Zubringerbesetzung in Freiburg

malegría 15.05.2005 16:32 Themen: Bildung
Weitgehend unbemerkt vom Großteil der demonstrierenden Studis und unbeachtet von der Presse besetzten am Rande der Demonstration am 12.05. in Freiburg zwischen 100 und 200 Studierende die Kronenbrücke, über die auch die B31 führt, der Zubringer der A5. Unbestätigten Angaben zufolge bildete sich ein 7 Kilometer langer Stau.
Der Großteil der über 5000 DemonstrantInnen wurde nach der Abschlusskundgebung am besetzten Rektorat geradezu nach hause geschickt, anstatt zum Bleiben und Unterstützen der BesetzerInnen aufgefordert zu werden. Vermutlich hat auch die Bierspende einer Freiburger Brauerei dazu beigetragen, dass die Massen nach der Demo relativ zügig weg vom Rektorat und hin zur Mensa zogen, wo das billige Bier ausgeschenkt wurde. Wahrscheinlich sollte man ohnehin denken, dass man etwas falsch gemacht hat, wenn ein solcher Konzern plötzlich die Güte besitzt den protestierenden StudentInnen und SchülerInnen etwas zu spendieren. Zumindest war das Rektorat nach der Demo genauso voll wie vorher.

Trotz Fast-Freibier zog ein kleiner Teil der Demo aber an der Mensa vorbei, um eine weitere Aktion zu starten. Etwa hundert Leute rannten den Rotteckring hinunter bis auf die Kronenbrücke, wo zu diesem Zeitpunkt nur ein paar verdutzte Verkehrspolizisten warteten, um den Verkehr zu regeln. So war relativ schnell die erste Fahrtrichtung blockiert. Mit dem Nachrücken weiterer Leute wurde dann die Blockade ausgeweitet und auch die zweite Fahrtrichtung besetzt, so dass der Zubringer komplett lahm lag.

Es dauerte nicht lange bis die Freiburger Polizei anrückte, die sich bisher im besetzten Rektorat durch extreme Deeskalation und einen Schmusekurs gegenüber den Studierenden ausgezeichnet hat, der seines Gleichen sucht (nicht zuletzt, weil er bei einem nicht unwesentlichen Teil der BesetzerInnen auf Gegenliebe stieß). Schnell wurde jedoch klar, dass auch die Freiburger Bullen nur so lange lieb sind, wie man macht was einem gesagt wird. Nach etwa 20 Minuten stand eine Reihe behelmter Cops bereit und Vorzeigedeeskaltionsbulle und Leiter des Polizeireviers Nord Hager machte die klare Ansage, dass geräumt würde, wenn die Kreuzung nicht freigemacht wird. Relativ bald zogen die Leute dann gemächlich von der Brücke, nicht zuletzt weil einige der Anwesenden in vorauseilendem Gehorsam via Megaphon dazu aufriefen.

Dann das übliche Spiel: Einige DemonstrantInnen wollten nicht sofort gehen. Einer wollte auf dem Gehweg stehen bleiben und bekam einen Schlagstock in die Rippen. Als dann Name und Dienstnummer des betroffenen Polizisten gefordert wurden, zu deren Herausgabe die Polizei verpflichtet ist, machten die Bullen dicht und drohten stattdessen den Demonstranten mitzunehmen. Für erfahrene DemogängerInnen sicher keine Neuigkeit. Auch Herr Hager himself zeigte sich von einer anderen Seite und sagte klar, dass Name und Dienstnummer nicht rausgerückt werden würden.

Danach zog der kleine Demozug, begleitet und gefilmt von einem Bullenspalier ein weiteres Stück über die B31, durch die Innenstadt und zurück zu besetzten Rektorat, wo erneut eine Kreuzung besetzt wurde. Auch hier warteten die plötzlich aus ihren Löchern gekrochenen Bullen nicht lange und drohten mit Räumung und auch hier wollten nicht alle sofort gehen, worauf erneut die vermummten Riotcops anrückten, um zu beeindrucken. Nach ein bisschen Rangelei und dem peinlichen Verhalten einiger BesetzerInnen („Wir müssen doch gut mit der Polizei zusammenarbeiten“ durchs Mikro) zogen die Cops dann ab und die Situation beruhigte sich.

