Medizin geht jeden an!

Jerome Benzner 26.06.2005 15:38 Themen: Soziale Kämpfe
Wenn ich mir angucke, mit was die Mainstream-Linken sich thematisch hauptsächlich so befassen - ob hier auf Indymedia, ob bei ATTAC, ob Medien wie "linkeseite" oder Junge-Welt, ob Parteien wie SPD, Grüne oder jetzt aktuell die WASG und PDS, dann vermisse ich einen ganz wichtigen Bereich, der in den eben genannten Gruppen, Initiativen und Organisationen wie ein blinder Fleck oder ein Tabu zu sein scheint. Und das ist die Medizin.
Fast so, als werde die Medizin resp. die Mediziner/Ärzteschaft noch immer überwiegend als etwas wahrgenommen, dass für nur wenige Menschen oder nur für ganz seltene Extremsituationen eine Rolle spielt und dann geht das irgendwie schon gut, ansonsten kann man eh nur beten.

Mir scheint, der medizinisch-industrielle Komplex wird von vielen noch nicht richtig als das wahrgenommen, was er mitlerweile ist: Medizin und Ärzte mischen heute massiv in allen menschlichen Lebensstadien mit, von der Zeugung über Geburt bis zur Bahre, von Alpha bis Omega.

Bei der Frage der Einschulung, bei Lernproblemen, sozialen Auffälligkeiten, Einstellungstests, bei Auslandsreisen, Biometrie-Zugriffen - überall ist die Medizin, sind Ärzte beteiligt. Dabei ist aber nicht der Patient im Mittelpunkt, der von "seinem" Arzt vor Ort optimal individuell beraten, versorgt und behandelt wird, sondern die Medizin resp. die Ärzteschaft weist einen unvergleichlich hohen Organisations- und Vernetzungsgrad auf. Dort werden Standards und Leitlinien, relativ unabhängig von Politik und Patienteninteressen, aufgestellt und Patientendaten fast global Insidern zur Verfügung gestellt. Also wir Bürger/Patienten existieren faktisch für die Medizin und Ärzteschaft - nicht umgekehrt.

BioMedizin und Psychologie sind beteiligt bei Biometrie-Zugriffen, wie technisch-automatisierte Gesichtserkennung, Iris-Scan, Fingerprints, DNA-Analysen/genetischer Fingerabdruck, Profiling und vieles mehr.
Ärzte sind auch Werkzeuge für politische und juristische, polizeiliche Interessen (siehe relativ aktuell die Folterungen in Abhu Ghuraib und Guantanamo, sowei die Folterandrohung in Frankfurt, und die Beteiligung von Ärzten bei der Exekution der Todesstrafe). Auffällige Bürger, die man juristisch-polizeilich nicht packen kann, weil sie nichts Illelages machen, nehmen dann möglicherweise Ärzte in die Zange - Stichworte: Zwangsuntersuchung, Zwangseinweisung, Betreuungsverfahren. So hat kein deutsches Gericht Vera Stein, einem Opfer deutscher Psychiatrie, ihren Vorwurf der Freiheitsberaubung und eine Entschädigung zugestanden - erst der EU-Gerichtshof für Menschenrechte gab ihr grade Recht. Das also ist noch immer die deutsche Auffassung von Freiheit, Pluralismus und Sicherheit.

In der Schweiz gibt es schätzungsweise jährlich mehr Tote durch Ärztepfusch, als getötete amerikanische Soldaten im Irak in zwei Jahren. Aber niemand regt sich darüber auf. Die Ärzteschaft am allerwenigsten. Aber auch die meisten nicht-ärztlichen Bürger ignorieren diese Zustände. Das alles erinnert mich an Sequenzen im Film die Zeitmaschine, wo die friedlichen und hübschen Eloy in einer scheinbaren Idylle leben, in der es ihnen an nichts zu fehlen scheint, aber wenn einer von ihnen in Gefahr ist, interessiert es niemanden. Wie willenlose Schafe laufen sogar alle, wenn eine Sirene ertönt, ihren Verwertern in die Arme. Die Verwerter in der Jetztzeit sind Ärzte, ist der medizinisch-industrielle Komplex. Soilent Green war noch nie so nahe, wenn nicht schon Teil der Wirklichkeit.

