( falscher ) Schurkenjägeralarm in Schottland

marcabru 22.06.2005 19:39 Themen: G8 Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
Obwohl die italienische Mobilisierung zu den bevorstehenden Anti-G8 Protesten in Schottland ausgesprochen mager ausfiel, müssen die Italiener in britischen Medien offenbar als Schreckgespenst herhalten. Die entsprechenden Informationen soll die italienische Polizei, die scheinbar an jeder Ecke nur noch gefährliche Anarchisten sieht, Scotland Yard und den MI5 Diensten übermittelt haben.
Übersetzung aus „Il Manifesto“ vom 15. Juni 2004

Schottland, Kasernen und Militärstützpunkte für die no-global freigemacht. Die Polizei fürchtet die Italiener

Jede Form von Demonstration in der Umgebung des Hotels von Gleneagles, wo sich die Staats- und Regierungschefs des G8 treffen werden, ist verboten. Einige Meilen weiter weg, im etwa 60 Km nördlich von Edinburgh gelegenen Dörfchen des Pertshire, das dem teuersten Hotel Schottlands seinen Namen gibt, Proteste mit „numerus clausus“ von maximal 4500 Personen. Ausgaben in Höhe von 50 Millionen Pfund (etwa 73 Millionen Euro) von denen die Hälfte für die Sicherheit zu Buche gehen. „Die Polizei bereitet sich darauf vor, beim G8 Tausende Verhaftungen durchzuführen“, titelte am Sonntag* die konservative Zeitung Daily Telegraph. Das Blatt schilderte die imposanten Sicherheitsmaßnahmen rund um das Gipfeltreffen und rechtfertigte diese mit der Tatsache, dass Tausende Demonstranten, insbesondere Anarchisten und vor allem Italiener im Begrif seien, den Gipfel zu stürmen und sogar das Hotel zu entern, in dem sich die Großen der Erde versammeln werden.

Nach angeblichen Informationen, welche die italienische Polizei Scotland Yard und den MI5 Diensten übermittelt haben soll, sollen sich Gruppen von radikalen G8-Gegnern aus Italien, die nach Ansicht der vom Sunday Telegraph zitierten italienischen Beamten „Kollegen von Massimo Leonardi“ sein sollen, dem Anarchisten aus Viterbo, der am vergangenen 26. Mai verhaftet worden war, bereits in englischen Squats aufhalten, um während der Tage des Gipfels in Aktion zu treten. Unter den Gruppen im Visier ist auch die Gruppe „Associazione Ya Basta“, die in UK „Schläfer“ haben soll, welche die Proteste zusammen mit den Radikalen von Class War organisieren wollen. Ein regelrechtes Schreckgespenst, das der italienischen Zapatisten, wenn es stimmt, dass man bereits im Herbst 2003 anlässlich der Proteste in Prag gegen die Osterweiterung der NATO so weit ging, von einem ganzen Zug voller gefährlicher Ya Basta Leute zu fabulieren, der auf dem Weg nach Prag gewesen sei und natürlich kein Mensch je gesehen hat.

In Wirklichkeit ist die Beteiligung von Italienern an der Organisation des Anti-G8 bisher spärlich gewesen. Am 18. Mai war eine kleine Gruppe von Italienern der Cobas bei dem letzten Treffen von G8 Alternative anwesend, dem Netzwerk das die Demonstration mit dem Motto Make povety history organisiert, die am 2. Juli die Woche der Gegenveranstaltungen eröffnen wird. Am Ende des Treffens hatten sie zusammen mit einigen lokalen, belgischen und holländischen Aktivisten beschlossen, das Hotel von Gleneagles zu besuchen und schafften es ins Innere zu gelangen. Am Ausgang wurden sie von der Security aufgehalten und von der Polizei identifiziert. Womöglich sind sie es gewesen, die die Polizei überzeugt haben, dass die „Ortsbegehung“ dem Zweck gedient habe, etwaige Aktionen im Inneren des Gipfeltreffens zu planen. „In Wahrheit versuchen sie das Klima von Genua wiederherzustellen und um dies zu erreichen unterstützen sie die These der Ankunft von gewalttätigen Italienern“ meint einer der Protagonisten der „Ortsbegehung“, der erzählt, wie schon am Folgetag die Sunday Times jenes Treffen als eine „Zusammenkunft von Italienern im Vorfeld des G8“ beschrieb, „während wir nur drei von fünfzig Teilnehmern waren“.

Im Visier sind jedoch nicht nur Italiener, sondern auch andere internationale Aktivistennetzwerke. Wie People’s Global Action, die für den 7. Juli ein „Golfturnier“ auf den Wiesen, die das Hotel umgeben organisiert haben, das offenbar den örtlichen Ordnungskräften große Sorge bereitet. Oder die Wombles, die im vergangen Oktober zu den Organisatoren des alternativen Forums zum ESF in London gehörten. Oder aber Dissent!, eins von zwei Netzwerken, (der andere ist G8 Alternative), welche die Proteste und die Anti-G8 Blockaden organisieren. Laut Polizei, die für festgenommene Demonstranten zwei Kasernen und zwei Militärstützpunkte vorgesehen haben soll, die alle ungefähr 20 Meilen von Gleneagles liegen, stellt der Aufruf der Musiker, die am von Bob Geldof organisierten Live 8 teilnehmen werden, massenhaft nach Edinburgh zu gehen eine perfekte Deckung für die „Gewaltbereiten“ dar.

Die Urheber des „Rufs zu den Waffen“ gegen den G8, von U2 bis Manu Chao bis Pink Floyd, die sich eigens für das Großevent im Hyde Park wieder zusammenschließen, finden viel Gehör und die wahre Sorge gilt offenbar eher dem Massenprotest gegen Bush und Blair, trotz des Schuldenerlassplans für afrikanische Länder. „Für uns wird es sehr schwer sein, mit dieser Situation umzugehen. Wir wollen das Mögliche tun, um Leben in Afrika zu retten, aber keiner von uns will in Edinburgh sein Leben riskieren. Der Protest muss kontrolliert und gut organisiert sein und ich glaube, es ist auch das, was Geldof und alle anderen wollen“, so der besorgte Bürgermeister von Edinburgh Donald Anderson.. Eine Kampagne, die Angst schürt und kriminalisiert könnte helfen, die Teilnahme zu schwächen.

* Ausgabe vom 12. Juni
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

2005

m 23.06.2005 - 11:51
Il Manifesto vom 1. juni 2005, nicht 2004, sorry