"Euer Heer braucht niemand mehr!"

JD/JL Luckenwalde 23.05.2005 15:51 Themen: Militarismus
[Bericht und Fotos] Antimilitaristische Protestaktion gegen die Bundeswehrausstellung "Unser Heer" im brandenburgischen Luckenwalde.
Gestern nachmittag protestierten knapp zwanzig jugendliche Aktivistinnen und Aktivisten der JungdemokratInnen/Junge Linke Luckenwalde vor dem Eingang der Bundeswehrausstellung "Unser Heer" gegen die Bundeswehr und ihre akzeptanzschaffenden Maßnahmen in der Öffentlichkeit.
Mit lautstarken Parolen machten die Bundeswehrgegner auf sich aufmerksam und entrollten zwei Transparente mit den Aufschriften "Euer Heer braucht niemand mehr" und "Bundeswehr abschaffen!". Die Antimilitaristen verteilten mehrere hundert Flugblätter an die Besucher, in denen es unter anderem heißt: "Deutschland ist, gerade 60 Jahre nach Kriegsende und der Potsdamer Konferenz, in einer neuen Phase der Militarisierung. Und das in allen Bereichen des öffentlichen und nicht-öffentlichen Lebens - in den Schulen, in den Städten, im Fernsehen, in der aktuellen Außenpolitik."

Die Passanten reagierten meistens ablehnend und beschimpften die Aktivisten sogar zum Teil. Vereinzelt kam es jedoch zu - wenn auch sehr lautstarken und hitzigen - Diskussionen zwischen den Protestlern und den Passanten. Nach etwa einer halben Stunde traf die Polizei ein, die die Personalien der Bundeswehrgegner aufnahm und sie auf die gegenüberliegende Straßenseite verwies, wo die Aktivisten noch eine Weile Flugblätter unter das Publikum brachten und Diskussionen suchten. "Die Bundeswehr versucht seit Jahren massiv mit Konzerten, Planspielen oder eben solchen Waffenausstellungen wie hier in Luckwalde Akzeptanz in der zivilen Öffentlichkeit für sich zu gewinnen. Dies verschleiert jedoch den realen Zweck der Bundeswehr: Morden für deutsche Interessen.", so eine JD/JL-Sprecherin.

Im Folgenden wird der Text des Flyers dokumentiert:

Euer Heer braucht niemand mehr!
Gegen die Bundeswehrausstellung im Mai in Luckenwalde

Vom 7. Juli bis zum 2. August jährt sich zum 60ten mal die Potsdamer
Konferenz. Erinnern wir uns: Die Sieger über den Deutschen
Nationalsozialismus hatten über die weitere Zukunft Deutschlands beraten,
welches einen barbarischen Krieg begann und an der industriellen Ermordung
von Millionen Menschen Schuld war. Soweit bekannt! Erinnern wir uns weiter
an die Beschlüsse, die da waren: Entnazifizierung; Entmilitarisierung; Demokratisierung; Dezentralisierung; Zahlung von Reparationen.

Zwei dieser Beschlüsse nehmen wir uns genauer vor und stellen sie in einen
Kontext zur Bundeswehr: Entnazifizierung und Entmilitarisierung!
Welchen Stellenwert hatten diese Beschlüsse in der in den 50er Jahren neu
gegründeten Bundeswehr?

Demokratische Bundeswehr? Bruchlose Tradition zur Wehrmacht
Wenn heute Politiker aller Couleur von der "Friedensmacht" Deutschland reden, Bundeswehreinsätze mit Auschwitz legitimiert werden (nach Joschka Fischer), und man von einer "geläuterten Nation" spricht, sollte man doch skeptisch werden. Das mit der "Friedensmacht" immer häufiger Interventionskriege einhergehen (dazu aber später) und die Bundeswehr gar nicht so sehr in einer demokratischen Tradition steht, sich, ganz im Gegenteil, aus Angehörigen, Offizieren und Generälen, der Wehrmacht speiste, das soll im ersten Teil beleuchtet werden.

Mit der Neugründung der Bundesrepublik stellte sich 4 Jahre nach dem Krieg
wieder die Frage nach einer (west-)deutschen Armee. So trafen sich, trotz
Potsdamer Abkommen, im Herbst 1950 deutsche Militärstrategen in Himmerode,
um Bedingungen und Leitthesen für den Aufbau einer neuen Armee aufzustellen. Bereits im Mai des selbigen Jahres hatten die Westmächte, im Zuge der Verschärfung der Blockkonfrontation, signalisiert, das sie einverstanden waren, das die BRD sich mir Fragen der "Inneren Sicherheit"
beschäftigt. Was einer Verteidigungsarmee gleichkäme.