Warum das ganze? Eines hat die Situation gezeigt: Auch die Freiburger Bullen sind nur so lange lieb, wie es keine Konfrontation gibt. Ändert sich das, greifen auch sie durch (siehe z.B. Antirepressionsdemo in Freiburg* oder die Bilder von der Love OR Hate Parade**). Die Grenze ist halt nur auf „Freiburger Niveau“, das im Gegensatz zu Hamburg wohl wesentlich höher angesiedelt ist und so zumindest den Studis recht große Freiräume lässt. Aber es ist schon traurig, wenn vom Vordach des besetzten Rektorats den TeilnehmerInnen der Demo zugerufen wird, dass sich die Hamburger Polizei doch mal ein Beispiel an den Freiburger Bullen nehmen soll.

Es geht nicht darum, die Bullen als ein Feindbild aufzubauen, gegen das die Studis angehen müssen. Will man aber tatsächlich etwas verändern (z.B. Studiengebühren verhindern), dann wird man um eine Konfrontation mit der Polizei wohl nicht herumkommen, da sie es ist, die den Status Quo aufrechterhalten muss. Das Gelaber vom guten Verhältnis zur Polizei hilft da wenig, höchstens um den Protest zu spalten. Denn das muss man auch Herrn Hager lassen: Wer erst solche Aktionen wie auf der Kronenbrücke und vorm Rektorat bringt und sich dann ins Rektorat begibt, um mit den (oder zumindest einigen) BesetzerInnen brav über Studiengebühren und den Fortgang der Besetzung zu diskutieren, hat in der Polizeischule in Sachen Deeskalation und Spaltung von Widerstand gut aufgepasst. Mit Zuckerbrot und Peitsche werden die braven gehätschelt und die bösen verprügelt. Auch das ist nichts neues.

* Antirepressionsdemo in Freiburg
 http://de.indymedia.org/2004/12/101865.shtml

* Das Ende der Breisgauromantik: Antirepdemo FR
 http://de.indymedia.org/2004/12/101899.shtml

* Repression gegen Antirepressionsdemo
 http://de.indymedia.org/2004/12/102163.shtml

** Love OR Hate-Parade in Freiburg
 http://de.indymedia.org/2005/05/116737.shtml

##########

Feature zum Summer of Resistance:
 http://de.indymedia.org/2005/04/113154.shtml

Das besetzte Rektorat der Uni Freiburg:
 http://www.besetztes-rektorat.de.vu

Der Freiburger Frühling:
 http://www.freiburger-fruehling.de

Eine Übersicht über die Presse:
 http://www.soziologie.uni-freiburg.de/fachschaft/politik/maiproteste

Freiburger Indy-Artikel bei der Antifa:
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_article=284
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Ergänzungen

Weitere Kritik und Beispiel

KeineLiebeStudentin 15.05.2005 - 19:32
Es ist halt überall dasselbe - und das ist auch bei der Besetzung des Rektorats offenkundig sichtbar:
Viele StudenInnen solidarisieren sich mit dem Protest und übernehmen (wie im Rektorat nach ein paar Tagen Besetzung geschehen) federführend die Hand. Is ja auch nicht schlecht, auch wenn's Leute sind, die niemals selber das Rektorat am ersten Tag mitbesetzt hätten (wäre viel zu radikal gewesen). Is nicht trotzdem nicht schlecht, weil wir brauchen halt mehr Leute, die sich engagieren, den Wiederstand ausbreiten und so...
ABER: Sie sind halt so verdammt lieb. dieser dauernde Kuschelkurs mit der Polizei und so... Das erschreckte Davonlaufen, wenn die Bullen ihre dollen Helme aufsetzen: Jede psychologisch-durchdachte Drohgebärde wird mit "ja, wir machen das so wie ihr wollt, liebe Polizei" quittiert. Nervenaufreibend:
Dazu fällt mir nur noch folgender RATM-Spruch ein:
"They say: "jump!", and you say: how high?"

