Hartz IV Skandal in Berlin

Hartz IV muss immer noch weg 01.07.2005 18:42 Themen: Soziale Kämpfe
Wie schon im Januar 2005, stehen nun ALG II EmpfängerInnen erneut ohne Geld da. Stundenlang müssen sich Betroffene in den Ämtern die Füsse platt stehen um dann nicht zu wissen wie die Miete bezahlt werden soll.
Jobcenter Tempelhof-Schöneberg überfordert
Erster politisch motivierter Racheakt des Jobcenters

Neues aus den Erfahrungen des Arbeitskreis ELVIS (Beratung von ALG II Betroffenen):

1. Nicht erfolgte Folgebescheide stürzen ALG-2-EmpfängerInnen ins

In den letzten Beratungen von AK ELViS (ErwerbsLosenVersammlung in Schöneberg) kamen zunehmend ALG-2-EmpfängerInnen in die Beratung, die sich über die noch immer nicht ausgestellten Fortsetzungsbescheide beschwerten, obwohl die Folgeanträge bereits im Mai an das Jobcenter geschickt wurden.

Aufgrund der offenkundig gewordenen Fälle rechnen wir allein in Tempelhof-Schöneberg mit einer hohen dreistelligen Zahl von Betroffenen, die ohne Geld dastehen. Damit wiederholen sich die skandalösen Vorgänge vom Januar 2005.

Seitens des Jobcenters war - trotz Anschreibens an die Leiterin, Frau Ingrid Wagener - keine Stellungnahme zu erhalten und auch keine Hilfe für die Betroffenen.

Wir raten Betroffenen am Montag sofort zum Sozialgericht zu gehen und einen Antrag auf Einstweilige Anordnung zu stellen. Über Anwälte prüfen wir gegenwärtig die Möglichkeit von Strafanzeigen gegen die Leiterin des Jobcenters und entsprechende MitarbeiterInnen (so sie uns bekannt sind).

2. Erster politisch motivierter Racheakt des Jobcenters

Ein besonders exemplarischer Fall ereignete sich jetzt in Tempelhof-Schöneberg. Schon lange ist dem hiesigen Amt die erfolgreiche Arbeit des AK ELViS ein Dorn im Auge - schließlich erfolgt dort eine kompetente Hilfe und die Unterstützung beim Umgang mit dem Jobcenter. Einer der BeraterInnen ist ALG-2-Bezieher. Jetzt wurde dem ehrenamtlichen Mitarbeiter mit einem Federstrich die Lebensgrundlage entzogen: Man bearbeitet trotz Eingangs am 12.05.2005 (Postrückschein mit Unterschrift) bis heute den Antrag nicht. Selbst auf Nachfrage geht die Leiterin des Jobcenters auf Tauchstation und hüllt sich in Schweigen. Wovon der Betroffene seinen Lebensunterhalt bestreiten und wie die Miete bezahlt werden soll, ist dem Jobcenter offensichtlich egal.

Dem Betroffenen wurde bereits schon einmal auf Veranlassung und mit Duldung von Frau Ingrid Wagener, damals noch im Sozialamt Leiterin der Hilfen zur Arbeit, Übel mitgespielt und die Hilfe widerrechtlich eingestellt. Per Anwalt und Gericht wurde die Weitererzahlung erwirkt. Schon damals waren offene Schwulenfeindlichkeit und eine wertekonservative Haltung der Leiterin, die Ablehnung des linken politischen Standortes des Betroffenen offenkundig. Und genau das wiederholt sich jetzt!

3. Eingliederungsvereinbarung ohne vorheriges Profiling

Vermehrt kommen Betroffene in unsere Beratung, die zu einem Gespräch eingeladen und dort zur Unterzeichnung einer Eingliederungsvereinbarung genötigt werden. Leider gehen viele unvorbereitet dorthin und sind so leicht über den Tisch zu ziehen.

Wir weisen deshalb nochmals darauf hin, das zunächst ein Profiling und ein Gespräch dazu stattfinden müssen. Danach sprechen beide beteiligten Seiten über den Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung und erst danach steht die Unterzeichnung an. Vor Unterzeichnung sollten die Betroffenen aber darauf dringen, 1-4 Wochen Zeit zur Überprüfung der Vereinbarung durch einen Anwalt oder eine Beratungsstelle zu erhalten.

4. Zunehmend anonyme "Einladungen" aus dem Jobcenter

Wir erleben fast nur noch nicht mehr unterschriebene Einladungen, wie zum Beispiel solche, die vorgeben mit dem Betroffenen über die berufliche Situation unterhalten zu wollen. Es wird nur noch eine Org-Einheit und eine Telefonnummer für die bundesweite Hotline (bei der man meist in Hamburg, München oder sonst wo landet, aber nicht in Berlin). Ein/e konkrete/r BearbeiterIn oder AnsprechpartnerIn - Fehlanzeige. Damit wird eine Form der "entpersonalisierten Bürokratie" (Max Weber) praktiziert, in der keiner mehr haftbar gemacht werden kann. Wir lassen derzeit prüfen, ob derartige Anschreiben überhaupt zulässig sind und den Regularien eines Verwaltungsaktes entsprechen.


weitere Berichte zum Thema Hartz IV:

Brandenburger Montagsdemo:  http://de.indymedia.org/2005/07/121996.shtml

Hartz IV Proteste gehen immer noch weiter:  http://de.indymedia.org/2005/06/120599.shtml
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Ergänzungen

Job Center FHain-Kreuzberg auch betroffen

Oliver 02.07.2005 - 13:17
aus aktuellem Anlass:

Die Vorwürfe betreffen auch das Job-Center Friedrichshain-Kreuzberg, hier wurden die Anträge für eine Verlängerung von Hartz 4 auch zu spät versendet. Das Job-Center redet sich mit dem Hinweis raus, dass aus dem Erstantrag bereits hervorgehe, dass eine Verlängerung selständig zu beantragen sei, die Zusendung von Verlängerungsanträgen sei demnach eine Kann-Leistung.

Vielfach sind die Bescheide auch schlicht falsch, in einigen nachgewiesenen Fällen wurde z.B. die Mietunterstützung einfach weggelassen.

Es sind auch Bescheide versendet worden, in denen eine Verlängerung und die Neuvorlage von Unterlagen gefordert wurde, obwohl Hartz 4 bereits zuvor von Amtswegen von allein verlängert wurde. Hier leutet die Ausrede auch Computerpanne, bzw. die Bescheide seien automatisch verschickt worden.

Augen auf und alles überprüfen und rechtzeitig (4 Wochenfrist) eine Beratung aufsuchen.

Abschlag holen

Paul 02.07.2005 - 17:14
Ich bin auch ALG-II-Empfänger in Tempelhof-Schöneberg.
Mein Antrag ist auch noch nicht bearbeitet.
Ist mir aber egal, denn ich hole mir monatlich meinen Abschlag (600 Euro), was allerdings jedesmal 4 Stunden dauert. (Macht 150 Euro je Stunde)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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