Gießen: Anzeige gegen gewalttätige Polizisten

AbwehrspielerIn der Ordnung 20.04.2005 23:04 Themen: Repression
Wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, falscher Verdächtigung und Beweismittelfälschung hat der Angeklagte Jörg Bergstedt gegen die Polizisten Anzeige eingereicht, die ihm am 11.4.2005 vor dem Landgericht Gießen angegriffen und erheblich verletzt hatten. Der Vorfall wurde im laufenden Gerichtsprozess thematisiert ( http://www.projektwerkstatt.de/prozess), das von der Polizei selbst auf Video aufgezeichnete Ereignis am auf den Polizeiübergriff folgenden Prozesstag vorgespielt. Am Donnerstag, 21.4., geht der Prozess weiter.
Der Übergriff der Bereitschaftspolizei erfolgte am 11.4.2005 gegen 8.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt – welch Fehler angesichts der gewalttätigen Gießener Polizeitruppen – war der Angeklagte B. noch allein vor dem Landgericht und brachte eine Ausstellung zu Polizeistrategien in der Region an einem Geländer an. Kurz danach kamen weitere Personen, die den Angeklagten verletzt und in Handschellen vorfanden. Der Vorgang ist unter  http://www.de.indymedia.org/2005/04/111671.shtml (Bericht vom 6. Prozesstag mit Darstellung des Polizeiübergriffs vorher) beschrieben. Der Polizeivideo wurde am darauffolgenden 7. Prozesstag im Gerichtssaal vorgeführt ( http://de.indymedia.org/2005/04/111876.shtml).

Im folgenden sind die Textfassung der Anzeige sowie von zwei Widersprüchen gegen die Massnahmen der Polizei dokumentiert:

„Anzeige wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, falsche Verdächtigung und Beweismittelfälschung am 11.4.2005
gegen Unbekannt (Führer der Polizeieinheit beim Übergriff am 11.4.2005)

Am 11. April 2005 wurde ich gegen 8.30 Uhr vor dem Landgericht im Zugang der FußgängerInnenunterführung von Beamten der Bereitschaftspolizei attackiert und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Danach erfanden Polizeibeamte vermeintliche Fusstritte von mir gegen einen Polizisten und meldeten das einer für Strafverfolgung zuständigen Stelle, u.a. der Staatsanwaltschaft Gießen.

Im Verlauf des Polizeiübergriffs kam es zu mehreren Straftaten, die ich hiermit anzeige:

1. Sachbeschädigung
Eine Ausstellung mit Auszügen aus der „2. Dokumentation zu Polizei, Justiz, Politik und Presse in und um Gießen 2005“ wurde von mir an einem Geländer befestigt. Dieses war einige Tage vorher an gleicher Stelle und in ähnlichem Zusammenhang von der da anwesenden Polizei ausdrücklich akzeptiert worden. Der Zugriff erfolgte mit der fehlerhaften Begründung, die Ausstellung enthielte eine Beleidigung. Hinsichtlich des Punktes „Beleidigung“ ist von der Polizei angeführt worden, dass die Aufschrift „Fuck the police?“ eine Beleidigung darstellen könnte. Diese Aufschrift war auf eine Dokumentationstafel zum Gerichtsprozess aufgebracht, bei der die es um einen Kreidespruch „Fuck the police“ ging. Es ist selbstredend, dass bei einer Dokumentation über diesen Prozess auch dieser Spruch erwähnt wird. Das ist keine Beleidigung. Die Wertung der Gießener Polizei ist daher absurd. Die Sicherstellung der Ausstellung ist daher rechtswidrig. Bei der Sicherstellung wurde die Ausstellung erheblich beschädigt, wenn nicht gar zerstört.

2. Körperverletzung
Nach der Sicherstellung der Ausstellung schlug mit der Führer der Polizeieinheit (Name unbekannt) einmal mit der Faust an die linke Seite meines Kopfes. Danach packte er mich an den Haaren und zerrte mich mit erheblicher Gewalt im Eingangsbereich zur FußgängerInnenunterführung hin und her, einmal zerrte er meinen Oberkörper über das Geländer. Dadurch wurde meine Nacken-﷓ und Halsmuskulatur erheblich gezerrt. Ich war im Nacken-﷓ und Halsbereich weitgehend bewegungseingeschränkt, alle diese Bereiche wiesen entsprechende Schmerzen auf. Von dort ausgehend kam es auch zu Kopfschmerzen. Die Bewegungseinschränkung und die Schmerzen hielten 2 weitere Tage an.

3. Freiheitsberaubung
Nach dieser Attacke wurde ich von mehreren Beamten auf den Boden gedrückt und mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Das ist eine Festnahme. Da sie ohne Grund und auch ohne angeführte Begründung erfolgte, stellt dieses eine Freiheitsberaubung dar.

4. Falsche Verdächtigung
Insbesondere der körperverletzende Polizeiführer, möglicherweise aber auch weitere, berichteten nach dem Vorfall ohne mein Wissen und ohne eine Eingriffsmöglichkeit von meiner Seite im Innern des Landgerichts Bediensteten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft davon, dass ich die Polizisten getreten hätte. Das ist frei erfunden. Da es gegenüber einer mit der Strafverfolgung befassten Stelle erfolgte, ist der Tatbestand der falschen Verdächtigung gegeben. Dass die Polizei dieses bei vollem Bewusstsein tat und auch eine Strafverfolgung des Opfers ihres Übergriffs wollte, lässt sich auch am Punkt 5. ersehen.
Zusätzlich ist der Straftatbestand der üblen Nachrede gegeben.

