Urteil in GI: 8 Monate ohne Bewährung

AbwehrspielerIn der Ordnung 03.05.2005 19:20 Themen: Repression
Als hätte es die ganzen Prozesstage nicht gegeben. Als hätte es nicht Widersprüche über Widersprüche gegeben. Das Urteil und sogar die Begründung des Urteils in zweiter Instanz in Gießen gegen Politaktivisten glich fast komplett dem aus der ersten Instanz. Die EntlastungszeugInnen haben bestimmt alle irgendwie mal kurz weggeguckt, während die BelastungszeugInnen gerade deshalb glaubwürdig waren, weil die Richterin ihnen die intellektuellen Fähigkeiten absprach, Lügengebilde zu konstruieren. Am Ende gab es 8 Monate ohne Bewährung für den Angeklagten B. und 50 Tagessätze für N. Die Bewährung wurde nicht gewährt, weil B. ja sogar schon während des Prozesses weitermachte, in dem er auf einem Plakat das Urteil „Fuck the police“ kritisierte (hochkopierte Seite aus der Dokumentation) und sich daraufhin von Bullen verprügeln ließ. Sowas aber auch ...
Schon in der ersten Instanz war ein krudes Urteil gefällt worden. Wer richtig Scheiße laberte oder besser noch gleich zuschlug, war dadurch besonders glaubwürdig. In ewigen Beweisführungen wurde das in diesem Verfahren zerlegt. Im Urteil kam davon aber nichts vor. Schon Staatsanwalt Vaupel hatte ein Plädoyer gehalten, als wäre er bei der Verhandlung nicht dabeigewesen. Das Gericht – eine SPD-Funktionärin aus dem Landkreis Gießen, ein FWG-Stadtverordneter aus einer Stadt in der Wetterau südlich von Gießen und eben die Richterin – wiederholten weitgehend den Schrott der ersten Instanz ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/urteil1.html).


Der Beginn

Vor dem Gericht fand ein Workshop zu Kritik an Justiz und Alternativen zu Strafe statt. Dazu waren einige erschienen, auch der Angeklagte B. Sie interessierten sich nicht weiter für den Prozess und saßen stattdessen draußen auf den Gerichtstreppen. Richterin Brühl fand das wohl nicht lustig und ließ B. durch die Polizei in den Gerichtssaal schleppen. N. fehlt weiter. Es ist zudem ein anderer Staatsanwalt (Sta) da. Brühl beschließt nach Besprechung eine Verhandlung in Abwesenheit für Neuhaus.
Dann passiert etwas Interessantes: Obwohl beim letzten Mal schon die Plädoyers und ein letztes Wort gesprochen wurden (auch weil Staatsanwalt Vaupel diesmal nicht konnte), ruft die Richterin noch mal die Beweisaufnahme auf. Tja, darauf war niemand mehr eingestellt. Der Angeklagte B., ja zwangsvorgeführt und ohne Akten, sah sich plötzlich wieder in einer Verhandlung. N. fehlte ganz. Die Richterin brauchte dass, um zwei Ablehnungen für Beschlüsse zu korrigieren. Offenbar wollte sie noch einiges revisionsfest machen.
Die Kammer beschließt zu verschiedenen Punkten:
Sie meint, dass die Sachlage zu Flugblätter im Sitzungssaal am 27.3.2003 erwiesen sei im Sinne des Antrags, d.h. dass es keine Flugblätter gab (also weitere Falschaussage von Gail!), daher Antrag Stadtverordnetensaal abgewiesen. Der Antrag hätte keine Auswirkung auf den Vorgang und die Angeklagten zurecht als Störer empfunden –Tonband bestätige dass ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag10antrag_gail.html).
Meise/Tuchbreiter-Vorladungs-Antrag abgelehnt, da unerheblich ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag10antrag_abbruch.html.


Im Namen des Volkes?

Die Richterin zettelte eine Diskussion um das Aufstehen an. Bisher waren die Angeklagten prinzipiell nicht aufgestanden bei Erscheinen des Gerichtes. Nun wollte Brühl sicher, dass der ja allein anwesende B beim Urteil „im Namen des Volkes“ aufsteht. B. aber hatte schon angekündigt, das „im Namen des Volkes“ nicht widerstandslos hinzunehmen – und da er ja zwangsweise da sein müsse, kündigte er Proteste an. Er begründete das zum ersten mit der wilden Konstruktion des Volkes, das es seiner Meinung nach gar nicht gibt und auch nicht geben sollte als Einheitsmasse der Menschen. Zum anderen sei es unverschämt, dass Einzelne sich erdreisten, im Namen aller reden zu können. Brühl schlug schließlich vor: „Halten Sie sich die Ohren zu“. So wurde sich geeinigt.


