Repression in Mittenwald

LeserIn 16.05.2005 14:27 Themen: Repression
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Köln, 16. Mai 2005



Präventiv-willkürlich eingehegtes Demonstrationsrecht auf bayrische Art

Überall in der Bundesrepublik wird in den letzten Monaten der Befreiung
von Krieg und Faschismus gedacht. In Mittenwald dagegen feiern die
Gebirgsjäger ungebrochen ihre Tradition, zu der Kriegsverbrechen in
Griechenland, Italien und anderswo gehören.
Den Zeitzeugen der Todesmärsche, den Überlebenden der Konzentrationlager
steht dagegen in Mittenwald noch nicht einmal angemessener Raum zur
Verfügung. Denjenigen, die die Erinnerung an die Kriegsverbrechen
wachhalten und der Opfer gedenken, werden die Möglichkeiten, sich zu
versammeln und ihre Meinung öffentlich kundzutun, in unerträglichem Maße
beschnitten.

- Zeitzeugen mussten Pfingstsamstag in einem Zelt, weitab von jeder
Mittenwalder Öffentlichkeit, von ihren schrecklichen Erfahrungen
berichten.
- Für das Treffen der Gebirgsjäger am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten
wurde Pfingstsonntag dagegen ein ganzer Berg polizeilich abgeriegelt und
zu Privatgelände erklärt. Die "Privatstraße des Bundes" - ein
Widerspruch in sich - wurde kurzerhand auf dem gesamten Zufahrtsweg
privatisiert und stand einzig den Gebirgsjägern und ihrem Freundeskreis
zur Verfügung. Den KritikerInnen dieses Treffens wurde jede Möglichkeit
versagt, ihren Protest auch nur in "angemessener" Entfernung
vorzubringen. Nach polizeilichem Augenschein wurde aussortiert und
zeitweise in Gewahrsam genommen.

Schon an den Vortagen wurden die Versammlungen der Anhänger der
"angreifbaren Traditionspflege" autoritär-staatssichernd eingehegt.
- Freitag, 13. Mai 2005, wurde die Gegend um ein Privathaus in
Wolfratshausen zur "Bannmeile" und für jedes öffentliche Anliegen
unzugänglich erklärt.
- Busse und anreisende PKW wurden ständig - "verdachtsunabhängig" -
kontrolliert. Die wenigen Busse der KritikerInnen der Gebirgsjäger
gerieten in immer neue Kontrollen. Personalien wurden überprüft. Plakate
wurden beschlagnahmt, weil das Impressum fehlte. Ein T-Shirt mit der
Aufschrift "Feuer und Flamme für diesen Staat" musste umgedreht
getragen werden.
- VersammlungsteilnehmerInnen sollten sich in eng mit Flatterband
abgesperrte Umzäunungen begeben, die als der ihnen zugewiesene
Versammlungsraum bezeichnet wurden.
- Beim Zugang zu Demonstrationen führte die Polizei bei den
Teilnehmenden Taschen- und Personenkontrollen durch. Noch die letzte
Streichholzschachtel oder das Paket Kekse wurden geöffnet. Bücher und
Broschüren wurden eingehend auf Verdächtiges überprüft.
- Selbst die Personalien der zu benennenden Ordner und Ordnerinnen
wurden akribisch aufgenommen. Sputeten sich Teilnehmende nicht, sofort
den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten, so wurde gedroht, mit
diesem Verhalten bringe man den Versammlungsleiter in Schwierigkeiten.
- Bis ins Kleinlichste kontrollierte die Polizei die Einhaltung der
Auflagen: Nur ein wenig zu kurz geratene Transparentstöcke wurden ebenso
bemängelt wie die Nutzung dünnen Bambus statt Holz. Verlangt wurde immer
wieder, die seitenweisen Auflagen bei der Kundgebung vorzulesen.
- Vermummung wurde je nach Situation und Gutdünken definiert. Der
Staatsanwalt hatte Freitag zunächst beschlossen, dass das Tragen von
drei der Utensilien - Sonnenbrille, Mütze und Kapuze- als Vermummung
gelte und geahndet würde. Zwischenzeitlich wurde es auf zwei Utensilien
herabgestuft. Recht ist, was die Polizei, manchmal in Abstimmung mit dem
Staatsanwalt/der Staatsanwältin beschließt. Nicht Rechtssicherheit für
die Bürger und Bürgerinnen, sondern Willkür sind das Ergebnis.
- Mit Festnahmen einzelner aus Versammlungen heraus oder auch am Rande
von Versammlungen wurden die Demonstrierenden immer wieder provoziert.
- An die ständige Überwachung von Versammlungen mit Video, mit Kameras,
durch in ziviler Kleidung auftretende PolizeibeamtInnen hat man sich
fast schon gewöhnt. Es ist aber ein rechtswidriger Eingriff in das
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.

Insgesamt wurde ein vordemokratisch-autoritäres Grundrechtsverständnis
deutlich. Versammlungen wurden grundsätzlich als potentielle
Gefährdungen aufgefasst, die es präventiv polizeilich zu kontrollieren,
zu überwachen und einzuschüchtern gelte. Wer sein Grundrecht auf
Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Anspruch nimmt, gilt als Störer
und Störerin, als potentielle StaftäterIn und hat diesem
polizeilich-politischen Verständnis gemäß seine Freiheitsrechte schon
verwirkt. In all diesem machtvollen Auftreten bleibt nur ein positives
Moment zu benennen: Fast durchgängig waren PolizeibeamtInnen bereit, auf
Nachfrage Name und Einheit zu nennen.