5. Beweismittelfälschung
Zur Untermauerung seiner falschen Anschuldigung ließ der Polizeiführer einen nassen Fleck auf seiner Hose filmen mit der auf dem Video zu hörenden Bemerkung, dass dieser durch einen vermeintlichen Tritt hervorgerufen wurde. Da aber der Film selbst beweist, dass es gar keinen Tritt gegeben habe, ist dieser Fleck folglich durch etwas anderes entstanden und zu einem Beweismittel umdefiniert worden.

Ich stelle Strafanzeige aus den genannten und allen weiteren denkbaren Gründen.

Als Beweismittel liegt ein Video der Polizeimassnahme vor, in dem der gewaltsame Übergriff der Polizei und die anschließende Fesselung sichtbar sind. Erkennbar ist auch, dass für die Massnahmen keinerlei Begründung abgegeben wurde.“

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„Widerspruch gegen die Festnahme am 11.4.2005
Am 11. April 2005 wurde ich gegen 8.30 Uhr vor dem Landgericht im Zugang der FußgängerInnenunterführung von Beamten der Bereitschaftspolizei attackiert und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Das ist eine Festnahme. Gegen diese lege ich hiermit Widerspruch ein.

Die Festnahme war unbegründet. Sie erfolgte nach der rechtswidrigen Sicherstellung wegen des Verdachts auf Beleidigung. Es ist bereits anzuzweifeln, ob die Sicherstellung vom geltenden Recht gedeckt ist und damit auch die Entwendung der Ausstellung mit Gewalt. Ohne jeglichen Grund aber erfolgte nach der Sicherstellung ein polizeilicher Zugriff mit erheblicher Gewaltanwendung und anschließender Fesselung mit Handschellen auf dem Rücken. Bis heute ist kein Grund für dieses Vorgehen ersichtlich. Daher lege ich hiermit Widerspruch gegen diese Festnahme ein.

Weitere Begründungen behalte ich mir vor für den Fall, dass nachträglich Gründe für die Festnahme ins Feld geführt werden.

Als Beweismittel liegt ein Video der Polizeimassnahme vor, in dem sichtbar ist, dass für den gewaltsamen Übergriff der Polizei und die anschließend Fesselung keinerlei Begründung abgegeben wurde.“

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„Widerspruch
gegen die Sicherstellung der Ausstellung zur „2. Dokumentation zu Polizei, Justiz, Politik und Presse in und um Gießen 2005“ lege ich hiermit Widerspruch ein und fordere zudem die sofortige Herausgabe der Ausstellung.

Die Sicherstellung ist unbegründet. Sie erfolgte nach Sicherstellungsbescheid wegen des Verdachts auf Beleidigung, Widerstand und Körperverletzung. Die zwei letzten Gründe scheiden schon aus, weil es denktheoretisch gar nicht möglich ist, dass eine von einer Ausstellung Widerstand und Körperverletzung ausgeht. Dass mit der Ausstellung geschlagen wurde u.ä., wurde nie behauptet und wäre auch aus der Luft gegriffen. Letzteres ist zwar für die Giessener Polizei kein Argument, da regelmäßig Geschehnisse ausgedacht werden, aber bislang ist nicht behauptet worden, mit der Ausstellung sei Widerstand oder Körperverletzung erfolgt. Daher können diese Punkte keine Begründung für eine Sicherstellung sein.

Hinsichtlich des Punktes „Beleidigung“ ist von der Polizei angeführt worden, dass die Aufschrift „Fuck the police?“ eine Beleidigung darstellen könnte. Diese Aufschrift war auf eine Dokumentationstafel zum Gerichtsprozess aufgebracht, bei der die es um einen Kreidespruch „Fuck the police“ ging. Es ist selbstredend, dass bei einer Dokumentation über diesen Prozess auch dieser Spruch erwähnt wird. Das ist keine Beleidigung. Die Wertung der Gießener Polizei ist daher absurd.

Verständlich ist zwar, dass die Polizei sich durch das verheerende Urteil der Giessener Gerichte ermutigt fühlt, mit rücksichtsloser Härte gegen jede Kritik an der Polizei vorzugehen, dennoch ist eine Dokumentation über einen Prozess etwas anderes als der Ausspruch selbst. Und eine Überschrift, bei der „Fuck the police“ in Verbindung mit einem Fragezeichen steht, ist etwas anderes als der Ausspruch selbst. Das muss auch die Polizei erkennen können, weswegen die Sicherstellung als rechtswidrig zu werten ist.

Als Beweismittel liegt ein Video der Polizeimassnahme vor, in dem die angeführten Tatsachen sichtbar sind.“

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Weitere Links:
- Dokumentation von Polizeigewalt, Kriminalisierung usw.:  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu
- Zum Prozess gegen Projektwerkstättler:  http://www.projektwerkstatt.de/prozess
- Der Scharfmacher im Hintergrund, Innenminister Bouffier:  http://www.volker-bouffier.de.vu
- Antirepression:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression
- Direct-Action:  http://www.direct-action.de.vu

Der Prozess in Gießen läuft seit dem 10. März. Am Donnerstag, den 21.4., findet der neunte Prozesstag statt. Beginn ist um 9 Uhr im Landgericht Gießen, Ostanlage. U.a. sind zwei Staatsschutzbeamte und die ehemalige Grüne Oberbürgermeisterkandidatin Gülle geladen.
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Ergänzungen

FUCK THE POLICE? was heisst das ?

FUCK THE POLICE? englisch ? 21.04.2005 - 10:57
soweit ich weiß, ham se ihn Handschellen angelegt und sind dann verschwunden, der stand wohl ne halbe stunde so vorm Gerichtssaal...



FUCK THE POLICE? eine Beleidigung ?
A.C.A.B.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Fototermin

Fotomat 21.04.2005 - 10:10
Ist eine gute Sache, dass die Polizei jetzt für ein schickes Foto von Festgenommenen mal schnell beiseite geht.