Wiederholung Plädoyers und letzte Worte.

Da ja nun die Beweisaufnahme wieder eröffnet und dann geschlossen wurde, musste auch alles, was danach kam, wiederholt werden. Allerdings war niemand darauf vorbereitet. So konnte auch der Angeklagte kaum darauf reagieren und brachte nur zwei Punkte vor:
1. Zum Anklagepunkt 11, dem Tritt, hätte Staatsanwalt Vaupel die offensichtlichen Widersprüche des Belastungszeugen Walter gar nicht erwähnt – was schon sehr krude sei, als sei das egal, dass der Tathergang vor Gericht und in der Strafanzeige des vermeintlich Betroffenen ruhig mal völlig gegensätzlich sein kann. „Die Story stimmt nicht“ wiederholte der Angeklagte.
2. Angriff des Sta Vaupel gegen Janitzki, d.h. das angedrohte Falschaussageverfahre. Das sei der nächste Fall von Gesinnungsjustiz. „Überbringer der schlechten Nachricht“ soll kriminalisiert werden, Vaupel kann sich offenbar nicht zurückhalten und muss alle, die Widerspruch leisten verfolgen.
Der Ersatz-Staatsanwalt verzichtet auf ein neues Plädoyer.
B. verzichtet auf „letztes Wort“ – ist ja auch alles recht überraschend und schon hochzweifelhaft, ob das so ein rechtmäßiges Verfahren ist.


Urteil

Brühl verliest dann das Urteil – derweil B. sich die Ohren zuhält: 8 Monate für B., 50 Tagessätze à 10,- Euro in 50,- Euro Raten abzahlbar für N.
Dann schloss sich ein Kommentar Brühls an, die sich offenbar auf den Schlips getreten fühlte: „Gesinnungsjustiz“ sei unangebracht und nicht beweisen. Die Richter seien nicht parteiisch, weil sie das schwören müssten (na toll ...).
Dann verliest sie zum Lebenslauf von B. und N. eine Übersicht. Die nennt auch deren Ziele: Politische Aktivitäten – Unterdrückung + Ausbeutung vermindern – Herrschaft entlarven – allerdings überschreiten die Angeklagten das Erlaubte in den zu verurteilenden Fällen.


Anklagepunkt Wahlplakate

Stichpunkte zum Urteil: 2002 Wahlkampf – Wahlplakatveränderungen – Lächerlichmachung des Wahlkampfs 29.08.2002 Plakatveränderungen. 6 Wahlplakatveränderungen seien bewiesen – die anderen nicht. Sache mit Wahlmobil seien Schutzbehauptungen und nicht glaubhaft, denn B. ist weggelaufen, N. habe Papier dabei gehabt, alles war in der Nähe des Tatortes, B. hatte Sprühkleber. Die Richterin meinte dann (Überraschung), die Plakate seien während der Polizeikontrolle von anderen verändert worden, B. und N. hätten aber von dem Plan gewusst und seien daher der gemeinschaftlichen Sachbeschädigung schuldig. Brühl meinte im Prozess sogar, die Angeklagten hätten die Vernehmung der Täter beantragt – das rief der Angeklagte B. dazwischen, dass das erlogen sei, er hätte die Vernehmung anderer Kontrollierter beantragt, ein Tatverdacht gegen diese bestehe allerdings nicht, dass hätte er damals auch schon gesagt. Das Urteil in diesem Punkt ist interessant, da Brühl den Angeklagten explizit bescheinigt hat, selbst die Plakate nicht beklebt zu haben – und über mehr wurde im Prozess nicht geredet. Es gibt also niemanden mehr, der tatverdächtig ist. Aber verurteilt sind trotzdem jetzt welche – juristische Logik halt.


