„Wildes Gedenken“ in Berlin Friedrichshain

Antifa Friedrichshain 20.05.2005 13:02 Themen: Antifa
Letzte Nacht wurden an mindestens zwei ehemaligen Stätten von NS-Zwangsarbeit Gedenktafeln angebracht. Diese Aktion steht im Zusammenhang mit der Forderung nach Entschädigung aller ehemaliger ZwangsarbeiterInnen im Nationalsozialismus. Heute Nachmittag um 17.30 Uhr findet dazu eine Kundgebung in der Neuen Bahnhofstr. 9-17 in Friedrichshain statt.
Als viele tausende Berliner am 8. Mai den 60. Jahrestag des Kriegsendes bewusst als Befreiung feierten, war damit auch die Forderung nach Entschädigung aller NS-Zwangsarbeiter verbunden. Eine angemessene Entschädigung steht seit 60 Jahren immer noch aus und viele Firmen verweigern hartnäckig die Zahlungen an die Entschädigungsfonds.
Die Demütigung der Zwangsarbeiter durch den deutschen Staat zwischen 1939 und 1945 findet ihre traurige Kontinuität in der unsäglichen Entschädigungsdebatte einer vorgeblich „historisch verantwortungsvollen“ Bundesregierung.
Die Antifa Friedrichshain möchte die Opfer des nationalsozialistischen Arbeitszwangs unterstützen und sie in ihrer Forderung an deutsche Firmen und Behörden nach Entschädigung bestärken.
Obwohl die massenhafte Zwangsarbeit gerade in Berlin, das alltäglich Leben und Arbeiten der deutschen Bevölkerung während des Nationalsozialismus prägte und unübersehbar war, sind heute Gedenkorte zu Zwangsarbeit im Stadtbild keinesfalls präsent und auch das Schicksal der Zwangsarbeiter ist im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert.
In den vergangenen Wochen wurde in Friedrichshain an verschiedenen Stätten von Zwangsarbeit durch Plakate und Flugblätter unter dem Motto „Genau hier.. war ein Zwangsarbeiterlager.“ auf das Thema aufmerksam gemacht.

Einer dieser Orte wurde auch für die heutige Kundgebung gewählt: Die Neue Bahnhofstr. 9-17 gehörte während des Zweiten Weltkriegs zum Rüstungsfabrikanten Knorr-Bremse, der hunderte Zwangsarbeiter dort beschäftigte und bis heute immer noch nicht in einen Entschädigungsfonds eingezahlt hat. Die Kritik richtet sich aber nicht nur an Firmen, die ihrer Verantwortung zur Entschädigung nicht nachkommen, sondern vor allem an den Senat/Regierung, der durch seine Gedenkstättenpolitik das Thema Zwangsarbeit bisher aus dem öffentlichen Raum heraushält.

Außerdem richtet sich die Kundgebung auch gegen die jüngsten Angriffe durch Neonazis im Friedrichshainer Kiez. Zur Zeit vergeht keine Woche, in der nicht unorganisierte, aber dafür extrem gewalttätige Neonazis den Bezirk durch neue Gewaltakte und Propagandatouren unsicher machen.

20.05.2005 // 17.30 Uhr // Kundgebung // Neue Bahnhofstr. 9-17 // Berlin-Friedrichshain

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Dokumentation Plakat „Genau hier.. war ein Zwangsarbeiterlager.“

Genau Hier...
War ein Zwangsarbeiterlager

Zwischen 1939 und 1944 befanden sich in Friedrichshain nachweislich knapp 200 Stätten an denen ZwangsarbeiterInnen lebten und arbeiteten. Viele tausende Menschen wurden hier vom nationalsozialistischen Deutschland zur Arbeit für den deutschen Faschismus gezwungen. Sie prägten den handwerklichen und industriellen Alltag und waren im gesellschaftlichen Leben unübersehbar.
Die Versorgung der deutschen Bevölkerung und der Nachschub für den Vernichtungskrieg gegen die osteuropäischen Staaten, war nur durch die massenhafte Versklavung von Menschen aus allen Teilen Europas durch deutsche Behörden und Firmen möglich.
Viele der ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen warten bis heute auf eine Entschädigung. Wenn heute darüber diskutiert wird einen Schlussstrich unter diese geschichtlichen Realitäten zu ziehen, um sich als Deutsche wieder „wohlfühlen“ zu können, bekommen Opfer des Nationalsozialismus natürlich das kotzen! Wir wollen dem bewussten Vergessen und Verdrängen entgegenwirken.

