Erste Verurteilung zu Anschlägen in Madrid

Ralf Streck 18.07.2005 17:26 Themen: Repression Weltweit
Der Bäcker Angel Berrueta ist das vergessene Opfer der islamistischen Anschläge vom 11. März 2004 in Madrid. Er taucht in der Statistik der 192 Toten nicht auf, in der ein Guardia Civil Beamter geführt wird, der Wochen später starb, als sich ein Teil der Attentäter in die Luft sprengte. Berrueta wurde am 13. März in seiner Bäckerei im baskischen Iruña (spanisch Pamplona) abgeschlachtet. Der Baske hatte sich geweigert, ein Plakat gegen die Untergrundorganisation ETA aufzuhängen. Die regierende Volkspartei (PP) hatte behauptet, entgegen allen Hinweisen und Dementis, die ETA sei für die Anschläge verantwortlich.
Dem erzeugten Hass der PP, die am 14. März wegen der Lügen abgewählt wurde, fiel der 60jährige Bäcker zum Opfer. Es ist das erste Urteil im Rahmen der Anschläge. Es stellt fest, dass die Frau des Polizisten habe ihren Mann und Sohn angestachelt, weil Berrueta ihr verboten hatte, das Plakat ins Schaufenster seines kleinen Ladens im Stadtteil Donibane zu hängen. Der 19jährige Sohn Miguel José schnappte sich eine Machete und schlug auf Berrueta ein. Dies hätte gereicht, um den zu töten, sagte ein Gutachter. Trotzdem feuerte der Nationalpolizist Valeriano de la Peña mit seiner Dienstwaffe noch drei Mal auf ihn.

Das Gericht in Iruña sah es in dem Urteil vom Freitag als erwiesen an, dass es sich um eine "ideologische Tat" handelte. Deshalb wurde der Polizist zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er die Tat als Staatsdiener begangen habe. Wie ideologisiert er ist, zeigte er im Gerichtsaal: Zwar bereute er seine Tat, bezeichnete den Bäcker aber als "Pro-ETA", weil er Mitbegründer der Organisation Gurasoak (Eltern) war. Die kümmert sich um baskische Jugendliche, die wegen politischer Aktionen ins Gefängnis kommen. Miguel José, laut Gutachter geistig im Zustand eines 13-jährigen, bekam 15 Jahre. Die Mutter Pilar Rubio muss für ihr Aufstacheln zehn Jahre in den Knast.

Die Familie Berrueta, die seit dem Mord vielen Repressalien ausgesetzt ist, begrüßte die Urteile, man wollte keine "Rache, sondern Gerechtigkeit für Angel", sagte die Frau des Ermordeten. Die Familie hatte milde Strafen und eine Vernebelung des politischen Hintergrunds der Tat befürchtet. Sie ist seither ständig Angriffen ausgesetzt, bekommt Todesdrohungen, die Scheiben des Ladens werden zerstört und die Autos beschädigt. Vermutet wird, dass Kollegen des Polizisten dafür verantwortlich sind.

Letztlich war gut, dass der Fall nicht vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid, sondern in Iruña verhandelt wurde. Denn auch das Sondergericht und dessen Richter Baltasar Garzón ist mit dafür verantwortlich, dass im Rahmen des "Anti-Terror Kampfs" der PP viele baskische Organisationen mit der ETA gleichgesetzt werden. Etliche hat Garzón verboten, aber in sieben Jahren ist ihm kein Nachweis über eine Verbindung zur ETA gelungen. Zerstört hat diese Politik nicht nur die Familie Berrueta, sondern auch die Familie des Polizisten, die diese Propaganda glaubte. Ungesühnt ist bis heute der Tod der Baskin Kontxi Sanchiz. Die 58jährige starb am 12. März an einer Herzattacke, als die Polizei mit Gummigeschossen auf eine Demonstration in der Stadt Hernani vorging, die gegen die Lügen der PP protestierte.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 18.07.2005
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Ergänzungen

Widerspruch

Paul 20.07.2005 - 09:47
Da sieht man, wie die Staatsanwaltschaft in Spanien arbeitet. Die hat Widerspruch eingelegt. Nicht weil ihnen die Strafe zu niedrig scheint, sondern zu hoch. Für die Frau fordert sie Freispruch. Hat man sowas mal bei einem Mitglied der linken Unabhängigkeitsbewegung gesehn?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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11/9 — also

Nichts — Paul