+++ Nachbetrachtung: 1. Mai in Kreuzberg

Nachhut 04.05.2005 15:27 Themen: Soziale Kämpfe
Trotz der Ankündigungen keine Revolutionäre 1. Mai Demonstration in Kreuzberg 36 zuzulassen hat es eine spontane Revolutinäre 1. Mai Demo gegen das Verbot durch den Kiez gegeben. Das Kalkül, Teile der Bevölkerung gegen die Linken auszuspielen ist nicht aufgegangen.
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Während PolitikerInnen, Bullen und Medien triumphierend tönen, der 1. Mai in Berlin wäre der friedlichste seit 1987 gewesen, wurden etwa 200 Leute festgenommen und viele weitere von den brutalen Schlägerbullen verletzt. Selbst das "MyFest" - welches zur Verhinderung der Revolutionären Mai-Demos von Bezirk und Bullen initiiert wurde - und die als Deeskalation getarnte Bullenstrategie, liess viele Leute nicht davon abhalten, in der Walpurgisnacht und am 1. Mai auf die Strasse zu gehen.

Zeigt eure Solidarität mit den Gefangenen vom 1. Mai und kommt zur Knastkundgebung am 4. Mai um 18.00 Uhr vor der JVA Moabit (Alt-Moabit).


---- Ankündigung off --------------




-- Demonstrationsrecht durchgesetzt

Man/frau liest derzeit vielerlei Beiträge von "Enttäuschung" wegen des Verlaufs des 1. Mai in Berlin-Kreuzberg. Die Presse, Polizei und Bezirksamt jubilieren darüber, dass es der "ruhigste 1. Mai" seit langem war. Doch die sogar in der Presse angekündigte Spontandemo konnten sie nicht aufhalten, so schwoll die Demo auf bis zu 4.000 Menschen an und wurde u.a. mit Applaus (an dieser Stelle: solidarische Grüße an die KurdInnen von der Bühne vor dem Marianneplatz, die uns mit dem massivstem Applaus empfingen...) und mit gestreckten Fäusten bedacht und begrüßt.

Die relative "Ruhe" haben sich die Herrschenden jedoch mit viel Aufwand erkaufen müssen: 300.000 € hat das sog. "Myfest" gekostet, von dem auch korrekte Initiativen z.T. provitieren konnten, noch mehr Kosten verursachte der immense Einsatz der Bullen am 1. Mai: den ganzen Tag über bis ca. 1 Uhr mußten sie an allen Kreuzungen Zivilbullen postieren, die sich teils als "Autonome" verkleidet auch versuchten unter "die Linken" zu mischen, wobei sie bei jeder roten Fahne im Myfest gleich eine Spontandemo vermuteten.

Die angekündigte "Spontandemo" gleich unterbinden oder angreifen zu wollen, daß trauten sie sich dann doch nicht, weil - so ihr militärisches Kalkül - der Funken sonst im Myfest überspringen würde, gegen das Verbot der Demonstration.

Nachdem die organisierten Linken die Spontandemo spätestens nach der 2. Runde am Heinrichsplatz oder am Oranienplatz auflösten bzw. verliesen gab es immer noch tausende Menschen, die sich der Demo angeschlossen hatten, die weiter demonstrieren wollten und so waren bis zu 1000 Menschen in der euphorischen Stimmung weiter bis zu Springer - "ins Zentrum der Macht" - zu demonstrieren.

In der Presse wird derzeit lanciert, Zivibullen hätten ab einem gewissen Zeitpunkt, also frühestens ab Moritzplatz die Spontandemo angeführt. In diesem Zeitalter der Photo-Handys und wo beinahe jede/r Dritte am 1. Mai ne Digi-Cam hat ist es nur eine Frage derzeit in dieser Sache auswertbare Fotos über den Einsatz der Zivil-Bullen-Sondereinheiten zu erhalten.

Sicher ist aber, daß sich schon den ganzen Tag über Zivilbullen im Stadtteil aufhielten, um einmal selbst autonomes Kleingruppenprinzip / oder "Guerilla-Taktik", wie sie in der Presse sagten / auszutesten. Es darf nicht vergessen werden, daß in diesen Zeiten der Hauptstadt nicht nur Berliner Sondereinheiten sondern auch Bundeseinheiten den 1. Mai auch als Testfeld für neue Techniken begreifen.

Z.B. war am Oranienplatz eine Gruppe von ca. 8 Menschen zu beobachten, die ca. ab 17 Uhr am Platz herumsaßen, alle durchtrainiert. Sie hatten sich als sog. "Autonome" wie im Comic verkleidet, einer z.B. mit einem Girlie-Täschchen mit Che-Guevara-Stern darauf, eine Frau packte gerade ein frisch gekauftes und gebügeltes schwarzes Sweat-Shirt aus, um es sich überzustreifen. Andere von der Truppe hatten sich im Zeitrahmen vergriffen und waren mit schwarzen Lederjacken a la Anti-Reagan Demo angezogen, bei noch ca. 20 Grad Temperatur...