Das Ergebnis dieser Konferenz war die "Himmeroder Denkschrift",
deren Forderungen im Grunde die Rehabilitierung des deutschen Soldatentums, und das gerade mal 5 Jahre nach dem Krieg, bedeutet hätten.
Diese Forderungen waren:
1. Freilassung der als "Kriegsverbrecher" verurteilten Deutschen.
2. Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten (das auch die Waffen-SS einschließt) und
3.Umstellung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland.

Heißt im Klartext: Der deutsche Soldat war unschuldig, hat seine ehrenvolle Pflicht getan.

Bei diesem etwas sehr merkwürdigem Geschichtsbewusstsein wundert es dann
nicht, dass auf dem Treffen auch ehemalige Nazigeneräle waren. So zum
Beispiel der Ex-Wehrmachtsgeneral Röttiger, der nach Kriegsende zugab, dass die Bandenbekämpfung im 2. Weltkrieg im Endziel den Zweck
hatte, "die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer
unerwünschter Elemente zu ermöglichen.";
Ein weiterer bekannter Wehrmachtskader war der Generalmajor Heusinger, der
maßgeblich an der Vorbereitung zum Überfall auf die Sowjetunion beteiligt
gewesen war. Er war an zahlreichen Kreigsverbrechen direkt beteiligt und vor dem Nürnberger Kriegsgericht aussagte, dass die Wehrmacht an der
Durchführung des Holocaust teilgenommen hat.

Hier war bereits der Grundstein gelegt für eine Armee, die ganz in der
Tradition der Wehrmacht stand. Konkret wurde es dann 1955/56/57.
Bis 1957 wurden 44 Generäle und Admiräle benannt, die ausnahmslos in der
Wehrmacht tätig waren, auch beteiligt an der Vorbereitung und Durchführung
des Ostfeldzuges und an der militärischen Unterstützung (bzw. aktiver
Selbstbeteiligung) des Holocaust.
Weiter waren 12360 der 14900 bis 1959 ernannten Offiziere bereits in der
Wehrmacht als solche tätig. Mit 508 ehemaligen SS-Angehörigen, die bis 1956 eingestellt wurden, schließt sich dann der Kreis.

Bereits an dieser Stelle ist eigentlich alles klar, möchte man meinen. Die
Bundeswehr bestand in den 50ern aus ehemaligen Offizieren und Generälen der Wehrmacht und der SS. Es war halt Kalter Krieg, und eine Aufarbeitung der Vergangenheit schien man, in Gegenwart der Bedrohung durch die Sowjetarmee, für überflüssig zuhalten, was leider die westlichen Alleirten mit einschloss. Das Spiel aber wurde noch weiter getrieben.

So wurden zahlreiche Kasernen nach Nazigenerälen benannt, die sich aktiv am Vernichtungsfeldzug beteiligt haben, Erschießungen gebilligt oder selbst veranlasst haben: Zu nennen wären hier zum Beispiel die General-Oberst Dietl Kaserne(bis `95 in Füssel), der als krasser Antisemit und Hitlerverehrer galt. Desweiteren Namen wir Rommel, Fritsch, Heusinger,
Henning-von-Treschkow, etc... .

Oder die Feierlichkeiten für die Attentäter des 20. Juni ab den 90er Jahren, in deren Tradition die Bundeswehr ja nach eigenen Angaben steht. Die Ziele der Attentäter aber waren die Fortführung des NS-Staates, der versuchte Mord an Hitler stand nicht im Zeichen der Menschenrechte oder demokratischer Ideale, sondern im Festhalten an autoritären, menschenverachtenden Verhältnissen.

Und, last but not least, zahlreiche konservative Traditionsverbände, wie dem der Gebirgsjäger, welcher sich alljährlich zu Pfingsten in Mittenwald,
Südbayern, trifft, zusammen mit Teilen der bayrischen Landesregierung und
der Bundeswehr. Unterzieht man dieser Gebirgsjägertruppe eine genauen
Analyse, zeigt sich, dass diese an zahlreichen Morden an Zivilisten
beteiligt waren. So töteten Angehörige der Gebirgstruppe in Serbien 2100
KommunistInnen und Jüden auf Befehl des General Böhme, in dessen Zeit wohl
insgesamt 25000 Menschen in Serbien ermordet worden sind(das Beispiel ist
nur ein kleiner Auszug der Verbrechen).

