Essenspakete-Boykott in München

Karawane München 03.05.2005 23:15 Themen: Antirassismus
Am heutigen Dienstag verweigerten 64 Flüchtlinge aus dem Lager in der Emma-Ihrer-Str. 8 die Annahme von Essenspaketen, die sie anstelle von Sozialhilfe erhalten. Sie wollen die Paketannahme weiter boykottieren, bis sie Barbezüge anstelle der Pakete bekommen. Eine Solidaritätskundgebung mit rund 80 TeilnehmerInnen, vor allem Flüchtlingen, fand vor dem Lager statt.
Die Flüchtlinge in Bayern erhalten Sachleistungen und nur 40 Euro Taschengeld. Sie sollen von zwei Essenspaketen pro Woche leben. Doch alle müssen zusätzlich Lebensmittel einkaufen, da ihr Bedarf nicht gedeckt wird. Auf individuelle Essgewohnheiten wird keine Rücksicht genommen. Ein Flüchtling aus Syrien berichtet: „Ich habe seit dem 1. Januar keine Essenspakete mehr angenommen, weil ich Vegetarier bin. Ich habe seitdem nur die 40 Euro ‚Taschengeld’, um mir Essen zu kaufen.“
Darum boykottieren die BewohnerInnen ab dem 3. Mai die Lebensmittelpakete und fordern: Geldbezüge statt Sachleistungen.
Die Versorgung mit Sachleistungen ist in der Tat nicht bedarfsgerecht und zudem auch noch teuer. 1999 wurde die Stadt München von der Regierung von Oberbayern dazu gezwungen, von Geld- auf Sachleistungen umzustellen. „Dies erforderte den Aufbau einer Logistik zur Verteilung von Essenspaketen vor Ort. Das neue System war nicht nur teurer und aufwändiger als die zuvor praktizierte Barauszahlung [...]. Für die Flüchtlinge bedeutete dies eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation, da sie nicht mehr nach ihren tatsächlichen Bedürfnissen einkaufen konnten.“, heißt es dazu im Flüchtlingsbericht der Stadt München.

UnterstützerInnen werden die nächsten Wochen Lebensmittelspenden organisieren und in die Emma-Ihrer-Str. bringen, um den Boykott auch weiterhin zu ermöglichen. Ein erster „Vorgeschmack“ konnte schon heute, in Form eines reichhaltigen Buffets genossen werden.

Juristisch ist der Boykott übrigens ebenfalls interessant, da eigentlich nach 36 Monaten Aufenthalt keine Sachleistungen mehr erbracht werden dürfen, woran sich die Regierung von Oberbayern jedoch in vielen Fällen nicht hält. Der Boykott könnte eine richterliche Entscheidung über diese Einzelfälle beschleunigen, da eine erhöhte Dringlichkeit vorliegt.


Mehr Infos gibt’s auf der Homepage der Karawane München:  http://www.carava.net
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

interessant was die lagerleiter so treiben:

zeitungsleser 03.05.2005 - 23:46
Regierung im Visier der Fahnder
Millionen an Steuergeldern verschwendet: Staatsanwaltschaft ermittelt

Bei der Regierung von Oberbayern sind bei der Betreuung von
Asylbewerbern seit Jahren Steuergelder verschwendet worden. Größere
Anschaffungen wurden nicht ausgeschrieben, Heimbewohner gemeldet, die es
nicht gab, eine Einrichtung von einer Transportfirma stümperhaft
saniert. Der Schaden geht laut Staatsanwaltschaft vermutlich in die
Millionen. Seit eineinhalb Jahre ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Mehrfach wurden Unterkünfte, Diensträume, Wohnungen und Firmen
durchsucht. Es geht um Urkundenfälschung, Untreue, Unterschlagung,
Betrug, Bestechung. 14 Beschuldigte gibt es bisher: fünf Leiter und ein
Angestellter von Asylheimen, drei weitere Regierungsmitarbeiter, vier
Geschäftsführer eines Neufahrner Großhändlers und der Inhaber der
Transportfirma.

