Altkleidercontainer: Afrika ist überall

Armin Reich 12.07.2005 17:28 Themen: G8 Globalisierung Weltweit
Seit über 15 Jahren gehört der Altkleiderhandel zu den Ausbeutungsmechanismen in diesem Kontinent. Obwohl in mehreren Kampagnen eine Flut von Dokumenten erstellt wurde und und die Basis der Wohlfahrtsverbände mault und motzt, hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: neue "Märkte" werden angepeilt.
Das Böse ist immer und überall

Das Treffen der großen Weltenführer in Gleneagles ist vorbei. So wie sie nun ihr stilles Kämmerlein in dem schottischen Hotel verlassen, so jetten auch die zumeist jugendlichen Gipfelhopper nach Hause zurück un nun wissen wir: das Böse - es kommt aus einem kleinen Provinzstädtchen im englischen Norden, wo eine diabolische, kleine Clique die Zerstörung der Welt vorantreibt. Mitnichten! Das Böse ist mitten unter uns und so wie in den Märchengeschichten der katholischen Kirche ist es auch hier so, daß es sich unauffällig und unscheinbar gibt, so daß wir ihm arglos gegenüberstehen. Im Folgenden ist die Rede von einem würfelförmigen Stück Bösem, das eine Kantenlänge von ca. 2 Metern hat und zumeist in Elfenbein lackiert ist - Weiß mit einem Hauch Braun. Es handelt sich um die allseits bekannten Altkleider-Container, die zu Tausenden in Wohnvierteln oder auf den Parkplätzen von Supermärkten herumstehen und fleißig von entsorgungswütigen Konsumenten befüllt werden. 700 000 Tonnen Material ist das in Deutschland jährlich, davon ist etwa die Hälfte brauchbar, der Rest wandert in Reißereinen für die Produktion von Filzen oder wird vernichtet. Ein unglaublicher Vorgang: Millionen von Menschen schenken einem Industriezweig einen wertvollen Rohstoff - einfach so. Etwa 600 - 1000 Euro bringt die Tonne Rohware, die sortierten Textilien bringen etwa das Zehnfache. "Cremeware" geht für bis zu 12.000 Euro je Tonne in europäische Second-Hand-Shops. Möglich macht dies der schöne, große Aufdruck des Logos einer caritativen Hilforganisation. Er suggeriert, mit der Kleiderspende würde mensch den armen Leuten in unterentwickelten Ländern helfen.

Die große Lüge: wir helfen!

In der Tat sind Hilfsliegerungen mit Kleidern eine wichtige Maßnahme in Katastrophenfällen, doch sitzen die entsprechenden Verbände schon längst auf satt gefüllten Lagern. Angesichts des Massenverbrauchs von Textilien in unserer Gesellschaft und der sich zugespitzten Müll-Problematik ist es heutzutage zudem kaum mehr ein Problem, Kleiderspenden einzusammeln. Die Container sind in der Logistik caritativer Organisationen also eigentlich völlig überflüssig, graduell durchgeführte Straßensammlungen würden dem Bedarf gereichen. Doch es riecht nach einem Geschäft mit Provisionen und Schmiergeldern und so werden sie seit etwa den 70er Jahren mittlerweile fast ausschließlich von meist mittelständischen Sammel-Betrieben abgegrast, die für den Gebrauch des Logos und den Erhalt der behördlichen Lizenz zum Sammeln eine Gebühr an den jeweiligen Verband bezahlen. Nicht nur weil diese kräftig mitkassieren, sondern hauptsächlich weil die inflationäre Ausbreitung der Geschäftisdee ein Überangebot geschaffen hat, bleibt auf dieser Stufe des Handels wenig übrig und so ist die Sparte eine Domäne von Ex-Knackis oder Mitbürgern ausländischer Herkunft. In den englisch-sprachigen Ländern machen sich zunehmend Psycho-Sekten wie "Tvind" oder "Humana" in dem Marktsegment breit. Ihre durchgeknallten Jünger bewirtschaften die aufgestellten Container kostenlos. Bei den Großhandelsfirmen jedoch - schwerpunktmäßig in den Benelux-Ländern angesiedelt - fahren neugekaufte Gabelstapler durch moderne Lagerhallen, präsentiert von fröhlich lächelnden PR-Agenten, die ihren nagelneuen Benz auf dem reservierten Platz neben dem Haupteingang stehen haben. Die "Nachfrage" nach den Gebrauchtkleidern wächst und wächst: gerade ist die Branche mit der Verankerung von Geschäftspartnern in den Ländern der ehemaligen Ostblock-Staaten fertig geworden, da wird als neuer Markt die "Region" Asien ins Auge gefaßt. Selten verscheiern die Wohlfahrtsverbände auf ihren Webseiten diese Praxis. War in den 80ern noch von "schwarzen Schafen" und Ausnahmefällen die Rede, so wird dies heutzutage einfach so gemacht. Oft wird die Kleidersammlung inzwischen auch der Abfallentsorgung zugerechnet, auch werden mehr und mehr Container von den Gemeinden selbst verwaltet - sprich dfie Stellplätze an die Kleidersammler verkauft.

In Wahrheit: ein großes wirtschaftliches Problem

Damit kommen wir erst richtig in den problematischen Bereich: der Großteil der eingesammelten Klamotten landet tatsächlich in den ärmeren Ländern des Trikont, allerdings containerweise über Zwischenhändler auf den dortigen Märkten. Der monopolistisch gesteuerte Warenstrom läßt ein Aufkommen von Handel im ursprünglichen Sinne gar nicht mehr zu. In manchen Ländern erfolgt der Verkauf über Franchising-Ketten mit den typischen Knebelungsverträgen. So ist z.B. in Kenya eine Firma mit teilweise dreigeschossigen Shopping-Malls mit Nichts als Altkleider drin aktiv. Der Großteil des "Stoffs" wandert allerdings in die Hände dubioser Clanchefs, die ein Heer kleiner Straßenhändler beliefern, denen das Recht auf die nackte Existenz Profitrate genug ist. Mögen im reichen Westen noch psychologisch ausgebuffte Sekten-Profis nötig sein, um ein solches System zu etablieren, in vielen Ländern Afrikas ist durch die große Not kaum noch eine Altenative denkbar.

