Bevölkerungsrückgang durch Auswanderung aus D

So Ganz 14.07.2005 00:47 Themen: Soziale Kämpfe
Die Rekordzahl von 150.000 deutschen Auswanderern bedeutete 2004 für Deutschland, dass es einen Bevölkerungsrückgang verkraften musste.
Diese Menge an Fortzügen Deutscher ist größer als der Sterbefallüberschuß und übertrifft die Annahmen der Statistiker. Dies zeigen die vorläufigen Zahlen die das statistische Bundesamt am 29. Juni 2005 veröffentlichte.
Dass Ausländer, zum Teil aufgrund von menschenrechtswidrigen Abschiebemassnahmen, Deutschland verlassen, ist bekannt. So nahm der Fortzug von Ausländern im vergangenen Jahr um 9% auf 547.000 Menschen zu. Dies stand einer relativ konstanten Anzahl von Zuzügen von 602.000 Menschen gegenüber. Somit lebten Ende 2004 nur noch 55.000 Menschen ausländischer Nationalität mehr in Deutschland als zu Beginn des Jahres, der positive Wanderungssaldo von Ausländern halbierte sich.

Diese Entwicklung zeigt sich nun auch bei den Menschen deutscher Statsangehörigkeit.

Seit Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit werden Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit als Deutsche gezählt.
Trotzdem erklärt dies nicht die ungewöhnlich hohe Zahl an Fortzügen Deutscher: 151.000, 18% mehr als 2003 und sogar 31% mehr als im Durchschnitt von 1991-2002.

Diese Entwicklung überrascht auch die Statistiker: Von dem auch jetzt noch positiven Wanderungssaldo Deutscher nahmen sie an, dass er von 80.000 pro Jahr in 2003 auf 30.000 im Jahr 2010 zurückginge und erst nach zwei weiteren Stufen, im Jahr 2040, ausgeglichen sein werde.
Heute ist schon der Wert, der für 2010 geschätzt wurde, erreicht.

Auch Eurostat veröffentlichte am 8.April 2005 Zahlen, die viel harmloser klangen. Die europäischen Statistiker schätzten für 2004, dass 332.000 Menschen mehr in Deutschland lebten, und die Einwohnerzahl erst 2014 zurückgehe. Tatsächlich schrumpfte die Einwohnerzahl schon 2004 um 31.000 Menschen (lt. vorläufigen Zahlen des statistischen Bundesamtes).

Aus den Ist-Daten von 2001 entwickelte das statistische Bundesamt 2003 seine jetzt aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung. Auch in den damaligen Szenarien wurde eine solch geringer Wanderungsüberschuß nicht angenommen und konnte kaum angenommen werden: als minimaler durschnittlicher Wanderungsüberschuß wurden 100.000 Menschen angenommen,
2003 betrug der Wanderungsüberschuß noch 142.000 Menschen, 2004 aber nur noch 83.000.

Von insgesamt neun in der Bevölkerungsvorausberechnung beschriebenen Szenarien ist nun das wahrscheinlichste Szenario das, das die kleinsten Bevölkerungszahlen vorraussagt. Leider wird meist nur die mittlere Variante für Berechnungen herangezogen.

Über die Ursachen und Gründe für Auswanderung wird keine Erhebung durchgeführt. Vor einigen Jahren haben immer mehr Bundesländer die Fortzugsmotive nicht mehr erfragt, angeblich aus Datenschutzgründen, so dass die verbleibenden Daten keine Aussagekraft mehr hatten.
So gibt es zwar Marktforschung allerorten, aber warum Menschen das Land verlassen, interessiert den Staat nicht.

Folgen der Bevölkerungsentwicklung

Mit einer älter werdenden Gesellschaft müssen die Menschen in Deutschland in jedem Fall zurechtkommen, ob nun Ein- oder Auswanderung vorherrscht. Einwanderung wird diese Entwicklung nur dämpfen oder verzögern können, nicht aber verhindern, sagt das statische Bundesamt voraus.

