Spanien bei Internetüberwachung vorn

RAlf Streck 19.07.2005 15:46 Themen: Medien Netactivism Repression
Die spanische Regierung baut ein Nationales Zentrum für Informationssicherheit (CSN) auf, das die Maßnahmen zentral koordiniert, die zur Überwachung der Telefon- und Internetdaten getroffen werden. Dies soll im Rahmen des EU-Projekts zur Verbesserung der Sicherheit nach den Anschlägen in London geschehen. Das der Namen ähnlich ausfällt, wie der des Geheimdienstes CNI, ist sicher kein Zufall.
Kaum hatten sich die EU Innen- und Justizminister auf einer Sondersitzung in Brüssel am Mittwoch geeinigt, noch bis im Oktober die Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten zu beschließen, schießt Spanien am Freitag vor. Schon im September soll ein Technologiezentrum im zentralspanischen Leon aufgebaut werden. Es soll „die Sicherheit dieser Technologien“ erhöhen, erklärte der zuständige Staatssekretär Francisco Ros. Koordiniert werden die Maßnahmen des Ministeriums für Industrie, Handel und Tourismus () des Innenministeriums () und des Ministeriums für öffentliche Verwaltung ().

Die Speicherung der Verbindungsdaten ist über das umstrittene Kontrollgesetz für das Internet (LSSI) schon seit 2002 geregelt (). Das LSSI wollten die Sozialisten in der Oppositionspartei eigentlich abschaffen. Seit ihrer Machtübernahme im März 2004, nach den islamistischen Anschlägen in Madrid, verschärfen sie es aber ständig.

Neben der Speicherung der Telefondaten wird auch mit der Ausdehnung der Speicherungszeit der Verbindungsdaten gerechnet. Die konservative Volkspartei (PP) wollte ohnehin durchsetzen, die Daten ein Jahr lang zu speichern. Nach massivem Widerstand der Netizen und der Netzbetreiber wurde die Speicherung auf ein halbes Jahr beschränkt. Die Netzbetreiber hatten immensen Kosten angeführt, die wegen riesiger Datenmengen anfielen.

Nach Angaben der Vereinigung der Netizen (AI/ http://www.internautas.org) zittern sie nun vor den Maßnahmen, die mittels der Terrorhysterie nun durchgepeitscht werden. ETNO ( http://www.etno.be), der Zusammenschluss der Kommunikationsriesen (Telekom, Telefónica, BT, France Telecom, Deutsche Telekom und anderer) habe sich „sehr besorgt“ über den Vorstoß gezeigt. „Es wird nicht über die Kosten gesprochen und auch werden keinerlei Entschädigungen erwähnt“. 180 Millionen Euro werden veranschlagt.

Über die Bedenken von Europa-Abgeordneten und Datenschutzbeauftragten setzen sich Innenminister Otto Schily und seine Kollegen ohnehin hinweg: „Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit“, sagte Schily zur Kritik an den Datensammlungen. Schilys britischer Amtskollege Charles Clarke, forderte als Vorsitzender des Rats eine Beschleunigung des Vorhabens.

Dabei spricht nichts dafür, dass mit derlei Daten die Anschläge zu verhindern gewesen wären. Denn in London haben offenbar bisher unbescholtene Jugendliche ausgeführt. Nach dem Massaker in Madrid blieb diese Debatte aus. Das hätte es ohne die tatkräftige Mitwirkung der Sicherheitskräfte ohnehin nicht gegeben, die die Islamisten mit Sprengstoff versorgten und technisch zur Seite standen.

Besonders auffällig ist, dass Spanien und Großbritannien nun vorschießen. Die Briten nehmen ohnehin an dem Spionagenetz Echelon teil, mit dem alle Verbindungen überwacht werden. Auch Spanien erhält seit Jahren Daten aus dem US-System. Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten wurde hier schon geschliffen  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17357/1.html und über das CSN wird das Überwachungsnetz noch enger geknüpft.

Politiker nutzen die Gunst der Stunde, um all das umzusetzen, was sonst nur schwer durchzusetzen ist. Zur Bekämpfung des islamistischen Terrors nützt das wohl nichts. So lief das schon nach den Anschlägen am 11. September in den USA, als überall Sicherheitsgesetze durchgepeitscht wurden. und Zum Beispiel hätten die Ausweise mit biometrischen Daten die Anschläge in London genauso wenig verhindert, wie die in Madrid oder New York, die Attentäter hatten gültige Papiere und Visa.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 18.07.2005
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Ergänzungen

freiheit stirbt mit sicherheit

tagmata 19.07.2005 - 16:23
Schily: "Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit"

Benjamin Franklin: "Wer bereit ist, grundlegende Freiheiten zu opfern um seine Sicherheit zu gewährleisten, verdient weder Freiheit noch Sicherheit."