Frankfurter Allee 24 (Siemens)
Hier befanden sich die „Prachtsäle des Ostens“, deren Betreiber, H. Brandt, die Festsäle an Siemens & Halske vermietete, um hier das „Lager 10“ einzurichten und das Kino „Viktoria-Theater“ von W. Hein, in dem die Deutsche Reichsbahn ein Zwangsarbeiterlager unterhielt.

Frankfurter Allee 71b (Krone GmbH)
Hier war ein Belgier- und Ostarbeiterlager der Krone GmbH mit mehreren hundert Insassen.

Neue Bahnhofstraße 9-17 (Knorr-Bremse AG)
Die Firma stellte Rüstungsgüter her und bekam daher Zwangsarbeiter/innen zugewiesen. Eine Ukrainerin, die 1942 aus ihrem Heimatort verschleppt wurde, erinnert sich: „Die Behandlung durch die Wachmänner und Meister war grob und grausam. (...) Die Kleidung, die wir bekamen, entsprach weder der Jahreszeit noch dem Wetter. Wir waren oft krank, aber wir mussten arbeiten.“
Die Unterkunft der russischen Zwangsarbeiter/innen lag im Keller unter dem Hof des Verwaltungsgebäudes. Als 1944 dort eine Bombe detonierte, gab es keinen Arzt für die Verletzten.

Warschauer Platz (Osram)
Fast alle Grundstücke um diesen Platz gehörten der Osram GmbH & Co. KG. Hier unterhielt die Firma ein Zwangsarbeiterlager, in dem fast ausschließlich sowjetische Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren. Sie mussten in dem Glühlampenwerk in der Rotherstr. 23 arbeiten. Osram hatte hier auch jüdische Zwangsarbeiter/innen einquartiert, die meist 1943 deportiert wurden.

Gubener Straße 37-48 (C&A Brenninckmeyer)
Hier befand sich ein Lager mit „Ostarbeiterinnen“, die zur Bekleidungsherrstellung eingesetzt wurden. Von Sommer 1943 bis Sommer 1944 starben Menschen aus diesem Lager vor allem an den Folgen von Hunger und mangelnder Hygiene.

Antifa Friedrichshain
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Ergänzungen

Gute Kundgebung

Icke 21.05.2005 - 00:46
Die Kundgebung war ganz ok. 50-100 Leutchen haben sich knapp ne Stunde Redebeiträge zur deutschen Erinnerungpolitk, Wunsiedel usw. und etwas zu poppige Musik (obwohl auch Klassiker von Ernst Bush dabei waren) angehört. Die Bullen hatten sich versteckt und 2 Zivis als Nazis verkleidet sind mit ihrem roten PKW immer im Kreis gefahren.

Die Bullen oder der Eigentümer des Hauses in der Neuen Bahnhofstr., wo die Kundgebung stattgefunden hat, haben kurz vorher eine Gedenktafel wahrscheinlich mit Säure oder irgendwas anderem unkenntlich gemacht. Wahrscheinlich haben sie das Teil nicht mehr abbekommen. Echt krasser Kleber > Saubere Aktion, die sich sicherlich ausweiten läßt.

Ich find echt krass, dass es allein in Freidrichshain-Kreuzberg etwa 800 Zwangsarbeiterlager gab - sonst ist das Theam ja immer so fabulös und mensch denkt nur an Großkonzerne wie Siemens undso, dabei war Lieschen Fliegenschiss mit ihrer kleinen Bäckerei und Karl Arsch mit seiner Glaserei auch kräftig bei der Sklavenarbeit dabei. Echt widerlich wie das jetzt verschwiegen wird.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Gedenktafeln — ,.ipo

sehr gute aktion — weiter so!

der horst ist dumm — wie jeder weiss