Anklagepunkt „Tritt“

11.01.03 CDU-Stand mit Polizeipräsident Meise und Innenminister Bouffier. Ablauf sei gewesen: Ab 13 Uhr. Spontandemo – Schilderung per Megaphon der rechtswidrigen Hausdurchsuchung. 10 Minuten lang mit Unterbrechungen spricht B. Walter wird von Meise und Bouffier „eingeschaltet“ – Störung muß ein Ende haben. 9-11 Beamte kamen noch – Megaphon soll herausgegeben werden – entwinden des Megaphons nicht möglich –
Gewahrsamname erklärt, Tumult, 4 Polizeibeamte tragen B. weg. Beim Abführen hätte Walter B in die Genitalien gegriffen um ihn besser in den Wagen zu bekommen. Tritt gegen Walter an die Stirn, Kopfschmerzen. Gericht unterstellt keinen bewußten Tritt – Abwehrbewegung – trotzdem Körperverletzung.
Spannend war, dass Brühl eigentlich alle Zeugen rauskegelte. Die Bullen erwähnte sie gar nicht – damit machte sie es sich einfach, denn die haben ja unglaublichen Stuß erzählt. Die Entlastungszeugen hätten dagegen alle irgendwie doch das nicht sehen können, obwohl sie das gesagt hätten. So bleiben nur die Aussagen des Angeklagten B. gegen die von POK Walter. Walter nun sei der glaubwürdigere, weil er während der Vernehmung plötzlich die bisher genannte Person, mit der er den Angeklagten B. in den Wagen gedrückt hätte, auswechselte gegen eine andere. Der Angeklagte hatte gemutmaßt, dass hier offenbar ein „besserer“ Märchenerzähler plötzlich nach über zwei Jahren und in der zweiten Instanz eingebracht wird. Richterin Brühl nun fand, dass gerade das den Zeugen glaubwürdig mache, weil ein solches Manöver, dass ja die Glaubwürdigkeit in Frage stelle, würde nur jemand „mit reinem Gewissen“ machen.
Also: Nach der Gülle-Pointe „Wer jemandem schlägt, ist glaubwürdig, sonst hätte er/sie ja nicht geschlagen“ aus dem ersten Urteil die nächste Absurdität: „Wer unglaubwürdig ist, ist besonders glaubwürdig“. Dass POK Walter sich auch selbst krass widersprochen hatte (siehe oben zur Plädoyersergänzung), erwähnte die Richterin gar nicht. Was hätte sie dazu auch erfinden sollen ...
Brühl zudem: Die Aussagen der Polizei stellen kein Komplott dar. Auslegung der Schilderungen zugunsten von Walther. Sinngemäß „Wird schon nicht lügen, weil das dass nicht erlaubt sei“. Er habe bei einer Lüge keine persönlichen Vorteile, sei schon fortgeschrittenen Alters und nicht karriereorientiert. Meinungsbildung des Gerichts aufgrund der „Summe sämtlicher Anhaltspunkte“.
Klopper ohne Ende brachte Brühl auch in der Frage, ob der Angriff auf die Demonstration rechtmäßig gewesen sein. Brühl behauptete einfach, ein Polizist müsse komplexe Rechtsgeschichten nicht kennen und daher sei sein Vorgehen richtig, wenn er einen CDU-Stand vor dem Lärm einer Demonstration schützen will. Naja ... Gießener Justiz halt. Auch mit diesem Satz hat Brühl vor allem gezeigt, dass sie erstens klare Gesinnungsjustiz betreibt und dass zweitens eine intensive Prozessführung und das Zulassen von Beweisführungen nicht bedeutet, dass sich das auch in einem qualitativ hochwertigen Urteil niederschlägt. Das Urteil von Brühl ist auch juristisch schlicht eine Katastrophe. Sinngemäß sagte sie: „Polizeibeamter muss komplizierte Sachverhalte (Demonstrationsrecht) nicht prüfen“. Der Gang vors Verwaltungsgericht stehe B. ja offen, für die Strafsache habe es keine Bedeutung.
Dass sie der Polizei bescheinigt, diese dürfe ohne jegliche Aufforderung zur Auflösung u.ä. einfach eine legale Demonstration angreifen, wenn sie findet, dass diese gerade gegen irgendwelche Lärmvorschriften verstößt (die von Walter angeführte Gefahrenabwehrlärmverordnung gibt es ja nicht mal, sondern nur in Walters Phantasie – aber das reicht, sagt offenbar Brühl), könnte noch so einige Auswirkungen auf Demonstrationen in Gießen haben. Das ist ein Freibrief für jegliche Polizeigewalt gegen Demonstrationen.