Ein paar Links zum Thema:
Über Vera Stein, Opfer deutscher Psychiatrie und Justiz
 http://www.taz.de/pt/2005/01/10/a0271.nf/text
 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,2322459,00.html
 http://www.wams.de/data/2003/03/16/53178.html?prx=1
 http://www.euro-antimobbing.org/vera_stein.html

Zahlen und Info zu Ärztepfusch-Toten in Deutschland und in der Schweiz
 http://www.swiss-q.org/pdf/fehleralarm.pdf
 http://www.sueddeutsche.de/,panm3/panorama/artikel/284/55229/
 http://www.zeit.de/2005/15/M-Fehler
 http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/566/50516/print.html

"Aktion Krankenhaus": Wir sollen nach BioBanken fragen, den Sammlungen von Blut, Zellen und Geweben
 http://www.bioskop-forum.de/downloads/aktion_krankenhaus.pdf

Petition zur Schaffung eines demokratischen, transparenten, kostenwertigen, patientenzentrierten Gesundheitswesens, das diesen Namen verdient
 http://www.ngm-bayern.de/Allgemeines/Petition.htm

Weblog einer Privatperson, die sich persönlich mit dem ganzen Thema beschäftigt
 http://gehe.blogspot.com

Private Website auch zum Thema
 http://home.online.no/~wkeim/anklage.htm
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Ergänzungen

Aufwachen!

Paul 26.06.2005 - 17:45
Obwohl Attac nun wirklich nicht mein Fall ist, muss ich doch anmerken, dass sie sogar eine ganze Kampagne zur Gesundheitsversorgung gemacht haben, was eben niemanden interessiert hat....

Linke und Thema Gesundheit

Maxe 26.06.2005 - 18:43
Also einige Gruppen/Netzwerke beschäftigen sich schon mit dem Thema. Attac und Buko fallen mir da spontan ein:

 http://www.attac.at/1380.html
 http://www.attac.de/aachen/gesund_kreutz.php

 http://www.bukopharma.de/
 http://www.buko.info/kongress/buko28/programm/forum_b.html

Außerdem gibts einige anarchistische Gruppen, die sich mit sowas beschäftigen. Die Grasswurzelrevolution und die Contraste (Zeitung für Selbstorganisation) kannst Du mal abchecken.

Generell sieht es aber so aus, daß linke Gruppen/Parteien, die einer bestimmten Ideolgie angehören (besonders kommunistische Gruppen) sich bestimmter Themen nur dann annehmen, wenn es für sie straegische Wichtigkeit besitzt. In erster Linie gehts in diesen Gruppen aber um Ideologie und Konkurrenzkampf gegen andere Gruppen/Parteien. Daher solltest Du vermeiden, auf diese Gruppen zu schauen. Selbst wenn sie das Thema behandeln würden, dann wahrscheinlich nur aus strategischen/populistischen Gründen. Leider sind diese Gruppen meist am Lautesten, so daß es oft den Eindruck macht, diese Gruppen seien DIE Linke...
Besser ist daher, sich an Netzwerken wie Buko, Attac oder diversen anarchistischen Strukturen zu orientieren. Die sind meist auch bei verwandten (Biopiratierie) oder anderen Themen recht fit. Leider fehlen da oft noch Mitstreiter, die die Aktivitäten bekannter oder effektiver gestalten könnten. Aber das war schon ein Problem progressiver Vereinigungen...

Attac / Medizin

q 27.06.2005 - 19:32
 http://www.attac-freising.de/cgi-tdb/basics/sozsich/basics.prg?r_index=4
Attac AG zur Sozialen Sicherheit und dem Gesundheitswesen. Allerdings weniger medizinisch inhaltlich als sozial/organisatorisch.

Vermisch mal nicht zuvie...

bla 28.06.2005 - 19:45
Also die Entscheidung zu Zwangseinweisungen etc. liegt ja nun bei einem Gericht und nicht bei den Ärtzten.
Und v.a. da wird etrem große Scheisse gebaut. Betreuungsverhältnisse sind oft notwendig, und ermöglichen kranken Menschen erst ausserhalb von Krankenhäuserns zu leben.

Die gesamte Betrachtung in diesem Artikel scheint mir extrem unausgewogen und einseitig zu sein. Es gibt natürlich schwarze Schaafe, aber auch sehr viele Ärtzt, die versuchen einen sehr, sehr schwierigen Job (im Übrigen häufig mit verglichsweise mieser Bezahlung und mieser Arbeitsbedinungen) so gut wie möglich zu machen. Dabei werden ihnen aber von der Politik und den Krankenkassen ohne Ende Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Dies trifft v.a. für die Psychatrie zu, wo weder die Patienten noch die Ärzte irgendeine Lobby haben und praktisch kapput gespart werden, was im Endeffekt Menschen in die Krankenhäuser, wenn nicht gar in den Selbstmord treibt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke den folgenden Kommentar

@Paul: Beleg für Behauptung?

Jerome 26.06.2005 - 18:32
Ich fand und finde bei attac.de keine Kampagne zum Thema.
Gesundheitsversorgung wäre das absolute Minimum zum Thema.
Links, Quellenverweise?