Bolivien

anro 03.06.2005 18:47 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Freihandels- und "Liberalisierungs"-Plaene haben seit Jahren heftigsten Widerstand in Lateinamerika ausgeloest. Kaum ein Monat vergeht, in dem es nicht irgendwo massive landesweite Proteste gibt. Diesmal ist mal wieder Bolivien an der Reihe.
Seit etwa Mitte Mai sind in Bolivien nach einer relativ kurzen Ruhephase - die letzten Unruhen liegen erst zwei Monate zurueck - wieder landesweite Proteste ausgebrochen.

Die Hauptforderung ist die nach der 'Nationalisierung' der Gas (vor allem!) und Oelvorkommen des Landes.

Seit Wochen befindet sich La Paz im Belagerungszustand. Nahezu taglich demonstrieren zehntausende in den Strassen der "Haupt"Stadt (Hauptstadt ist eigentlich Sucre, La Paz ist jedoch Regierungssitz). Parlament und Regierungssitz gleichen einer Festung. Viele kommen aus der benachbarten Industriestadt 'El Alto' und es gibt immer wieder kilometerlange Maersche von El Alto nach La Paz. Massiver Einsatz von Traenengas (das noch viel 'giftiger' und gefaehrlicher ist als das, welches in der Regel in Europa eingesetzt wird) und Wasserwerfern hindert die Menschen nicht, taeglich aufs neue zu demonstrieren. Auch in anderen Staedten wie Sucre und Cochabamba (letztere kennen manche vielleicht noch von der Peoples' Global Action Konferenz im September 2001, bekannt ist Cochabamba auch fuer die erfolgreichen Proteste gegen die Wasserprivatisierung im Fruehjahr 2000) gibt es staendig Proteste.

Ungefaehr 1/3 des Landes (der dichtbesiedeldste Teil) ist durch Strassenblokaden praktisch lahmgelegt.

Unterstuetzt werden die Bauern- (Campesinos) und Indigenas-Proteste durch (meist unbegrenzte) Streiks im Transportwesen (Choferes - Bus- und Lastwagenfahrer) von Handwerkern (?) (Gremiales = Zuenfte) und Mienenarbeitern.

Heute, am 3. Juni 2005, hat Carlos Mesa, amtierender Praesident von Bolivien, eine konstituierende Versammlung und ein Referendum ueber groessere regionale Autonomien fuer den 16. Oktober angekuendigt, was den Hauptforderungen der Proteste entspraeche. Die oppositionelle Partei MAS (Movimiento al Socialismo - 'Bewegung zum Sozialismus', weniger eine 'sozialistische Arbeiterpartei' als eine Partei der Kleinbauern [cocalores - Cocabauern] und Indigenas [Ureinwohner], die die Mehrheit der Bevoelkerung ausmachen) mit ihrem Fuehrer Evo Morales haelt dies jedoch fuer eine Farce und es ist davon auszugehen, dass die Proteste deswegen nicht nachlassen werden.

Gestern, am 2. Juni gab es uebrigens einen Angriff von Neofaschisten auf einen Campesino-Marsch in Santa Cruz, bei dem viele brutal zusammengeknueppelt wurden.

Que se vayan todos!
("sie muessen alle gehen!" bekannt vom Aufstand in Argentinien im Dezember 2001, aufgegriffen bei vielen anderen sozialen Protesten in Lateinamerika)
anro

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Uebersicht ueber Artikel zu Bolivien (meist spanisch) - mit vielen Bildern und diesmal auch ein paar kleinen Videos:
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/imf/bolivia/txt/2005/
siehe auch:  http://bolivia.indymedia.org/
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Ergänzungen

zu sucre.........

chuquisaca 05.06.2005 - 03:59
allerdings sind die proteste in sucre eher von forderungen nach höheren löhnen für die "ländlichen lehrer" ("maestros rurales") geprägt als nach jenen, um welche es in el alto oder la paz geht. auch geht das ganze wesentlich friedlicher ab - zwar gab es bei einer solchen demo am freitag abend auch genügend dynamit, was geworfen wurde, aber soweit es mitzubekommen war, ist niemand und nichts dadurch zu schaden gekommen. das rathaus war also ganz umsonst zugenagelt worden!!:-)
trotzdem werden die forderungen der marchistas aus der inoffiziellen hauptstadt boliviens in der offiziellen unterstützt....