Anklagepunkt „Beleidigung Gülle“

Es ging nach den Worten von Brühl um eine symbolische „Sprengaktion“ – Gülle – Urin – Ohrfeige
Beweiswürdigung: Gülle sei glaubhaft, da emotional authentisch. „Beredtes Zeugnis“ sei ihre Emotionalität. Das sagte Brühl. Wer bei Gülles Vernehmung dabei war, erinnert sich in der Tat an eine emotionale Person. Denn Hass ist auch eine Emotion. Dass Hass aber besonders glaubwürdig macht, ist nun Brühls neue Kiste. Hatte sie noch im Prozess mitgelacht über das absurde erste Urteil mit dem Gag, dass der Schlag von Gülle die vorangegangene Beleidigung belege, so war sie mit diesem Tiefschlag an Gesinnungsjustiz gleichauf, als sie nun den Hass von Gülle genauso verwertete wie Amtsrichter Wendel den Schlag.


Hausfriedensbruch Stadtverordnetenversammlung

Brühl machte es bei der Stadtverordnetenversammlung kurz: „B+N hätten das Hausverbot absichtlich provoziert“. Auf die Anträge wegen der nicht rechtmäßigen Strafanzeige usw. ging die Richterin lieber einfach gar nicht ein ...


Freisprüche gab es bei drei Dingen

Freispruch für B. bei der Puffverletzung, allerdings nur, weil Rechtmäßigkeit nicht gegeben. Festnahme des Angklagten nicht angebracht, da sie am Ort weder als Störer oder sonstwie aufgefallen seien. Farbschmierereien + Desinformationsschreiben seien nicht beweisbar auf den Angeklagten zurückführbar. Keine konkreten Anhaltspunkte. B. schlug nicht gezielt gegen Puff – andere bemerkten keine Übergriffe von B. auf Puff.
Allerdings deutete Brühl an, dass sie hinsichtlich der Abläufe eher den kruden Aussagen von Puff glaubte. Insgesamt zeigt sich daher deutlich: RichterInnen glauben Bullen, auch wenn die noch so offensichtlich totale Scheiße labern – wie in diesem Prozess.

Freispruch für N. bei Graffiti an Gallushalle, weil die Schuhe von N. zu groß seien mit Größe 46 1/2. Auch für eine sicherliche ins Auge gefasste Flucht sind große Schuhe ungeeignet.

Freispruch für zwei der acht Wahlplakate, weil die Veränderungen dort nicht zu den Angeklagten passten (da sollen also sogar zwei unabhängige Gruppe in der Nacht unterwegs gewesen sein? Oder was soll das jetzt eigentlich hinsichtlich der Abläufe bedeuten?).


Bewährung

B. sei „nicht bewährungsfähig“, weil sinngemäß „tut was er will“. Ausgerechnet die Bullenprügel für den Angeklagten am 6. Prozesstag ( http://www.de.indymedia.org/2005/04/111671.shtml) wurde von Brühl gegen den Angeklagten gewendet. Dass der mit Straftaten weitermache, sei zu sehen gewesen, weil er ein Plakat mit der Aufschrift „Fuck the police“ aufhängte. Mal abgesehen davon, dass es eine Gießener Erfindung ist, dass das eine Straftat ist, stand „Fuck the police?“ drauf (was die Richterin auch wusste, d.h. hier log sie im Urteil bewusst) und es war eine A3-Vergrößerung aus der Polizeidokumentation ( http://www.polizeidoku-giessen.de.vu) - siehe auch Bild oben, wo dieselbe Ausstellung abgebildet ist einige Tage vor dem Bullenangriff auf sie. Aber so ist es halt: Wer von Gülle geschlagen wird, ist schuldig. Und wer sich von Bullen verdreschen lässt, bekommt keine Bewährung. Ganz im Sinne im übrigen des Plädoyers von B. selbst, der auch sagte, eine Bewährung sei falsch, weil Lügen und Erfindungen würde die Polizei weiterhin machen, so dass er weiter mit Anklagen zu rechnen habe – vor allem nachdem er als Lieblingszielscheibe für Bullengewalt ja häufiger vermöbelt würde und die Bullen sich dann immer Geschichten einfallen lassen müssen.


