11ter ProzessTag in Aachen

Unterstützerinnen 29.04.2005 21:11 Themen: Repression
Der elfte prozesstag in aachen fand heute statt, gegen jose fernandez delgado, bart de geeter, gabriel und begonia pombo da silva, die im sommer 04 nach einem fluchtversuch von einer kontrolle festgenommen wurden.
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Prozessbericht, 29.04.2005, 11. Tag:


Der 11. Prozesstag begann am 29.04.2005 um 10:15 Uhr.
Die Dipl. Biologin West des Landes Nordrheinwestfalen, legte die 200-seitige Ergänzung des DNA Gutachtens vor, welches das letzte Mal unvollständig war. Es fehlten am letzten Verhandlungstag u.a. Diagramme etc. Das Gutachten wurde von Prof. Dr. Brinkmann erstellt, er gehört der Spurenkommission des Landeskriminalamt Nordrheinwestfalen an.
Es wurde an die Verteidiger die Frage gestellt ob es ihrerseits hierzu noch Fragen gäbe, dies wurde damit beantwortet, daß es hierzu erstmal wichtig wäre die Ergänzungen erstmal einzusehen. Daraufhin erläuterte West den Anwälten und Richtern die Ergänzung der DNA Unterlagen.
Nach diversen Kontroversen darüber entschied letztendlich die Kammer, daß sich die Ergebnisse des ergänzenden Gutachtens weitgehend mit den vorherigen Ergebnissen decken.
Die Ergänzungen kommen nicht in die Akten. RA Poell erwiderte darauf, dass er ohne Einsicht in die Akten zu haben, auch über die Ergänzung keine Fragen formulieren könne.

Als nächstes wurde der Zeuge vernommen, der als Kunde zusammen mit dem Meister in der Autowerkstatt anwesend war. Er sagte aus, dass sich im hinteren Teil des Hofes Leute befanden. Der Kfz-Meister sprach sie daraufhin an und bemerkte, dass sie bewaffnet waren. Er und der Meister wurden angeblich gezwungen in ein Kundenauto zu steigen, doch die Feststellbremse konnte nicht gelöst werden. Daraufhin konnten die beiden die Angeklagten überzeugen mit in die Werkstatt zu kommen, um sich dort zu verstecken. Er erklärte, „dass der Meister sich schnell absetzte und er als Gefangener übrig blieb“. Der Meister kam kurz zurück um aufzupassen und meinte er würde die Polizei abwimmeln. Weiter sagte er aus, dass die Angeklagten mit der Zeit nervöser wurden und „mit ihren Pistolen rum fuchtelten.“ Der Zeuge hörte einen Hubschrauber und sagte zu allen: „Hier kommt keiner lebend raus.“ Er wiederholte in seiner Aussage des öfteren, dass er mehrmals die Angeklagten darauf hinwies, dass die Sache tödlich für sie ausgehen könne. Nachdem der eine (Bart) weg war, riet er den anderen sich zu ergeben und ihre Waffen in der Werkstatt zu lassen. Nachdem sie mit ihm ausgemacht hatten, dass er mitkommt, gingen sie darauf ein. Der Zeuge unterhielt sich kurz mit Gabriel, dieser machte sich Vorwürfe. Jose machte einen sehr nervösen Eindruck auf ihn, „Ich dachte, der dreht durch.“. Weiter gab er an 2 Waffen gesehen zu haben, einen Revolver und eine Pistole. Daraufhin lies sich der Richter von ihm den Unterschied zwischen einer Pistole und einem Revolver erläutern. Auf die Frage des Richters, ob es einen Anführer des Gruppe gegeben hatte, antwortete er, dass dies ganz klar Gabriel gewesen sei. Als Nummer 2 Jose und dann Bart. Um den Jüngeren (Bart) hätte es ihm leid getan, „so jung und schon erschossen zu werden.“ Er sagte aus, dass er den Eindruck hatte, dass Bart überfordert war und heilfroh nach einer Diskussion mit Gabriel gehen zu können. Dieser erhielt noch Geld bevor er ging. Der Zeuge gab an, dem Jüngeren ebenfalls geraten zu haben zu gehen, anstatt sich zu ergeben, „damit er nicht vielleicht erschossen würde“. Der Richter fragte, ob sich der Zeuge im Gespräch nach dem Herkunftsland der drei erkundigt hätte. Zitat dazu: „Aus Nordspanien, da habe ich keine Fragen mehr gestellt, das weiss ja jeder, da sitzt die ETA.“ Er habe dann später in der Zeitung gelesen, dass es bei dem Geschehenen um etwas „ähnliches“, was politisches ginge. Ihm gegenüber wurde von den Angeklagten nichts über einen Banküberfall erwähnt, nur dass es eine Strassenkontrolle gegeben hatte. Desweiteren gab er an, wie froh er sei, dass die Polizei so „besonnen“gewesen sei, und dass er das Geschehene gut verdrängen kann. RA Ulf Israel hielt dem Zeugen vor, dass er in seiner ersten Vernehmung ausgesagt hätte, es wurde keine Waffe auf ihn gerichtet. Dieser antwortete, dass er aus seiner heutigen Erinnerung glaube, dass die Waffen auf ihn gerichtet waren, bzw. damit „rumgefuchtelt“ wurde. RA Poell fragte ihn ob er diese Vorkommnisse in seinem Bekanntenkreis schon oft erzählt hätte. Darauf antwortete er, daß er es nur seinem engsten Umfeld erzählt habe, da es kein schönes Erlebnis war.

