69 Jahre und kein bisschen Gerechtigkeit

Ralf Streck 20.07.2005 09:59 Themen: Repression Weltweit
Vor 69 Jahren haben Spaniens Generäle gegen die Republik geputscht und dem Land 40 Jahre Diktatur beschert. Zum Jahrestag am Montag stellte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) eine Studie vor und forderte die sozialistische Regierung auf, die seit 16 Monaten im Amt ist, endlich die Opfer zu rehabilitieren. Es müsse Schluss mit dem "Schweigen und der Ungerechtigkeit" gemacht werden, welche Zehntausende Tote, Verschwundene, Gefolterte und Inhaftierte bis heute umgibt. "Alle Regierungen Spaniens haben die Opfer des Bürgerkriegs und des Franquismus völlig vergessen und in der völligen Verschwiegenheit gelassen", stellt die 78seitige Studie fest.
So kritisiert AI auch, mit Ausnahme des Baskenlandes, müssten die Opfer bis heute die DNA-Proben bezahlen, mit denen festgestellt wird, ob der Vater oder die Schwester in einem Massengrab gefunden wurde, die auf private Initiative freigelegt werden. Noch immer gibt es mehr als 30.000 "gewaltsam Verschwundene" aus der Diktatur, deren Verbleib unklar ist. "Tausenden Flüchtlingen, Exilanten, Opfer von Folter und ihre Familien haben bisher keine moralische oder materielle Wiedergutmachung erhalten", resümierte der AI-Präsident Esteban Beltrán.

Vor einem Jahr hatte das Madrider Parlament, auf Antrag von drei nationalistischen Parteien aus dem Baskenland und Galizien einen Antrag debattiert und verabschiedet, damit den Opfern eine "moralische und ökonomische Anerkennung" garantiert wird. Da der keinen Gesetzescharakter hatte, tun die Sozialisten nichts.

AI fordert, eine spezielle Staatsanwaltschaft zur Untersuchung der Verbrechen einzurichten. Das Amnestiegesetz von 1977 habe dazu geführt, dass den "Tätern vergeben und die Opfer vergessen wurden". Der Ex-Korruptionsstaatsanwalt Carlos Jiménez Villarejo erklärte bei der Vorstellung der Studie, die Verbrechen seien schon deshalb nicht verjährt, weil noch immer viele Opfer nicht gefunden seien.

Einen kleinen Schritt zur Gerechtigkeit wurde am Jahrestag im Regionalparlament von Galizien vollzogen. Erstmals steht dem Parlament nicht mehr die Volkspartei (PP) vor, die sich nie von der Diktatur distanziert hat. Sie wurde vom Franco-Minister Manuel Fraga Iribarne gegründet. In ihr haben sich die Franquisten nach dem Tod des Diktators gesammelt. Nach 16 Jahren als Regierungschef wurde der 83jährige im Juni abgewählt. Das er auf die Anklagebank kommt ist unwahrscheinlich, obwohl er auch für Morde nach der Diktatur direkt verantwortlich ist. "Es muss euch egal sein, ob ihr tötet", wies er die Polizei 1976 an, eine Kirche mit streikenden baskischen Arbeitern zu stürmen. Fünf Menschen wurden getötet und mehr als 100 verletzt.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 19.07.2005
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Ergänzungen

Wo "Ausgrabungs"projekte?

xyz 21.07.2005 - 15:48
es soll auch Exhumierungsprojekte und organisierte Suchen nach unbekannten Massengräbern geben, wo europäische Freiwillige und Jugendliche mithelfen können. Gibt es hierzu Informationen?