Welches Ausmaß der Handel inzwischen angenommen hat, belegt bisher einzig eine dänische Studie von 1993. Die Verfasser schätzten damals, daß 30 Prozent aller südlich der Sahara verkauften Kleidungstücke aus den Altkleidersammlungen der Intdustrienationen stammten - bei zu der Zeit stark steigender Tendenz. Die Zahl taucht auch heute noch regelmäßig - teilweise gar abgemildert - immer wieder auf und wird in neueren Studien der Branchenverbände sogar als Grundlage genommen. Verschiedene Staaten wie Südafrika oder Zimbabwe wehrten sich verzweifelt mit Einfuhrverboten gegen die Kleiderflut, doch vergeblich. Sie wurden wie üblich einfach unterlaufen.

Das Fatale: Der Altkleider-Markt ist bis zum letzten Zentimeter so ausgerichtet, das nahezu die gesamte Wertschöpfung, die aus dem Verauf an diesen Textilien in Afrika entsteht, wie mit einem Staubsauger nach Europa abgesaugt wird. Selbst das bißchen Profit, das in den Zielländern entsteht, wird vom prunksüchtigen örtlichen Zwischenhändler zum größten Teil durch den Kauf von Luxusgütern oder als Kapitalanlage wieder nach Paris oder Frankfurt zurückgeführt - gängiges Lebensmodell der afrikanischen Eliten. Als dort verbleibendes Kapital können wir dann das verbuchen, was auf den lokalen Märkten an Lebensmitteln für die Beteiligten umgesetzt wird. Unter Umständen sind dies dann noch von westlichen Steuerzahlern und Gutmenschen bereits bezahlte Weizenüberschüsse aus den USA, die dort zu Dumpingpreisen verscheppert werden, bevor sie in den Silos verschimmeln - doch das ist ein ähnliches, aber anderes Thema.

Das "Prinzip Afrika"

Zugegeben: eine in allen Punkten auf die pessimistischen Auswüchse dieses Handels gestutzte Sicht. Es gibt auch andere Beispiele. Aber sie ist leider typisch - und typisch bedeutet: in der Masse so und nicht anders.

Das aus diesen Geschäften hervorgehende Kapital für Investitionen steckt also hier in Europa in der Halle des Gewerbegebietes vor deiner Haustüre oder in der nächstbesten Autobahnbrücke. In Afrika werden lediglich ein paar Leute reich, die sich jetzt sicherlich freuen können. Strukturell bringt der Altkleiderhandel die Regionen aber kaum einen Schritt weiter. Im Gegenteil brachte die "Rot-Kreuz-Hilfe" der durch Struturschwächen und Kriege gebeutelten, vormals noch existierenden Textilindustrie gar den endgültigen Kollaps. Ohnehin zu schwach für den internationen Markt bedeutete der massive Einbruch von West-Ware in die Binnenmärkte die Schließung vieler Betriebe, mehrere Hundertausend Arbeitsplätze, vorrangig in traditionellen Manufakturbetrieben, aber auch in großen Werken, wurden vernichtet. Als es noch darum ging, die Märkte zu erobern, wurde der Sack Altkleider auch schon billiger angeboten, als ein Sack Baumwolle. Aus diesem Jammertal wird die afrikanische Textilindustrie auch angesichts riesiger Wochenmärkte mit unseren alten Anziehsachen nie wieder herauskommen.

Das Ganze ist ein Modellfall für das "Prinzip Afrika", das ein Bundesentwicklungshilfeminister mal mit dem bemerkenswerten Satz: "für jede Mark Entwicklungshilfe kommen 7 Mark wieder zurück" erklärt hat. Besonders bitter dürfte dies für die Leute in den Ländern sein, in denen viel Baumwolle, dem Grundstoff Nr. 1 für Textilien, angebaut wird. Hier sorgt die massive staatliche Subventionierung von Baumwolle vorrangig in den USA für Weltmarktpreise, für die ein Bauer in Zimbabwe eigentlich gar nicht mehr die Hacke in die Hand nehmen braucht.

Das Zeug wird übrigens nicht von bedürftigen Menschen in den Ländern gekauft, sondern von Arbeitern und der Mittelschicht - wo überhaupt noch Geld für Kleidung übrig bleibt. In der von der Branche selbst in Auftrag gegebenen SAD-Studie, von der gleich noch die Rede sein wird, geben über die Hälfte der Befragten an, daß sie die Textilien als vergleichsweise zu teuer empfinden."Heuschreckenkapitalismus der deutsch-niederländischen Schule" könnte ein national verwirrter afrikanischer Textilfabrikant sagen.

Protest, Widerstand und Abwiegeln

Das Problem ist bereits seit Ende der 80er Jahre bekannt. Seit 1992 beschäftigt sich das "Institut Südwind" damit, hat mehrere Studien und Materialien veröffentlicht und wurde so zu einem Angstgegner der Branche. Die erste Reaktion war die Gründung eines brancheninternen Verbandes "Fairwertung", der ein Unbedenklichkeitssiegel vergibt. Dieses halbherzige Wischi-Waschi-Ding, das ohnehin lediglich Fachleuten bekannt ist, führte sogar im Verband selbst zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen. Zu den Kritikpunkten sei hier nur genannt, daß eine bloße Absichtserklärung ausreichend für die Erlangung des Siegels, das neben dem gekauften Wohlfahrts-Logo auf dem Container klebt, ausreicht. Kontrollen - keine! In der Folge übernahm "Fairwertung" mehr und mehr die Argumente der unbedingten Freunde des Altkleiderhandels und heute bejubelt der Verband "Textil-Recycling" das Einstellen jeglicher Tätigkeiten bei "Faiwertung".