Beispiel: Nach der Zubringerbesetzung zog der Mob vor das Rektorat und besetzte die Kreuzung davor. Es wurde laut "Das ist unser Haus" usw. gesungen... Bullen kommen, eine Lauti-durchsage, zack, dreiviertel der Leute laufen bei der ersten Verwarnung weg. Jeder weiß, dass es meist 3 Durchsagen gibt und das man danach angestupst wird und persönlich aufgefordert wird zu gehen. Aber nein, fast alle nehmen die Beine in die Hand und laufen weg.
Ein paar Leute blieben dann auf der Straße sitzen. Die Weggelaufenen hatten aber nix besseres zu tun als vom Rektorat mit nem Megaphon zu brüllen: "Ihr gehört nicht mehr zu uns, mit euch autonomen wollen wir nix mehr zu tun haben" So n scheiß!
Fünf Minuten später: Die Bullen gehen "hinten" ins Rektorat rein. Und die ganzen schon vorher von der Kreuzung weggelaufenen rennen ins Rektorat. Tss, warum eigentlich??? Was wollen die denn darin? Wenn euch die Bullen einmal auffordern zu gehen, haut ihr ja eh gleich ab! Ihr habt nur glück, dass sie es bisher noch nicht gemacht haben!!

Vom uasta und seinem schmusekurs mit den Bullen brauchen wir hier garnicht zu reden. Das ist in Köln, Freiburg und vielen anderen Städten wahrscheinlich dasselbe.


wut im bauch

Rapunzel 15.05.2005 - 22:52
ein sehr gelungener Artikel!
Ich kann dem nur beipflichten.
Endlich wurde mal das ausgedrückt, was mir auch schon seit Tagen aufgefallen ist.
Ich habe mich als rdikal- denkender studi natürlich erst mal über den gelungen Auftakt zu den Protesttagen gefreut und dann muss ich miterleben, wie aus den eigenen Reihen (der studis) versucht wird, wehement Spalterei zu betreiben- und das wahrscheinlich nicht mal aus Boswilligkeit sondern aus reinem radikal-politischen Unverstand.
Bin auch der Meinung, dass die Leute erst mal nachdenken sollten, bevor sie solche dummen sprüche ablassen.
Damit werden gerade diejenigen leute enttäuscht, die sich nicht in erster Linie als Studis sehen und jene die ihr dringend zu euerer Unterstützung und nicht zuletzt auch für einen Grossteil der Infrastruktur(!), die im RAZ geschaffen wurde, braucht bzw. gebraucht habt.
angepasste studis, gute nacht!!

kleine Korrektur / "Freiburger Strategie"

entsetzter besetzer 16.05.2005 - 00:25
Erst einmal eine ziemlich unwichtige Korrektur: die Polizisten auf den Fotos kommen aus der Einsatzhundertschaft aus Göppingen (bzw. möglicherweise auch aus Lahr, die waren auch mal hier) - in Freiburg gibt es keine Einsatzhundertschaft.

Und jetzt das wichtigere: Ich glaube nicht, dass von Seiten der "Kompromiss-Freaks" versucht wird, den Protest zu spalten - ich habe auch nicht gehört, dass jemand vom Rektorat herübergerufen hätte "Ihr gehört nicht mehr zu uns, mit euch autonomen wollen wir nix mehr zu tun haben". Viele derjenigen, die im Rektorat bis zuletzt die Stellung gehalten haben, würden sich vermutlich selbst als Autonome bezeichnen.
Tatsächlich gab es aber einige, die vom Rektorat aus Sätze wie "Kommt doch rüber, das bringt doch nichts" in ihr Mikrophon riefen. Dass es unterschiedliche Meinungen zum Sinn bzw. Effekt von Aktionsformen gibt, muss man wohl akzeptieren. Zahlreiche Plena im Rektorat haben genau über diese Frage diskutiert - mit welcher Art des Protestes kann man am meisten erreichen?
Erfolgreiche (d.h. tatsächlich blockierende) Straßenbesetzungen haben sicherlich eine Wirkung - die Blockade des Bürgersteigs, zu der sie am Ende geworden war, entwickelte sich letztendlich aber nur zu einem Kräftemessen mit der Polizei: Wer gibt zuerst nach und zieht sich zurück?
Die Öffentlichkeit hat davon nichts mitbekommen. Glaubt wirklich irgend jemand, dass eine Schubserei mit der Polizei auf einem Bürgersteig auch nur die geringste Wirkung hat, abgesehen davon, dass man damit vor seinen Freunden angeben kann?

