GRAFFITI und NOFITTI???

Norbert Siegl 24.04.2005 15:19 Themen: Freiräume Kultur Repression
Stellungnahme des Instituts für Graffiti-Forschung zu 'Internationaler Anti-Graffiti-Kongress in Berlin' und zur Initiative 'nofitti'
Mag. Norbert Siegl
Institut für Graffiti-Forschung
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 graffiti@web.de
0043 676 6462606

Witzigerweise wählte die sattsam bekannte Berliner Initiative "Nofitti" für ihre Propagandaveranstaltung den Begriff "Anti-Graffiti Kongress". Sie stellen damit einen Bezug zum 1. europäischen Graffiti-Kongress her, der 1998 in Wien veranstaltet wurde. Dabei wurde das "Kulturphänomen Graffiti" aus dem Blickwinkel verschiedener Wissenschaftsdisziplinen betrachtet und die erarbeiteten Ergebnisse bilden bis heute eine wichtige Entscheidungshilfe für Stadtverwaltungen in ganz Europa im fachgerechten Umgang mit diesen Formen der Kommunikation und der Jugendkultur.

Bekannt ist die Initiative "Nofitti" v.a. durch ihre völlige Unkenntnis und Ignoranz der Kommunikationsform Graffiti gegenüber. Anstatt aufzuklären wird einer gelangweilten Öffentlichkeit Gefahr und Terror vorgegaukelt, um diversen Geschäftemachern den besseren Verkauf und Interesse an ihren Produkten und Aktionen zu gewährleisten:
Reinigungsfirmen, politischen Stimmungsmachern der CDU und pensionierten Sympathisanten, die nichts besseres mit ihrer Freizeit anzufangen wissen, als Graffiti zu zerstören.

Insofern ist gerade diese Initiative dafür verantwortlich zu machen, dass in Berlin die Graffiti-Kultur überdimensionale Ausmaße erreichte und Jugendliche aus ganz Europa anreisen, um auf ihre Art gegen solchen Unsinn zu protestieren. Bekannt sind auch die immer wiederkehrenden CDU-Forderungen, die historisch wertvollen Graffiti sowjetischer Soldaten zu zerstören, welche im Berliner Reichstagsgebäude unter Denkmalschutz stehen.

Als Anfang der 1990er-Jahre Graffiti und Graffiti-Kultur als neues Betätigungsfeld des europäischen Polizeiapparates entdeckt wurden, führte in Wien ein Machtwort des Bürgermeisters dazu, dass es nicht zu ähnlichen Eskalationen kam wie in Berlin. Dort wird bis heute eine Art Hexenjagd auf Graffiti-Sprayer betrieben - mit Todesfällen und Kriminalisierung - geschürt von uninformierten Initiativen.

Wien und viele andere Städte gingen einen völlig anderen Weg:
Es wurde die Bedeutung des Graffiti-Writing als Bestandteil der internationalen Jugendkultur rechtzeitig anerkannt und mit genügend legalen Flächen dem Bedürfnis nach Ausdrucksmöglichkeiten nachgegeben. Walls of fame - legale Flächen - sind heute eine Selbstverständlichkeit in fortschrittlichen Städten. Indem genügend Platz zur Verfügung gestellt wird, werden die "illegalen" Graffiti-Varianten eingeschränkt und die Graffiti-Aktivisten - Sprayer und Writer - können erst hier ihre Fähigkeiten - ohne Zeitdruck und polizeiliche Verfolgung - voll entfalten. Ergebnisse sind Werke die das Stadtbild bereichern. Anders als in Berlin - wo Intoleranz und Repression zum gefürchteten "bombing" führen - der Überschwemmung des Stadtbildes mit Tags und Scratchings.

Dem Berliner Senat und dem Herrn OB Wowereit kann man nur empfehlen, Initiativen wie "Nofitti" schleunigst zu unterbinden und nicht auch noch zu fördern! Im Interesse der Steuerzahler (deren Gelder in unsinnige Programme fließen) und um ein friedliches Nebeneinander von Jugend- und Erwachsenenkultur zu ermöglichen! Dass dies möglich ist, zeigen Erfahrungen in tausenden europäischen Städten.


Mag. Norbert Siegl (Institut für Graffiti-Forschung, www.graffitieuropa.org)



Nachtrag:
Was soll eigentlich das konfuse Wortgebilde NOFITTI bedeuten?? Soll damit ein Bezug zu Graffiti und Graffiti-Kultur assoziiert werden?? Ungeschickter geht es kaum, es erinnert stark an die Initiative eines Kassler Sozialarbeiters, der im vorigen Jahrhundert eine
Publikationsreihe unter "GRAFITTI" herausgab... Sollten sich die Initiatoren von NOFITTI tatsächlich daran orientiert haben? Zuzutrauen
wäre es ihnen!!!
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Ergänzungen

Warum bleibt Berliner Todesopfer unerwähnt?

Clements Albtraum 24.04.2005 - 16:19
Allein die Berliner 'Medien' erwähnten den ersten Toten (ein 22jähriger, unbeteiligter Motorradfahrer, der von den Bullen auf der Karl-Marx-Allee über den Haufen gefahren wurde, als diese 'Sprayer' mit Unterstützung aus der Luft jagten), die gleichgeschalteten landesweiten Medien verschwiegen ihn total, allein Schilys Luftüberwachung wurde erwähnt.

Die Lächerlichkeit dieser Aktionen (erstes Todesopfer in den ersten Tagen (!), die Kosten für eine einzige Flugstunde mit dem EC 135 'Eurocopter' betragen 1200,- EUR etc. pp.) muss wohl heruntergekocht werden, weil sonst wirklich auch dem letzten resistenten 'Bürger' spätestens hier die Hutschnur geplatzt wäre.

Bevor ich jetzt dazu aufrufe, die Helis vom Himmel zu holen (fliegen meist über unbewohntem Gebiet der S-Bahn)... ;)