Die zweite Reaktion war ein Gutachten, mit dem die Verfechter des ungezügelten Handels jetzt gebetsmühlenhaft herumbeten wie ein Mönch im Glaubensrausch. Diese Studie wurde von dem eidgenössischen Verband "TexAid" beim Schweizerischen Institut für Entwicklung in Auftrag gegeben und hat die Befragung von Geschäftspartnern der Altkleider-Branche als Hauptgrundlage. Kaum verblüffend die Aussage: der Handel hat die afrikanische Textilindustrie nicht mit zugrunde gerichtet und er schafft Arbeitsplätze. Schon im Ansatz ist zu hinterfragen, ob denn die vielen Arbeitsplätze beim Textilienverkauf deswegen entstanden sind, weil die Schwarzen vorher alle nackt herumgelaufen sind. Derart lückenhaft ist auch die gesamte Studie. Mittlerweile heißt es jedoch in ganze Europa: "das mit den negativen Folgen des Altkleiderhandels stimmt nicht, weil - SAD-Studie". Auch die Bundesregierung schließt sich dem an und läßt Figuren wie den Ethnologen Hanns Peter Hahn Sätze sprechen wie "Plastiksandalen haben die Tätigkeit dieser Handwerker grundlegend verändert, ihnen aber nicht die Möglichkeit des Broterwerbs genommen".

Und schließlich kam auch die Globalisierung über uns wie Gottes Gericht dereinst am jüngsten Tag und wer da verhungert oder krepiert hat halt die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Nicht zuletzt geht es auch um angebliche 10.000 Arbeitsplätze in Deutschland und wie wir wissen, haben die ja Vorrang vor allem Anderen in der Welt. Immerhin hat sich der Staat Deutschland, der mit der Vergabe der Sammler-Lizenzen hierzulande die Monopolisierung sichert, entschlossen, was von der Knete abzugreifen: seit 1996 ist der Verkauf von Alktleidern auch für caritative Sammler nur noch bis zu einem Erlös von 30.000 Euro pro Jahr steuerfrei.

Parole: Helfen durch Handel

In den Tagen während des G8-Gipfels machten Interviews mit Journalisten und Wirtschaftsexperten aus Afrika Schlagzeilen, die provozierende, neue Töne brachten. Da wird die Afrika-Hilfe komplett als "staatlich finanziertes Euthanasieprogramm" betitelt und treffend als das gezeichnet, was es auch wirklich ist: ein einziger Hebel um die afrikanischen Eliten zu steuern, die sich diesem auch gerne unterwerfen, bedeutet es doch Macht, Ruhm und Reichtum. Im Gegenzug wurde gefordert "Hört endlich auf uns zu helfen, damit wir wieder auf die Füße kommen!" Im Spiegel wird der kenianische Wirtschaftweise James Shikwati auch in Bezug auf den Altkleiderhandel deutlich: "was sollen diese Kleiderberge? Hier friert niemand, stattdessen werden unsere Schneider arbeitslos. Ihnen geht es wie den Bauern. So kostengünstig kann niemand aus der afrikanischen Billiglohnwelt sein, dass er mit den gespendeten Produkten mithalten könnte. 1997 waren in Nigeria 137.000 Arbeiter in der Textilindustrie tätig, im Jahr 2003 waren es noch 57.000. Und so sieht es überall aus, wo überschäumende Hilfsbereitschaft auf fragile afrikanische Märkte trifft."

Doch Vorsicht! Das sich solche, auf dem Kontinent bereits seit Jahren geäußerte Kritik, auch in deutschen Gazetten findet, dürfte mit der Doktrin "Helfen durch Handel" zusammenhängen, die die Speerspitzen der Neoliberalen derzeit in Zusammenarbeit mit der Regierung verankert. In diese Stoßrichtung arbeitete auch die deutsche Delegation in Gleneagles und pißte damit dem Duo Blair/Geldof - endlich auch wieder vereint mit George Bush & Co - ordentlich ans Bein. Die Debatte, daß wir eigentlich ob der Tatsache, daß die Industriestaaten gerade Afrika ausgesaugt haben bis aufs Blut, auch in der Verantwortung stehen, den angerichteten Schaden zumindest teilweise wieder gut zu machen, wird momentan einfach ausgeblendet. Die Ankläger aus Afrika werden zu Kronzeugen für eine Abschaffung der Entwicklungshilfe umdefiniert und letztendlich dürfte eine Politik stehen, die gerade eben Wirtschaftskomplexe wie den Altkleiderhandel zu den lobenswerten Entwicklungen aufplustert und die Nutznießer gar belohnt, während der Bau einer Brücke, die Frauen 5 Kilometer Fußweg zur Wasserstelle erspart, eingestellt wird. Im Zeichen dieser Doktrin steht auch das Programm "AGOA" der Bush-Administration, einer Art Tausch von Baumwolle gegen Sweat-Shop-Plätze. Hintergrund ist das beharrliche Drängen der Großkonzerne auf ein Einreißen von Handelsschranken. Was in Cancun auf dem diplomatischen Parkett mit einem Knall geplatzt ist - die Verarschung der Entwicklungsländer - soll jetzt mit anderen Mitteln durchgesetzt werden und zwar indem einem Teil der afrikanischen Eliten ein Kohle-Machen auf eigene Kappe zugestanden wird. Ein Narr, wer Gutes dahinter vermutet.

Macht kaputt, was eure Mitmenschen kaputt macht!

Die Branche schippert jedenfalls mittlerweile mit Siegeln geschmückt im ruhigen Wasser den neuen Märkten entgegen. Die Propaganda läuft, wer Zweifel hegt, kann sich künftig als "Altkleiderhysteriker" neben "Verschwörungstheoretiker" und "Klimaskeptiker" stellen. Und somit kommen wir zum Schluß dieses Aufsatzes, der kein Info-Brief sein will, sondern ein Pamphlet.

