Wohnen als Luxus in Spanien

Ralf Streck 23.07.2005 12:26 Themen: Soziale Kämpfe
Die Wohnungspreise im spanischen Staat schießen weiter in die Höhe. In sieben Jahren sind die Preise 14 Mal stärker gestiegen als die Löhne. Damit steigt die Verschuldung der privaten Haushalte weite an und erreicht immer gefährlichere Ausmaße. Selbst das Ministerium für Wohnungsbau gibt in den gestern vorgelegten Zahlen zu, dass die Preise weiter heftig steigen. Im ersten Quartal des laufenden Jahres seien sie wieder um fast 13,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (15,5) gestiegen. Das, so die positive Interpretation des Ministeriums, bestätige den positiven Trend einer Abschwächung.
Es bleibt, die Zahlen unabhängiger Finanzinstitute abzuwarten. Ohnehin hätte sich nur der Preisanstieg etwas abgeschwächt. Faktisch ergibt sich sogar aus diesen Zahlen eine Erhöhung über die Zinseszinsformel. Nimmt man einen Preis von 200.000 Euro für den Wohnungskauf an, stieg der Preis von 2003 auf 2004 um 31.500 Euro. Da die Wohnung 2004 schon 231.500 Euro kostete, beträgt die Steigerung nun 31.715 Euro. Liegt effektiv also 215 Euro darüber. Hinzu kommt, dass die Familien über die Inflation weiter an Kaufkraft verloren haben. Die meisten Tarifverträge orientieren sich an der Inflation, die von der Regierung prognostiziert wird: zwei Prozent. 2004 lag sie bei 3,4 Prozent. Die neue Prognose ist schon in den ersten sechs Monaten gerissen worden. Wegen hoher Ölpreise dürfte die Inflation am Jahresende bei vier Prozent liegen.

Steigende Preise bei fallender Kaufkraft schlagen sich bei den Schulden nieder. Mit fast 600 Milliarden Euro hat die Verschuldung privater Haushalte fast 75 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes erreicht und ist im vergangen Jahr um fast 17,5 Prozent gestiegen.

Eine Wohnung ist ein Luxusgut im spanischen Staat. Die größte Gewerkschaft hat letzte Woche eine Studie veröffentlicht, demnach sind die Wohnungspreise zwischen 1987 und 2004 gleich 14 Mal stärker gestiegen als die Löhne. Für die Arbeiterkommissionen (CCOO) eine „sehr beunruhigende Tendenz“. Die Inflation rausgerechnet, kosteten Wohnungen nun 130 Prozent mehr als 1987, die Löhne seien aber nicht einmal um zehn Prozent gestiegen.

Das hält kein normaler Haushalt aus. Wie dramatisch die Situation für viele Familien ist, die kaum mehr über die Runden kommen, kann an der Verschuldung mit Überziehungskrediten auf dem Girokonto abgelesen werden. Die hat sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, verdoppelt und ist bei über 20 Milliarden Euro angelangt. Da dafür hohe Zinsen bezahlt werden müssen, zieht sich die Schlinge noch schneller zu.

Eigentlich fehlt für den Kollaps nur eine Anhebung der Kreditzinsen, vor der alle Finanzinstitutionen weltweit Spanien warnen. Die Notenbank der USA hat schon neun Mal in Folge die Leitzinsen erhöht. Da die Kredite in Spanien fast alle mit variablen Zinsen vergeben werden, würde das die Immobilienblase sofort mit ungeahnten Folgen für die Gesamtwirtschaft zum Platzen bringen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 21.07.2005
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