Nach dieser Zeugenvernehmung wurde von der Kammer bekannt gegeben, daß die Vorwürfe gegen
Bart: - Widerstand gegen die Staatsgewalt
Jose und Gabriel: - Gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr und der gefährlichen Körperverletzung,
fallengelassen werden, aber trotzdem noch eine Berücksichtigung im Strafmaß finden können.

Danach folgte eine schriftliche Erkärung von Bart, die von ihm vorgetragen wurde.
In seiner Erklärung sagte er, daß er Gabriel und Jose vorher nur oberflächlich und unter (damals noch anderem Vornamen) kannte. Er hatte die beiden bei politischen Diskussionen kennengelernt, wusste dass sie Anarchisten waren. Begonia habe er erst vor Fahrtantritt kennengelernt, sie wollten sie in Köln rauslassen. Er selbst wollte seine Freundin in Bremen besuchen und ebenfalls bis Köln mitfahren. Er erklärte, dass er nicht wusste, dass Waffen im Auto waren, sonst wäre er gar nicht mitgefahren.Weiterhin, dass er nie die Idee hatte einen Banküberfall zu begehen, da die Arbeitslosenunterstützung ausreichend für seinen Lebensstandard wäre. Nach der Kontrolle und dem Schuss in die Decke wäre er verunsichert und ängstlich gewesen und hätte nicht gewusst, was er tun solle. Er könne sich auch an fast keine Details der Fahrt oder der weiteren Flucht erinnern. Er sei einfach den anderen gefolgt und habe, da er selber nicht mehr klar dachte, dass getan, wozu Gabriel ihn aufgefordert hätte. In der Werkstatt hätte Gabriel versucht ihn zu beruhigen und ihm schliesslich Geld für ein Taxi gegeben, dass er alleine abhauen könne. Weitere Fragen zur Sache beantwortete er nicht, er erklärte sich lediglich bereit Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen zu machen (Schulausbildung, Familie, Vorstrafen in Belgien (Graffiti und Benzindiebstahl) etc.).
Die Sachverständigen befragten ihn nach eigenen psychischen Erkrankungen bzw. seiner Familie, was er verneinte.