Fakt ist: unsere Zivilgesellschaft fordert schon lange Änderungen in der bestehenden Praxis ein, doch die beteiligten Institutionen waren bisher nicht in der Lage, die negativen Auswirkungen, die den Bäuchen der Altkleidercontainer entkeimen, auch nur annähernd positiv zu begegnen. Stattdessen wird fleißig Sand ausgestreut, möge es das ein oder andere Auge treffen. Dabei hätten es die Wohlfahrtsverbände am ehesten in der Hand, den Altkleiderhandel so zu organisiern, daß er - in Zusammenwirkung mit lokaler Industrie und Gewerkschaften - auch als Strukturhilfe funktioniert und zwar indem er das Geld in die Hände der Kleinhändler führt, die dieses dann vor Ort investieren. Schließlich werden die Kleider auch zu einem solchen Zweck abgegeben. Ergo: die Dinger müssen weg!

Fakt ist auch: die Sammler jammern unter dem hohen Anteil an Reststoffen, die Qualität der Sammelware ist gewaltig gesunken - die Arbeit macht kaum noch Sinn. Neben dem Niedergang unserer eigenen Wirtschaft ist der private Unwillen gegen die Container tatsächlich ein hoher Faktor. Hunderte von Urlaubstagebüchern im Internet zeugen von der Abscheu, die Reisende angesichts dieser Praktiken empfinden. Viele Basisgruppen der Wohlfahrtsverbände machen Dampf. Und so finden sich in den Teilen auch mehr und mehr Fremdstoffe oder die Kleidung wird vor der Abgabe zerstört.

Mit einer Kampagne, die nach dem Wort auch die Tat schreiten läßt, könnten wir diesem organisierten Bandenwesen wahrscheinlich den Rest geben. Wie dafür geschaffen, stehen diese Denkmäler des Raubtierkapitalismus überall auf öffentlichen Plätzen und Straßen herum und schreien nach unseren Kleingruppen, die mit farbenfrohen Aktionen Leben in ihren eintönigen Alltag bringen würden - Samstag morgen um halb zehn, überall in Deutschland. Mal darüber nachdenken...

Anmerkungen und Links

Auf eine Anmerkung zu der sarkastischen Stelle mit dem Heuschreckenkapitalismus im Text kann ich nicht verzichten: die Parolen des Herrn Müntefering, der den "bösen" Kapitalismus bei den "Angelsachsen" sieht und wir sind die Guten, hat die selbe Stoßrichtung wie der Antikapitalismus im Schafspelz, den die NSDAP zu Beginn der 30er Jahre präsentierte. In der Tat finden sich sogar wortgleiche Aussagen in den frühen Reden von Joseph Goebbels - er verwendete allerdings das Wort "anglophil". Die Impulse der SPD finden sich mittlerweile überall wieder, beispielsweise sanft durchschimmernd auch in Geschäftsberichten der Kleidersammler, die offensichtlich in einer im Kapitalismus völlig normalen Konkurrenzsituation einen völkischen Antagonismus sehen. Wenn ich daran denke, daß die NSDAP 1933 ihre Hochburgen in den ehemals sozialdemokratisch dominierten Wahlkreisen hatte und nicht etwa - wie alle denken - im katholisch dominierten bayrischen Hinterland (Wahlkreis Kötzting war glaub' sogar der einzige mit KPD-Mehrheit im ganzen Reich) wird mir schlecht. Antideutsche, warum seid ihr bloß so ätzend? Eure Impulse wären wichtig!

Protale:

  • Der schweizerische Verband "TexAid" sagt in einer FAQ-Liste, worum es geht: TexAid
  • Der deutsche Fachverband "Textil Recycling" jammert über düstere Aussichten:Fachverband-textil-Recycling
  • Mit dem Bericht eines Reisenden ging es los, das Institut Südwind startete die Öffentlichkeitsarbeit:Südwind
  • Menschen, die versuchen sich ohne Lizenz zum Heucheln autonom über Wasser zu halten und die an den eingesammelten Kleidern sicher mehr verdienen, als die in den organisierten Ringen, werden von dem Verband "Fairwertung" gnadenlos als Kriminelle gegeißelt - das ist Moral! Ansonsten vergibt der Verband die Unbedenklichkeitsplakette:Fairwertung
  • Viel rhetorischer Nebel und dürftige Grundaussagen. Neben anderen Brummern wie der Friedrich-Naumann-Stiftung basteln verschieden Wirtschaftsliberale an der Helfen-durch-Handel-Ideologie, z.B. hier:Liberalismus.at
  • Den Einstieg zu "Tvind/Humana" - die gezielt unter Linken fischen - gibt's hier nur über Friedrich Griess, einem österreichischen Anti-Sekten-Aktivisten. Ich halte diese Organisationen für kriminell: Griess
  • Die britische Hilfsorganisation Oxfam verkauft die Sachen hier und hilft mit den Erlösen in Form von Strukturförderung.Oxfam


Material:

  • Das "evangelische Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit" bietet im Verleih den Film "Oburoni Wawu - Die Kleider der toten Weissen" an - eine 55-minütige Reportage von der Sammeltonne bis zum Straßenhändler. In der Rezension heißt es warnend: "Da der Film bei vielen der ZuschauerInnen erst einmal Betroffenheit und auch Wut auslöst - schließlich füllt fast jede und jeder von uns regelmäßig Altkleidersäcke - ist die anschließende Diskussion von Alternativen dringend notwendig." GEP
  • Beschiß schon beim Baumwollhandel, dem Hauptrohstoff der Textilindustrie: Germanwatch
  • In diesem Beitrag in "Entwicklungspolitik Online" werden einige Lücken in der SAD-Studie gezeigt und die Argumentation hinterfragt: EPO
  • Eine der offiziellen Unbedenklichkeitserklärungen: Hans Peter Hahn auf der Homepage des Bundestages: Das Parlament
  • pdf vom Verband "Second-Hand vernetzt e.V.": Secondhand online
  • Die "Sweatshopisierung" der Branche, die natürlich sehr wesentlich mit der Problematik verflochten ist, konnte hier nur am Rande erwähnt werden, sonst wäre der Beitrag doppelt so lang. Die schädlichen Auswirkungen des Altkleiderhandels verschwinden dadurch jedoch nicht, sie verschärfen die Situation.Oneworld
  • Beißende Kritik aus Afrika. James Shikwati im Spiegel:Spiegel - muß mittlerweile bezahlt werden, gibt es jedoch (noch) hier: PowerforenAndrew Mwenda, Journalist aus Uganda, in der Süddeutschen:Sueddeutsche
  • Der Themenkomplex "subventionierter Weizenhandel" wurde kurz angesprochen und weil der Mechanismus ähnlich wirkt, wie der Altkleiderhandel hier das Zeit-Dossier "das Geschäft mit dem Hunger":Die Zeit
  • Die Zeitschrift "afrikaSüd" warnt vor dem Konzept "Helfen durch Handel" - Artikel über das amerikanische Agoa-Abkommen: Issa Bonn
  • Das UNO-Hilfsprogramm "Oil for Food" könnte als Modellfall solcher Programme dienen:Le Monde diplomatique
  • Naomi Klein schimpft über die diesem Programm auf dem Fuße folgende Privatisierung des Irak. Nach dem Ausverkauf der Ressourcen kommt jetzt der Ausverkauf der verbliebenen Kaufkraft:Naomi Klein


Beispiele:

  • Landkreis Schweifurt: Ihr Umweltpartner
  • Statt mit einem bloßen Nachweis über die Verwendung der Textilien präsentiert der DRK Kreisverband Tecklenburger Land die Auflistung seiner Container gleich mit einem aus der FAZ abgeschriebenen Propaganda-Traktat: DRK Riesenbeck
  • Die Fachleute haben gesagt, daß alles paßt und wer zweifelt, der spinnt! Der Mainstream bricht sich seine Bahn:KJW Landshut
  • Und ab damit nach Afrika! Die Fa. Textra in Limburg dürfte zwar eher zu den kleinen Fischen unter den Großhändlern gehören - die "Dicken" der Branche sind in den Benelux-Ländern zu finden - diese Homepage-Seite bietet aber in seiner dämlichen Frechheit einen berauschenden Eindruck Textra Limburg
  • Es lohnt sich, nach Reiseberichten zu googeln. Es finden sich haufenweise Berichte und Fotos. Teilweise findet sich Kurioses - ein deutscher Tourist lästert über seine Shopping-süchtige Freundin ab: "Als wir uns nach zwei Stunden in einem Straßencafe wiedertreffen, trägt sie einen großen Beutel in der Hand und breitet freudestrahlend den Inhalt auf dem Tisch aus. Für das Geld hat sie zwei Jeans und 7 oder 8 Oberteile erstanden. Sie hat einen Mopedtaxifahrer gefragt und der hat sie zu einem Markt gefahren, auf dem man billige Second-Hand-Ware aus Europa erstehen kann (...) soviel zum Thema Altkleidersammlung"Reisebericht
  • Die kurze Schilderung eines kleinen Betriebes mit 140 Mitarbeitern in Zimbabwe kann als exemplarisch angesehen werden: Claroweltladen Legendär ist auch die scheinbar magische Anziehungskraft von Altkleidercontainern auf kleine Buben mit Zündhölzern: DLRG
  • Schön wäre hier die ausführliche Darstellung eines typischen Kleinbetriebes in Afrika, doch ich hab' noch nix gefunden - vielleicht ergänzt hier jemand. Legendär ist die ungeheure Kreativität der afrikanischen Textilbetriebe bei der Gestaltung der Muster. Diese Stoffe halten immer noch einen kleinen Teil von Betrieben am Leben, weil viele Menschen Wert auf traditionelle Kleidung - und sei es nur am Festtag - legen. Exportieren läßt sich so etwas allerdings in großem Stile kaum, es ist einfach zu grell. Die folgende Online-Boutique ist jetzt nicht auf political correctness abgeklopft, sondern hat ein paar gute Bilder von traditionellen Stoffmustern:Afrika Boutique


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Ergänzungen

Humana in Hamburg

schraibfeler 13.07.2005 - 13:14
Der Name Humana hat mich aufhorchen lassen. Bisher hatte ich von denen noch nix gehört, aber die betreiben ein Second-Hand-Kaufhaus in der Grossen Bergstrasse in Hamburg und hantieren auch mit Begriffen wie 3. Welt und Entwicklungshilfe. Nun ist wohl auch geklärt woher die ihre Klamotten beziehen.

Humana

hagbard 13.07.2005 - 17:01
Ich habe selber fast 3 Jahre in dem Verein mitgearbeitet. Die meiste Zeit in einer Schule in Dänemark, aber auch 6 Monate in einem Projekt in Sambia. Ohne dass ich das jetzt hier all zu sehr vertiefen möchte (ist ein komplexes Thema & würde von der eigentlichen Problematik hier nur ablenken): Ich halte Tvind/Humana weder für eine "Sekte" noch für "kriminell".

Gegründet in den 70ern war in den Anfängen der Aufbau einer revolutionären Organisaion zum Kampf gegen den Kapitalismus das Ziel Tvinds. 70er Jahre Aussteiger-Alternativen-Mentalität paarte sich dem Studium der Schriften Maos.

Neben alternativer Pädagogik war bald die Solidarität mit den damaligen Freiheitsbewegungen Afrikas einer der Schwerpunkte bei Tvind, woran irgendwann das Engagement in der Entwicklungshilfe anknüpfte. Nachdem man in einigen Ländern Schwierigkeiten wegen der unverhohlenen sozialistischen Orientierung bekommen hatte, wurde das Engagement im Bereich Entwicklungshilfe dann komplett entpolitisiert und zur rein humanitären Arbeit umgewandelt.