Fast mit Erstaunen musste man angesichts solch autoritären Auftretens
der Polizei die Reaktionen der Protestierenden beobachten. Gegenüber all
diesen Zumutungen und Übergriffen verhielten sie sich durchweg äußerst
gelassen und humorvoll-verwundert. Konzentriert darauf, ihr Anliegen zum
Ausdruck zu bringen, die begangenen Verbrechen an- und eine
verantwortlichen Umgang mit der Geschichte einzuklagen, ließen sie sich
nicht provozieren.

Für die DemonstrationsbeobachterInnen
gez. Elke Steven
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Ergänzungen

Scheiss USK

Antifa 16.05.2005 - 18:06
Nicht zu vergessen sind die extrem brutalen Festnahmen durch das USK .So wurde noch im Sixpeck auf einen bereits gefesselten eingeprügelt und ein anderer Antifaschist wurde in einen Hof gezert wo man ihn erstmal nicht mehr sehen konnten damit sich das USK ungestört mit ihm "beschäftigen" konnte. Am Samstag zog das USK jemanden aus der Demo mit der Begründung das er einem Bullen absichtlich auf den Fuss getreten sei.

ACAB


Stay together Stay Rabell

Verletzte?

egal 16.05.2005 - 19:22
Was ist dem, der beim gottesdienst verhaftet wurde, passiert? Gab's Verletzte? Wieviele wurden insgesamt in Geahrsam genommen? Was waren die offiziellen Gründe?

Platzverweise, Unterbindungsgewahrsam, ...

... 16.05.2005 - 21:19
So blöd der Name zunächst klingt, das Komitee is echt cool, v.A. da WD. Narr Grundrechte in seiner Rede explizit als "vorstaatlich" definiert hat...

Alles in Allem lässt sich sagen, dass die Polizei die ganze Sache in Mittenwald die ganze Zeit unter Kontrolle hat. Kein Wunder, es waren mehr schwerbewaffnete und gepanzerte Schergen da als Demonstranten.
Die Polizei hat vollkommen willkürlich gehandelt. Die vielen Platzverweise und der Unterbindungsgewahrsamnahmen sind eine dreckige Unverschämtheit. Es wurde letztendlich fast der Hälfte der Teilnehmer verboten zu demonstrieren, entweder, indem sie einen Platzverweis bekommen haben, oder gleich gewahrsam genommen wurden. Wir wurden Sonntag viermal kontrolliert, es waren dermassen viele Kameras mit Funk da, dass die Polizei wirklich jeden Teilnehmer identifizieren konnte. Da war insgesamt nur noch möglich, was von der Polizei zugelassen wurde. Dies hat überhaupt nix mit Demonstrationsfreiheit zu tun, nicht mal mit Meinungsfreiheit: Transparente wurden beschlagnahmt, Sprechchöre als Verunglimpfung eines Verfassungsorgans geahndet.

Bulle: Noch ein Wort und du bist raus.
Deminstrantin: Sie können mir nicht den Mund verbieten.
Bulle (zum Kollegen): Die hat grade Arschloch zu mir gesagt.
Kollege nickt. Demonstrantin wird still.

Und dann noch diese widerlichen schwarzgekeideten EliteBullen vom USK. Diese Paramilitärs, und die Feldjäger, die sich aufführen als würde ihnen die Stadt gehören. Ein Wunder, dass der BGS nicht da war, der spielt doch mittlerweile auch auf jeder kleinen Demo mit (was ist eigentlich mit der Bundespolizei, wann wurden denn da die Gesetze gemacht? Früher durften die nur auf Bahnlinien und im Zollgrenzbezirk. Qua Verfassung darf es (dachte ich, gar keine Bundespolizei geben, so viel ich weis, bezeichnenderweise als Lhere aus Gestapo oder so???))

Übrigens: ich glaub ich hab den scheinbar Verprügelten, den sie in den Park gezerrt haben, später in ner Wanne gesehen, da sah er noch ganz gut aus, weis nicht, ob er wirklich verprügelt wurde. Ist sich irgendjemand sicher?

@egal, ...

Antifascista Siempre 16.05.2005 - 21:31
Der bei der Kundgebung Festgenommene wurde definitiv verprügelt. Nach 2 Stunden kam er ( nach ED-Misshandlung ) wieder frei. Seine Brille war kaputt und er hatte mehrere Schrammen im Gesicht von Prügeln, vor allem am linken Auge und der Wange und Mundwinkel. Ist dokumentiert, wurde unmittelbar danach fotografiert.
Bei der Entlassung feixten und lachten die Bullen am Tor, als sie ihn sahen, schadenfroh. Es macht ihnen also offenkundig Spass, Leute zu verprügeln.

Weiter in Gewahrsam nahme bei Rückfahrt

Noch so einer 18.05.2005 - 11:02
Auf der Rückfahrt aus Mittenwald wurde der Kölner Bus auf der Autobahn abgefangen und zwei Leute zur ED-Misshandlung in Gewahrsam genommen. Ein Vorwurf war, die eine Person habe "BRD Bullenstaat wir haben dich zum kotzen satt" gerufen. Tja, was soll dazu noch gesagt werden. Meinungsfreiheit? Nicht in Bayern ... .

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