Die Sachverständigen fragten, ob Gabriel ebenfalls Fragen zu persönlichen Verhältnissen beantworten würde. RA Martin Poell erwiederte, dass die allgemeinen persönlichen Verhältnisse bekannt seien und dass Gabriel aufgrund der Vielzahl und der Wiederholung der Foltererfahrungen darüber keinen Überblick mehr habe. Die angefragte Zeugin aus Spanien könne darüber detaillierte Aussagen machen.

Es folgten die Gutachten der psychologischen Sachverständigen.
Frau Dr. Roth hielt ihr Gutachten über Jose. Aus den Rückschlüssen, die sie aus seinem Verhalten und den Aussagen der Zeuginnen schloss, gibt es für sie keinen Anhalt einer psychischen Störung mit erheblichem Schweregrad, einer hirnorganischen Auswirkung, einem Schwachsinn oder einer Intoxikation. Jose wirkt auf sie ruhig und entschlossen und manchmal nervös. Sie kann keine Auffälligkeiten bei ihm beobachten. Ihrer Meinung nach ist eine Verminderung der Schuldfähigkeit nicht erfüllt. Gabriel merkte an, ob es nicht nötig wäre die Frage nicht nur psychologisch zu stellen, sondern auch politisch und sozial, worauf es keine Reaktion von seiten des Richters gab.
Es folgte die Sachverständige Frau Jankowski, die sich über Gabriel äusserte. Wenn sie die Zeugenaussagen als Bezugspunkt nimmt, liegen bei Gabriel keine Auffälligkeiten und keine tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen vor. Sie kommt auch bei ihm zu dem Schluss, dass keine Intoxikation oder Entzugserscheinungen, Persönlichkeitsstörungen etc. vorliegen und seine Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Sie nimmt von der Verdachtsdiagnose Abstand, dass sich posttraumatische Belastungsstörungen durch seine Foltererfahrungen in Spanien hätten entwickeln können. Dies schliesst sie daraus, dass Gabriel von den Zeugen als Chef beschrieben wird und er auf sie souverän und eigenständig in seinem Verhalten wirkt.
RA Poell stellte an Frau Jankowski die Frage, ob sie im Moment persönlich mit Patienten arbeitet, dies wurde von ihr verneint, aber sie habe vorher in verschiedenen Einrichtungen mit PatientInnen gearbeitet. Zur Zeit arbeitet sie forensisch beratend. Weiter fragte er, ob sie jemals speziell mit Menschen mit Foltererfahrungen gearbeitet hätte oder ob sie wissenschaftliche Berichte über Isolationsfolter in ihre Arbeit mit einbezieht; dies wurde von ihr verneint. Dann wurde sie gefragt ob sie jemals nur einen Klienten mit Foltererfahrungen hatte. Dies wurde bejaht, es war ein ehemaliger Häftling des KZ Buchenwald.
Es wurde ausserdem von RA Poell die Frage gestellt, welche Erkenntnisse sie von Gabriel über seine Foltererfahrungen aus der Zeit vor seiner Verhaftung hätte. Darauf antwortete sie, daß es da keiner Spezialerfahrung bedürfe, um durch das Abgleichen mit ZeugInnenaussagen etc festzustellen, ob man es mit einer traumatisierten Person zu tun habe. Gabriel zeige sich sehr aktiv, auch während der Verhandlung. Bei ihm liegt kein stiller Rückzug vor. RA Poell stellte daraufhin die Frage, ob sich denn eine posttraumatische Belastungsstörung und aktives Handeln ausschliessen würden. Sie gab dazu an, daß eine solche Störung zu Angst, Panik und Vermeidungsverhalten führen würde. Die nächste Frage von RA Poell lautete, ob weglaufen eine zwingende Reaktion sei oder ob denn nicht auch genausogut eine gegensätzliche Reaktion hervorgerufen werden könne. Dies wurde von ihr bejaht, aber ihrer Meinung nach könne ein solches Verhalten nur Ergebnis einer erfolgreichen Therapie sein, und daß sie es für unwahrscheinlich hält, daß sich jemand unbehandelt aktiv entgegenstellen kann.
Diese Ausführungen beziehen sich vorallem auf sein Verhalten während der Polizeikontrolle und der darauf stattgefundenen Flucht.
Im weiteren legte sie ihre didaktisch-methodische Vorgehensweise dar, und wie sich daraus für sie ihr psychologisches Personenbild ergibt.