War Tvind zu Beginn noch eine Art Hätschelkind des toleranten Dänemark, ergaben sich bald Konflikte mit dem Staat und zunehmend der dänischen Öffentlichkeit. Der Auslöser dürften interne Strategie-Papiere gewesen sein, in denen es um den Aufbau eben jener revolutionären Organisation ging (Terminologie im schönsten 70er Stil) und die irgendwie nach aussen gelangt waren. Auch mit seinem starken Engagement im dänischen Anti-Atom-Widerstand machte sich Tvind bei einigen einflussreichen Menschen in Dänemark unbeliebt.

Nach der ersten Medien-Kampagne gegen Tvind, in der der Organisation die Unterstützung von Terroristen (wie zum Beispiel der südafrikanischen ANC oder der mosambikanischen Frelimo) vorgewurfen wurde, bis hin zu wilden Geschichten über geheime Waffenlager auf dem Tvind-Gelände, kamen dann irgendwann erste Geschichten über Korruption und Steuerhinterziehung bei Tvind auf, und auch wenn in einem sich anschliessenden Verfahren keiner der Hauptanklagepunkte bewiesen werden konnte, so hatte sich Tvinds Image in Dänemark rapide gewandelt. Die ohnehin vorhandene Abschottung des Tvind-Kollektivs gegen die dänische Gesellschaft verstärkte sich weiter, ein Schuss (berechtigter) Paranoia gegen staatliche Überwachung und Verfolgung verstärkte die bereits vorhandene Aussteiger-Eigenbrötlerei und Heimlichtuerei.

Es waren dann öffentliche Kritiken von ehemaligen langjährigen Mitgliedern wie Steen Thomsen und Jes Fabricius Møller, die von den dänischen Medien begeistert aufgenommen & weiterverbreitet wurden, die diese ganze Sekten-Geschichte lostraten.

Wichtig ist mir folgendes: Tvind vor dem richtigen Hintergrund zu betrachten, und der ist zumindest in den Anfängen links(radikal) - und demzufolge bei Kritik an Tvind sehr vorsichtig zu sein, von wem sie geübt wird, aus welcher Perspektive & mit welcher Motivation. Neben berechtigter Kritik an der inneren Verfasstheit des linken Projektes Tvind gibt es ebenso eine Unmenge Diffamierungs- und Schmutz-Kampagnen, die vieles gemein haben mit der Darstellung linker Zusammenhänge in den bürgerlichen Medien in Deutschland.

Grüsse.

HUMANA TVIND OXFAM

ein Überblick 14.07.2005 - 11:48

HUMANA TVIND
die Seite die seit jahren die Informationen zum Thema bündelt
 http://www.tvindalert.com/

OXFAM
brennpunkt 1
Wenn weiße Bändchen übrig bleiben
Aus "gerechtem" wird "freier Handel" - die Kampagne "Make Poverty History" fällt durch große Nähe zur britischen Regierung auf
 http://www.taz.de/pt/2005/07/07/a0136.nf/text

frage?

schlaubi 15.07.2005 - 14:37
Guter Artikel, nur ich sehe das ganze als recycling und nicht als wohltätigkeit an. Wenn man jetzt die noch breauchbare Kleidung zerstört, muss irgendwo neue gemacht werden...daran verdienen zwar andere, aber es werden trotzdem absolut überflüssigerweise ressourcen vernichtet. Der ansatzpunkt sollte vielmehr sein (neben einer politik, dass weniger "kleider-müll" ensteht), die wohlfahrtsverbände dazu zu bringen, gerechtere absatzwege zu finden. Den Druck auf Mittelständische kleidersammel-betriebe bzu erhöhen bringt da wohl recht wenig... und die bemerkung, dass ganze sei "eine Domäne von Ex-Knackis oder Mitbürgern ausländischer Herkunft"...naja, was will der Autor damit sagen??

Anderer Blickwinkel

Xan 15.07.2005 - 20:10
Ganz so ist das nicht richtig - die Kosten um die Kleidung zu Sortieren, sie zu waschen und zu reinigen oder gar zu flicken sind extrem hoch.

Keine Hilfsorganisation kann so kostendeckend arbeiten.

Daher verkaufen sie die Klamotten - im Endeffekt kann man so mehr Geld an die entwicklungsbedürftigen Länder schicken, als es ohne diese Maßnahme möglich wäre (Geld hier in Form von Kleidern).

Es ist zwar traurig, dass einige Leute aus den Spendenaktionen Kapital schlagen, aber man darf halt nicht immer als schwarz weis malen - im Endeffekt kommt mehr für die Hilfsbedürftigen bei raus, als wenn die Kleidung wieder aufbereitet werden müßte.

Das so wenig dabei rum kommt, ist natürlich trotzdem traurig.

charity shops

nnn 17.07.2005 - 09:08
eine gute moeglichkeit, ueberzaehlige kleidung loszuwerden, sind lokale 2nd-hand-shops, wie etwa viele britishe charity-shops. an diese kann intakte und saubere kleidung verschenkt werden und wird dann dort fuer ein paar euro wieder verkauft.
die gute effekte sind:
+ umweltschutz durch das wiedergebrauchen der kleidung
+ menschen mit sehr wenig geld koennen dort kaufen und brauchen nicht auf aldi und co zurueckgreifen
+ da die menschen, die dort arbeiten, es meistens freiwillig tun, kann der erloes (falls dieser nach der miete noch anfaellt) an lokale projekte weitergeleitet werden.

oder fuer den ausgebrauch: einfach ca 2x im jahr kleidertausch-treffen veranstalten. jedeR bringt was mit und kann nehmen, was gefaellt.