Auswanderung aus Deutschland wurde bisher weniger betrachtet.
Sie kann ganz andere, und vielleicht viel größere Folgen haben.
Einerseits werden Menschen mittleren Alters, die jetzt auswandern, auch keine Rentner von morgen. Dies könnte die Rente der gleichaltrigen Daheimgebliebenen sichern.

Wenn andererseits sehr viele Menschen mittleren oder jungen Alters auswandern, sind im Extremfall fast gar keine jungen Menschen mehr im Land; der Altenquotient kann sehr stark steigen, stärker als er durch Einwanderung sinken könnte.
Der Altenquotient bildet das Verhältnis der Personen im Rentenalter (i.d.R. im Alter von 60 bzw. 65 Jahren und älter) zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (i.d.R. von 20 bis 59 bzw.64 Jahren) ab.

Die Folgen von Abwanderung und Veralterung lassen sich in abgeschwächter Form in der ehemaligen DDR beobachten.

Für die Länderhaushalte gibt es noch einen Länderfinanzausgleich, der allzu große Unterschiede in den Lebensbedingungen ausgleichen soll. Dies gibt es auf europäischer Ebene in dieser Form nicht.

Demgegenüber stehen einige Minderausgaben des Staates aufgrund einer Veralterung.
Positiv in der Geldbilanz ist es, dass immer weniger Kinder großgezogen und unterrichtet werden müssen. Ein Kind ist teurer als ein Rentner. Auch werden weniger Menschen staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, weil sich ein grosser Teil der Auswanderer aus Erwerbslosen zusammensetzen dürfte.

Gesellschaftlich würde es ohne junge Menschen an Ideen, Kreativität und Spontaneität fehlen. Politisch würde Opposition fehlen.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Sollte die Auswanderung aus Deutschland weiter zunehmen, kann dies das Leben in Deutschland stark verändern. Wenn die Wanderungsbewegungen so bleiben sollten wie heute, so dürften schon diese Folgen Einige überraschen.


Kommmentar:
Mögliche Ursachen


Ich nehme an, dass die wirtschaftliche und soziale Situation in Deutschland dazu führt, dass Menschen mehr Chancen, Sicherheit und Freiheit im Ausland sehen. Die neoliberale, asoziale Politik der sozial-grünen Regierung mit ihren Reformen, die den Menschen der Würde berauben, wenn sie arbeitslos sind, und sie nur anhand ihrer Arbeitsleistung misst, eine Politik, die intelligente junge Menschen frustriert in ihren Lebenszielen, die dürfte ihren Beitrag zum Bevölkerungsrückgang geleistet haben, ebenso wie die die Konjunktur abwürgende Lohnstopp-Politik von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die ausserdem zu Arbeitsplatzverlusten geführt hat.

Zudem: Hartz-IV gibt's erst in 2005, seit Januar dürfte Deutschland ein Auswanderungsland sein.

Dass in Deutschland immer weniger Frauen und Männer Kinder großziehen wollen und dass sie auswandern, hängt zusammen und hat politische Ursachen. Offen ist nur, ob die Politiker einkalkuliert haben, was sie bewirken.
Den Niedergang der Wirtschaft mussten sie einkalkulieren, der wurde ihnen von hinreichend vielen seriösen Wirtschaftswissenschaftlern im voraus klargemacht.
Aufgrund der extremen Politik in Deutschland geht es anderen europäischen Ländern wirtschaftlich relativ besser. Besser gemessen an den Einkommen der Bevölkerung und der Arbeitslosenentwicklung, nicht umbedingt gemessen an den Einkommen der Mächtigen.

Bei den Wanderungsbewegungen ist es anders.
Bevölkerungsverlust kann zu Machtverlust des einzelnen Staates führen. Hier ist eine koordinierte Wirtschafts- und Asozialpolitik nötig, um die Wanderungsbewegungen zu dämpfen, denn dann sind andere europäische Länder nicht mehr so attraktiv.
Zur Zeit ist es so, dass andere Länder in Europa gemessen an ihrem Pro-Kopf Bruottoinlandsprodukt und den Arbeitsbedingungen und -plätzen und politischer Freiheit und Strukturen mehr bieten als Deutschland.
Dem soll eine europäische "Verfassung" Einhalt gebieten und rechtsextreme Politiker a la Sarkozy in Frankreich und weite Teile von CDU und SPD arbeiten am totalen, alternativlosen, ausweglosen Europa.