Als nächstes trug Dr. Christian Brücker, ein Facharzt für Psychatrie, sein Gutachten über Bart vor.
Als erstes gab er an, daß Bart eine persönliche Untersuchung nicht wollte. Er bezieht sich von daher auf die ZeugInnenaussagen und das beobachtbare Verhalten von Bart.
Auch für ihn gibt es keine Anhaltspunkte für eine schwere psychische Erkrankung, die lässt sich auch aus seiner Biografie schliessen.Seine angstzustände seien in einer solchen Situation normal, ebenso daß dadurch das Gedächtnis beeinflusst wird. Seiner Ansicht nach ist der § 20 (Verminderung der Schuldfähigkeit) als nicht erfüllt anzusehen.

Als nächstes folgen Anträge von RA Ulf Israel betreffend des Banküberfalls am 18.06.04. Erster Antrag: über den Verdächtigen Herr Müller, der den Banküberfall begangen haben könnte, soll ein morphologisches Gutachten erstellt werden und mit den Videoaufnahmen der Bank verglichen werden. Zweiter Antrag: Vernehmung von Herr Müller. Dritter Antrag: der Zeuge Kohner, der bei der ersten Ladung nicht erschien, soll kommen. Diese Anträge wurden von Staatsanwalt Geimer wegen angeblicher Unzulässigkeit angelehnt. Ulf Israel hält dem entgegen, dass es sich um rechtlich korrekte Beweisanträge handelt. Darauf gab es eine lange Pause. Nach dieser wurde die Entscheidung um die Anträge auf den nächsten Prozesstag verlegt.

Dieser wird am 04. Mai 05 um 10 Uhr im Raum 339 stattfinden.


Die Erklärung von Bart, sowie die Anträge von Ulf Israel sind bald in voller Länge auf der Hompepage www.escapeintorebellion.info nachzulesen.
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Ergänzungen

infoveranstalltung

anarchia 29.04.2005 - 23:22
ifoveranstaltung am 5.5 um 19 uhr im druckluft zum tehma " die vier von aachen"
> Am 28. Juni 2004 werden vier Personen aus Spanien und Belgien in
> Aachen nach einem Schusswechsel mit der Polizei und Geiselnahme
> verhaftet. Sie hatten versucht nach einer Polizeikontrolle zu
> flüchten. Die vier verhafteten Personen sind Bart de Geeter,
> Jose Fernandez Delgado, Gabriel Pombo da Silva und Begona Pombo
> da Silva.
> info veranstaltung am 5 mai 05 im druckluft um 19uhr
> die 4 von aachen
> Während Begona, die Schwester von Gabriel, nur indirekt an der
> Tat beteiligt war werden den anderen drei Gefangenen, die
> allesamt
> aus anarchistischen Zusammenhängen stammen, nun vor Gericht
> Vorwürfe gemacht, die von schweren Verstößen gegen die
> Straßenverkehrsordnung, über Geiselnahme, bis zu neunmal
> versuchtem Mord reichen.
>
> An dem Infoabend wollen zwei Vertreter der UnterstützerInnen der
> Gefangenen und möglicherweise auch einer der Anwälte über die
> Vorgeschichte und Hintergründe der Tat sowie über das spanische
> Knastsystem und die FIES-Isolationshaft informieren, in der zwei
> der
> Gefangenen lange Jahre verbracht haben.
>
> Neben viel Raum für Diskussionen ist auch eine Soli-VoKü sowie
> für
> Interessierte die Koordinierung von Fahrgemeinschaften zum
> Prozess
> nach Aachen am Folgetag eingeplant
>
> für mehr infos  http://www.escapeintorebellion.info und  http://www.free.de/rob

Homepage::  http://free.de/rob

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