Das "Sachgebiet 630" der Regierung betreut die 94
Gemeinschaftsunterkünfte und Übergangswohnheime in Oberbayern sowie die
Aufnahmeeinrichtung an der Boschetsrieder Straße in München und ist für
alle größeren Anschaffungen zuständig. Wie der ermittelnde Staatsanwalt
Manuel Weikert sagte, wurde dabei aber häufig nicht ordnungsgemäß
ausgeschrieben. Bei Kühlschränken etwa seien die Aufträge seit Mitte
2001 freihändig an den Großhändler in Neufahrn vergeben worden.
Bestechung konnte bisher zwar nicht nachgewiesen werden, jedoch wird
gegen zwei Mitarbeiter des Sachgebiets wegen des Verdachts der Untreue
und Verletzung der Dienstpflichten ermittelt.

Für Asylunterkünfte über die Maßen eingekauft
Anders im Fall eines technischen Leiters. Der 62-Jährige war für die
Regierung Stammkunde bei dem Großhändler. "Dafür hat er von der Firma
geldwerte Leistungen erhalten", sagt Weikert. Ein Einbauherd, ein
Kühlschrank, eine Dunstabzugshaube, eine Digitalkamera, ein Receiver und
weitere Kleinigkeiten.

In mehreren Asylunterkünften wurde laut Weikert von der Nadel bis zum
Kühlschrank über die Maßen eingekauft. In der Wohnung des Leiters einer
Münchner Unterkunft wurden Rasierschaum und Nähzeug gefunden. Der
59-Jährige wurde suspendiert. Ansonsten sind die Sachen weg. Spurlos.
Weikert: "Es besteht der Verdacht, dass sich Heimleiter bereichert
haben."

In einer Münchner Unterkunft konnte die Staatsanwaltschaft zudem
nachweisen, dass 66 der rund 200 Heimbewohner gar nicht dort wohnten.
Der Heimleiter hatte sie dennoch jahrelang gemeldet und auf ein Zimmer
gebucht. Die Regierung lieferte fleißig Essenspakete und
Sachzuwendungen, die die Asylbewerber auch abholten. Weikert: "Hier
wurden Leute versorgt, die keinen Anspruch darauf hatten." Der Schaden
liegt allein hier im sechsstelligen Bereich. Ermittelt wird noch gegen
vier weitere Leiter von Heimen in München, Denkendorf und Inzell.

Dubios auch die Sanierung der Aufnahmeeinrichtung an der Giesinger
Untersbergstraße. Laut Weikert einigten sich Hauseigner und Sachgebiet
auf eine Kostenteilung. Der Eigentümer beauftragte eine Transportfirma
aus Feldkirchen mit der Sanierung. "Die Arbeiten waren schlecht
ausgeführt", sagt Weikert. Immerhin: Die Regierung zahlte nur einen Teil
der vereinbarten 140 000 Euro. Die Einrichtung ist inzwischen aufgelöst.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, weil viele Akten schlecht
geführt oder nicht mehr da sind. Was strafrechtlich übrig bleibt, ist
offen. "Die Systeme, die dahinterstecken, werden wir wohl nie erfahren",
vermutet Weikert. Klar sei aber, dass die Kontrollen versagt hätten.
Seit Beginn der 90er Jahre seien vermutlich Millionen versickert.

Wie Sprecher Thomas Huber betonte, habe die Regierung von Oberbayern
beim Bekanntwerden der Missstände Ende 2002 sofort reagiert. Fünf
Heimleiter seien suspendiert, Inventar, Bestellungen, Zahlungen
überprüft worden. Zudem habe man massiv organisatorisch umgebaut, das
EDV-System verbessert, qualifiziertes Personal eingestellt und Vorgaben
verschärft. Allein beim Materialverbrauch wurden so laut Huber von 2002
bis 2004 rund drei Millionen Euro eingespart.