Quellen:
Alles zu finden auf  http://www.destatis.de bzw.  http://www.eds-destatis.de:
Pressemitteilungen: Eurostat 48/2005 v. 8.4.2005,
Statistisches Bundesamt 29.7.2005,
10.koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung:
 http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2003/bev_2050b.htm
Kostenvergleich alt-jung:
Prof.Schubnell,  http://www.ecopop.ch/A6UEBERBEVOELK/bevolkerungsruckgang.htm

Zahlenzusammenstellung zur Ursache der wirtschaftlichen Situation Deutschlands:
 http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=37&idart=783



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Ergänzungen

Besonders jene, die anderswo Chancen sehen,..

Pawel 14.07.2005 - 01:27
Besonders diejenigen, die anderswo bessere Chancen auf Erfüllung sehen und es sich leisten (nicht nur finanziell, sondern auch in bezug auf ihre sozialen Netzwerke oder Fähigkeiten) können, gehen. Das dürfte ein großer Teil des kreativen Potentials der Bevölkerung ausmachen. Der Hauptgrund, den ich bisher ausmachen konnte, war die wachsende persönliche Unfreiheit, die Überwachung und die Kleinkariertheit, die für Deutschland immer typischer wird. Wenn aber genau jene abwandern (es gab in den 80ern nach dem Ende der Neuen Sozialen Bewegungen schon mal ähnliche Abwanderungswellen), die zum kreativen Potential zählen, dürften sich bestimmte Entwicklungen (zum Beispiel hin zum spießiegn, kleinkarierten Untertanenstaat) eher beschleunigen. Alles in allem eigentlich ein Grund auch möglichst die Koffer zu packen.

Wie war das am Ende der Weimarer Republik?

Würde mich interessieren 14.07.2005 - 01:49
Sind damals schon vor der Machtübernahme der Nazis die Künstler, Akademiker, einige Linke ausgewandert oder kam das erst ab 1933? Die BRD in den 1950er Jahren ist aber ein Beispiel dafür, wie so ein Land ohne Kreative aussehen kann.

Nicht nur die priviligierten Schichten gehen

4x-10x 14.07.2005 - 09:51
Vor gut einem Jahr ist der beste Freund meines Bruders nach Schottland ausgewandert, um Arbeit zu finden. In Schottland sucht man massenhaft unqualfizierte Arbeiter. Damals hielt man ihn für einen Idioten.

Heute ist es genau umgekehrt. Man findet in Deutschland einfach keine Arbeit mehr für "Unqualifizierte". Mein Bruder hat es ihm nachgemacht und jetzt wandert allmählich ein Großteil des Bekanntenkreises (alle zwischen 18 und 23) aufgrund einer Gesellschaft, die ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt, aus.

Ich habe das Glück studieren zu können, aber ich werde wahrscheinlich in Holland studieren, weil man hier einfach keine Arbeit für Unqualifizierte findet und ich muss als Student jobben gehen.

Auswanderung ist die optimale Lösung und so teuer ist es garnicht. Ihr müsst euch nur überlegen, dass ihr nach der Schule vielleicht jobben gehen wollt und nichts findet. Ihr fragt überall nach Arbeit nach, telefoniert nach Arbeit, schreibt Gesuche und findet trotzdem nichts. In dieser Situation kann man entweder weiter auf einen Job (oder Wunder) warten oder einfach ein bisschen Geld zusammenkratzen und auswandern.

ein silberstreif am horizont...

aak 14.07.2005 - 13:42
... sagte dazu einmal Gremliza. Und das ist es auch: die einizge realistische Möglichkeit das deutsche Projekt im moment ernsthaft gefährden zu können ist der rückgang der "deutschen" bevölkerung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz. Die Auswanderung trägt da einen schönen Teil bei.
In diesem Sinne:
Stirb langsam, Deutschland ;)

Stirbt Deutschland wirklich langsam?