Die Liste brauner Tradition in der Bundeswehr ist lang, sie alle zu nennen
würde den Rahmen sprengen. Am Ende bleibt das Fazit, das die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz mir Füßen getreten wurden, dass die Bundeswehr von
Anfang an "nazifiziert" war. Ohne irgendwelche Skrupel wurden Mörder und Verbrecher in neue Ämter gehoben, der totalitäre Geist des Nationalsozialismus, dessen Wirken Millionen unschuldige Leben gefordert
hat, wirkte in der Bundeswehr nach und prägte sie von der Stunde Null an.

Als wäre das nicht schon genug, so soll uns im Ernst das Bild vermittelt
werden, die Bundeswehr sei demokratisch und sichere "den Frieden auf
der Welt";


"FRIEDENSMACHT" DEUTSCHLAND

Anfang 2003: Das "friedliche" Deutschland protestierte in zahreichen Städten gegen den 'bösen Irakkrieg der USA'. Man sprach von einer
Achse Berlin-Paris-Moskau, alle waren sich einig, das Angriffskrieg was ganz fieses ist und man damit nichts zu tun haben wolle. So fanden sich dann auch auf den Demos Abgeordnete der Rot-Grünen Koalition, die für ihre
"Friedensmacht" auf die Straße gingen. Komisch darn ist nur, dass eben diese Rot-Grüne Koalition in eben diesem Jahr 2003 die Verteidigungspolitischen Richtlinien(sprich: VPR) erneuerte. Diese sind eine Verschärfung der VPR von '92 und ermöglichen der Bundesregierung einen noch größern Spielraum und mehr Selbstbestimmung in militärischen Fragen.

Mit dem Absegnen der VPR im Jahre 1992 ist ein neuer Meilenstein in der Geschichte der Bundeswehr gelegt wurden. Die Richtlinien forderten die Aufstellung von "Krisenreaktionskräften", mit der die Bundeswehr zu
"einem aktiven Instrument der deutschen Außenpolitik gerüstet werden
sollte".

So heißt es darin unter anderem, dass die Richtlinie "die
Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu
Märkten und Rohstoffen im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung" festlegen. Was dabei 'gerecht' bedeutet, ist wie immer eine machtpolitische Auslegungsfrage.

Die VPR ist als Grundlage für ein neues Aufrüsten zu bewerten, damit die
Bundeswehr (und damit Deutschland) wieder "oben mitspielen" kann in
der Welt. Begründet wird dieses Engagement mit einer "neuen
Verantwortung, die Deutschland in der Welt trage". Diese Verantwortung
gründet sich dann halt auch mal auf Auschwitz (wie oben erwähnt), im Zuge des Krieges gegen den Kosovo. Außerdem muss die Souveränität Deutschlands über die Landesgrenzen hinaus verteidigt werden.
Um Struck zu zitieren: "... die Sicherheit der Bundesrepublik wird
eben auch am Hindukusch verteidigt".
Das Bild von der Welt, die Deutschland nur Böses will, ist perfekt.
Und der nächste Einsatz steht bereits vor der Tür. Next stop: Sudan. Und so weiter.

Auch hier konnte wieder nur ein kleiner Auszug gegeben werden, der aber
ausreicht, um zu beweisen, das es der BRD gar nicht so sehr um "Frieden" geht, sondern um die Verteidigung ihrer Interessen. Seien sie wirtschaftlich oder politisch. Mit einer Bundeswehr, die aus alten Nazis entstand. Na denn, auf geht's... .

Neben diesen Kritikpunkten bleibt natürlich noch, dass die BW die
Freiheitsrechte ihrer SoldatInnen massiv einschränkt. 90000 SoldatInnen werden jährlich rekutriert. Mit Zwang. Die Bundeswehr ist ein Zwangsystem. Durch sogenannte Jugendoffiziere sollen selbst Schüler den "Nutzen" der Armee infiltrieren.
Deutschland ist, gerade 60 Jahre nach Kriegsende und der Potsdamer
Konferenz, in einer neuen Phase der Militarisierung. Und das in allen
Bereichen des öffentlichen und nicht öffentlichen Lebens - in den Schulen, in den Städten, im Fernsehn, in der aktuellen Außenpolitik.

Wo wir auch schon bei der Ausstellung "Unser Heer" in Luckenwalde
angekommen sind. Diese Austellung ist ein Phänomen dieser Militarisierung,
die ihre Anfänge bereits in den 50ern hatte und jetzt richtig loslegt.

Aber nicht mit uns! Gegen deutsches Großmachtstreben! Bundeswehr abschaffen!

WEG MIT DEM SCHEIß!
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Ergänzungen

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Albern — Sabrina

@Sabrina — glück & geld

gute aktion — hmm denken...