Der Anklagte B. hat bereits Revision eingelegt.
Und: AnwältInnen dafür zu finden, scheitert zur Zeit am Geld.
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Ergänzungen

Gießener Allgemeine schon im Internet

AbwehrspielerIn der Ordnung 03.05.2005 - 21:30
Gießener Allgemeine ist mal schnell ... hier ein Auszug im Internet von dem, was morgen in der Zeitung steht:

Gericht schickt Projektwerkstättler hinter Gitter
Der Begründer der Saasener Projektwerkstatt soll erstmals in seiner "Karriere" als Spaßguerilla und selbst ernannter Berufsrevolutionär eine Haftstrafe antreten. Eine Kammer des Landgerichts verurteilte Jörg B. am Dienstag zu acht Monaten ohne Bewährung und bestätigte damit weitgehend ein Urteil der Vorinstanz, das der 40-jährige B. angefochten hatte. Das Amtsgericht hatte den Projektwerkstättler zu neun Monaten verurteilt. Entscheidend für das Strafmaß war, dass das Landgericht den Anklagepunkt der gefährlichen Körperverletzung bestätigte, wobei die Kammer von einem minderschweren Fall ausging. Auch in drei weiteren Anklagepunkten ging das Gericht von einer Schuld aus, von zwei Anklagepunkten wurde der wegen Hausfriedensbruch vorbestrafte B. dagegen freigesprochen. Der Mitangeklagte Patrick N. wurde in Abwesenheit wegen Hausfriedensbruch und der Beschädigung von Wahlplakaten zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. Vom Vorwurf der Staatsanwaltschaft, N. habe die Grünberger Gallushalle in einer Winternacht mit politischen Parolen beschmiert, wurde der 23-Jährige freigesprochen.

Gießen und überall

xxx 04.05.2005 - 02:08
Ich selbst war Entlastungszeuge des Anklagepunktes "Tritt gegen Polizeibeamten". Ein solcher "Tritt" hat nicht stattgefunden, bei diesem Anklagepunkt handelt es sich um ein "Konstrukt", um den Angeklagten zu "kriminalisieren" und ein "Exempel staatlicher Macht" an ihm zu "statuieren". "Puff", "Meise" und "Gülle" leben nicht in "Schilda", der Innenminister des Bundeslandes Hessens, "Volker Bouffier" schon gar nicht. Gießen ist überall.
"Die Gerechtigkeit wohnt auf einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat" (Friedrich Dürrenmatt)
"Wir haben die Macht der Richter erfunden, weil wir das Recht nicht finden können" (Blaise Pascal)
"Die Strafe hat den Zweck, den zu bessern, welcher straft, - das ist die letzte Zuflucht für die Verteidiger der Strafe" (F. Nietzsche)

Giessener Anzeiger v. 4.5.05

Pressefreiheit ist Geld wert-Gundula 04.05.2005 - 03:15
Stadt Gießen 04.05.2005

"Grenzen des Erlaubten überschritten"
Auch in Berufungsverhandlung Haftstrafe gegen Jörg Bergstedt verhängt - Geldstrafe für Mitangeklagten - "Viel Phantasie"

