Internationaler Linkskongress

Ralf Streck 16.06.2005 09:24 Themen: Weltweit
Bis zum Samstag findet ein internationaler Kongress zu den Perspektiven linker Politik in Europa im baskischen Etxarri-Aranatz tagt. Wir sprachen mit Joseba Alvarez, Sprecher der baskischen Partei Batasuna (Einheit) und Koordinator des Kongresses. Die Partei richtet trotz Parteiverbots den Kongreß aus. Hauptthema sind die Möglichkeiten linker Politik in Europa: Bolkestein-Richtline, Einwanderung, EU-Außenpolitik und Selbstbestimmungsrecht. Im vergangenen Jahr wurde über die Verhinderung des EU-Staatsvertrags debattiert, der inzwischen schon fast beerdigt wurde.


Welchen Inhalt hat der Kongress mit dem Namen Sokoa II, der bis Samstag in der Kleinstadt Etxarri-Aranatz tagt?

Letztes Jahr haben wir in Sokoa (französisches Baskenland) den ersten Kongress organisiert, um die Aufgabe der Linken angesichts eines neoliberalen Europa zu analysieren. Es ging stark um den Staatsvertrag. Wegen der verbreiteten Kritik in der europäischen Linken haben wir darüber beraten, wie man ihn in den Abstimmungen scheitern lassen kann. Nun geht es darum, den Prozess tiefer zu analysieren. Es wird vier Arbeitsgruppen geben: Zur Bolkestein-Richtlinie. Die Privatisierung öffentlicher Dienste müssen wir analysieren und ihr gemeinsam begegnen. Die fatale EU-Einwanderungspolitik steht auch auf der Tagesordnung. Erst wird der Reichtum aus den Ländern der Dritten Welt gesaugt, wenn die Leute dann kommen, um Arbeit zu suchen, werden sie rausgeworfen oder sterben schon auf dem Weg. Dieser Frage muss sich die Linke genauso stellen wie der EU-Außenpolitik. Die EU hat den Anspruch eine Weltmacht zu werden und zielt auf einen europäischen Imperialismus. Als Internationalisten müssen wir uns dazu positionieren. Dann geht es auch um das Recht auf Selbstbestimmung, denn in Europa gibt es etliche Nationen ohne Staat, die nicht anerkannt sind, wie wir Basken. Im Rahmen der Internationalismustage von Askapena gibt es zudem Veranstaltungen zu Palästina und zu den interessanten Vorgängen in Südamerika: Was sich in Bolivien, Kuba, Venezuela, Peru, Ekuador, Argentinien, Uruguay, Brasilien ... entwickelt.

Ihre Politik scheint erfolgreich zu sein? Das Ziel von Sokoa I, den Staatsvertrag zu kippen, der als Europäische Verfassung bezeichnet wird, ist mit dem Nein in Frankreich und Holland ja fast erreicht.

Wir waren durch ganz Europa getingelt, um für ein Nein zu werben. In Sokoa wurde ein Teil der ideologischen Basis des Nein von Links erarbeitet, das sich in Frankreich durchgesetzt hat. Einige Parteien hatten sich nicht getraut, ein Referendum zu fordern, weil sie eine Niederlage befürchteten. Wir haben stets gesagt, dass es eine kritische Masse gibt. Das neoliberale Modell, auch wenn es von einem Teil der Linken getragen wird, wird von den sozialen Bewegungen und einer breiten Bevölkerung abgelehnt.

Getragen wurde das Nein aber auch von Ultrarechten?

Deshalb müssen wir die linke Analyse weiter treiben, um uns klar auch von nationalistischen Bewegungen der Rechten und ihrem Chauvinismus abzugrenzen und eine linke Alternative zu erarbeiten.

Deshalb auch die Verteidigung des Rechts auf Einwanderung? Mit einer angeblichen Einwanderungsflut macht die Ultrarechte ja Stimmung gegen den Vertrag.

Viele Rechte haben ja kein Problem mit der Bolkestein-Richtlinie und der totalen Privatisierung, wo dann öffentliche Dienstleistungen nicht mehr für alle garantiert werden. Klar, Europa muss solidarisch sein, nicht nur in der Außenpolitik, auch intern bei der Behandlung der Einwanderer. Man kann keine Hierarchie aufbauen: Gewünscht sind Einwanderer aus Europa, abgelehnt werden Einwanderer ohne Papiere aus Afrika.

Wer nimmt Teil?

Bestätigt sind 80 Teilnehmer aus 25 Organisationen. In Europa sind das Leute aus der PDS in Deutschland, der Sozialisten aus Schottland, Sinn Fein in Irland, Vertreter der verschiedenen Linksparteien der nordischen Staaten, der portugiesischen, spanischen und der katalanischen Linken und andere mehr. Neben kommunistischen Organisationen nehmen auch die Grünen aus Italien teil. Deren Parlamentarier Mario Bulgarelli wird den Einleitungsbeitrag halten. Zusätzlich kommen Palästinenser, Vertreter der Mapuche in Chile, der Frente Amplio in Uruguay, der Streikbewegung in Argentinien und andere.

Wie kann Batasuna, die ja als Partei vor zwei Jahren verboten wurde einen Kongress in der Provinz Navarra abhalten, wo die extreme Rechte regiert?

Letztes Jahr hatten wir im französischen Baskenland getagt, wo wir weiter legal sind. Mit vielen Initiativen haben wir das Verbot durchbrochen und das zeigen wir erneut. Die Sozialisten müssen nach dem Machtwechsel ihr Verhältnis zu uns ändern. International werden wir auch empfangen, obwohl Spanien uns auf die Liste terroristischer Organisationen der EU setzen ließ.

Sucht Batasuna auch Hilfe für den angestrebten Friedensprozess?

Das Baskenland hat zwei Probleme. Das eine ist die Frage der Selbstbestimmung und der friedlichen Lösung des Konflikts über einen Dialog. Das andere ist die Konstruktion eines sozialistischen Modells. Was nützt uns eine Unabhängigkeit in einem kapitalistischen System. Beide Punkte müssen im Einklang mit anderen linken Kräften in Europa entwickelt werden.


© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 15.04.2005
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wurscht 16.06.2005 - 22:28

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oh gott — deine mutter