Spanien: Korruptionsskandal der Gewerkschaften

Ralf Streck 25.04.2005 11:38 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Die Korruptionsvorwürfe beim Verkauf der Tochterfirma des deutschen Anlagenbauers Babcock Borsig in Spanien sind nie verstummt. Nun liegen Fakten auf dem Tisch, die einen Skandal für die größte spanische Gewerkschaft aufzeigen. Vor allem Vertreter der Arbeiterkommissionen (CCOO) haben sich offenbar die Zustimmung zum Verkauf an ATB vergolden lassen. Die CCOO-Firma Atlantis sollte eine Million Euro verdienen.
Der Verkauf des spanischen Standorts des insolventen deutschen Anlagenbauers Babcock Borsig Anfang 2004 an die österreichische Firma „Austria Antriebstechnik“ (ATB) roch früh nach Korruption. Tatsächlich sollten reichlich Gelder bei der Privatisierung über die „Staatliche Gesellschaft zur Beteiligung in der Industrie“ (Sepi) fließen, um den dubiosen Verkauf und die Vernichtung von 283 Arbeitsplätzen zu ermöglichen. So habe der Ex-Vizepräsident der Sepi Miguel Cuenca bei dem Verkauf der Firma im baskischen Trapagaran (Bilbao) zum symbolischen Preis von 100.000 Euro privat 560.000 Euro erhalten. Das berichtete die Zeitung El Pais mit Bezug auf ihr vorliegende Dokumente.  http://de.indymedia.org//2004/01/72434.shtml

Auch Führungs- und Betriebsratsmitglieder hätten sich nach diversen Meldungen die Frühverrentung vergolden lassen. Ganz oben dabei stünden Betriebsratsmitglieder der Arbeitkommissionen (CCOO), die knapp 400.000 Euro für die Zustimmung kassiert haben sollen. Weniger sollen Betriebsratsmitglieder der Arbeiterunion (UGT), und kleinere Summen auch Mitglieder der baskischen Gewerkschaft ELA erhalten haben. Diese „Extrakosten“ beliefen sich auf etwa sechs Millionen Euro. Dafür „werden wir nicht aufkommen“ heißt es in einem Brief der Sepi an die Firma.

Die CCOO scheint den Deal auf höchster Ebene abgewickelt zu haben. Dafür spricht, dass auch Roberto Ortega, kürzlich als Chef der Sektion Metall der CCOO im Baskenland bestätigt, von den Deals als Betriebsratsmitglied bei Babcock profitiert haben soll. An der Vermittlung der Rentenpläne mit privaten Versicherungsgesellschaften sollte auch die gewerkschaftseigene Firma Atlantis verdienen. Wie die Zeitung El Correo berichtete, sollte sie für die „völlig unnötige“ Vermittlung zu privaten Rentenversicherungen, wie Experten der Zeitung erklärten, knapp eine Million Euro erhalten. Verstrickt darin sei auch eine Firma mit Nähe zur UGT. Die Sepi, seit März 2004 von der sozialistischen Regierung geführt, weigert sich nun, mehr als 85 Millionen für die Frühverrentung zu zahlen, wie vereinbart worden war. Bei 15 Personen entsprächen die Zahlungen nicht den Vereinbarungen, erklärte die Sepi am Mittwoch. Während die baskische ELA die Betroffenen Mitglieder sofort aus der Gewerkschaft geworfen hat, wartet man auf Konsequenzen bei der CCOO und der UGT. Doch angesichts der Führung der CCOO oder UGT, die nicht das erste Mal in derlei Skandale verwickelt sind, wird man wohl lange auf Konsequenzen warten müssen.  http://de.indymedia.org//2004/04/81354.shtml Noch immer ermittelt die EU wegen massiver Veruntreuung von Fortbildungsgeldern.  http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=25202&IDC=3&DB=Archiv

Ein Konglomerat aus korrupten Firmenchefs, staatlichen Abwicklern und Gewerkschaftlern ist wohl dafür verantwortlich, dass der Deal umgesetzt wurde. Statt den Verkauf an die norwegischen Firma Enviroarc Aker zu prüfen, ging Babcock an ATB. Dabei wollten die Norweger alle Arbeitsplätze erhalten und sogar einige Millionen für die Firma auf den Tisch blättern. Der Deal mit ATB hat 283 Arbeitsplätze vernichtet und belastet die öffentlichen Kassen nun mit 85 Millionen Euro.

Das könnte noch teurer ausfallen, denn die übrigen 350 Arbeiter sehen sich einer ungewissen Zukunft entgegen. Bisher hat sich ATB nicht an den Industrieplan gehalten. Es wird vermutet, sie wolle mit dem Gelände und den Anlagen spekulieren, dessen Wert auf 200 Millionen Euro geschätzt wird. 76 Millionen Euro an Investitionen und der Transfer von Technologie im Wert von 17 Millionen Euro blieben genauso aus wie versprochene Aufträge. Die Belegschaft fordert, die „Österreicher rauszuwerfen“ und den Vertrag zu annullieren. Der Betriebsrat forderte von der Staatsanwaltschaft, die gesamte Privatisierung von der Staatsbetrieb Wilcox über Babcock zu ATB zu prüfen. Vermutet wird, dass auch schon bei der ersten Privatisierung von der Sepi an Babcock geschmiert wurde.

Wegen des Skandals wurde nun auch die Regierung in Madrid tätig. Die Sepi hat die Österreicher nun aufgefordert, den vereinbarten Industrieplan umzusetzen. Solange würden die 104 Millionen an Beihilfen nicht an ATB übertragen. Aus Österreich ließ der ATB-Präsident Christian Schmidt am Mittwoch verlauten, die Firma werde sich an die Abmachungen halten. Zeit dazu habe man dazu bis Ende 2006. Schmidt erklärte aus Wien: „Wir werden die Firma nicht teilen, wir sind keine Spekulanten“ und man wolle die Firma zu einer „Erfolgsstory“ werden lassen.

© Ralf Streck, Donostia?San Sebastian den 21.04.2005
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen