Streikende Basken bei deutscher Mutter

Ralf Streck 15.07.2005 10:47 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Die Mehrheit der 200 Arbeiter der Firma Caballito im baskischen Gasteiz (spanisch Vitoria) streiken seit 20 Monaten. Es ist der längste Streik im Baskenland und wohl auch im spanischen Staat. Nun tragen sie den Protest vor die deutsche Mutterfirma ins Bergische Land und sind seit gestern bei dem Schleifmittelhersteller August Rüggeberg GmbH in Marienheide, demonstrieren und fordern Verhandlungen.
Marienheide ist eine verschlafene Kleinstadt in der Nähe von Gummersbach. Doch in der Gemeinde mit etwa 15.000 Einwohnern wird derzeit ein ferner Arbeitskampf ausgetragen. Lange hatten die mehr als 100 Streikenden darüber geredet, ob sie ihren Protest vom baskischen Zweigwerk in Gasteiz vor die deutsche Mutterfirma tragen. Doch nach fast zwei Jahren Streik hat die Belegschaft keine andere Wahl, um die Firma an den Verhandlungstisch zu zwingen. So haben sich am Mittwoch etwa 60 Arbeiter in einen gecharterten Bus gesetzt, um die Bevölkerung in Marienheide, aber auch in Gummersbach, Köln und Düsseldorf über das Verhalten der Firma Pferd Rüggeberg aufzuklären.

Nur ein Mal kam es in den langen 20 Monaten zu Verhandlungen mit den Brüdern Rüggeberg, welche die Firma leiten. Im April 2004 hatte sich Tom Rüggeberg mit dem Chef der großen baskischen Gewerkschaft ELA in Verbindung gesetzt, der die Mehrzahl der Streikenden angehören, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Joseba Leza dem ND. Bei dem Gespräch sei eine Einigung in greifbarer Nähe gewesen. „Doch dann hat der lokale Chef ihm etwas ins Ohr geflüstert und nach sieben Stunden war um drei Uhr früh alles im Eimer“, sagt Leza. Siehe auch Interview  http://de.indymedia.org/2005/07/123114.shtml

Seither herrscht weitgehend Schweigen im längsten Arbeitskampf des Baskenlands. Hungerstreiks, Demonstrationen, Solidaritätsstreiks, Unterstützung durch Kulturschaffende, Sportler und Politiker, sowie Spenden aus der Bevölkerung haben geschafft, dass die Arbeiter ihre Würde gegenüber einem „kriminellen Unternehmen“ nicht aufgaben. So bezeichnen viele hier die Caballito Leitung, aber das Problem wurde bisher nicht gelöst.

„Kriminell“ wird die lokale Leitung genannt, wie gut die deutschen Chefs informiert ist, darf bezweifelt werden. Weder die Rüggebergs noch die lokale Leitung sind zu einem Interview bereit. Was aus Marienheide zu erfahren ist, weist auf eine starke Unkenntnis der Lage hin. Nichts wurde in Gasteiz unversucht gelassen, um den Streik zu brechen. Mehrfach wurde das Unternehmen sogar von Gerichten dafür verurteilt.

Zuletzt wurde die Firma im April zur Zahlung von 6000 Euro an jeden Streikenden verurteilt, weil sie deren Streikrecht verletzt habe. So hat das Sozialgericht die dauernde Drohung gewertet, die Produktion nach Polen zu verlagern. Das war eine Art Erpressung und weil die Firma nicht einmal minimale Schritte für die Verlagerung nachweisen konnte, wurde sie verurteilt. Doch nicht zum ersten Mal und wohl auch nicht zum letzten Mal, wie der Betriebsratsvorsitzende meint. Zuvor seien Urteile wegen illegaler Beschäftigung von Streikbrechern ergangen und wegen Behinderung des Betriebsrats. In Anti-Terror Manier ließ man ihn von maskierten Polizisten aus dem Betrieb werfen.

Von den Aktivitäten weiß die deutsche Bevölkerung nichts. Vielmehr, so Leza, würde mit Sonderschichten in Marienheide und Südafrika versucht, den Produktionsausfall zu kompensieren. An die Verdoppellung der Produktion, die mit dem neuen Werk in Gasteiz geplant war, ist nicht zu denken. Mit den Schleifscheiben anerkannt hoher Qualität sollte in den US-Markt eingedrungen werden.

Mit dem neuen Werk begannen die heftigen Probleme. Denn nicht nur die Produktion sollte erhöht werden, sondern die Belegschaft sollte um 25 Leute schrumpfen. „Doch über einen Sozialplan oder Frühverrentung wollte die Firma nicht mit uns reden“, erklärt der Betriebsratschef. Auch stand ein neuer Tarifvertrag seit Monaten aus. Der Betriebsrat schlug vor, die vorhandene Arbeit auf alle zu verteilen. Die Firmenleitung wollte die Stellen streichen, aber das verbleibende Personal 100 Stunden jährlich mehr arbeiten lassen. Zudem sollten sie 3000 Euro im Jahr weniger verdienen.

Das brachte das Fass zum überlaufen und der Streik begann. „Uns war klar, dass sie sich über uns lustig machen“, sagte Leza. Die Firmenleitung wunderte, dass auch die Arbeiter streikten, die schon in der neuen Fabrik arbeiteten. „Das hatten sie nicht erwartet“. Leza glaubt, man habe auf das Prinzip teile und herrsche gesetzt, weil die nicht von Kündigung bedroht schienen. Funktioniert hat das bei den Verwaltungsangestellten, die waren nicht von Lohnkürzung, Ausweitung der Arbeitszeit und Kündigungen betroffen.

Nur einer von denen, die nicht Teil des Tarifvertrags sind, streikt mit. Das Mitglied der Anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT, Teo Mateo. Voller Achtung nennt Leza seinen Kollegen, eine „Spezies Arbeiter die vom Aussterben bedroht ist“. Mateo kritisiert das Verhalten der spanischen Gewerkschaft Arbeiterunion (UGT) scharf. Die hatte im Juni 2004, obwohl sie nur wenige Arbeiter vertritt, versucht eine Separatlösung zu vereinbaren. Als deren Abkommen von der Belegschaft abgelehnt wurde, verließen die UGT-Mitglieder die Streikfront. „Das hat großen Schaden angerichtet und den Streik um viele Monate in die Länge gezogen“, sagte Mateo dem ND.

Abgelehnt wurde, weil zwei gekündigte Arbeiterinnen auf der Strecke bleiben sollen. Denn unverrückbar gilt für die Belegschaft die Forderung, deren Wiedereinstellung genauso zu erreichen, wie die Einstellung der Arbeiter, die im Streik gekündigt wurden. Alle haben die Prozesse vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Nur wurde der Firma der Firma in der zweiten Instanz frei gestellt, die Gekündigten zu entschädigen oder einzustellen. „Es kann nicht sein, dass man Leute willkürlich über den Umweg beseitigt“, meint der Betriebsratschef.

In Marienheide wollen die Streikenden mit 30.000 Flugblättern, die an alle Haushalte verteilt werden, nun auf ihre Situation aufmerksam machen. In dem Ort, wo auch die Brüder Rüggeberg wohnen, hoffen sie darauf, dass es endlich zum Dialog kommt, um den festgefahrenen Konflikt zu lösen. „Wenn die nicht zu uns kommen, müssen wir eben zu ihnen gehen“, betont Leza. Die Streikenden hoffen auch auf die Unterstützung linker Gruppen und Parteien. Treffen mit der WASG, der PDS, der SPD und der IG-Metall, sowie Globalisierungsgegnern und linken Gruppen sind vorbereitet.

© Ralf Streck, Gasteiz den 15.07.2005
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Ergänzungen

no banderas

prolet 15.07.2005 - 19:17
die freie arbeiter und arbeiterinnen union (fau) ist die einzige gewerkschaft in deutschland die den streik bei caballito von anfang an unterstützt hat.
sie tat dies weil teo mateo, mitglied der anarchosyndikalistischen cnt, sich ebenfalls im streik befindet. die cnt ist ebenso wie die fau mitglied der internationalen arbeiterinnen und arbeiter assoziation (iaa).
nach dem motto "ein angriff auf einen von uns - ist ein angriff auf alle" fühlen sich die mitglieder der fau zu praktischen formen der solidarität verpflichtet (mehr info's dazu unter  http://www.fau.org/caballito).
heute, am 15.07. war eine abordnung der fau düsseldorf bei den kollegen und kolleginnen in marienheide. zum entsetzten der fau'istas war jedoch das motto "no banderas" herausgegeben.
der hintergrund: die igm hat den arbeiterinnen und arbeitern der ela für kommenden montag eine pressekonferenz organisiert. damit die igm diese nicht kurfristig absagt wurde den unterstützerinnen und unterstüztern gesagt das sie auf jedweden fahne, transparent usw verzichten sollten. jedenfalls bis nach der pressekonferenz.

aber es gibt nicht nur in dieser hinsicht erschreckendes zu berichten.
die arbiter und arbeiterinnen des werkes in marienheide sind offensichtlich extrem eingeschüchtert.
keine/r wollte mit den fau'istas, welche sich anboten mit den arbeiter und arbeiterinnen zu reden und für diese zu übersetzten so das sie mit ihren kollegen und kollegeinnen aus vittoria reden könnten, auch nur zwei worte wechseln.

"kein kommentar" und "keine zeit" waren die sterotypen begründungen für die ablehnung. der betriebsrat von pferd hat wohl schon gestern erklärt das er nicht mal mit dem streikkomitee der ela reden wolle.

aber: pferd ist angreifbar und ich finde wir sollten alles tun um es zum schlachter zu bringen. die nächste gelegenheit bietet sich im september bei einer messe in essen.


a la huelga!!! - hasta la victoria!!!

...Infos...

muss ausgefüllt werden 18.07.2005 - 19:31
hier ein Link zu einem (älteren) Hintergrundartikel über den Streik bei Caballito
 http://anarchosyndikalismus.org/caballito.htm

Solidaritäts-Kontakt zur CNT-AIT:
CNT Vitoria - Gasteiz,
Apartado 1554,
01080 Vitoria - Gasteiz,
España,
 vitoria@cnt.es,
 http://www.cnt.es