Wohin? und Ein anderes Thema

Maike 17.07.2005 - 13:38
Die historischen Infos zu Tvind fand ich ja ganz spannend als Ergänzung, aber das heißt dann wohl, dass es stimmt, dass auch Humana den afrikanischen Kleidermarkt mit gebrauchten Klamotten überschwemmt, oder? Ich will einfach nur wissen, was ich denn nun mit dem Klamottenberg machen soll, den mir wohlmeinende Nachbarn ins Haus geschleppt haben. Die fanden das Zeug auch zu schade zum Wegschmeißen, also Recycling. Vielleicht mögen sie meinen Kleidungsstil nicht, jedenfalls recyceln sie das Zeug immer an meiner Wohnungstür und fangen an, mir gut zuzureden, wenn ich ablehnen will. Muss wohl auch Entwicklungshilfe sein... Jedenfalls wollte ich das Zeug dann weiterrecyclen zu Oxfam, weil auf dem Flohmarkt kriegt man mit Klamotten doch nicht mal die Standgebühr raus. Da muss ich aber x-mal mit dem Rucksack durch die halbe Stadt turnen, und der Humana-Container ist gleich um die Ecke. Und deshalb will ich einfach nur wissen, wo die Klamotten so ungefähr hinwandern, wenn ich sie nach hier oder dort hin weiterrecycle?

Wobei man die Logik, dass Second-Hand Arbeitsplätze kostet, ja eigentlich auch auf den hiesigen Markt anwenden könnte. Da sehe ich das aber so nicht, denn Second-Hand schafft auch Arbeitsplätze. Und außerdem ist es doch eigentlich 'ne feine Sache, wenn wir uns mit der Produktion von Klamotten weniger befassen müssen, weil die freigesetzte Arbeitskraft *könnte* ja auch in anderen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden. Wenn nicht der Kapitalismus wäre, der irgendwie dazu führt, dass wir es uns "nicht leisten" können, ausreichend Pflegepersonal für Krankenhäuser einzustellen oder genügend Lehrer für die Kinder, und statt dessen müssen wir schreien, dass Arbeitsplätze fehlen würden. Wo man doch auch sagen könnte "Endlich wird die Arbeit knapp!" und gemeinsam den früheren Feierabend genießen - wenn sie denn wirklich knapp wäre. Aber das ist ein anderes Thema... Obwohl ich meine, eigentlich haben diese beiden Themen verdammt viel miteinander zu tun und nicht die gebrauchten Klamotten machen Afrikas Wirtschaft kaputt, sondern der Kapitalismus.

alternative rohstoffe

ede 17.07.2005 - 15:18
die altkleiderproblematik erfordert meiner meinung nach
alternativen auf mehreren ebenen

1. die "absatzstruktur" für die bestehenden altkleidermassen,
dafür gibt der artikel reichlich her

2. die hinterfragung dessen, was eigentlich an textilien getragen
oder sonst verwendet wird.

Die am meisten verbreiteten textilrohstoffe momentan sind:

a) synthetikfasern
bei allen vorteilen, die synthetische textilien bieten, ist eine
rückführung in den natürlichen rohstoffkreislauf faktisch nicht
erreichbar. abgesehen von der elektrostatik, die das zeug verursacht

b)baumwolle
weltweit wird ein großteil der verwendeten pestizide beim anbau von
baumwolle verwendet. dann "ausrüstung", sprich die chemie, die
noch in die stoffe kommt, damit sie bunt und widerstandsfähiger
werden, da wär auch vincent van gogh die lust auf farbe vergangen
(es gibt alternative färbemethoden, wir brauchen also nicht alle in
grau rumlaufen)

c) wolle
die übliche wollbearbeitung erfolgt ebenfalls mit reichlich chemie
(das wollsiegel erfordert dies sogar, von wegen motten...),


problematisch an diesen textilien sind die schädlichen
einwirkungen auf mensch (stichwort allergien und hautkrankheiten)
und umwelt (das im artikel genannte problem der weiterverwertung,
wenn mensch sie nicht mehr tragen will, mit den momentanen folgen)

die alternativen liegen in jahrtausendelang verwendeten rohstoffen
wie hanf, wolle ohne chemische bearbeitung, seide, leinen,
und was da sonst noch an pflanzlichen oder tierischen fasern
vorhanden ist.
diese sind oftmals wesentlich stabiler (zB hanf), hautfreundlicher,
umweltfreundlicher in der produktion und entsorgung, da kompostierbar.
unabhängig von den auch auf diesem gebiet reichlich vorhandenen
trittbrettfahrern, lobbys oder jutesackdogmatikern ist für meine
begriffe die lösung der textilfrage durch die verwendung alternativer
rohstoffe in vielen bereichen möglich.

das wichtigste ist für meine begriffe dabei eine umfassende
information, die jeder für sich einholen muß,
um selbst entscheiden zu können, was er sich und den mitmenschen
zumuten will

literatur: "gerechte kleidung" von monika balzer (sehr aktuell)
"naturkleidung" und "unsere zweite haut" von
paulus johannes lehmann (etwas ältere bücher)
"hanf" von jack herer und mathias bröckers

umfassende infosammlungen habe ich bisher leider noch nicht finden
können, ist also wieder mal stückarbeit, nur zum hanf ist
seit der anbaulegalisierung viel zu finden im netz.

politik und wirtschaft findet nicht in irgendwelchen fernen gremien
statt, sondern da, wo wir unser geld ausgeben.

@ Maike: Wohin ?

hagbard 18.07.2005 - 19:30
Ein paar Worte dann noch zur (offiziellen) Verwendung der Kleider aus den Humana Containern.

Die Kleidung wird sortiert und dann zu einem geringen Teil in Krisen-Hilfsmassnahmen kostenlos ausgeteilt, der Grossteil wird verkauft. Wenn ich mich recht erinnere, wird ein Teil en gros an Händler in Osteuropa verscherbelt, der Rest (und grösste Teil) wandert in die Humana Läden in Europa und Afrika. Der Reinerlös fliesst dann komplett in die humanitären Projekte Humanas.