Natürlich hätte eine große Konfrontation mit der Polizei auch Öffentlichkeit erzeugt. Aber wegen der "Freiburger Strategie" der Polizei ist hier eine solche Konfrontation nur dann möglich, wenn die Agression von uns aus geht. Wer selbst als Agressor vorgeht, muss sich bewusst sein, dass er die Solidarität vieler anderer verspielt - denn die Strategie der meisten Aktivisten schließt eine möglichst positive Berichterstattung der Presse ein.

Diese positive Berichterstattung lässt sich wohl eher über ironische Aktionen wie den heutigen Abzug aus dem Rektorat erreichen.
Aber sicherlich gibt es auch andere Möglichkeiten. Im Plenum der Rektoratsbesetzer gab es allerdings bisher keine Vorschläge, die sich nach Diskussion durchsetzen konnten. Vielleicht sind die aktiven Freiburger Studenten Deppen. Vielleicht denken sie aber auch nur nach, bevor sie eine Aktion beginnen.

Wenn ein Plenum beschließt, eine bestimmte Aktion nicht durchzuführen, weil sie als nicht sinnvoll angesehen wird, ist das eine basisdemokratische Mehrheitsentscheidung - aber ganz sicher keine Spalterei!

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 16.05.2005 - 01:22

Was führ eine ewige Diskussion

Tinka 27.05.2005 - 22:25
Hallo liebe Leute,
also jetzt muss ich aber auch mal was loswerden. Ich finde es ewig schade, dass von so vielen Studenten in Freiburg nur so wenige auf der Demo waren. Aber ich glaube, dass man keinen zwingen kann zu seinem Glück. Außerdem möchte ich mal was zu der elendigen Radikal-oder nicht radikal-Diskussion sagen: Ich bin davon überzeugt, dass es jedem selber überlassen sein sollte, ob er radikal etwas erreichen möchte - mal abgesehen davon :Ist das wirklich die Lösung für unser Problem? Im Endeffekt erreichen wir doch damit nur, dass uns keiner mehr zuhört und wir als ewige prügellustige Studis abgestempelt werden. Ich selbst wurde am 12. auf der Kajo von einer Frau angepöbelt, dass ich ja zur Elite gehören wollen würde, aber dann mit nem Bier demonstrieren gehe. Mal abgesehen von der Frage, ob ich denn nun zur Elite gehören möchte. Die Gesellschaft nimmt uns nicht richtig ernst und dies lässt sich nicht durch Brutalität ändern. Natürlich haben mich die sich im Kreis drehenden Diskussionen Rektorat auch angenervt, aber man sollte einfach überlegen, mehr Aktionen zu starten, wir könnten doch zum beispiel auch an der Norddemo teilnehmen, die haben die gleichen Probleme wie wir und durch mehr Leute hätten wir auch die Möglichkeit, die Leute zu erreichen....Vielleicht kommen auch die anscheinend reiche Eltern habenden Kinder mal zur Besinnung....dies ist aber nicht durch Zwang und Pöbel möglich. Liebe Grüße, und vielleicht sieht man sich Frankfurt oder so!
Tinka

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Grüße aus Köln — studentische Hilfskraft der Revolte

JA dann mal gute Nacht — Pummelchen

@pummelchen — radikale