Die Ursache für den Filz sieht die Regierung in der Zuwanderungswelle
der 90er Jahre. "Wir mussten damals schnell handeln, Unterkünfte und
Personal beschaffen", sagt Huber. "Qualifiziertes Personal war aber nur
schwer zu kriegen." Andere Sachgebiete seien nicht betroffen.

WOLFGANG HAUSKRECHT
24.04.2005
Münchner Merkur

Alltag

sieben Flaschen Essig 04.05.2005 - 11:19
In einigen Gegenden der BRD wird das Essen auch außerhalb der Erstaufnahme- oder Ausreiseeinrichtungen in fertigen Paketen ausgegeben.
"In Heidelberg [...] testeten 58 HeidelbergerIn-nen eine Woche lang die Esspakete. Die Bilanz: Alles, was wir als gesund ansehen, Milch, Obst, Gemüse, Säfte, fehlte. 19,80 DM brauchten die Leute im Durchschnitt pro Woche, um sich das zu kaufen, was die Pakete nicht beinhalteten, von den Getränken bis zum Salz. Schwer fiel es allen, den Gebrauch vorausschauend zu planen, weil unklar war, was im nächsten Paket sein würde. Den Widersinn solcher Esspakete zeigt auch ein folgendes Beispiel: Eine siebenköpfige Familie in Neustadt erhielt unter anderem sieben Flaschen Essig" - Salat war übrigens keiner vorgesehen (Rosner, 1996).

s auch- http://www.chipkartenini.squat.net/reader.html

@Ms. Flanders

F 05.05.2005 - 17:18
>>>Ms. Flanders 04.05.2005 09:46
>>>Nur 2 Essenspakete pro Woche, Sachleistungen, freie Unterkunft, >>>ärtztliche Versorgung und 40 Euro als Flüchtling in Deutschland.
>>>Kann denn mal bitte einer an die Kinder denken ?!

Ja tickst Du noch ganz richtig?! Würde gerne erleben, was Du sagen würdest, wenn Du unter solchen Umständen leben müsstest. Wenn Du es genau betrachtest, stellst Du fest, dass die Essenspakete willkürlicher Fraß sind, als vollwertige Ernährung ungeeignet. Es ist außerdem Dein grundlegendes Recht als Mensch, Deine Nahrung wählen zu dürfen - in einem Sonderfall wie der Situation als Flüchtling sollte mensch zumindest noch eine Alternative haben!

Mit 40 Euro Monatsgeld kannst Du kaum leben, schon garnicht, wenn Du zusätzlich noch für Nahrung sorgen musst. Bei einer vegetarisch/veganen Lebensweise beträgt die durchschnittlichen Ausgaben für Essen pro Monat ohne Luxusgüter pro Person ca. 50-60 Euro (noch großzügig gerechnet, omnivore Ernährung ist grundsätzlich noch teurer).

Ärztliche Versorgung - ein Grundrecht aller Lebewesen, sollte niemandem verwehrt und immer kostenlos sein (Grundversorgung, Schnickschnack wie kosmetische Korrekturen etc. natürlich nicht)!

Wie Du Dir das mit den Sachleistungen vorstellst, kann ich schwer einschätzen, ich sag nur soviel, dass wohl kaum einE AsylantIn 'nen Plasma-Fernseher in der Bude stehen hat...

Verdammt! Welche Kinder? Ist das wieder so ein Spruch à la: "Was helft ihr dauernd den Leuten irgendwo auf der Welt, kümmert euch zuerst um die Menschen in Deutschland!" oder eher die Richtung: "Die Erwachsenen sind selbst schuld, kümmert euch nur um die Kinder, die allein verdienen eure Hilfe!"...?

Oder lieg ich völlig daneben? Erklär mir das mal!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Gottchen... — Ms. Flanders