Kritik 14.07.2005 - 14:08
Gremliza und andere sind immer ein bischen unreflektiert in ihren Aussagen. Wenn das kreative Potential einer Gesellschaft verschwindet, muss nicht automatisch das Land sterben. Im Gegenteil. In Deutschland gab es ja immer wieder diese Säuberungswellen (am heftigsten waren da natürlich die Nazis) und das Ergebnis war nicht der Tod des Landes. Das Ergebis war leichtere Regierbarkeit. Wenn das kreative Potential aus Deutschland verschwindet (was von vielen Politistrategen in den Parteien und der Wirtschaft gewollt ist), dann werden unsere europäischen Nachbarn wieder unruhiger schlafen. Und Parolen wie "na dann bomben wir Deutschland halt weg" sind vielleicht gut für den Bauch, aber sie sind nicht realistisch und letztlich nur Gelaber irgendwelcher Frustrierter, die längst die Hände in den Schoss gelegt haben und einem neuen Faschismus gegenüber tatenlos zusehen würden und es ja eigentlich auch tun.

überalterung

tagmata 14.07.2005 - 14:31
"Mit einer älter werdenden Gesellschaft müssen die Menschen in Deutschland in jedem Fall zurechtkommen, ob nun Ein- oder Auswanderung vorherrscht. Einwanderung wird diese Entwicklung nur dämpfen oder verzögern können, nicht aber verhindern, sagt das statische Bundesamt voraus."

nicht mehr, wenn die gesundheitsdeformen greifen. es wird von einem weiteren anstieg der durchschnittlichen lebensdauer ausgegangen, aber wie schnell so etwas bei pauperisierung bedeutender gesellschaftsschichten umkippen kann, zeigt die krasse studie "when things fall apart" von, bei allen göttern, der weltbank (zu *irgendetwas* müssen sie ja gut sein...).

Migration und Rente

. 14.07.2005 - 19:45
Es ist eigentlich müßig, über Einwanderung und Auswanderung im Zusammenhang mit Rentenpolitik zu sprechen. Denn nicht nur das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist im letzten Jahrhundert gewaltig gestiegen, sondern auch die Produktivität. Gesamtgesellschaftlich sollte mehr als genug Wertschöpfung da sein, um die wachsende ältere Bevölkerung zu versogen. Tasächlich sind die Sozialsysteme in Deutschland aber so konstruiert, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten nicht von der gesamten Gesellschaft getragen werden, sondern überwiegend von den einfachen Einkommen, also Arbeiter und Arbeiterinnen, einfachen Angestellten u.s.w.. Die aktuell akute Unterfinazierung der Rentenversicherung nur dadurch bedingt, dass aufgrund der wegen der aktuellen ökomomischen Krise einfach die Anzahl der Beitragszahler stark gesunken ist. Wenn die Rentenversicherung nicht durch 'Abeitnehmer'beiträge, sondern durch Steuern finanziert würde, die auch die Reichen entsprechend belasten, dann gäbe es kein Finanzierungsproblem.
Langfristig gilt dies genauso. Die Versorgung der Rentner sollte definitiv kein Problem sein, auch wenn es in ein paar Jahrzehnten wesentlich mehr sind. Arbeitskräfte sollten dafür genug da sein. Und selbst wenn es dafür notwendig sein sollte, dass der Staat und die öffentliche Meinung endlich ihre irrationalen Vorurteile gegen die Immigration aufgeben, um Arbeitskräfte ins Land zu bekommen, so ist dies trotzdem nicht das Problem. Das Problem sind vielmehr die Leute, die einerseits von den Arbeitenden immer wieder Entbehrungen im Namen des 'Standortes Deutschland' verlangen, die aber anderrerseits selber zu faul sind, von ihrem weit mehr als ausreichendem Einkommen einen Teil für die Sozialversicherung abzugeben.

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