Kongo: Statebuilding und Neokolonialismus

Patrick 12.07.2005 02:24 Themen: G8 Globalisierung Militarismus Weltweit
Ob Life8, G8 oder Konferenzen der Entwicklungshelfer: Afrika rückt schlagartig ins Rampenlicht. Allerdings interressieren selten die wirklich komplexen Situationen auf dem Kontinent, an seinem Status als "Terra Incognita" ändert sich nichts, nein, die Frage lautet eigentlich nur: Wie kann geholfen, will sagen: interveniert werden.
Die EU, die sich gerne als zivilisierter Widerpart zur blindwütig interessengeleiteten USA gibt, nutzt gegenwärtig deren "Beschäftigt sein" im Irak, um in Afrika neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu zwingen. Offiziell heisst das dann - nicht nur im rot-gruenem Jargon - humanitäre Intervention, Peacebuilding oder Verantwortung zum Schutz. Kongo-Kinshasa dient dabei als Testgebiet. Dort rüstet die EU gerade die Armee- und Polizeieinheiten eines Regimes aus, das einen Bürgerkrieg mit 4 Mio. Toten zu dessen persönlicher Bereicherung geführt hat.
Die führenden Warlords des Kongo-Konfliktes haben nach vier Jahren und vier Millionen Toten gemeinsam eine Regierung in der Hauptstadt (Kinshasa) gebildet, während ihre Soldaten im Rest des Landes die Bevölkerung terrorisieren und die Bodenschätze plündern. Die EU ist seit dem in diesem Land sehr aktiv. 2003 schickte sie in ihrer ersten gemeinsamen Militärmission überhaupt Soldaten in die rohstoffreiche Region Ituri. Anfang diesen Jahres schickte sie Polizisten, um die zentrale Polizei auszubilden, welche die bestehende Regierung schützen soll. Diese hat die von ihr angesetzten Wahlen, die Teil der "Verfassung des übergangs" waren, vor drei Wochen um (vermutlich) ein Jahr verschoben. Das löste heftige Proteste im ganzen Land aus und die Mitglieder der Regierung mobilisierten bereits ihre verbündeten Milizen im Ausland. Doch es rebellierte nur die zivile Gesellschaft. Während es unter den bewaffneten Milizen nur die alltäglichen Scharmützel und Plünderungen gab, wurden die großen Demonstrationen am Wahltermin (30. Juni) in den Städten von der Polizei und Militär aufgelöst. Dabei gab es mehrere Tote. Vertreter der Medien und der zivilen Oppositon wurden seit dem verhaftet. Von Seiten der EU gab es keine Stellungnahme, fest steht jedoch, dass sie diese Regierung protegiert, ihr Waffen und Ausbilder zukommen lässt und den Aufbau einer Polizei u.A. mit Entwicklungshilfegeldern finanziert hat, deren spezifische Aufgabe solche Aufstandsbekämpfung ist.

Nun hat die EU "Militärbeobachter" entsandt, die wichtige Stellen in der zentralisierten Armee besetzen sollen, an der Spitze stehen belgische und französische Offiziere (die DRK ging aus der einzigen belgischen Kolonie hervor). Dies versteht die EU unter State-Building: Einer Diktatur von Warlords ihre zentrale Herrschaft durch den Aufbau einer neuen Armee zu sichern, wenn diese die Ausbeutung der Rohstoffe zu "Bürgerkriegspreisen" garantieren.

Die UN, eine Vereinigung von Staaten, die Kriege verhindern soll (Paradox), stimmen diesen neokolonialen Interventionen zu. Unter den Staatschefs dieser Welt hat sich ein Konsens gebildet der eigentlich Hegemonie ist, dass alle politischen Gebilde, die diesem (kapitalistischen, europaliberalen) Konsens widersprechen, Terrornetzwerke oder gescheiterte Staaten seien, und somit eine Bedrohung nicht nur ihrer Sicherheit, sondern menschlicher Sicherheit insgesamt.

It's Democracy we export.




Arthur Rimbaud: Demokratie (19. Jhd.)

Unsere Fahne marschiert durch die geschändete Landschaft und unser Kauderwelsch
erstickt die Trommel.

In den Hauptstädten werden wir die schamloseste Hurerei hochbringen. Wir werden
die vernünftigen Empörungen niedermetzeln.

Hin wo der Pfeffer wächst, in die erschlafften Länder, im Dienste der
ungeheuerlichsten industriellen oder militärischen Ausbeutungen.

Auf Wiedersehen, hier, ganz gleich wo. Rekruten des guten Willens werden wir
uns an die Philosophie der Barbarei halten; Stümper in der Wissenschaft,
Wüstlinge im Genuß des behaglichen Lebens. krepieren muss die Welt, wie sie
heute läuft. Das ist der wahre Fortschritt. Vorwärts, los!




Zu den Demonstrationen am 30. Juni (Dominic Johnson, taz)
 http://www.taz.de/pt/2005/07/01/a0115.nf/text.ges,1

EU-Politik am Kongo (Christoph Marischka, IMI)
 http://www.imi-online.de/2005.php3?id=1190

Aktuelle Nachrichten aus der DRK (www.kongo-kinshasa.de)
 http://kongo-kinshasa.de/news/index.php
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Ergänzungen

Weitere Infos zu deutscher Hegemonialpolitik

XXX 12.07.2005 - 02:42
"Die "Informationen zur Deutschen Außenpolitik" (german-foreign-policy.com) werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten."
 http://www.german-foreign-policy.com

Viele Berichte handeln vom deutschen "Engagement" in Afrika. Besonders widerlich ist derzeit der Versuch Deutschlands, sich in die UN als neue Supermacht hereinzudominieren. Dazu german-foreign-policy.com : "Zur deutschen Spannungsstrategie, die auf der heute beginnenden UN-Vollversammlung einen neuen Höhepunkt erreicht, gehören Provokationen gegenüber den afrikanischen UNO-Mitgliedern. So hatte Berlin verfügt, bei einer Reform des Sicherheitsrates habe sich Afrika mit zwei neuen Sitzen zu begnügen. Die Neumitglieder müssten außerdem für 15 Jahre auf die Ausübung ihrer Veto-Rechte verzichten."
 http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/54596.php

... kommt auch vor in Erfurt

Franz 14.07.2005 - 23:30
dieses "Beispiel" wird auch dem Seminar auf dem Sozialforum in Erfurt nochmal behandelt, in einem breiteren Zusammenhang, hier näheres:  http://www.bifa-muenchen.de/bf2005/rot-gruen.html