Abends ab 23 Uhr mußten die Bullen und ihre staatlichen Aufklärer als auch die als Autonome Verkleideten Zivilbullen die herumstanden wie nicht abgeholt doch feststellen, daß sie in Kreuzberg irgendwie Fehl am Platze sind.

Die KreuzbergerInnen und ihre Gäste wollten weiterfeiern, denn - so war ja die Einladung durch Bezirk, Bullen und Myfest im Vorfeld gehalten - die Bevölkerung solle sich ihren Stadtteil zurückerobern. Dies sahen die deutschen Bullen abends nicht ein und so marschierten sie wie in allen Jahren zuvor martialisch auf, um die Feier abbrechen zu wollen, denn für sie waren die Feiernden nur Menschen, die sie als Manövriermasse gegen eine Demo mißbrauchen wollten, was ihnen so nicht gelang.

Einsam mußte sich doch so der ein oder andere Bulle aus Westdeutschland vorkommen, die wie im Laufsteg die Oranienstraße hoch und runter rannten und denen aus der gesamten Straße aus den Fenstern und aus dem Gehsteig und den Kneipen nur lautstarkes "Nazis raus", "Haut ab" und "Hoch die Internationale Solidarität" entgegenschwoll. Das viele wegen dieser Bullenprovokationen ihr Leergut von oben von der Seite von vorne und von hinten loswerden wollten und die Farbe "grün" ein leichtes Ziel dafür war, sollte irgendwie verständlich gewesen sein. Vielleicht aber hatte sich die Bullenführung aus Berlin auch nur einen "Scherz" erlaubt mit ihren westdeutschen "Kollegen" die auch mal etwas vom Mai-Feeling nachts in der O-Straße mitbekommen sollten...




--------------- DOKUMENTATION:


Presseerklärung

Demonstrationsrecht durchgesetzt!

Unter dem Motto „Kein Krieg! Kein Hartz! Kein Demoverbot! Straße frei dem Ersten Mai!“ demonstrierten rund 5.000 Menschen spontan gegen das Verbot der revolutionären Ersten Mai-Demo durch SO 36 in Kreuzberg.
Die Taktik der Polizei und des Bezirksamtes, den Protest gegen die Verelendung im Kiez und ganz Berlin, gegen Sozialabbau, Umsetzung der Hartz-Gesetze sowie gegen die imperialistische Außenpolitik der BRD und die neo-liberale EU-Verfassung mundtot zu machen, wurde durchkreuzt.
Trotz Mischung aus massiver Repression und Befriedung solidarisierte sich die große Mehrheit der TeilnehmerInnen des Myfestes mit der Demonstration – sei es, in dem sie sich einreihten oder indem sie der Spontandemo zujubelten.
Das Ziel der Polizei und der Myfest-Organisatoren, die Bevölkerung gegen die revolutionäre 1. Mai-Demo aufzuhetzen und als eine Art Bürgerwehr zu instrumentalisieren, ging nicht auf.
Nachdem die Polizei am Abend versuchte, den Kiez zu besetzen, sprachen sich die Bevölkerung und die Fest-BesucherInnen mit Parolen wie „Besatzer raus!“ dagegen aus.
Sie ließen sich weder durch die Festnahmen am 30. April einschüchtern, noch durch die Drohung, dass eine Demonstration verhindert werden würde. Von einer „Deeskalationstaktik“ ohne Bullenrepression kann nicht gesprochen werden. Duzende wurden sowohl vor dem Springerhaus als auch im Kessel am Moritzplatz Opfer der anderen, repressiven Seite dieser Taktik. Wir fordern die Niederschlagung aller Verfahren gegen die Festgenommenen!
Wir protestieren gegen die Desinformation in der Presse und in den Darstellungen von Polizei und Bezirksbürgermeisterin Reinauer. Die Spontandemonstration mit ihren 5000 TeilnehmerInnen zeigt, dass sich die anwesenden Menschen gegen den Angriff auf erkämpfte Errungenschaften wie das Demonstrationsrecht zu wehren wissen. Sie zeigt, dass sie einen politischen Ersten Mai, einen Kampftag gegen Ausbeutung und Unterdrückung wollen – und kein entpolitisiertes Myfest.
Sollten die politisch Verantwortlichen weiterhin versuchen – zusammen mit einem Demostrationsverbot – jeden gesellschaftlichen Protest zu verbieten, wird sich dieser Protest in anderen Formen artikulieren.
Der Widerstand gegen Hartz, gegen Krieg, gegen Demonstrationsverbot, gegen das kapitalistische System lässt sich nicht verbieten!

