabei war auch noch das französische "Europäische Anarchistische Terror Netzwerk", zusammen mit rechtsextremen Gruppen, wie den italienischen Ultras und sogar der berüchtigten Nazi Schlägertruppe Combat 18...

Ich glaube damit dürfte genug über die Qualität dieser unglaublichen Untergrundrecherche gesagt sein. Aber ihr seht, es hat seinen Grund, warum Leute keine Lust haben auf Fotos auf Indy, die nicht unkenntlich gemacht wurden, oder das Fotographieren auf den Camps.
So noch das englische Original nachgeschoben... ich tue mich immer schwer mit dem Übersetzen von Schnews slang.

Taking the biscuit was News Of The World’s article on July 10th about their ‘mole’ who went undercover at the Stirling camp to expose the ‘anarchist thugs’ plotting a violent riot. The article names and photographs the ‘ringleaders’ who had apparently called on every yob across Europe of all political stripes to join in the fun. To them the Dissent Network was a ‘well funded international organisation hell-bent on causing disruption’, and they were joined by the French ‘European Anarchy Terror Network’, along with far right groups like the Ultras - Italian football hooligans - and even the infamous Nazi hate-gang Combat 18. (In truth if any fascist groups had shown their faces they wouldn’t have lasted five bloodied minutes).