GIESSEN (hh). Angekündigt hatte es die Vorsitzende am Ende jedes einzelnen Verhandlungstages: Falls die Angeklagten eigenmächtig der Prozessfortsetzung fernbleiben, werde ohne sie weiter verhandelt. Doch die beiden Politaktivisten hatten sich die Teilnahme an dem Strafverfahren gar nicht entgehen lassen wollen. Und waren immer brav erschienen. Nur die Urteilsverkündung mochte Jörg Bergstedt nicht mitverfolgen. Deshalb blieb er demonstrativ vor dem Landgericht hocken. Gertraud Brühl aber setzte ihre wiederholte Ankündigung nun doch nicht in die Tat um und ließ den 40-Jährigen von zwei Polizeibeamten in den schmucklosen Saal 15 vorführen. Dann erst verkündete sie das Urteil: Acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Weit weniger Aufhebens wurde hingegen um die Anwesenheit des zweiten Angeklagten gemacht. Der 23-Jährige war nämlich auch nicht pünktlich im Sitzungssaal erschienen. Das Urteil gegen ihn wurde aber dennoch kundgetan. Und beläuft sich auf eine Geldstrafe über 500 Euro (50 Tagessätze zu 10 Euro).
Dabei korrigierte das Landgericht in der Berufungsverhandlung das Urteil des Amtsgerichts inhaltlich gleich mehrfach. Und die Vorsitzende fand dafür auch deutliche Formulierungen. Zum Erstaunen zahlreicher Prozessbeobachter aber hatte das auf die Höhe der Strafe - namentlich gegen Jörg Bergstedt - kaum Auswirkungen. Der war im Dezember 2003 wegen zwei Fällen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung Hausfriedensbruchs sowie Sachbeschädigung in acht Fällen zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Und gegen seinen Mitangeklagten war wegen Sachbeschädigung in neun Fällen und Hausfriedensbruchs eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu jeweils zehn Euro verhängt worden.
Als "unverhältnismäßig" bewertete die Dritte Strafkammer gestern die Festnahme Bergstedts an der Gallushalle in Grünberg vor einer Wahlkampfveranstaltung mit Ministerpräsident Roland Koch. Und deshalb war der Widerstand, den der 40-Jährige dagegen leistete, auch nicht rechtswidrig. Folglich wurde er deshalb freigesprochen. Auch vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung. Bei der "unverhältnismäßigen Festnahme" hatte sich nämlich ein Polizeibeamter am Finger verletzt.

Als rechtmäßig hingegen bewertete das Gericht einen weitaus spektakuläreren Polizeieinsatz im Seltersweg. Am 11. Januar 2003 hatten sich nämlich offenbar gleich mehrere Beamte auf Bergstedt gestürzt, um ihm bei einer "Spontandemonstration" ein Megaphon zu entreißen. Mit vereinten Kräften hatten die Polizisten ihn erst zum Einsatzwagen getragen und dann in das Innere "bugsiert". Dabei hatte der 40-Jährige - nach Überzeugung des Gerichts - einen Beamten mit dem "beschuhten Fuß" vor die Stirn getreten. Das war "kein gezielter Tritt", so die Vorsitzende Brühl, sondern geschah in der Abwehrbewegung. Dabei aber habe Bergstedt billigend in Kauf genommen, den Beamten zu treffen. Wie das Amtsgericht ging die Dritte Strafkammer von einem "minder schweren Fall" der gefährlichen Körperverletzung aus. Deshalb blieb es bei sechs Monaten Haft allein dafür. Freisprüche gab es für beide Angeklagte in einigen Fällen der Sachbeschädigung. Verurteilt hingegen wurde Bergstedt wegen Hausfriedensbruchs während der Stadtverordnetenversammlung am 27. März 2003 und wegen Beleidigung, weil er ein Wahlplakat der Grünen Oberbürgermeisterkandidatin Angela Gülle mit Wasser "besprengt" hatte und "Ich pisse Dich an" gesagt haben soll.
All diese Straftaten "haben sich vor dem Hintergrund der politischen Aktivitäten" ereignet. Mit "viel Phantasie" und "scharfem Überlegen" hätten beide "Herrschaftsstrukturen" und "Unterdrückungsmechanismen" aufgezeigt. Dabei aber die "Grenzen des Erlaubten überschritten". Und da Bergstedt geschildert habe, dass er sich auch weiterhin verhalten werde, "wie er es für richtig hält", seien weitere Straftaten "programmiert", so Brühl. Deshalb könne die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Und das, obwohl der Politaktivist - dem die Strafkammer die Beiordnung eines Pflichtverteidigers verwehrt hatte, an allen zwölf Verhandlungstagen versichert hatte - dass er "konkrete Angriffe" gegen Polizisten für falsch halte. Dass Gewaltanwendung seiner politische Überzeugung widerspreche. Und dass er sich obendrein mit seinem politischen Widerstand gar nicht strafbar gemacht habe.

Ergänzung Anzeiger

AbwehrspielerIn der Ordnung 04.05.2005 - 10:35
Teil des Textes im Anzeiger ist zudem ein Kommentar, der im Internet nicht zu finden war, daher hier in eingescannter Form.