Linksradikales & autonomes 1. Mai Bündnis


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Fotos und Berichte:

Revolutionärer 1. Mai 2005 - Homepages:
 http://www.myfest.tk
 http://www.solid36.net

Revolutionärer 1. Mai Kreuzberg, Bericht + Fotos, Indymedia:
 http://germany.indymedia.org/2005/05/114174.shtml

Umbruch-Bildarchiv, Bericht + Fotos vom 1. Mai:
 http://germany.indymedia.org/2005/05/114195.shtml

Yorck59-Demo amn 1. Mai, Bericht, Indymedia:
 http://germany.indymedia.org/2005/05/114234.shtml

Krasse Zeiten, Yorck59-Demo am 1. Mai:
 http://www.krasse-zeiten.de/foto.php?dir=yorck59

Krasse Zeiten, Fotos 1. Mai und Walpurgisnacht:
 http://www.krasse-zeiten.de/foto.php?dir=mai2005
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Ergänzungen

Haftbefehle 1. Mai 2005

ergänzung 04.05.2005 - 16:12


Die Zahl der Haftbefehle gegen Gewalttäter der Mai-Krawalle wird 2005 um rund die Hälfte niedriger ausfallen als im Vorjahr. Bisher seien 44 Haftbefehle erlassen worden, bei weiteren 13 von insgesamt 193 in der Walpurgisnacht und am 1. Mai Festgenommenen steht die Entscheidung noch aus, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Nur 17 Beschuldigte seien bislang in der Untersuchungshaft geblieben, hieß es. Im Jahr 2004 lag die Zahl der Haftbefehle noch bei 97, davor bei 56. (jan.)

Quelle: Berliner Zeitung
 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/445112.html

zivis

....... 04.05.2005 - 17:20
am abend vor dem ersten mai waren nach meiner unmassgeblichen zählung mindestens acht gruppen von so nen superkanten unterwegs (jeweils ein oder zwei frauen pro gruppe), die als altautonom verkleidet waren und am frühen abend in vw bullis mit berliner schildern in der nähe vom boxi bzw. in der nähe vom mauerpark rumlungerten. sek?
am mauerpark war ausserdem eine gruppe von etwa 15 unterwegs, die als touristen verkleidet waren und auch genau so deppig aussahen und sich so benahmen wie kegelklubs (gröhl, lach, blöd sei).

Nachlese

Rumpelstilzchen 06.05.2005 - 00:45
Zum Glück ist meine Befürchtung nicht eingetreten, daß sich Teile der MyFest-BesucherInnen zur Bürgerwehr machen lassen. Rangeleien mit Ordnern blieben Randepisoden. In den Berichten vor allem zur Yorck-Demo ist aber eindeutig dokumentiert, daß martialische Typen aus dem Disco-Securitygewerbe, die zumindest optisch Faschisten nahekommen, für das MyFest engagiert werden. Solche Menschen "gegen Gewalt" ins Feld zu führen, ist ein Griff ins Klo. Aber es zeigt, wie so oft, daß halt nur bestimmte Personen bereit sind, die Drecksarbeit für die Herrschenden auszuführen. Das Bezirksamt sollte darauf verzichten! Deutlich wurde auch, daß sich Demo und Fest praktisch durchaus ergänzen können, letzteres für unangemeldete Demos sogar ein Schutz sein kann---- außer die Polizeiführung schaltet wieder auf Total-Eskalation um. Das tat sie dieses Jahr genau in dem Moment, wo das MyFest offiziell für beendet erklärt wurde. Die Feiernden vor dem SO 36 hat nur niemand gefragt, ob sie die Veranstaltung beenden wollen.
Auch wenn das Erlebte auf einen gelungnen Tag hindeutet, fand ich die Presseöffentlichkeit suboptimal. Die radikale Linke ist den Stempel nicht losgeworden, angeblich inhaltsleer zu sein. Konkretere Sachen wie z.B. die Yorck oder die linksradikalen Gruppen auf dem Mariannenplatzfest wurden in der Presse einfach nicht zur Kenntnis genommen. Sicher werden bürgerliche Zeitungen nie 1 zu 1 revolutionäre Inhalte transportieren, aber ein bischen mehr sollte vermittelbar sein. Pressekonferenzen und -Begleitung besser vorbereiten! Vielleicht gibts auch nächstes Jahr tatsächlich mal wieder eine gemeinsame Demo?
Ein Jahr war es mal so, daß diejenigen ohne Fahnen von Führungspersonen sich quasi nach 2 Stunden der 13-Uhr-Demo anschlossen und so zwei Demos in unmittelbarem Verhältnis zueinander standen.
Daß Antifaaktionen parallel stattfinden müssen, egal zu welchem Zeitpunkt, wird sich leider nicht ganz verhindern lassen.

Zeugen von Misshandlung durch Polizei gesucht

Tom 13.05.2005 - 17:07
Ich wurde in der Walpurgisnacht um 2 Uhr morgens in der Warschauer Straße Ecke Boxhagener verhaftet und in eine Wanne gezerrt. Bereits dort wurde ich von den Grünen mißhandelt und im Hof der Polizeiwache Keibelstr./Otto-Braun-Strasse am Alexanderplatz von den Grünen verprügelt.
Zeugen melden sich bitte beim EA 030/6922222 oder  zeugengesucht@gmx.net

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. — .

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... — mitgelaufen

oh mann... — mr. il

Es bleibt dabei — ...

Verletzte — X

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Gedichtanalyse — Lampenputzer