Soweit die offizielle Version. Die hier bereits zitierten Webseiten (tvindalert & Co) behaupten da gerne etwas anderes, und ich will jetzt hier nicht behaupten, dass ich da persönlich einen solchen Überblick hätte, dass ich wirklich beurteilen könnte, wer da die Wahrheit sagt. Meines Wissens gibt es jedoch bis heute kein einziges Gerichtsurteil, das tatsächlich Unregelmässigkeiten im Altkleider-Handel bei Humana & der Verwendung des Geldes festgestellt hätte.

Aus meiner persönlichen Zeit in Sambia erinnere ich mich an die Situation, dass eine grosse Ladung Kleider aus Europa Verspätung hatte, die Humana Shops im Land entsprechend wenig Umsatz machten, und dass dieses fehlende Einkommen in den Geschäften direkt in den Projekten spürbar war: Über Wochen stark eingeschränkte Budgets, eingefrorene Löhne der Angestellten, etc. Das schien mir damals doch ein recht deutliches Indiz dafür, dass die Gelder tatsächlich so fliessen wie offiziell angegeben.

Noch ein Wort zum Hintergrund: Bei Humana brüstet man sich gern damit, dass man prinzipiell der erste war, der mit dieser ganzen Altkleider-Geschichte angefangen hat. Nach der bereits angesprochenen Unterstützung der Freiheitsbewegungen wollte man die Solidaritäts-Arbeit fortsetzen und den Neu-Aufbau der jungen unabhängigen afrikanischen Staaten unterstützen. Man tat das für Europäer zunächst naheliegende, organisierte Kampagnen zu Hause und führte unter anderem Altkleider-Sammlungen durch, die dann als Spende nach Afrika gingen. Der interne Mythos geht dabei so, dass es der damalige Präsident Mosambiks war, der mit der Idee des Verkaufs aufwartete. Er habe damals gesagt, dass er "sein Volk nicht zu Bettlern erzíehen" wolle. Und so kam die ganze Altkleider-Geschichte bei Humana ins Rollen. Dies wiederum die offizielle Version.

Die Humana Praxis sollte sich in jedem Falle schon mal positiv von den zahlreichen rein kommerziellen Second Hand-Ketten abheben, die im Ausgangstext ja auch erwähnt wurden.

Darüber hinaus halte ich die Problemlage in Afrika für so komplex, dass ich nicht sicher bin, ob es viel Sinn macht, sich da jetzt ausgerechnet den Handel mit Altkleidern herauszupicken - auch wenn ich mit einigen grundlegenden Denkanstössen & Kritikpunkten des Ausgangstextes völlig übereinstimme.

Weil hier so viel von Tvind geredet wird:

armin 21.07.2005 - 13:35
Unzweifelhaft können die Projekte des Konzerns in Afrika überwiegend als beispielhaft bezeichnet werden, ebenso der ursprüngliche Ansatz der Kleidersammlerei. Dies steht gar nicht zur Debatte, sondern Berichte wie der folgende vom 29.10.2001 im Weserkurier - Tüpfelchen auf dem "i". Erfahrungsberichte einzelner Ex-Aktivisten finden sich bei Griess.

Ein Guru im Millionärsparadies
Amdi Petersen beschäftigt die Polizei

Kopenhagen. 22 Jahre nach seinem spurlosen Verschwinden ist der Gründer der dänischen Tvind-Alternativschulen, Amdi Petersen, von Reportern im Millionärsparadies Fisher Island vor den Toren von Miami aufgespürt worden. Dänemarks größte Zeitung "Jyllands-Posten" (Arhus) berichtete gestern auf mehreren Seiten über das Luxusleben des 62-jährigen Ex-Maoisten und Reformpädagogen im US-Sonnenstaat Florida.

In einem 810 Quadratmeter großen Appartement lebt Petersen in der Nachbarschaft von Showstars wie Julia Roberts, Luciano Pavarotti und des deutschen Tennis-Idols Boris Becker. Daheim in Skandinavien liefern derweil alle Tvind-Lehrer weiter den Großteil ihres Gehalts ab, und in Deutschland sammeln Mitarbeiter der "Humana"-Gruppe gebrauchte Kleider, die für angeblich humanitäre Zwecke in aller Weit wieder verkauft werden. Details über den Wohnstil des "Reformpädagogen" und seiner Gefährtin Kirsten Larsen in ihrer umgerechnet 15 Millionen Mark teuren Wohnung dürften auch der dänischen Polizei wie gerufen gekornmen sein. Die Justiz versucht seit Jahren mit relativ bescheidenem Erfolg die Struktur der weltweit aktiven und stark verzweigten Tvind-Gruppe aufzudecken.

Staat gegen Alternativ

Henden 26.07.2005 - 01:56
Da der Staat beständig in unserem Eurpa gegen alternativorganisierte Zentren vorgeht, muss man aufpassen wem man hier glauben schenkt. Humana hat übrigens nicht nur den Altkleiderhandel am Wickel, sondern auch andere Programme, die irgendwie finanziert werden müssen. Z.B. gibt es Ausbildungskampagnen für Lehrer in Afrika, Aufklärung wird im grossen Stil betrieben und Gelder für Verbesserung der Infrastruktur werden gesammelt. Ich glaube nicht, dass man die Organisation völlig auseinander nehmen kann, jedoch ist vielleicht zu kurz gedacht worden. Wäre es nicht hifreicher würden die Klamotten in Europa oder den USA abgesetzt und der Erlös würde in hilfsbedürftige Länder verschickt?

Weiss einer wie die anderen Programme Humanas finanziert werden?

Gruss

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Hallo Mods — armin

Hallo armin — Pete

ganz nett... — danke!

Ja, doch.. — cpt.Swing

wo ist das Problem — susanne