FR vom 4.5.05

AbwehrspielerIn der Ordnung 04.05.2005 - 11:41
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/frankfurt_und_hessen/frankfurt_und_hessen/?sid=cf9cb21bd1115d2964769d7a713b4508&cnt=672546

Landgericht schickt Polit-Aktivisten in Haft
40-Jähriger wegen Körperverletzung verurteilt / Mitglied der Projektwerkstatt Reiskirchen
Das Landgericht Gießen hat einen 40-jährigen Polit-Aktivisten aus Reiskirchen in einem Berufungsprozess zu acht Monaten Haft verurteilt. Ihm war gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Widerstand gegen Vollzugsbeamte, Sachbeschädigung und Hausfriedenbruch zur Last gelegt worden.
VON PETER MARESCH

Giessen · 3. Mai · Sämtliche Taten aus dem Jahr 2003 standen im Zusammenhang mit den politischen Aktionen des Angeklagten. Der Aktivist gehört der Projektwerkstatt in Reiskirchen bei Gießen an, einem vor über zehn Jahren gegründeten alternativen Zentrum für Umwelt und Politik, das sich für eine herrschaftsfreie Gesellschaft engagiert und Hierarchien ablehnt. Staatsanwalt Martin Vaupel hatte neun Monate Haft beantragt. Zur gleichen Strafe war der Angeklagte schon in erster Instanz verurteilt worden. Das Gericht entlastete ihn in einem Punkt: Seine Festnahme vor zwei Jahren in Grünberg, bei der er einen Staatsschutzbeamten am Daumen verletzt haben soll, sei nicht rechtmäßig gewesen - daher wurde der Anklagepunkt des Widerstands und der vorsätzlichen Körperverletzung gegen den Beamten fallen gelassen.

Der schwerste Vorwurf lautete auf gefährliche Körperverletzung: Bei einer Festnahme am Rande einer CDU-Veranstaltung soll er einen Polizisten gegen den Kopf getreten haben, während er von vier Beamten in einen Polizeiwagen geschoben wurde - negativ wirkte sich aus, dass er dabei mit Metall beschlagene Schuhe getragen hatte.

Der 23-jährige Mitangeklagte in dem Berufungsverfahren bekam eine Strafe wegen Sachbeschädigung an Wahlplakaten von 500 Euro. Hier hatte der Staatsanwalt eine Geldstrafe von 800 Euro beantragt. Die ihm von der Anklagebehörde vorgeworfenen Farbschmierereien an der Grünberger Gallushalle konnten allerdings nicht nachgewiesen werden.

Beide Angeklagten hatten sich im Prozess selbst auf unkonventionelle verteidigt. Der 40-Jährige stellte an einem der elf Verhandlungstage eine Verhaftung mit Kuscheltieren nach. Wegen befürchteter Störungen war der Prozess von hohen Sicherheitsmaßnahmen begleitet gewesen. Der 40-Jährige will voraussichtlich Revision beantragen. "Was anderes bleibt einem ja nicht übrig", sagte er nach dem Urteil.

Es hat was gebarcht!

ray-on 04.05.2005 - 12:38
Dieses Urteil ist absurd und obwohl von der Justiz nichts anderes zu erwarten war, fällt es immer wieder schwer deren korrumpiertheit zu packen. Vermutlich merken die gar nicht wie offensichtlich ihr handeln ist. Es muss jedoch festgehalten werden, dass die beiden Angeklagten und ihre Unterstützer nicht unerfolgreich waren. Es ist gelungen den Gießener Filz aus Politik,Polizei, Justiz und Presse zumindest teilweise zum abbröckeln zu bringen. Der Artikel aus dem Anzeiger inkl. dem dazugehörigen Kommentar zeigt dies deutlich. Am Anfang der ganzen Geschichte taten sich beide Gießener Zeitungen durch das unhinterfragte Veröffentlichen der Seilschafts-Position und übler Hetze gegen die Angeklagten bzw. ihr Umfeld hervor. Es ist gelungen die kritischereren Geister innerhalb der Redaktionen zu erreichen und diesem klar zu machen welche Funktion (auch bürgerliche) Presse haben sollte. Dies ändert natürlich nichts daran, dass dieses Urteil für die Angeklagten und die Gießener Linke katasrophal ist. Es stellt einen Freifahrtsschein für die Gießener Polizei dar, unliebsam Personen mittels Falschaussagen aus dem Verkehr zu ziehen. Sie werden dabei aber in Zukunft mit einer genauen Beobachtung ihrer Taten, nicht nur durch die Presse, rechnen müssen

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